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FlorianV

N-Wörter in historischen Romanen

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vor 2 Minuten schrieb Lisa:

Und ich glaube, dass wir zu diesem Prozess beitragen können, wenn wir solche Sätze wie den von mir zitierten Satz von Wolf selbstkritisch hinterfragen, und die damit verbundene eigene Befindlichkeit bzw. Reaktion dann ablegen.

Das sehe ich ganz genauso, Lisa. Solche Sätze mag ich genauso wenig wie "man wie doch noch sagen dürfen ...", oder "ich bin ja kein, aber ..."

Allerdings gehört auch Feinfühligkeit auf beide Seiten zu einer vernünftigen Diskussion. Wenn Aktivist:innen, die oft gar nicht zu gefragten Minderheit gehören, jede Gelegenheit nutzen, um mit dem Vorschlaghammer und Totschlagargumenten gegen vermeintlich Andersdenkende vorzugehen, ist das einem vernünftigen gesellschaftlichen Diskurs nicht gerade zuträglich. Besser überzeugen als anfeinden.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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vor 31 Minuten schrieb DirkH:

Aber die Geschichte unserer Vorfahren ist halt eine Geschichte der Gewalt, auch der sprachlichen. Sehen wir zu, dass wir das bald hinter uns lassen können.

Ein bisschen OT, aber nur ein bisschen: Mir ist das vor längerer Zeit auch mal aufgefallen, und zwar im Zusammenhang mit der Inquisition, der in Europa nicht nur Frauen, aber doch sehr viele Frauen auf furchtbare Weise zum Opfer fielen. Seither benutze ich Redewendungen wie "auf die Folter spannen" oder "die Daumenschrauben anlegen" nicht mehr, auch wenn sie heute in anderem Kontext gebraucht werden. Das ist mir einfach zu grässlich.

Noch ein anderes Beispiel: Eine meiner Romances spielt in Andalusien, da sitzen die Heldin und ihr Love Interest an einem Sommerabend in einem Café gegenüber der Alhambra in einem Viertel, das im späten Mittelalter von "Gitanos" besiedelt wurde, die auch eine spezielle Musik mitbrachten. Mir war klar, dass bei dem Begriff eine Rückfrage kommen würde. Das Wort stand so in der Wikipedia, heißt auf spanisch aber "Zigeuner". Das habe ich in einem Kommentar zum Text erklärt, hinter das Wort "Zigeuner" aber ein Fragezeichen gemacht. Die Lektorin rief mich später an und meinte, sie fände nett, dass ich mitdenke. Allerdings ging es in der Romance nicht um irgendeine politische Aussage oder ein Statement, deshalb habe ich dem Verlag überlassen, was er draus macht. Bin gespannt, wie sie das gelöst haben.

Bearbeitet von KerstinH
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"Gitanes" ist ja sogar eine französische Zigarettenmarke, die ich vor 40 Jahren regelmäßig geraucht habe. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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vor 27 Minuten schrieb DirkH:

Um es noch komplizierter zu machen: Berber ist ebenfalls eine abfällige Bezeichnung, mit der es sich die Europäer einfach machten, weil sie die Namen der zahlreichen Ethnien nicht behalten konnten oder wollten. Ich bin oft überrascht (sebstverständlich auch über mich selbst), mit wie viel kolonialem Gedankengut und imperialistischem Vokabular wir durchsetzt sind. Aber die Geschichte unserer Vorfahren ist halt eine Geschichte der Gewalt, auch der sprachlichen. Sehen wir zu, dass wir das bald hinter uns lassen können.

Das hast du sicher recht.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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vor 51 Minuten schrieb Ulf Schiewe:

Das möchte ich unterstreichen. Rassismus lässt sich nicht durch eine Änderung der Wortwahl besiegen, sondern nur durch eine Änderung der Einstellung. Ob "Schwarze", "Neger", "Farbiger", "Person of Color", diese Begriffe ändern sich ständig und werden immer wieder gegeneinander ausgetauscht, ohne dass sich an der Sache viel geändert hat. Ein Rassist ist ein Rassist, egal wie er sich ausdrückt. Trotzdem soll man natürlich auf seine Wortwahl achten. Im heutigen, aber auch im historischen Kontext eines Romans.

Ich denke, die beste Begründung, warum man das Wort heute nicht mehr außerhalb von historischen Romanen (oder als Schimpfwort bei einem Rassisten in einem Gegenwartsroman) verwenden sollte, liegt eben darin, dass es negative Emotionen provoziert. Und man sollte das nicht auf die Hautfarbe beschränken. Man wird immer Menschen aller Hautfarben finden, die das Wort okay finden oder sich nicht daran stören, ebenso, wie man immer Leute aller Hautfarben finden wird, die sich daran stören. 

Wenn man das Wort außerhalb eines klar umrissenen HR-Kontextes verwendet, muss man sich klar machen, dass man eine Zündschnur entfacht - irgendwer wird dann explodieren. Egal, welche Hautfarbe der hat. 

 

 

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vor 16 Minuten schrieb MelanieM:

Wenn man das Wort außerhalb eines klar umrissenen HR-Kontextes verwendet, muss man sich klar machen, dass man eine Zündschnur entfacht - irgendwer wird dann explodieren. Egal, welche Hautfarbe der hat. 

Genau deshalb sind ja auch viele Wörter aus der alltäglichen Sprachwelt verschwunden. Ich nehme vieles, was für mich früher selbstverständlich war, nicht mehr in den Mund. Auch den Ausdruck von Kerstin "Auf die Folter spannen" nicht, ich glaube, noch nie. Einen interessanten Artikel zu den Klassikern wie "Huckleberry Finn" und "Vom Winde verweht" habe ich noch gefunden. Da diskutieren ein Übersetzer und eine Literaturwissenschaftlerin über das "N"-Wort. Sie meint u.a., man müsse das alles streichen, damit auch Schulkinder es wieder lesen können, der Übersetzer sagt, man kastriere ein Buch in seinem Zusammenhang. Auch Schiller habe "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan" nicht aus rassistischen Gründen gesagt. Es ist immer ein kleiner, feiner Unterschied. Umgang mit Rassismus in Neuübersetzungen

Bearbeitet von Christa
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Die nachträgliche Änderung von Büchern finde ich problematisch, weil man damit auch etwas glättet und einen historischen Kontext unsichtbar macht. Ich wäre für erklärende Fußnoten. 

Mein Lieblingsbeispiel ist da Pippi Langstrumpf. Man nannte den "Negerkönig" nun "Südseehäuptling". Aber der Rassismus selbst bleibt. Denn nicht das Wort Negerkönig ist der kritisch zu würdigende Rassismus, sondern die Tatsache, dass man Eingeborene so darstellt, als müsse sich nur irgendein schusseliger Weißer anschwemmen lassen und schon wählen die Eingeborenen ihn zu ihrem König - weil er als Weißer natürlich per se überlegen ist. Da ist es auch völlig wurscht, ob das nun der "Negerkönig" oder der "Südseehäuptling" ist - rassistisch ist die Weltanschauung, die vermittelt wird - die aber bei Astrid Lindgren natürlich nicht für ihren Rassismus steht, sondern für ihre Sozialisation. 

Wenn man den "Negerkönig" einfach nur austauscht, damit man das Buch den Kindern wieder vorlesen kann, ohne darüber nachdenken zu müssen, vermittelt man trotzdem das rassistische Denken. Wenn man ihn lässt und darüber mit den Kindern diskutiert, erreicht man m.E. viel mehr. 

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Ich möchte, das Geschichte immer so bleibt, wie sie gewesen ist und nicht wie wir sie heute gerne hätten. Ich möchte, dass auch uns nachfolgende Generationen Geschichte noch so vorfinden, wie sie einmal wahr, um sie autentisch bewerten zu können. Weiß ernsthaft jemand, wie man in drei Generationen, am Ende dieses Jahrhunderts, über das Wort "Neger" denken wird? Schreibt man in der Historie, sollte man das N-Wort so verwenden, wie es damals verwendet wurde, schreibt man im Heute, sollte man es als rassistisch besetzt verwenden.

Ich bin nicht dafür, dass ein Buch mit einer Interpretationshilfe, wie was gemeint ist, zu versehen; zumindest bei Büchern für Erwachsene. Ein erwachsener Mensch sollte doch in der Lage sein, den zeitlichen Kontext der Bedeutung der Worte zu erkennen. Worte haben nun mal die Eigenschaft, ihre Bedeutung zeitlich immer wieder zu verändern. Das muss doch ein Leser einordnen können.

Ein paar Worte zur Diskussion an sich. Teile der Beträge von Jennifer und Olga triggern mich in einer unangenehmen Art und Weise, vielleicht ist das sogar Ziel, zu triggern. Die Wortwahl, der Satzaufbau, das Ziel der Argumentation (Du bist Rassist, weil du nicht so denkst wie ich, und wir müssen noch viel in den Köpfen aufräumen. Du willst Rassismus konservieren, weil du nicht so denkst wie ich.), dass alles habe ich schon mal gehört, noch immmer im Ohr und sehe es immernoch mit den Augen vor mir. 

Zitat

Mir geht es wie meiner Schwester. Ich denke manchmal anders als die Mehrheit. Ich spreche es nicht aus, dann wäre ich …, das vierbuchstabige N-Wort. Ich habe davor Angst. Das wird immer schlimmer, Tag für Tag, wie eine Spirale des Schweigens. Lange geht das nicht mehr gut. Ich werde im Leben keinen Fehler zweimal machen. Ich höre einen Song, ganz leise, nur ich, am Abend mancher Tage stimmt die Welt nicht mehr.

Das ist meine Protagonistin und auch ich. Manchmal ist es besser zu schweigen, obwohl ich weiß, dass es falsch ist. Ich setze mir dann die Kopfhörer auf und höre Musik, bis ich wieder reden kann. Ich wollt es einfach nur mal gesagt haben.

Bearbeitet von Dietmar
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vor 33 Minuten schrieb Dietmar:

Ich möchte, das Geschichte immer so bleibt, wie sie gewesen ist und nicht wie wir sie heute gerne hätten. Ich möchte, dass auch uns nachfolgende Generationen Geschichte noch so vorfinden, wie sie einmal wahr, um sie autentisch bewerten zu können.

Hier vermischt du m.E. etwas. Geschichte wird immer retrospektiv beurteilt. Die Interpretationen von Geschichte ändern sich. Und das ist legitim - vor allem hat das dann oft mit der Gegenwart zu tun - weil man Parallelen sieht, bzw. aus der Geschichte Antworten sucht und das in einen anderen Erfahrungskontext setzt.

Davon unabhängig ist die überprüfbare Kultur- und Ausdrucksweise, die man in der Geschichte findet und die man natürlich im HR authentisch darstellen sollte, wenn es sich um ein Sittengemälde handelt, das echtes Zeitcolorit vermitteln soll. Das darf man nur ändern, wenn man entweder anspruchslose Historicals schreibt - oder aber das Gegenteil - experimentelle Literatur, wo klar ist, dass man gerade mit dieser Änderung eine tiefere Absicht verfolgt.

Dinge, die völlig klar nachprüfbar sind - z.B. Sprache - kann man also historisch betrachten. Man sagte in Deutschland noch bis in die 1980er Fräulein, auch wenn es offiziell auf Behördenformularen schon 1970 gestrichen wurde. Aber ich habe noch Dokumente aus den 1980ern, wo ich Fräulein genannt werde. (um mal ein anderes Wort zu verwenden, das heute als diskriminierend aber früher als normal galt).

Bis in die 1960er sagte man z.B. "ich fahre einen VW", wenn man den Käfer meinte. Käfer wurde er erst in den 1970ern im weiteren Sprachgebrauch, als andere VW-Modelle aufkamen. Solange es nur den Käfer gab, oder VW nur mit Käfer gleichgesetzt wurde, hieß das Ding VW. 

Man wird also in der Sprache viele Dinge finden, die sind tatsächlich eindeutig und nicht weginterpretierbar. Aber Sprache ist nicht Geschichte - Geschichte wird im Gesamtkontext bewertet und interpretiert - und der verändert sich ständig. Auch heute nutzen vor allem populistische Parteien und Regierungen Geschichtsrevision und Geschichtsklitterung, um ihren eigenen Anspruch zu stärken. Da werden Dinge neu interpretiert und in einen anderen Kontext gesetzt. Aber auch Historiker tun das, dann aber, weil sie z.B. neue Erkenntnisse haben, da ggf. bislang geheime Akten freigegeben wurden. Das ist dann keine Klitterung, sondern eine neue Bewertung von erweiterten Fakten. 

 

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vor 5 Stunden schrieb MelanieM:

Die nachträgliche Änderung von Büchern finde ich problematisch, weil man damit auch etwas glättet und einen historischen Kontext unsichtbar macht. Ich wäre für erklärende Fußnoten. 

Habe jetzt eine Zeit lang darüber nachgedacht. Das mit den Fußnoten klingt plausibel. Aber wenn ich mir das genauer anschaue, könnte das in einem Roman ganz schön "wissenschaftlich" oder verkopft wirken. Nehmen wir mal an, jemand sagt in einem historischen Roman (nach Schiller):

"Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Der Mohr kann gehen." Jetzt setze ich mal u.a. als Fußnote die Beschreibung darunter, die Angelika gegeben hat.

Der Begriff "Mohr" wurde bis zum Jahr XXX verwendet und gilt heute als abwertend. Dabei kann man sich auf Mauretanien und den "Mauren" berufen, so wurden die nordafrikanischen Menschen von den Kreuzrittern genannt. Letztlich geht aber auch das zurück auf ein griechisches Wort (μάυρος), das wieder "schwarz" bedeutet. 

Oder ein Roman aus den 60er Jahren.

"Fräulein Jansen, haben Sie den VW schon zur Werkstatt gebracht?", fragte der Chef.

??

Ich wäre eher dafür, wenn schon, dann ein Glossar dieser Wörter anzulegen oder das im Nachwort ausführlicher zu beleuchten.

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vor 5 Minuten schrieb Christa:

Habe jetzt eine Zeit lang darüber nachgedacht. Das mit den Fußnoten klingt plausibel. Aber wenn ich mir das genauer anschaue, könnte das in einem Roman ganz schön "wissenschaftlich" oder verkopft wirken. Nehmen wir mal an, jemand sagt in einem historischen Roman (nach Schiller):

"Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Der Mohr kann gehen." Jetzt setze ich mal u.a. als Fußnote die Beschreibung darunter, die Angelika gegeben hat.

Der Begriff "Mohr" wurde bis zum Jahr XXX verwendet und gilt heute als abwertend. Dabei kann man sich auf Mauretanien und den "Mauren" berufen, so wurden die nordafrikanischen Menschen von den Kreuzrittern genannt. Letztlich geht aber auch das zurück auf ein griechisches Wort (μάυρος), das wieder "schwarz" bedeutet. 

Oder ein Roman aus den 60er Jahren.

"Fräulein Jansen, haben Sie den VW schon zur Werkstatt gebracht?", fragte der Chef.

??

Ich wäre eher dafür, wenn schon, dann ein Glossar dieser Wörter anzulegen oder das im Nachwort ausführlicher zu beleuchten.

Ja, am besten ist es, so etwas im Nachwort zu machen. Ich habe z.B. auch bei "Mehr als die Erinnerung" im Nachwort erklärt, wie die Bezeichnungen von Menschen mit geistigen Behinderungen sich verändert haben - als ursprünglich "Idiot" ein neutraler Fachbegriff war, der dann aber missbraucht wurde, weshalb dann "Schwachsinniger" folgte - der natürlich auch wieder missbraucht wurde und dann kam "minderbegabt" - was auch als Schimpfwort missbraucht wurde - und im Moment sind wir bei "intelligenzgemindert" - das ist so kompliziert auszusprechen, dass man sich dann doch lieber wieder schnell und einfach mit "Idiot" beschimpft.

Bearbeitet von MelanieM
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vor 47 Minuten schrieb MelanieM:

Ja, am besten ist es, so etwas im Nachwort zu machen. Ich habe z.B. auch bei "Mehr als die Erinnerung" im Nachwort erklärt, wie die Bezeichnungen von Menschen mit geistigen Behinderungen sich verändert haben - als ursprünglich "Idiot" ein neutraler Fachbegriff war, der dann aber missbraucht wurde, weshalb dann "Schwachsinniger" folgte - der natürlich auch wieder missbraucht wurde und dann kam "minderbegabt" - was auch als Schimpfwort missbraucht wurde - und im Moment sind wir bei "intelligenzgemindert" - das ist so kompliziert auszusprechen, dass man sich dann doch lieber wieder schnell und einfach mit "Idiot" beschimpft.

Finde ich auch gut so. Zum Beispiel ist der Begriff "geisteskrank" ja schon lange nicht mehr üblich. Ich sehe aber ein Schild vor meinen Augen, das u.a. "Geisteskranken" den Besuch im Freibad verbietet, ist allerdings länger her. Wenn ich noch mal einen historischen Roman oder einen aus den sechziger Jahren schreiben sollte, würde ich alle belasteten Wörter im Nachwort erwähnen. "Fräulein" dagegen ist selbstverständlich, finde ich. Das mit "Frau" zu ersetzen wäre wahrlich Verfälschung.

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vor 10 Minuten schrieb Christa:

Finde ich auch gut so. Zum Beispiel ist der Begriff "geisteskrank" ja schon lange nicht mehr üblich. Ich sehe aber ein Schild vor meinen Augen, das u.a. "Geisteskranken" den Besuch im Freibad verbietet, ist allerdings länger her. Wenn ich noch mal einen historischen Roman oder einen aus den sechziger Jahren schreiben sollte, würde ich alle belasteten Wörter im Nachwort erwähnen. "Fräulein" dagegen ist selbstverständlich, finde ich. Das mit "Frau" zu ersetzen wäre wahrlich Verfälschung.

Ich soll die Sprache meiner Kindheit in einem Nachwort erklären? Im Ernst? Ich habe eine gebrochene Biografie, ich weigere mich, die Sprache des ersten Teils zu erklären.

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Wo ist denn das Problem, bei Wörtern, bei denen man genau weiß, dass sie heute anders - und zwar negativ - verstanden werden, das zumindest in einem Nachwort zu (er)klären?

Anders bei Wörtern, wo einem das nicht klar ist. Da scheinen mir auch eher die problematischen Fälle zu liegen. Da ist nicht immer gleich böser Wille oder Kaltschnäuzigkeit im Spiel, andererseits weiß man ja manchmal wirklich nicht, wie sehr den anderen vielleicht grade was verletzt. 

Schwierig finde ich es immer, wenn mit Verve gefordert und verlangt wird, dass der andere die eigene Sicht der Dinge zu teilen hat. Egal, welche das jetzt ist. Oder wenn sofort Rassismusvorwürfe kommen. Da wäre beiderseitig ein bisschen mehr Nachsicht gut, weniger Angriff auf der einen und weniger Halsstarrigkeit auf der anderen Seite. 

Wie viele hier angemerkt haben, geht es ja den wenigsten darum, absichtlich zu verletzen, im Gegenteil, die meisten bemühen sich redlich, starten Anfragen wie diesen Thread, setzen Fußnoten, schreiben erklärende Vor- oder Nachworte. Aber solche Prozesse vollziehen sich auch nicht über Nacht.

Und da sind die, die es gar nicht erst „falsch“ gelernt haben - sprich: die Jüngeren - im Vorteil. Ich erinnere mich z.B. gut, das „Schwarzer“ früher ein absolutes Schimpfwort war. Und das ist tief drinnen, das will mir immer noch genauso schwer über die Zunge wie das N-Wort, von dem ich das erst später gelernt habe. Das ist auch kein böser Wille, sondern tatsächlich Verwirrung, wenn sich Begrifflichkeiten mal eben ins Gegenteil verkehren.

Eventuell sind Leute, die heute PoC sagen, in zehn oder fünfzehn Jahren in der gleichen Situationen, sprich: Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Das Ganze lässt sich, wie hier auch schon angemerkt wurde, sowieso nur lösen, wenn die Missstände hinter den Wörtern angegangen werden. 

Bearbeitet von KerstinH
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Jetzt ist die Diskussion schon wieder viel weiter gelaufen. Deshalb werde ich hier zu @ Lisas Post auch nur sagen, dass ich ihr grundsätzlich recht gebe, das uns aber auch vor die Aufgabe stellt, neue beschreibende Begriffe für Gruppeneigenschaften zu finden, die weitgehend wertneutral sind

Zu all den anderen Dingen, die ich in diesem Zusammenhang noch los werden möchte, schicke ich Ihr später noch eine PN, weil sonst mehrere Diskussionsebenen wieder durcheinander geraten.

Aber mir gefällt, die Diskssion, wie sie im Augenblick läuft, sehr gut.

Einen schönen Sonntag wünsche ich
Wolf

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vor 9 Stunden schrieb Dietmar:

Ich soll die Sprache meiner Kindheit in einem Nachwort erklären? Im Ernst? Ich habe eine gebrochene Biografie, ich weigere mich, die Sprache des ersten Teils zu erklären.

Dietmar, du SOLLST überhaupt gar nichts. Jeder ist völlig frei, das zu handhaben, wie er möchte. Ich erkläre auch nicht die Sprache meiner Kindheit im Nachwort, sondern für interessierte Leser'innen, warum sich Sprache geändert hat. Das ist m.E. etwas völlig anderes. Sprachliche Begriffe kann jeder nachschlagen, dann findet er die AKTUELLE Bedeutung. Aber wenn es einen Bedeutungswandel gab, ist das für einige Leser'innen sehr interessant, und die, die das nicht interessiert, können das Nachwort ja überblättern. In vielen Hörbüchern wird das Nachwort sowieso nicht mitgelesen. 

Ich persönlich schreibe Nachworte auch nie so, dass ich mich als Autorin für irgendetwas rechtfertige - also auch nicht für die Begrifflichkeiten. Ich werde z.B. im Nachwort zu dem Buch, in dem das Wort "Neger" vorkommt, auch nicht im Nachwort erklären, wieso ich ausgerechnet dieses Wort benutze - weil sich das aus dem Text selbst ergeben wird, sondern der Leserschaft Hintergründe vermitteln, wie die damalige Situation in Deutschland war - und auch die Situation von dunkelhäutigen Franzosen, die besonders schwierig war, denn ihre weißen französischen Landsleute haben sie ja genauso verachtet wie die weißen Deutschen - das war ja tatsächlich auch genau so gemeint, wie es die Deutschen damals empfunden haben - als Demütigung. Diese komplexen Zusammenhänge sind m.E. viel wichtiger für ein Nachwort, wenn sie eine Handlung mit Hintergrundinformationen ergänzen, die man in den Roman nicht reinbringen konnte, weil das langweiliger Infodump wäre. 

Man darf selbstverständlich in einem Roman auch Sprache unkommentiert lassen - niemand zwingt einen, alles in einem Nachwort zu erklären. Ich denke, das sollte man sich klar machen: Ein Nachwort dient der Information der Leser über weiterführende Aspekte, die dem Roman zugrunde liegen, die aber nicht mehr hineinpassten - beim HR ist das m.E. ein Abriss über die Geschichte und was real und was fiktiv ist. 

Wer ein Nachwort nutzt, um sich selbst zu rechtfertigen, hat schon im Roman etwas falsch gemacht. Der Roman sollte so geschrieben werden, dass er keiner Rechtfertigung bedarf. Wer sich unwohl mit einem Thema fühlt und meint, er müsse sich dann rechtfertigen, damit er niemandem auf die Füße tritt, sollte das Schreiben aufgeben, weil es überhaupt kein einziges Buch auf der ganzen Welt gibt, das jedem gefällt und von dem sich nicht zumindest irgendeiner angegriffen fühlt. 

Das schöne Beispiel ist doch dieses Kinderbuch über das Corona-Virus, in dem es hieß, das Virus komme aus China - und dann beschwert sich das chinesische Konsulat, dass sie das unverschämt finden - und sofort wird das Kinderbuch zurückgezogen, der Satz gestrichen und eine Neuauflage gedruckt. Dabei ist das Corona-Virus zum ersten Mal in China nachgewiesen worden und von da aus hat es sich verbreitet. Das ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine Tatsache. 

Bearbeitet von MelanieM
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vor 54 Minuten schrieb MelanieM:

Das schöne Beispiel ist doch dieses Kinderbuch über das Corona-Virus, in dem es hieß, das Virus komme aus China - und dann beschwert sich das chinesische Konsulat, dass sie das unverschämt finden - und sofort wird das Kinderbuch zurückgezogen, der Satz gestrichen und eine Neuauflage gedruckt. Dabei ist das Corona-Virus zum ersten Mal in China nachgewiesen worden und von da aus hat es sich verbreitet. Das ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine Tatsache. 

Die Diskussion entwickelt sich wieder vorwärts, da stimme ich Wolf zu. Bisher habe ich bei keinem meiner Bücher in einem Nachwort Wörter erklären müssen, die heute keiner mehr in den Mund nehmen würde. Und es kam auch nie eine Beschwerde darüber, dass sich jemand verletzt gefühlt hätte. Im Normalfall erklären sich die Wörter  selbst, und die meisten Leser sind intelligent genug, um sich ihr eigenes Bild zu machen. Bei den letzten drei Büchern habe ich aber gemerkt, dass die Lektor*ìnnen da vermehrt draufzuschauen scheinen. Die Wörter werden also schon vorher durchgesiebt ("griechische Nase"). Wobei man ja auch das Lektorat nicht 1 zu 1 umsetzen muss. Ich glaube, jeder Autor hat ein Gespür dafür, welche Wörter wirklich passend sind. Und wenn man über das chinesische Virus schreibt, sollte man das Buch nicht zurückziehen, nur weil das der totalitären chinesischen Regierung nicht passt. Und sich auch mit den Lektoren vorher darüber auseinandersetzen. 

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vor 21 Stunden schrieb MelanieM:

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Danke, diese Schreibweise gefällt mir besonders, weil sie ganz nahe am gesprochenen gendern ist, beim Sprechen die kurze Pause vor dem "innen" zu machen, um die gegenderte Sprache mit einem Nichtlaut auszudrücken.

Wir haben keine andere Welt, in die wir auswandern können. (Gabriel García Márquez)
www.luis-stabauer.at  twitter  Facebook  Literaturport

 

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vor 7 Minuten schrieb LuisS:

Danke, diese Schreibweise gefällt mir besonders, weil sie ganz nahe am gesprochenen gendern ist, beim Sprechen die kurze Pause vor dem "innen" zu machen, um die gegenderte Sprache mit einem Nichtlaut auszudrücken.

Vor allem reißt es nicht aus dem Lesefluss. Ich gehöre zu den Schnelllesern - und bei dem * in einem Zeitungstext merke ich, dass ich das Wort nicht mehr vollständig wahrnehme, sondern gebremst werde und es überfliege - während der Apostroph sich komplett einfügt. Der Doppelpunkt ist für mich auch ein unangenehmer Fremdkörper, weil ich den mit wörtlicher Rede etc. assoziiere. 

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vor 10 Minuten schrieb MelanieM:

Vor allem reißt es nicht aus dem Lesefluss. Ich gehöre zu den Schnelllesern - und bei dem * in einem Zeitungstext merke ich, dass ich das Wort nicht mehr vollständig wahrnehme, sondern gebremst werde und es überfliege - während der Apostroph sich komplett einfügt. Der Doppelpunkt ist für mich auch ein unangenehmer Fremdkörper, weil ich den mit wörtlicher Rede etc. assoziiere. 

Das Apostroph ist eleganter, aber wirklich gut gefallen tut es mir auch nicht. Zudem habe ich es nicht auf der Tastatur, nur dieses eckige. Der Versuch, es mit Alt +146 oder so einzufügen, führt zu einem "Hopser". Wo kriegst du das her?

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vor 11 Minuten schrieb MelanieM:

Vor allem reißt es nicht aus dem Lesefluss. Ich gehöre zu den Schnelllesern - und bei dem * in einem Zeitungstext merke ich, dass ich das Wort nicht mehr vollständig wahrnehme, sondern gebremst werde und es überfliege - während der Apostroph sich komplett einfügt. Der Doppelpunkt ist für mich auch ein unangenehmer Fremdkörper, weil ich den mit wörtlicher Rede etc. assoziiere. 

Gutes Argument. Beim Sprechen hörbar, beim Lesen aber nicht bremsend, das leuchtet mir sehr ein. Das Herausreißen ging mir vor allem beim Doppelpunkt so, denn der hat ja im Satz genau diese Aufgabe: nochmal zu versammeln und innehalten zu lassen. 

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vor 17 Minuten schrieb Christa:

Das Apostroph ist eleganter, aber wirklich gut gefallen tut es mir auch nicht. Zudem habe ich es nicht auf der Tastatur, nur dieses eckige. Der Versuch, es mit Alt +146 oder so einzufügen, führt zu einem "Hopser". Wo kriegst du das her?

Der Apostroph ist auf der normalen Qwertz Tastatur neben dem Ä über der Rautetaste.

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Das ist ein Minutenzeichen, kein Apostroph. So viel ich weiß, gibt es den Apostroph auf der Tastatur nicht. Einige Textverartbeitungsprogramme wandeln das Minutenzeichen in einen Apostroph um, aber nicht alle. Apostroph erreicht man meist über Sonderzeichen.

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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vor 1 Minute schrieb DirkH:

Das ist ein Minutenzeichen, kein Apostroph. So viel ich weiß, gibt es den Apostroph auf der Tastatur nicht. Einige Textverartbeitungsprogramme wandeln das Minutenzeichen in einen Apostroph um, aber nicht alle. Apostroph erreicht man meist über Sonderzeichen.

Okay, meine Textverarbeitungsprogramme haben ihn immer als Apostroph erkannt - ich kann das Ding bei Word sogar für die einfachen Anführungszeichen innerhalb von wörtlicher Rede verwenden - dann ist es vor dem Anfang des Buchstabens unten und am Ende oben. Es erfüllt jedenfalls den Zweck eines Apostrophs - bislang hat sich noch keine Lektorin darüber bei mir beschwert, wenn ich das als Apostroph nutzte. 

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