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(Dietmar)

Zwei Zeitebenen in einem Kapitel

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Folgende Konstellation, Zwei Personen A und B. Der Text des Kapitels ist im Präsens und aus der Ich-Persepktive der Person A geschrieben. Das ist für mich die Zeitebene "Heute". Person B erzählt in dem Kapitel einzelne Episoden aus seiner Vergangenheit, die 30 bis 40 Jahren zurückliegen. Diese Zeitebene nenne ich "Gestern". Wichtig ist, dass im Text Reaktionen der Person A auf das Erzählte der Person B sichtbar werden. Die Person A ist im "Gestern" nicht mit dabei gewesen. Folgende Möglichkeiten sehe ich.

 

Variante 1: Wörtliche Rede der Person B. Das wird ein endlos langer Monolog, der aber laufend unterbrochen wird, um die Reaktionen von Person A zu zeigen. Tatsächlich bleibe ich die ganze Zeit im "Heute". "Gestern" wird nur sichtbar, weil Person B in der Vergangenheit erzählt. Die Variante halte ich für die schlechteste.

 

Variante 2: "Gestern" wird durch Rückblenden für die einzelnen Episoden realisiert. Die Variante wäre akzeptabel, hat für mich aber folgende Nachteile. Die Ich-Perspektive der Person A geht in den Rückblenden verloren und ihre Reaktionen auf das Erzählte ist nur sichtbar, wenn Person B im "Heute" von einer Episode auf die andere überleitet.

 

Variante 3: Ähnelt der Variante 2, aber, die Rückblenden sind die Bilder, besser der Film, der im Kopf der Person A entsteht, während Person B erzählt. Wobei hier Film nicht als Kino zu verstehen ist. Person A steht in der Handlung und sieht sie nicht auf einer Leinewand. Person A kann um sich herum "Gestern" mit allen Sinnen wahrnehmen, während sie von den Personen der Zeitebene "Gestern" nicht wahrgenommen wird. Sie war ja im "Gestern" real nicht mit dabei. Man könnte sie als eine Art allwissende Beobachterin ansehen. Sie erlebt die Handlung in ihrem heutigen Alter, während die Person B 30 bis 40 Jahre jünger ist. Person A will natürlich laufend in die Handlung eingreifen, sie kennt teilweise die Konsequenzen des Handelns der Person B im "Heute". Das wird dadurch verhindert, dass Person A in solchen Momenten um sich herum eine "Wand wie Glas" spürt, die sie nicht durchdringen kann. Diese Variante hat für mich den ganz großen Vorteil, dass ich weiter in der Ich-Perspektive der Person A und im Präsens bleiben kann, da die Handlung für sie im "Heute", in ihrem Kopf entsteht.

 

Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt. Wie seht ihr das? Habt ihr noch andere Lösungen für solche Kapitel, in der eine Person, die nicht die aktuelle Erzählperspektive hat, viel über sich erzählt

Bearbeitet von Dietmar
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Ich muss sagen, ich verstehe es nicht. Vielleicht wäre es einfacher, wenn du statt Person A und Person B besser "Person Gegenwart/Präsens" und "Person Vergangenheit/Präteritum" schreiben würdest. Ist mehr Schreib- bzw. Kopierarbeit für dich, aber dann weiß man als Leser besser, von wem gerade die Rede ist ...

 

Ungeachtet dessen: Wie soll die eine Person auf die Erzählungen der anderen reagieren können, wenn sie bei den Ereignissen nicht mit dabei war? Ist sie jetzt beim Erzählen dabei? Oder reagiert sie auf Ereignisse, von denen sie anderweitig gehört hat?

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Variante 2. Damit kannst Du Deine Ziele am ehesten erreichen. Du wirst ein bisschen in die Trickkiste greifen müssen.

 

Vaariante 3 scheint mir etwas verquast. Da wird zu viel vermischt, der Leser weiß nicht mehr, wo, wann und bei wem er sich befindet. Lieber klare Grenzen ziehen wie in Variante 2.

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Ich muss sagen, ich verstehe es nicht. Vielleicht wäre es einfacher, wenn du statt Person A und Person B besser "Person Gegenwart/Präsens" und "Person Vergangenheit/Präteritum" schreiben würdest. Ist mehr Schreib- bzw. Kopierarbeit für dich, aber dann weiß man als Leser besser, von wem gerade die Rede ist ...

 

Ungeachtet dessen: Wie soll die eine Person auf die Erzählungen der anderen reagieren können, wenn sie bei den Ereignissen nicht mit dabei war? Ist sie jetzt beim Erzählen dabei? Oder reagiert sie auf Ereignisse, von denen sie anderweitig gehört hat?

A und B sitzen in einem Zimmer und B erzählt aus seiner Vergangenheit - das passiert "Heute" (Variante 1). Das, was B erzählt, kann als Rückbelnde geschrieben werden - die Rückblende ist "Gestern". (Variante2). Während B "Heute" erzählt, entstehen "Heute" im Kopf von A Bilder, wie er sich die Rückblende, also "Gestern". aufgrund des Erzählens von B, vorstellt, einschließlich seiner Emotionen zu den Bildern. Die Vorstellungen und Emotionen als Schreibgrundlage ist Variante 3.

Bearbeitet von Dietmar
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Ach so. In dem Fall fände ich Nr. 3 für den Leser am spannendsten, aber das hinzukriegen, verlangt eine enorme Klarheit beim Ausformulieren der Perspektiven. Ich weiß nicht, warum, aber mir kommt Aitmatov in den Kopf: Abschied von Gülsary (ich kann das hier aber nicht überprüfen). Oder Scholochow: Ein Menschenschicksal (obwohl, ich weiß in beiden Fällen nicht mehr, ob man da auch die Perspektive des Zuhörenden erfährt).

Bearbeitet von KerstinH
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Variante 2. Damit kannst Du Deine Ziele am ehesten erreichen. Du wirst ein bisschen in die Trickkiste greifen müssen.

 

Vaariante 3 scheint mir etwas verquast. Da wird zu viel vermischt, der Leser weiß nicht mehr, wo, wann und bei wem er sich befindet. Lieber klare Grenzen ziehen wie in Variante 2.

Ich habe die Variante 3 verwendet, aber schon bei Testlesern gab es teilweise Verständnisprobleme. In welcher Ebene bin ich jetzt? Obwohl die Person B im "Gestern" einen anderen Vornamen hatte als im "Heute". Das Leser weiß das,.auch welcher Vorname zu welcher Zeitebene gehört. Mir gefällt die Variante einfach besser als die zweite. Da ich dieses Kapitel noch einmal überarbeiten muss, stellt sich für mich die Frage Variante 2 oder 3. Je länger ich überlege, um so mehr könnte ich an der Variante 2 gefallen finden.

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Ach so. In dem Fall fände ich Nr. 3 für den Leser am spannendsten, aber das hinzukriegen, verlangt eine enorme Klarheit beim Ausformulieren der Perspektiven. Ich weiß nicht, warum, aber mir kommt Aitmatov in den Kopf: Abschied von Gülsary (ich kann das hier aber nicht überprüfen). Oder Scholochow: Ein Menschenschicksal (obwohl, ich weiß in beiden Fällen nicht mehr, ob man da auch die Perspektive des Zuhörenden erfährt).

Ein Menschenschicksal habe ich gelesen, aber das liegt mittlerweile Jahrzehnte zurück. ichbetrachte Variante 3 auch als die spannendere. Was bei mir im  Moment fehlt, ist die Klarheit der Perspektive. Ich springe zuoft zurück insd "Heute". Ich muss wahrscheinlich eine Rückblende schreiben, damit der Leser zu Beginn mitgenommen wird.

Bearbeitet von Dietmar
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Variante 1 find ich nicht gut. Keiner möchte einen "endlos langen" Monolog lesen - auch mit Unterbrechungen nicht.

 

Variante 2 funktioniert m.E nicht. Der Leser ist ja - gerade in Ich-Perspektive - im Kopf der Figur.

In den Rückblenden wäre der Leser aber dann plötzlich ganz woanders, weil die Figur, mit dem er die Szene im Heute erlebt, im Gestern ja nicht dabei war.

Dann hätte der Ich-Erzähler eigentlich keine Funktion.

 

Variante 3 klingt spannend, müsste aber wohl wirklich hervorragend gemacht sein, damit sie funktionieren kann.

Schwierig, es so zu beurteilen. Müsste man lesen.

 

Ich mag generell knackige Dialoge am liebsten, die die Handlung vorantreiben und ggf. an den spannendsten Stellen eine Pause machen (indem sie entweder von außen unterbrochen werden

oder in die Gedanken des Ich-Erzählers wechseln), um den Leser auf die Folter zu spannen.

"Endlos lange" Dialoge/Monologe würde ich generell vermeiden, indem ich einiges durch den Ich-Erzähler zusammenfassen lasse und zwischendurch durch kurze innere Monologe von ihm unterbreche. Das könnte sonst für den Leser schnell ermüdend werden, wenn er das A-B-A-B-A-B - Schema zu lange am Stück liest.

Bearbeitet von MichaelT
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Variante 3 klingt spannend, müsste aber wohl wirklich hervorragend gemacht sein, damit sie funktionieren kann.

Schwierig, es so zu beurteilen. Müsste man lesen.

 

Ich mag generell knackige Dialoge am liebsten, die die Handlung vorantreiben und ggf. an den spannendsten Stellen eine Pause machen (indem sie entweder von außen unterbrochen werden

oder in die Gedanken des Ich-Erzählers wechseln), um den Leser auf die Folter zu spannen.

"Endlos lange" Dialoge/Monologe würde ich generell vermeiden, indem ich einiges durch den Ich-Erzähler zusammenfassen lasse und zwischendurch durch kurze innere Monologe von ihm unterbreche. Das könnte sonst für den Leser schnell ermüdend werden, wenn er das A-B-A-B-A-B - Schema zu lange am Stück liest.

Gerade deswegen interessiert mich die Variante 3. In einer Rückblende eine Person zu haben, die nicht mit dabei war, aber trotzdem Informationen hat, um die Handlung und die Personen zu bewerten. Ich schreibe gerne dialoglastig, in der Regeln ohne Inquit-Formeln. Ein Dialog muss sich selbst tragen und nicht nebenbei noch erklärt werden, aber auch nicht wie ein Drehbuch wirken.

Ich muss das Kapitel aber noch grundlegend überarbeiten. Die derzeitige Form geht nicht.

Bearbeitet von Dietmar
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Ich muss zugeben, so ganz verstehe ich Variante 3 nicht. Kannst du da ein Beispiel geben? Die einfachste Form ist vielleicht wirklich ein Dialog (kein Monolog), wenn du das geschickt aufbereitest, wird er auch nicht langatmig. Du kannst ihn mit Aktionen/Körpersprache aufwerten. 

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

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Ich muss zugeben, so ganz verstehe ich Variante 3 nicht. Kannst du da ein Beispiel geben? Die einfachste Form ist vielleicht wirklich ein Dialog (kein Monolog), wenn du das geschickt aufbereitest, wird er auch nicht langatmig. Du kannst ihn mit Aktionen/Körpersprache aufwerten. 

Da das Forum ab Montag für zwei Wochen geschlossen wird, bereite ich in dieser Zeit eine Szene aus dem Kapitel in allen drei Varianten auf.

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Ich finde Variante 3 sehr anspruchsvoll und interessant

 

Zu Variante 1 möchte ich anmerken: Dialog im Roman ist ohnehin künstlich dh nie so, wie Menschen "in Wirklichkeit reden."

Du kannst Figur B doch reden lassen wie den Ich-Erzähler einer Geschichte. Durch wäre es kein "endloser Monolog" mehr.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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Ich finde Variante 3 sehr anspruchsvoll und interessant

 

Zu Variante 1 möchte ich anmerken: Dialog im Roman ist ohnehin künstlich dh nie so, wie Menschen "in Wirklichkeit reden."

Du kannst Figur B doch reden lassen wie den Ich-Erzähler einer Geschichte. Durch wäre es kein "endloser Monolog" mehr.

Variante 3 ist tatsächlich anspruchsvoll, ich merke das gerade beim Überarbeiten. Ich schreibe sehr dialoglastig, weil ich der Meinung bin, Dialoge führen den Leser extrem nah an eine Figur heran. Die Idee, Figur B wie den Ich-Erzähler reden zu lassen, habe ich ausprobiert. Wenn die Person B aber selbst wieder Dialoge führt, kann ich nur noch mit indirekter Rede arbeiten. Das ist für mich eine Form, die mir überhaupt nicht gefällt.

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Ich finde Variante 3 sehr anspruchsvoll und interessant

 

Zu Variante 1 möchte ich anmerken: Dialog im Roman ist ohnehin künstlich dh nie so, wie Menschen "in Wirklichkeit reden."

Du kannst Figur B doch reden lassen wie den Ich-Erzähler einer Geschichte. Durch wäre es kein "endloser Monolog" mehr.

Variante 3 ist tatsächlich anspruchsvoll, ich merke das gerade beim Überarbeiten. Ich schreibe sehr dialoglastig, weil ich der Meinung bin, Dialoge führen den Leser extrem nah an eine Figur heran. Die Idee, Figur B wie den Ich-Erzähler reden zu lassen, habe ich ausprobiert. Wenn die Person B aber selbst wieder Dialoge führt, kann ich nur noch mit indirekter Rede arbeiten. Das ist für mich eine Form, die mir überhaupt nicht gefällt.

 

Aber wenn du und ich einander treffen, kann ich dir doch (mit genau folgenden Worten) erzählen:

 

Gestern habe ich Silke besucht. Sie sagte: "Du hast dich ja lange nicht blicken lassen."

"Naja", hab ich geantwortet. "Ich war in England."

"Was?" Sie guckte ganz erstaunt. "Wusste ich ja gar nicht."

 

Das wirkt im Roman doch nicht unnatürlich. Dann lässt man nach und nach die Verben des Sprechens weg und geht in normalen Romantext über.

 

Hängt natürlich immer davon ab, wie lang die Sprechpassagen von B sind und wie oft A dazu einen Kommentar denkt.

Vielleicht solltest du mal hier einen kleinen Ausschnitt posten, damit man sich das Darstellungsproblem besser vorstellen kann.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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