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WolfgangG

Wechsel zwischen Ich-Perspektive und personalem Erzähler

Empfohlene Beiträge

Liebe KollegInnen,

in letzter Zeit sind mir gleich mehrere Bücher untergekommen, in denen der Autor zwischen Ich-Perspektive (Hauptfigur) und personalem Erzählstil (Nebenfiguren, Antagonist) wechselt - eine Kombination, von der in diversen Schreibratgebern explizit abgeraten wird. Irgendwo war, glaube ich, sogar einmal von einem "No go" die Rede. Kristallisiert sich da ein neuer Trend heraus? Oder bin ich nur zufällig gehäuft auf solche Romane gestoßen? Wie geht es euch damit? Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Perspektivwechsel den Lesefluss stört. Problematisch wird es m.E. nur dann, wenn mehrere Ich-Perspektiven verwendet werden.

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Ich habe eine komplette Serie mit inzwischen 7 Büchern in genau diesem Stil geschrieben und habe nicht eine einzige negative Rückmeldung wegen des Perspektivwechsels erhalten.

Im Gegenteil; bei 6 Leserunden über Lovelybooks mit sehr kritischen Lesern habe ich immer zu hören bekommen, dass das zwar ungewöhnlich sei, aber auch sehr erfrischend.  

Und was Ratgeber betrifft: Hätte ich mich an die dort aufgestellten "Regeln" gehalten, wäre wohl niemals ein verlagsfähiges Projekt entstanden. 

"Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren"

(Karl Lagerfeld - und der muss es ja wissen)

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vor 41 Minuten schrieb WolfgangG:

Liebe KollegInnen,

in letzter Zeit sind mir gleich mehrere Bücher untergekommen, in denen der Autor zwischen Ich-Perspektive (Hauptfigur) und personalem Erzählstil (Nebenfiguren, Antagonist) wechselt - eine Kombination, von der in diversen Schreibratgebern explizit abgeraten wird. Irgendwo war, glaube ich, sogar einmal von einem "No go" die Rede. Kristallisiert sich da ein neuer Trend heraus? Oder bin ich nur zufällig gehäuft auf solche Romane gestoßen? Wie geht es euch damit? Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Perspektivwechsel den Lesefluss stört. Problematisch wird es m.E. nur dann, wenn mehrere Ich-Perspektiven verwendet werden.

Andrea Schacht hat das schon vor 15 Jahren gemacht

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vor 28 Minuten schrieb VolkerS:

Und was Ratgeber betrifft: Hätte ich mich an die dort aufgestellten "Regeln" gehalten, wäre wohl niemals ein verlagsfähiges Projekt entstanden. 

Laut Ratgebern gehen auch Prologe überhaupt gar nicht und sind absolut verpönt. Jetzt ratet mal, was ich in meiner aktuellen Reihe immer voranstelle und was mittlerweile zum Markenzeichen geworden ist, das bei den Lesern großen Anklang findet. 

Nein, Wolfgang, mach mal ... ich mag das als Leser auch. 

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Perspektive ist eine bunt gescheckte Kuh, die von jedem durch ein anderes Dorf getrieben wird. 

(Ups, zu viel Metaphern gefrühstückt)

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Ich finde das auch nicht schlimm. Es kommt auf den Einzelfall an und kann für richtige tolle Effekte sorgen, wenn ich den Eindruck habe, dass der/die Verfasser/in wusste, was er da tut. Ich mag auch Geschichten gerne, in denen zwischendurch ganz kurz die Perspektive gewechselt wird.

~~~ Carina alias C. R. Scott ~~~

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Laut Ratgebern soll man auch nicht mit dem Wetter anfangen ... o.O Ich hab selbst mal einen Roman mit diesem Wechsel geschrieben. Ist halt ein Wandel im Schreibstil, der in den letzten Jahren immer mehr an "Liebhabern" gewinnt. 

 

:-)

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Ich hab das auch schon vor ein paar Jahren öfter gelesen (als es in Psychothrillern üblich wurde, mehrere Perspektiven zu verwenden).

Entweder Hauptfigur in Ich-Perspektive und die anderen in 3. Person.

Oder die Hauptfigur (und ggf. Nebenfiguren) in 3. Person und z.B. die Täterperspektive in "Ich" (das hab ich auch schon öfter gesehen).

Oder - vor allem, wenn es gleichrangige Hauptfiguren gibt - mehrere Ich-Perspektiven. Das hab ich noch vor zwei, drei Jahren kritisch gesehen, aber wenn das gut gemacht ist, liest sich das super. Vor allem, wenn es um eine Gruppe geht, von denen (mindestens) einer der Böse ist - und alle können es sein. Dann hat man das Gefühl, jeder erzählt einem die Geschichte, aber einer verschweigt uns das Wichtigste. Und man verdächtigt von Anfang an jeden. Das mag ich sehr! Und wenn dann noch im Hörbuch jede Perspektive von einer/einem anderen SprecherIn gelesen wird, ist es perfekt. :)

Bearbeitet von MichaelT
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Mir ist das zum ersten Mal bei Lian Hearn in Clan der Otori begegnet. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt war es selten und ein Regelbruch. Aber da sie das souverän durchzog, gab es keinerlei Kritik. es wurde nur in einigen Rezensionen angesprochen.

Es gibt eine weit wichtigere Regel, die man sogar in einigen Schreibratgebern findet. "Wenn es funktioniert, ist es erlaubt."
Ich schreibe so nicht, hätte aber nicht die geringsten Schwierigkeiten es zu tun.

Liebe Grüße
Wolf

 

 

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Dann gibt es den Wechsel zwischen Ich-Erzähler und personaler Perspektive wohl doch häufiger als ich dachte. In den Werken, die mir zuletzt untergekommen sind, hat er mich nicht gestört. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Wäre mal interessant zu wissen, unter welchen Umständen sowas funktioniert und wann nicht.

Zitat

Oder - vor allem, wenn es gleichrangige Hauptfiguren gibt - mehrere Ich-Perspektiven. Das hab ich noch vor zwei, drei Jahren kritisch gesehen, aber wenn das gut gemacht ist, liest sich das super.

Vielleicht auch Geschmackssache, aber bei mehreren Ich-Perspektiven komme ich durcheinander. Ich hatte da mal ein Buch, das ich sogar abbrechen musste. Leider hab ich den Titel vergessen.

Bearbeitet von WolfgangG
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Mich stört das nur bei Romance/New Adult-Titeln, wenn ihre Sicht aus der Ich-Perspektive beschrieben wird, seine aber aus der dritten Person, weil er ja ach so unnahbar ist ... :D 

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Am 30.3.2021 um 14:19 schrieb WolfgangG:

Dann gibt es den Wechsel zwischen Ich-Erzähler und personaler Perspektive wohl doch häufiger als ich dachte. In den Werken, die mir zuletzt untergekommen sind, hat er mich nicht gestört. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Wäre mal interessant zu wissen, unter welchen Umständen sowas funktioniert und wann nicht.

 

Ich kann  das bestimmt nicht pauschal oder vollständig beantworten, aber zumindest einen Fall nennen, wo es sinnvoll wäre. Ich habe einen Protagonisten, der sich in einer oder gegen eine ganze Welt durchsetzen muss. Das kann man sehr gut aus der Ich-Perspektive heraus schreiben und ist so recht nahe an der Figur.

Wenn man dann vom Prota in die Welt wechselt, in der verschiedene Gegenspieler mit eigenen Threads existieren, dann eignen sich in diesen Teile die personale er/sie- Perspektive am besten, weil man so die Fäden besser verweben kann. Und gleichzeitig hat man eine Struktur gewählt, die das Gegensatz von einer gegen eine ganze Welt besonders deutlich macht. Wäre für mich der Ansatz der Wahl in diesem Fall.

Liebe Grüße
Wolf

Bearbeitet von Wolf
massiv Tippfehler, Ächz
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Ach, das Problem ist, dass die meisten Ratgeber nur von einander abschreiben. Es gibt in der Literatur nur eine Wissenschaft, die bereits Geschriebenes (und erfolgreiches) analysiert und daraus Hypothesen entwickelt. Es gab niemand, der Perspektivregeln aus dem Nichts entwickelt hat, sondern Perspektiv"regeln" sind aus den Analysen von bereits Geschriebenem entstanden. Es fehlen daher die Thesen, die Dinge, die noch nicht sichtbar sind, vorhersagen. 

Ratgeber können nur Empfehlungen sein, denn sie basieren auf Erfahrungswerten der Vergangenheit. Sie veralten daher und wenn alle voneinander abschreiben, bekommen die Ratgeberschreiber eventuell gar nicht mit, dass neue Erkenntnisse entstanden sind. 

Ich finde Ratgeber und auch Schulungen für gut, solange man sich das für sich Passende herauszieht und anderes als das nimmt, was sie sind: Meinungen. 

Bearbeitet von IlonaS

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

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Am 29.3.2021 um 10:28 schrieb MelanieM:

Andrea Schacht hat das schon vor 15 Jahren gemacht

Ich kann mich an einen von mehreren wunderbaren Montségur Workshops mit Andrea Schacht erinnern, wo sie in etwa auf die Frage einer Teilnehmerin antwortete, welche die von ihr vorgegebene Regel für eine Aufgabe hinterfragt hatte: man könne jede Regel brechen, aber zuvor müsse man sie beherrschen, ein Stephen King zum Beispiel könne das, wobei sie schmunzelnd hinzufügte, wir seien schließlich hier, um das auch zu lernen. ich erinnere mich noch oft und gerne an diese Workshops mit Andrea Schacht.

lG

Christine

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Da bin ich mir nicht so sicher. Theoretisch ist das richtig, aber praktisch ist die Nähe zur Person bei der Ich-Perspektive größer als bei er/sie, was zur Folge hat, dass bei der Ich-Perspektive auf eine eigene Erzählerstimme verzichtet werden kann - es ist das Ich -, wohingegen man oft neben er oder sie noch eine weitere "neutrale" Stimme einführt. Das wird oft dann deutlich, wenn auf eine personale Perspektive eine Beschreibung folgt, die im Detail für die Person unmöglich ist.

Manche bezeichnen das als einen Autorenfehler, der nicht passieren darf, aber dieser Effekt kann auch absichtlich genutzt werden um eine Färbung des Autors unterzubringen.

Ich hoffe, dazu finden sich noch mehr Meinungen, zumal das kontrovers diskutiert wird.

Liebe Grüße
Wolf

 

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Für mich ist der Hauptunterschied, dass man bei Ich-Perspektive nichts Wichtiges weglassen kann, ohne die Figur unzuverlässig werden zu lassen. Bei personaler Perspektive hingegen hat man eine größere Wahl, was man dem Leser zeigt und was nicht, ohne die Glaubwürdigkeit der Figur zu beschädigen.

Dass die Nähe zur Person bei der Ich-Perspektive aber automatisch größer ist, würde ich nicht sagen, das hängt m.E. sehr davon ab, wie nahe man auch bei personaler Perspektive herangeht, wie viel Innenleben man zeigt und wie wenig man verschweigt.

Oder meintest du die gefühlte Nähe, die man als LeserIn hat? Da würde ich dir zustimmen, weil man bei Ich-Perspektiven automatisch davon ausgeht, ganz nahe dran zu sein und die Informationen sozusagen aus erster Hand zu bekommen.

 

Bearbeitet von KerstinH
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vor 12 Stunden schrieb KerstinH:

Oder meintest du die gefühlte Nähe, die man als LeserIn hat? Da würde ich dir zustimmen, weil man bei Ich-Perspektiven automatisch davon ausgeht, ganz nahe dran zu sein und die Informationen sozusagen aus erster Hand zu bekommen.

Dem stimme ich auch stark zu. Selbst das bewusste Weglassen von Informationen (auch Falschinformationen) oder Handlungen hat in der Ich-Perspektive mit der gefühlten Nähe zu tun. Die Ich-Person will dann eben dieses Gefühl der Halb- oder Falschinformation von sich erzeugt wissen.

Wir haben keine andere Welt, in die wir auswandern können. (Gabriel García Márquez)
www.luis-stabauer.at  twitter  Facebook  Literaturport

 

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Der Ich-Erzähler darf lügen oder beschönigen. Das macht ihn spannend. Außerdem darf er politisch unkorrekt sein. Bei Timur Vermes "Er ist wieder da" bestand der geniale Kniff ja darin, Hitler selbst als Ich-Erzähler auftreten zu lassen. Somit war sichergestellt, dass niemand dem Autor dieses Gedankengut unterstellen konnte - es lag allein bei der Figur - dem fiktiven Hitler. 

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Ich meinte das eher auf die Story bezogen. Wenn der Ich-Erzähler was weglässt oder lügt, ohne dass der Leser es merkt, weil der Autor seinen Lesern vermittelt, dass der Ich-Erzähler integer sei, dann wird er unzuverlässig. Ansonsten kann der Ich-Erzähler natürlich so durchgeschossen sein wie jeder andere auch.

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Ich liebe unzuverlässige ErzählerInnen. Vielleicht weil sie mir, wenn ich ihr Treiben durchschaue, das Gefühl der Überlegenheit als Leserin geben. Oder ich liebe gute Twists, wenn sich herausstellt, dass ich mich als Leserin habe narren lassen.

Hier ein paar schöne Beispiele (alles Hörbücher, aber das macht ja nix)

https://magazin.audible.de/unzuverlaessige-erzaehler/

Meine liebste unzuverlässige Erzählerin ist diese Dame

http://archiv.bachmannpreis.orf.at/bachmannpreisv2/bachmannpreis/texte/stories/117531/

 

 

 

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Die Diskussion mit dem unzuverlässigen Ich-Erzähler hatten wir schon öfter.

Wenn ich z.B. einen Krimi oder Psychothriller lese und stelle nachher fest, dass der Ich-Erzähler mich als Leser dauernd angelogen hat, find ich das nicht gut.

Dann lieber so, dass er nicht mich anlügt, sondern eine Figur im Buch (durch ein Tagebuch o.ä.) und das in die Handlung eingebaut wird (wie bei Gone Girl z.B.).

Bearbeitet von MichaelT
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Die besten unzuverlässigen ErzählerInnen, sind ja die, die sich selbst anlügen, genau wie (Achtung Spoiler) die Erzählerin in der verlinkten Geschichte. Denen kann man dann gar keinen Vorwurf machen. Das ist raffiniertes Erzählen.

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Ich schwanke bei meinem Projekt noch immer in meiner Entscheidung zwischen Ich-Erzähler und personalem Erzähler. Inzwischen habe ich die ersten fünf Kapitel in beiden Varianten (personal und Ich-Erzähler) geschrieben, bekomme aber einfach kein Gefühl dafür, welche die bessere Lösung ist. Was macht man in einem solchen Fall? Das Problem hatte ich bisher noch nie. Bei meiner Emons-Reihe war klar, dass ich aus der Ich-Perspektive erzähle, bei den letzten beiden Thriller-Projekten habe ich jeweils ohne weitere Überlegung mehrere personale Erzähler gewählt. Nur hier schwanke ich so zwischen Ich+ 2x personal oder nur personal. 

Ich will versuchen, meine Gedanken zu sortieren. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, in der Ich-Perspektive  noch einen Tick näher an der Figur dran zu sein als beim personalen Erzähler. Das mag ein subjektives Empfinden sein, trifft bei mir aber so zu.  Nun stehen mir die Thematik und das gewählte Umfeld der Hauptfigur näher als bei den vorangehenden Romanen, wodurch es mir leichter fällt, in ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen. Genau das birgt aber auch die Gefahr, dass es zu einer Vermischung von Autoren-Ich und Erzähler kommt, was wiederum kontraproduktiv wäre. Außerdem ist die Story kein "klassischer Fall" für einen Ich-Erzähler, da auch andere Figuren und deren Wahrnehmung eine gewichtige Rolle spielen. Ich könnte also ohnehin nur eine Kombination aus Ich-Erzähler und zwei weiteren personalen Perspektiven schreiben. Mit einem unzuverlässigen Erzähler haben wir es hier  übrigens nicht zu tun.

Hat wer eine Idee, was ich tun kann, um den Entscheidungsprozess voranzubringen?

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