Zum Inhalt springen
KerstinH

Wie hast du's mit dem Dialog?

Empfohlene Beiträge

In letzter Zeit sind mir mehrfach ziemlich dialoglastige Bücher untergekommen, darunter auch von Bestsellerlisten, so dass ich die Bücher zum Teil wieder zur Seite gelegt habe. Natürlich kenne ich die Ratgebermeinung, dass viel Dialog eine Geschichte "lebendiger" erscheinen lässt, einem die Figuren "näherbringt" usw. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung auch, dass man mit Dialog ganz gut Zeilen schinden kann ... ;-) 

Mich würde eure Meinung interessieren: Wieviel Dialog vertragen welche Storys/Genres; gibt es da vielleicht Unterschiede? Was macht einen guten Dialog aus? Wann bevorzugt ihr Dialog, wann erzählende Passagen? Welche Funktionen hat ein Dialog überhaupt? Ist viel oder wenig Dialog in irgendeiner Weise ein Qualitäts- oder Genremerkmal? Was sind für euch grobe Fehler? Sind eure Vorlieben eventuell unterschiedlich, je nachdem, ob ihr selbst lest oder schreibt? Last but not least: Habt ihr Beispiele für besonders ge- oder misslungene Dialoge?

Bin gespannt auf einen regen Austausch.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Laut Qualifiction sollte der Dialoganteil im Text über 15 % und unter 30 % betragen. ;D

Ernsthaft: Ich mache mir nicht sehr viele Gedanken, wie viel Dialog es gibt. Das passiert organisch. Leute reden nun mal miteinander, um zu kommunizieren. Gedanken und Einstellungen der Figuren setze ich lieber im Dialog um, statt sie den Leser:innen zu erklären. Das wirkt lebendiger. 

Wann immer es geht, schreibe ich zwischen den Zeilen. Wenn Figuren direkt alles sagen, was sie denken, glauben, meinen, wird es schnell langweilig.

Statt "Du liebst mich nicht mehr" z. B. etwas wie: "Du hast mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefragt, ob wir mal wieder zusammen tanzen gehen" (natürlich an den Kontext und Charakter angepasst).

Das ist oft länger, aber weniger eindeutig. Ich überlasse den Leser:innen die Schlussfolgerung. Man muss nicht alles vorkauen und dann aufs Silbertablett spucken. Das wäre langweilig. 

Und wie immer gilt: spät rein, früh raus bzw. So kurz wie möglich und so lang wie nötig. Überflüssiges Blabla, sprich: wss für die Leser:innen nicht relevant ist, weglassen.

Dinge, die einer Figur mitgeteilt werden, die die Leser:innen schon wissen, fasse ich zusammen: "X erzählte Y, was in der Höhle passiert war."

Gute Dialoge sind ein Schlagabtausch, konfliktgeladen und zeigen die Persönlichkeiten der Figuren. 

 

 

Bearbeitet von MaschaV
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich liebe Dialoge und kann gar nicht genug von ihnen bekommen. Immer vorausgesetzt, sie sind gekonnt geschrieben. Ich muss aber auch gestehen, dass ich gern Drehbücher lese, wenn sie denn überhaupt veröffentlicht werden. Die Dialoge der drei Bände Downton Abbey sind ein Genuss von vorn bis hinten.

Aber nichts ist schlimmer als schlecht geschriebene Dialoge. Deshalb kann der Umfang an Dialogen auch kein Qualitätsmerkmal sein.

Was ihn gut macht, ist nicht so leicht festzunageln. Ich mag Dialoge, die die Sprecher charakterisieren, auch Dialoge die einen ganzen Menschentyp/schlag charakterisieren. Ich mag Geistreicheleien, Pointen, Zweikämpfe, aber auch solche, die ich einfach nur für absolut typisch für eine Situation oder für die Beteiligten halte. Dass ein guter Dialog wie eine Szene geschrieben werden soll, unterstreiche ich nicht. Er kann, muss aber nicht. Vor allem Kurzdialoge können allein von der Schlagfertigkeit der Beteiligten als auch von einem möglichen Aphorismus-charakter leben. Aber leben müssen sie. Sie müssen funkeln oder ergreifen. Sie dürfen den Leser nicht unbeteiligt lassen. Dann sind sie gut.

 

Bearbeitet von Wolf
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 45 Minuten schrieb MaschaV:

Laut Qualifiction sollte der Dialoganteil im Text über 15 % und unter 30 % betragen. ;D

Ernsthaft: Ich mache mir nicht sehr viele Gedanken, wie viel Dialog es gibt. Das passiert organisch. Leute reden nun mal miteinander, um zu kommunizieren. Gedanken und Einstellungen der Figuren setze ich lieber im Dialog um, statt sie den Leser:innen zu erklären. Das wirkt lebendiger. 

Wann immer es geht, schreibe ich zwischen den Zeilen. Wenn Figuren direkt alles sagen, was sie denken, glauben, meinen, wird es schnell langweilig.

Statt "Du liebst mich nicht mehr" z. B. etwas wie: "Du hast mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefragt, ob wir mal wieder zusammen tanzen gehen" (natürlich an den Kontext und Charakter angepasst).

Das ist oft länger, aber weniger eindeutig. Ich überlasse den Leser:innen die Schlussfolgerung. Man muss nicht alles vorkauen und dann aufs Silbertablett spucken. Das wäre langweilig. 

Und wie immer gilt: spät rein, früh raus bzw. So kurz wie möglich und so lang wie nötig. Überflüssiges Blabla, sprich: wss für die Leser:innen nicht relevant ist, weglassen.

Dinge, die einer Figur mitgeteilt werden, die die Leser:innen schon wissen, fasse ich zusammen: "X erzählte Y, was in der Höhle passiert war."

Gute Dialoge sind ein Schlagabtausch, konfliktgeladen und zeigen die Persönlichkeiten der Figuren. 

Vor längerer Zeit hatte ich mal eine Empfehlung gelesen, dass ein gut lesbarer Roman etwa 1/3 Dialoge, 1/3 Handlung und 1/3 Beschreibung enthalten sollte. Ist natürlich auch abhängig von Genre und Zielgruppe, Spannungsromane haben mehr Handlung und Dialoge, denke ich. Ich selbst lege Bücher schnell zur Seite, die fast nur Dialoge enthalten. Und ich habe noch kein Buch gelesen, das mich von Anfang bis Ende nur durch Dialoge gefesselt hätte.

Innere Monologe zum Beispiel finde ich manchmal spannender zur Charakterisierung als Dialoge. Ansonsten finde ich deine Vorschläge hilfreich, Mascha: Spät rein, früh raus.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb MaschaV:

Laut Qualifiction sollte der Dialoganteil im Text über 15 % und unter 30 % betragen. ;D

Ja, krass, oder? Ich frag mich außerdem, wie das gemessen wird. Anzahl der Gesamtzeichen minus Anzahl der Zeichen, die zwischen irgendwelchen Anführungszeichen stehen? Damit hätte Kehlmann mit Die Vermessung der Welt aber ganz schlechte Karten gehabt. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Na gut, der gehört aber jetzt zur Dramatik. Ich gehe mal davon aus, dass QualiFiction nur Epik analysieren soll. Trotzdem ist das natürlich eine sehr willkürliche Festlegung. Bei Drehbüchern käme da sicher auch eine sehr seltsame Einschätzung zustande. (Vermutlich fände das Programm da null Prozent wörtliche Rede, weil ich mir vorstelle, dass die aus formalen Gründen auf Anführungszeichen verzichten.)

Interessant übrigens, dass man Drehbücher wie eine normale Lektüre lesen kann, Wolf. Das wusste ich gar nicht. Ist bestimmt auch keine schlechte Schule fürs Romanschreiben.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 18 Stunden schrieb MaschaV:

Wann immer es geht, schreibe ich zwischen den Zeilen. Wenn Figuren direkt alles sagen, was sie denken, glauben, meinen, wird es schnell langweilig.

Statt "Du liebst mich nicht mehr" z. B. etwas wie: "Du hast mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefragt, ob wir mal wieder zusammen tanzen gehen" (natürlich an den Kontext und Charakter angepasst).

Das ist oft länger, aber weniger eindeutig. Ich überlasse den Leser:innen die Schlussfolgerung. Man muss nicht alles vorkauen und dann aufs Silbertablett spucken. Das wäre langweilig. 

Und wie immer gilt: spät rein, früh raus bzw. So kurz wie möglich und so lang wie nötig. Überflüssiges Blabla, sprich: wss für die Leser:innen nicht relevant ist, weglassen.

Gute Dialoge sind ein Schlagabtausch, konfliktgeladen und zeigen die Persönlichkeiten der Figuren. 

 

 

Das mit dem "zwischen den Zeilen schreiben" ist gefährlich und funktioniert eher bei Frauen als bei Männern. Männern braucht man mit Andeutungen nicht zu kommen. Sie begreifen die einfach nicht. Zumindest ist es im realen Leben so. Glücklicherweise geht Schlagabtausch auch mit direkten Ansagen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Minute schrieb Wolf:

 Männern braucht man mit Andeutungen nicht zu kommen. Sie begreifen die einfach nicht. Zumindest ist es im realen Leben so.

Diese Aussage ist mir zu pauschal. Sie mag auf einige Männer zutreffen, und wenn du selbst deine Zielgruppe so definierst, dass sie direkte Ansagen haben möchte oder braucht,  wirst du deine Dialoge entsprechend gestalten. Aber in meinem realen Leben kann die Mehrzahl der Männer sehr wohl sehr gut zwischen den Zeilen lesen.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich könnte mir vorstellen, dass es hier auch genretypische Unterschiede gibt. Beim hard-boiled Krimi funktionieren Dialoge - auf ihre Direktheit bezogen - sicherlich anders als bei einem Wohlfühlroman. Innerhalb desselben Romans würde ich Männer untereinander aber vermutlich auch direkter sprechen lassen als Männer mit Frauen oder Frauen untereinander. Es ist mMn vor allem eine Frage der Intention des Gesprächs.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 53 Minuten schrieb KarinKoch:

Diese Aussage ist mir zu pauschal. Sie mag auf einige Männer zutreffen, und wenn du selbst deine Zielgruppe so definierst, dass sie direkte Ansagen haben möchte oder braucht,  wirst du deine Dialoge entsprechend gestalten. Aber in meinem realen Leben kann die Mehrzahl der Männer sehr wohl sehr gut zwischen den Zeilen lesen.

 

Sicher ist es eine pauschale Aussage und möglicherweise gibt es einen Unterschied zwischen männlichen Lesern und Männern allgemein.

Aber im normalen Alltags- und Arbeitsleben funktionieren Andeutungen bei Männern nicht. Selbst unter meinen weiblichen Mitarbeitern grassierte der Spruch: "Musste ihm direkt sagen. Ist doch ein Mann." Und das kam nicht von mir.

Ich lasse es deshalb mal so stehen.

 

Liebe Grüße
Wolf

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Der Anteil von Dialog und erzählender Prosa in einem Text hängt wohl auch davon ab, wo die Stärken des Autors liegen.

Ein guter Dialog ist für mich nicht einfach nur ein Gespräch. Die Figuren sollten auf das, was der Vorredner von sich gegeben hat, eingehen, es verwenden, erweitern, umkehren etc. Bei einem schlechten Dialog reden die Figuren aneinander vorbei (wie im Leben), jeder sagt einfach nur das, was er zu sagen hat, ohne den Ball zurückzuspielen, den ihm der andere gerade zugeworfen hat. Erst dann wird ein Dialog lebendig. Ein bisschen ähnelt das Chorgesang. Ein Choral, den die Gemeinde unisono singt, klingt einschläfernd. Aber wenn ein guter Chor seine Stimmen zu verweben versteht, wenn die Sänger gegen- oder miteinander intonieren, wird Musik daraus. 

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ein guter Dialog sollte Spannung entwickeln. Es kann einen Konflikt darstellen, ein Schlagabtausch sein, Spannung erzeugende Andeutungen machen, Fragen aufwerfen, die neugierig machen, eine Figur auf interessante Weise näher bringen oder die Handlung vorantreiben. Aber vor allem sollte ein Dialog Folgendes nicht sein: Small Talk oder banales Alltagsgerede, auch wenn in der Realität 95% der echten Dialoge davon handeln.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 4 Stunden schrieb DirkH:

Bei einem schlechten Dialog reden die Figuren aneinander vorbei (wie im Leben), jeder sagt einfach nur das, was er zu sagen hat, ohne den Ball zurückzuspielen, den ihm der andere gerade zugeworfen hat.

Gerade das finde ich in einem Dialog wahnsinnig spannend, weil man damit extrem viel Subtext vermitteln kann. Eine Figur spricht etwas aus, meint aber etwas ganz anders. Anstatt lediglich Infos auszutauschen, vermitteln Dialoge, in denen sich die Figuren vordergründig falsch verstehen, Athomspäre und geben viel von sich und ihrer Haltung preis.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 46 Minuten schrieb Margot:

Gerade das finde ich in einem Dialog wahnsinnig spannend, weil man damit extrem viel Subtext vermitteln kann. Eine Figur spricht etwas aus, meint aber etwas ganz anders. Anstatt lediglich Infos auszutauschen, vermitteln Dialoge, in denen sich die Figuren vordergründig falsch verstehen, Athomspäre und geben viel von sich und ihrer Haltung preis.

Finde ich auch. Subtext ist im guten Dialog meines Erachtens das Entscheidende, denn dadurch wird der Dialog erst spannend.

Wozu Dialoge wohl am wenigsten taugen, ist, reine Informationen zu übermitteln, die eigentlich hauptsächlich für den Leser gedacht sind. Und wenn alle im gleichen Ton sprechen, der auch noch der Ton des Erzählers ist, finde ich das in der Regel auch nicht besonders gelungen (außer es liegt eine künstlerische Absicht dahinter). Dialoge sollen zwar nicht "realistisch" sein, aber sie sollten so klingen. Das herzustellen ist allerdings nicht einfach.

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Stunden schrieb Margot:

Gerade das finde ich in einem Dialog wahnsinnig spannend, weil man damit extrem viel Subtext vermitteln kann.

Da fällt mir eine Szene aus dem BBC-Sherlock ein, wo sie einen stattgefundenen Überfall vortäuschen wollen:

Sherlock: Punch me in the face.

Watson: What?

Sherlock: Punch me in the face! Didn‘t you hear me?

Watson: I did, but it‘s usually subtext.

Ich finde den Dialog sehr gelungen. Da ist seinerseits eine Menge Subtext drinnen. ;D

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Eine sehr interessante Diskussion, vielen Dank an alle Beteiligten

Aus den hier vertretenen Meinungen erhalte ich mehr Anregungen zum Thema "Dialog", als ich sie bisher in irgendeinem Buch zum Schreibhandwerk gefunden habe.

:)

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 28.8.2021 um 19:04 schrieb KerstinH:

Interessant übrigens, dass man Drehbücher wie eine normale Lektüre lesen kann, Wolf. Das wusste ich gar nicht. Ist bestimmt auch keine schlechte Schule fürs Romanschreiben.

Man kann auch Theaterstücke lesen, das habe ich früher oft getan. 99 % Dialog, ab und zu mal eine Handlungsanweisung. ;)

Man gräbt keine goldenen Halsbänder aus dem Boden. (John Vorhaus "Handwerk Humor")

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...