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DirkH

Zwei Fälle für den Kommissar

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In vielen Krimis und Thrillern muss der Ermittler zwei Fälle zugleich bearbeiten. Das sorgt dafür, dass er unter Druck gerät. Ich verwende diese Technik auch hin und wieder, bin dabei stets bemüht, beide "Fälle" am Schluss inhaltlich zu verbinden. In letzter Zeit las ich Romane berühmter Kollegen, in denen die beiden Fälle nichts miteinander zu tun haben. Das irritiert mich. Wie seht ihr das, als Autoren und als Leser: Gehören die beiden Fälle in Ermittlergeschichten unbedingt zusammen? Muss es eine Verknüpfung geben? Welcher Art? Oder ist das Wurscht?

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Ich mag lose Enden nicht, und das geht für mich in die gleiche Richtung. Wenn die beiden Fälle gar nichts miteinander zu tun haben und es auch sonst keinen Grund gibt, warum zwei Fälle auf einmal gelöst werden müssen (obwohl das im realen Leben ja so ist), stellt sich bei mir schnell das Gefühl des Zeilenschindens oder des Mittels zum Zweck (z.B. Druckerzeugung) ein. Man bringt ein bisschen mehr Action in die Handlung, ohne dass es mehr Verwicklung und damit mehr Rätsel, Spannung oder Tiefgang gäbe. Als Leserin wäre ich am Ende enttäuscht, weil ich die ganze Zeit Vermutungen angestellt hätte, wie die Fälle nun zusammenhängen. Ich fände es unbefriedigend. 

Bearbeitet von KerstinH
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Ich bin leider kein typischer Krimileser und gehöre außerdem zu den Fans von "Alles hängt irgendwie mit allem zusammen", sodass meine Meinung wohl wenig wert hat. Aber wenn ich von der handwerklichen Seite schaue, kann ich nur sagen, dass es schwieriger ist, einen guten Krimi zu schreiben, wenn ich die zwei Fälle nicht irgendwie miteinander verbinde. Ich halte es nicht für unmöglich. Und ich überschaue im Augenblick auch nicht die Vielzahl der Verbindungsmöglichkeiten. Andererseits würde mir eine Verknüpfung zweier Fälle, die nach einem Einfachschema abläuft auch zu wenig überraschend.

Ich erinnere mich nur an einen einzigen Roman zweier getrennter Fälle, aber der Autor hat selten einen wirklichen Ermittler im Zentrum der Geschichte. In diesem Fall muss der Held, ein Jockey mit gerissener Sehne, die er möglichst schnell für das nächste große Rennen wieder einingermaßen in Ordnung bekommen muss, die Nachfolge seines getöteten Bruders klären. Praktischerweise macht er es selber. Die zwei Plots sind einen Diamantenraub in der Modeschmuckbranche und ein Betrugsmanöver im Reitsport. In beiden Fällen geht es um viel Geld. Die Fälle sind unverbunden. Der Reitsportfall stört nur immer immer wieder die Hauptlinie. Ich fand die Lösung gut, was man schon daran sehen kann, dass ich mich an dne Roman noch gut erinnere.

Jetzt kommt meine enttäuschende Weisheit: Man kann beides machen, wenn man es nur gut geng macht.

Ja, ich weiß, das war jetzt nicht sehr hilfreich. Aber trotzdem ...

Wolf

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vor 1 Stunde schrieb KerstinH:

Ich mag lose Enden nicht, und das geht für mich in die gleiche Richtung. Wenn die beiden Fälle gar nichts miteinander zu tun haben und es auch sonst keinen Grund gibt, warum zwei Fälle auf einmal gelöst werden müssen (obwohl das im realen Leben ja so ist), stellt sich bei mir schnell das Gefühl des Zeilenschindens oder des Mittels zum Zweck (z.B. Druckerzeugung) ein. Man bringt ein bisschen mehr Action in die Handlung, ohne dass es mehr Verwicklung und damit mehr Rätsel, Spannung oder Tiefgang gäbe. Als Leserin wäre ich am Ende enttäuscht, weil ich die ganze Zeit Vermutungen angestellt hätte, wie die Fälle nun zusammenhängen. Ich fände es unbefriedigend. 

Danke für Deine Antwort und Meinung, Kerstin. 

Lose Enden sind nicht unbedingt gegeben, da ja beide Fälle abgeschlossen würden. Nur haben sie nichts miteinander zu tun. Ich glaube (mag aber falsch liegen), dass es zwei Fälle geben muss, weil in Krimis und Thrillern oft nur eine einzige Erzählperspektive verwendet wird. Und den Helden dann ständig nur an einer Geschichte herumoperieren zu lassen, wäre vielleicht (?) zu wenig. Der zweite Fall würde dann die zweite Erzählperspektive ein wenig ersetzen. 

Aber die Frage bleibt: Wie geht man damit am besten um. Deine Enttäuschung, wenn die Fälle nicht verbunden werden, kann ich nachvollziehen. Ich knobele beim Lesen auch immer schon mit, wie der Autor diese Kurve kriegen will und bin/wäre dann am Ende ein wenig enttäuscht. Aber auch ein bisschen überrascht, was nichts Schlechtes sein muss.

Danke auch Dir, Wolf. Dein Beispiel hört sich stark nach einem Krimi von Dick Francis an und liest sich so, als wäre genau das im Sinn des Autors gewesen, was Kerstin kritisiert: Ein Störelement für den Ermittler. Aber eben nichts, was den eigentlichen Hauptfall letztlich vorantreibt oder gar zum Abschluss bringt. Du schreibst ja, dass zwei Fälle, die zusammenlaufen, Dich zu wenig überraschen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Kerstin meint, dass Ihre Erwartung nicht erfüllt würde. Möglicherweise haben wir hier ein Beispiel für ein grundsätzliches Dilemma der Unterhaltungsliteratur: Überraschen oder Erwartungen erfüllen. Vielleicht geht sogar beides?

Bearbeitet von DirkH

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@ DirkH: Aus meiner Sicht (habe das häufig super umgesetzt gelesen und gesehen) ist genau das der Trick:

Man hat zwei Verbrechen - und die Leser*innen (nicht zwingend der Ermittler selbst) gehen davon aus, dass beide Verbrechen zusammenhängen und schließen somit mögliche Täter*innen für beide Taten aus, weil sie eine von beiden nicht begangen haben können (zeitlich, körperlich; oder gar kein Motiv dafür hatten, die Leute nicht kannten etc.).

Meistens ist es dann so, dass ein Verbrechen (Tat A) wirklich aus böser Absicht verübt wurde (von einem Bösewicht) und die andere Tat (Tat B) schicksalhafter/emotionaler von einer (nicht unbedingt bösen) Figur, auf die man nie als Täter*in gekommen wäre, weil sie Tat A nicht begangen haben konnte.

Der Trick ist also, die Leser*innen dadurch auf eine falsche Fährte zu locken, indem man sie Verbindungen zwischen mehreren Taten vermuten lässt, die es gar nicht gibt. Und dadurch, dass der (eigentlich gute) Täter B niemals die grausame Tat A begangen haben konnte, hat man ihn auch automatisch für Tat B ausgeschlossen - weil man halt davon ausging, dass beide zusammenhängen.

Auch in (z.B. skandinavischen) Krimis im Fernsehen sieht man dieses Muster häufig.

 

Bearbeitet von MichaelT
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vor 15 Minuten schrieb DirkH:

Ich glaube (mag aber falsch liegen), dass es zwei Fälle geben muss, weil in Krimis und Thrillern oft nur eine einzige Erzählperspektive verwendet wird.

Genau deshalb schreibe ich meinen aus mehreren.

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vor 33 Minuten schrieb DirkH:

Überraschen oder Erwartungen erfüllen. Vielleicht geht sogar beides?

Überraschen auf eine Art, die die Erwartungen übertrifft. :-) Es muss für mich einen in der Geschichte liegenden Grund geben, warum der zweite Fall da ist. Wenn es nur ein Störmanöver ist, liegt für mich der Grund außerhalb, ich spüre quasi die Absicht des Schreibers („es braucht hier jetzt was Störendes“) und bin verstimmt. 

Bearbeitet von KerstinH
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vor 41 Minuten schrieb MichaelT:

Der Trick ist also, die Leser*innen dadurch auf eine falsche Fährte zu locken, indem man sie Verbindungen zwischen mehreren Taten vermuten lässt, die es gar nicht gibt. Und dadurch, dass der (eigentlich gute) Täter B niemals die grausame Tat A begangen haben konnte, hat man ihn auch automatisch für Tat B ausgeschlossen - weil man halt davon ausging, dass beide zusammenhängen.

 

Danke für Deine Analyse, Michael. Liegt denn der Verdacht, dass der zweite Fall etwas mit dem ersten zu tun haben könnte, allein beim Leser, oder auch beim Ermittler? Oder funktioniert beides?

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vor 19 Minuten schrieb DirkH:

Danke für Deine Analyse, Michael. Liegt denn der Verdacht, dass der zweite Fall etwas mit dem ersten zu tun haben könnte, allein beim Leser, oder auch beim Ermittler? Oder funktioniert beides?

Geht beides.

Aber nicht "könnte", sondern das sollte für den Leser/die Leserin ganz klar sein, dass die zusammenhängen.

Bearbeitet von MichaelT
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Für mich als Leserin käme es auch drauf an, wie es dargestellt ist.

Wenn die Ermittler denken - und mir damit suggeriert wird -, dass die zwei Fälle miteinander zusammenhängen, aber am Schluss stellt sich heraus, es sind doch zwei getrennte Fälle, habe ich damit kein Problem. Das gibt es ja sogar öfter, dass es am Schluss zwei verschiedene Täter waren.

Wenn durch einen Fall die Ermittler auf eine Spur oder einen Gedanken kommen, der ihnen hilft, den anderen, davon losgelösten Fall zu lösen, dann habe ich damit auch kein Problem.

Wenn dagegen die Ermittler einfach nur nebeneinanderher zwei verschiedene Fälle lösen, würde mich das irritieren und ich mich fragen, was der Sinn dessen ist.

Bearbeitet von Luise
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Für mich sind zwei parallele Fälle kein Problem, solange sie Dramaturgisch (aus den Protas oder dem Plot) motiviert sind und elegant aufgelöst werden.

Z.B. kann es sein, dass Ermittler:innen am Anfang des Krimi einen Fall zu Ende bringen müssen, bei dem sie Fehler gemacht haben und diese Fehler beim nächsten vermeiden wollen, was dann aber wieder zu Problemen führt. Beide Fälle sind dann über das vermeiden/machen von Fehlern miteinander, also über die Prota verbunden.

LG

MArtin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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vor 18 Stunden schrieb MichaelT:

Geht beides.

Aber nicht "könnte", sondern das sollte für den Leser/die Leserin ganz klar sein, dass die zusammenhängen.

Dann scheint es sich um den klassischen Fall eines Red Herring zu handeln, oder?

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Ich hatte Dirks erstes Posting so verstanden, dass die beiden Fälle gar nichts miteinander zu tun haben - überhaupt nichts -, nur darauf bezog ich mich, als ich sagte, das würde mir als Leserin nicht gefallen. Wenn es mir vorkäme, als brauche man vierhundert Seiten, hätte aber nur einen Fall für zweihundert und schreibt dann eben noch einen Fall dazu. Sobald es der Story inneliegende Gründe für den zweiten Fall gibt, ist das was anderes, auch wenn es nur falsche Fährten sind (und es demnach ja doch irgendwelche Überschneidungen geben muss). Es muss für mich einfach einen Grund geben, warum der zweite Fall überhaupt auftaucht. Nur, damit der Ermittler ein bisschen unter Druck gerät (zeitlich, vermute ich), würde ich keinen zweiten Fall konstruieren, das scheint mir wirklich unelegant. Dann würde ich ihm eher den Schreibtisch vollhauen mit Fällen und ihn ab und zu entnervt in den Papieren wühlen oder den Rechner ein paar Mal abstürzen lassen. 

Bearbeitet von KerstinH
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vor 50 Minuten schrieb KerstinH:

Nur, damit der Ermittler ein bisschen unter Druck gerät (zeitlich, vermute ich), würde ich keinen zweiten Fall konstruieren

Ich auch nicht. Das wäre m. E. mit Kanonen auf Spatzen geschossen, wenn ich eine etwa identisch große Gewichtung beider Fälle voraussetze - und so habe Dirks Eingangsposting auch verstanden: ein Kommissar bearbeitet (und löst?) in einem Roman zwei Fälle, die bis zu letzten Buchseite nichts miteinander zu tun haben. 

@Dirk: Oder bearbeitet der Kommissar in der Hauptsache einen Fall und wird alle 70 Seiten vom Chef dran erinnert, dass er noch die Nummer  "mit der Unfallflucht mit Todesfolge" irgendwann mal bearbeiten muss, was dann Zeitdruck auslöst und damit hat es sich?

Schöne Grüße,

Holger 

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vor einer Stunde schrieb KerstinH:

Ich hatte Dirks erstes Posting so verstanden, dass die beiden Fälle gar nichts miteinander zu tun haben - überhaupt nichts -

Das war nur als Aufhänger für die Diskussion gedacht. Ist aber tatsächlich eine der Möglichkeiten, und zwar eben die, die mich hat stutzen lassen. 

Ich finde Martins Gedanken reizvoll: Dass die Fälle nicht so sehr über die Handlung, den Täter, verbunden sind, sondern über die Entwicklung des Ermittlers. Dann stellt sich auch nicht die Frage: Was vermutet der Leser?

@Holger Die beiden Fälle sind gleichwertig. Zuletzt tauchte das in Michael Connellys "Die Verlorene" auf (entsetzlicher Titel, im Original heißt das Buch "The wrong side of goodbye"). Zwei Fälle, aber kein Zusammenhang. Die Lösung des ersten Falls war sogar dramatischer als die Lösung des zweiten und sorgte für eine Spannungsspitze recht früh in der Geschichte. Trotzdem hat das Buch für mich funktioniert. 

Bearbeitet von DirkH

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Wie gesagt: Wenn es geschickt gemacht ist, geht der Leser ja davon aus, dass alles irgendwie zusammenhängt - ohne das im Buch jemals wirklich aussprechen zu müssen.

Es gibt einen amerikanischen Thriller-Autor, von dem mehrere Bücher als Mini-Serien verfilmt wurden. Da ist es genau das Prinzip: An jeder Ecke gibt's irgendein Verbrechen - und das Ganze zieht die Spanung daraus, wie alles zusammenhängt. Die Antwort ("vieles gar nicht") mag dann für einige am Ende etwas enttäuschend sein, aber spannend war's trotzdem. Wichtig ist natürlich, dass in der letzten Viertelstunde nicht 5 Verbrechen mit 5 verschiedenen Tätern aufgeklärt werden, sondern nach und nach im Verlauf der Serie - und das wichtigste Verbrechen (das die Hauptfigur am meisten betrifft) ganz am Ende. Irgendeine Verbindung zwischen den Figuren gibt es natürlich immer (oft steht eine Familie im Mittelpunkt, die alle beteiligten Figuren irgendwie kennt), aber die Taten haben teilweise nichts miteinander zu tun.

Bearbeitet von MichaelT
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Aber ich denke, Serien sind was anderes. Da gehe ich mit einer anderen Erwartung ran, auch wenn es da mehrere Fälle in einer Folge gibt. Da binde ich mich emotional ganz anders an die Hauptfiguren.

Aber wenn es für die Leser auch in einem Einzelband funktioniert ... Für mich täte es das nicht. Ich hatte ja anderweitig mal einen Thread eröffnet, wo es um enttäuschende Auflösungen ging. Für mich ändert das nachfolgend die Qualität des Buches, selbst wenn es vorher vielleicht sogar richtig spannend war. Für andere zählt genau diese Spannung und das Ende ist nicht so wichtig. Sind halt unterschiedliche Rezeptionen. 

Bearbeitet von KerstinH
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vor 2 Minuten schrieb KerstinH:

Aber ich denke, Serien sind was anderes. Da gehe ich mit einer anderen Erwartung ran, auch wenn es da mehrere Fälle in einer Folge gibt. Da binde ich mich emotional ganz anders an die Hauptfiguren.

Ich meinte Mini-Serien (etwa 6 Stunden), die oft auf Büchern basieren.

Bearbeitet von MichaelT
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Jetzt bin ich ein wenig verunsichert.

@Dirk
Hast Du nun bereits eine (Deine) feste Geschichte vor Augen, oder sollte Deine Frage der Start einer Grundsatzdebatte sein?

Im ersten Fall wäre meine Antwort gewesen: "Schreib einfach" oder "Lass Dich nicht irritieren".
Für den zweiten bleibe ich dabei, dass alles möglich ist, wenn es nur gut gemacht ist.
Dass zwei Fälle miteinander verbunden sind und beide Teil des Rätsels ist die Hauptvariante. Aber die Verbindung muss nicht unbedingt über das Rätsel und die Aufklärung bestehen. Da gibt es auch ganz andere Möglichkeiten. Zusätzliche Spannung durch Zeitdruck ist recht platt. Spannend sind für mich immer psychologische Verbindungen, die etwas mit der Person des Ermittlers zu tun haben.
Ob zwei völlig voneinander getrennte Fälle, die lediglich zwei Seiten des Protagonisten zeigen und im Extremfall bei Dr Jeckyll und Mr. Hide landen, auch funktionieren - ich halte es für möglich. Aber so etwas ist nicht einfach zu schreiben.

Liebe Grüße
Wolf

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vor 36 Minuten schrieb Wolf:

Hast Du nun bereits eine (Deine) feste Geschichte vor Augen, oder sollte Deine Frage der Start einer Grundsatzdebatte sein?

Es geht um Grundsätzliches. Daraus resultiert aber wohl in vielen Fällen etwas Konkretes. Angesichts der schönen Beiträge bin ich davon sogar überzeugt. 

Der "zweite Fall" scheint nach dem, was ihr schreibt, eine Vielzahl von Funktionen haben zu können: Zeitdruck aufbauen, Wirkung auf die Persönlichkeit des Ermittlers, falsche Fährte, Katalysator einer überraschenden Wendung am Schluss (habe ich was vergessen?). Der zweite Fall birgt aber zugleich auch die Gefahr, Erwartungen zu schüren und den Leser dann zu enttäuschen.

Fallen euch Beispiele ein, die man anfügen könnte?

 

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Wenn zwei verschiedene Fälle ermittelt werden, wäre für mich zumindest ein thematischer Zusammenhang wichtig, auch wenn die Fälle dann unmittelbar nichts miteinander zu tun haben. Wenn also z. B. ein Krimi sich den Fluch des Geldes als Thema vornimmt, kann der eine Fall gut zeigen, wie man sich die Chefetage einer großen Bank gegenseitig meuchelt, um Machenschaften zu vertuschen, während der zweite Fall zeigt, wie eine einfacher Angestellter am anderen Ende der Nahrungskette durch die Folgen dieser Machenschaften zum Verbrecher wird.

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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vor einer Stunde schrieb DirkH:

 Zeitdruck aufbauen, Wirkung auf die Persönlichkeit des Ermittlers, falsche Fährte, Katalysator einer überraschenden Wendung am Schluss

Wenn ich jetzt mal von 400 Seiten Romanumfang ausgehe und ich 200 Seiten davon verwende, um einen Fall zu konstruieren mit all seinen Verästelungen, Wendungen, Plot, Figurenzeichnungen, Dialogen usw., dessen Zweck darin besteht z. B. Zeitdruck zu erzeugen, kann ich mir die 200 Seiten Aufwand mit dem Satz: "In 48 Stunden übernimmt das LKA, Leute."  sparen. Dazu benötigt es keinen zweiten Fall. Auch die anderen Punkte sind innerhalb eines Falles mit weniger Aufwand herstellbar.

Ich frage mich eben die ganze Zeit, worin der dramaturgische Gewinn liegt, zwei komplette, voneinander völlig unabhängige Kriminalfälle parallel zu erzählen, von denen keiner Auswirkungen auf den anderen hat, die ich nicht auch mit einem Fall erzeugen könnte. Aber vielleicht muss ich einfach mal das Buch lesen, das zu angeführt hast.

Schöne Grüße,

Holger

Bearbeitet von Holger
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vor 2 Minuten schrieb Holger:

Ich frage mich eben die ganze Zeit, worin der dramaturgische Gewinn liegt, zwei komplette, voneinander völlig unabhängige Kriminalfälle parallel zu erzählen ...

Ja, du bringst es für mich auf den Punkt: Dramaturgischer Gewinn. Der muss gegeben sein.

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vor 18 Minuten schrieb AndreasG:

Wenn zwei verschiedene Fälle ermittelt werden, wäre für mich zumindest ein thematischer Zusammenhang wichtig, auch wenn die Fälle dann unmittelbar nichts miteinander zu tun haben. Wenn also z. B. ein Krimi sich den Fluch des Geldes als Thema vornimmt, kann der eine Fall gut zeigen, wie man sich die Chefetage einer großen Bank gegenseitig meuchelt, um Machenschaften zu vertuschen, während der zweite Fall zeigt, wie eine einfacher Angestellter am anderen Ende der Nahrungskette durch die Folgen dieser Machenschaften zum Verbrecher wird.

Das ist eine weitere gute Verwendungsmöglichkeit dieses Elements, Andreas. Damit hebst Du das Ganze auf die übergeordnete, poetische Ebene, oder?. Kann ich mir gut vorstellen, dass das funktioniert. 

@Kerstin und Holger: Dramaturgischer Gewinn – was wäre das? Könnt ihr ein konkretes Beispiel für das nennen, was ihr damit meint? Wäre das nicht schon gegeben, wenn beide Fälle ungelöst sind und vom Ermittler in durchaus dramatischer Handlung gelöst werden müssen? 

 

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Für mich müssten sich die Fälle irgendwie befeuern. Einen Fall zu lösen und dann noch einen - oder mittendrin den zweiten - das finde ich nicht spannend. Nicht spannender jedenfalls, als zwei Krimis zu lesen. Für mich müsste der zweite Fall einen Mehrgewinn bringen, ohne den z.B. der erste nicht zu lösen ist. Oder so.

Ich antworte jetzt nicht für Holger,  aber ich zitiere ihn mal (ich meine, das hab ich hier von ihm irgendwo gelesen): Wenn man eine Szene aus einem Drehbuch nicht entfernen kann, ohne dass die Handlung Schaden nimmt, dann ist sie relevant. Eine ähnliche Relevanz bräuchte für mich der zweite Fall, sonst könnte man m.E. ein zweites Buch draus machen.

Ich hätte sonst den Verdacht, man will nur den Kommissar ein bisschen mehr beschäftigen und der Leser soll nicht merken, dass der Fall nicht über vierhundert (oder wieviel auch immer) Seiten trägt. (Das unterstelle ich dir jetzt nicht, das ist nur ein Beispiel, wie die Konstellation ansonsten auf mich wirken würde).

Es müsste dadurch eine Potenzierung erfolgen, kein einfaches Aufaddieren von zwei Fällen.

Bearbeitet von KerstinH
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