Zum Inhalt springen
CarinaR

Die Sache mit dem Show und dem Tell

Empfohlene Beiträge

Am 19.12.2022 um 07:57 schrieb SusanneGa:

 Vielleicht war während der vergangenen Jahre einfach ein Bedürfnis beim Publikum da, sich in Beschreibungen zu verkriechen und sich über schöne "gemalte" Sprachbilder zu freuen, weil es im Alltag schon anstrengend genug war? So erkläre ich mir das zumindest für mich. 

Damit bringst du mich auf einen interessanten Gedanken. Es gibt in der Literatur wohl zwei Sprachebenen:

1) Die Information, die sich der Leser merken soll. Sie dient dazu, später folgende Dinge in einen Kontext zu setzen.

2) Der momentane Eindruck. ZB Sprachbilder, die während des Lesens genossen werden, aber vergessen werden können

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 8 Minuten schrieb HenningS:

Damit bringst du mich auf einen interessanten Gedanken. Es gibt in der Literatur wohl zwei Sprachebenen:

1) Die Information, die sich der Leser merken soll. Sie dient dazu, später folgende Dinge in einen Kontext zu setzen.

2) Der momentane Eindruck. ZB Sprachbilder, die während des Lesens genossen werden, aber vergessen werden können

Ja, da hast du absolut recht. Ich stehe total auf dieses "Genusslesen" mit viel Firlefanz, bei dem man so richtig eingehüllt wird durch schöne Formulierungen oder Sprachwitz oder Stimmungen. Aber ich glaube, da gehöre ich nicht unbedingt zur großen Mehrheit. Ich schwärme manchmal von Büchern, mit denen andere nicht viel anfangen können. Ein Beispiel für ein Jugendbuch, das auch mit so toller Sprache besticht, ist zum Beispiel "In geheimer Mission" von Fritz Mühlenweg. Ein großartiger Roman, der einen zum einen in eine ganz andere Welt (China, Mongolei) entführt und der zum anderen mit wundervollen Redewendungen und Sprachbildern vollgepackt ist - für mich persönlich ein Hochgenuss :-) 

Bearbeitet von SusanneGa
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Minute schrieb SusanneGa:

Ja, da hast du absolut recht. Ich stehe total auf dieses "Genusslesen" mit viel Firlefanz, bei dem man so richtig eingehüllt wird durch schöne Formulierungen oder Sprachwitz oder Stimmungen. Aber ich glaube, da gehöre ich nicht unbedingt zur großen Mehrheit. Ich schwärme manchmal von Büchern, mit denen andere nicht viel anfangen können.

Das ist ja das Wunderbare an der Kunst. Dass jeder etwas für sich Passendes darin finden kann. Es freut einen natürlich, wenn andere Menschen die gleiche Kunst gut finden. Aber wichtig ist erstmal, dass du etwas hast, was du genießen kannst :)

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb HenningS:

Das ist ja das Wunderbare an der Kunst. Dass jeder etwas für sich Passendes darin finden kann. Es freut einen natürlich, wenn andere Menschen die gleiche Kunst gut finden. Aber wichtig ist erstmal, dass du etwas hast, was du genießen kannst :)

Das stimmt - ich genieße das auch so sehr, weil ich dieses ausufernde Erzählen mit so tollen Sprachbildern nicht kann. Umso schöner, wenn andere das so spitze machen :-)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 58 Minuten schrieb SusanneGa:

 weil ich dieses ausufernde Erzählen mit so tollen Sprachbildern nicht kann.

Doch das kannst du

Ich unterrichte seit Jahren Kreatives Schreiben. Für die Übung "Steal like an artist" legte ich den Teilnehmenden eine halbseitige Regenbeschreibung von Ray Bradbury vor. Die Aufgabe war, das Wort Regen und die zugehörigen Adjektive und Verben durch welche aus anderen Naturphänomenen zu ersetzen. ZB Sturm, Schnee, Gewitter etc

Übertragen auf dich und die Sprachbilder bedeutet das: Nimm ein Sprachbild, das du liebst und ersetze einzelne Worte durch andere. Schau, wie dann die Wirkung auf dich ist. Wird das Bild schwächer, stärker? Warum ändert sich die Wirkung (für dich). Wenn du das tust, wirst du nach und nach immer mehr Gefühl für Sprachbilder entwickeln. Es ist wie bei Gitarristen, die die Melodien und Riffs eines bewunderten Gitarrenstars nachspielen, sich aber dann mehr und mehr davon lösen.

Von Picasso stammt sinngemäß das Zitat: Amateure lassen sich inspirieren, Profis stehlen ... :)

In untenstehendem Video erzählt der Künstler Austin Kleon, wie er erkannte, dass es eine seiner künstlerischen Ideen schon Jahre zuvor von einem anderen Künstler gab -- und nicht nur das, weitere Jahre zuvor sogar noch von einem dritten ...

 

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ein sehr interessanter Thread. Ich zeige, wenn die Leserschaft die Szene direkt "miterleben" soll, und erzähle, was in kürzerer Form behandelt werden kann. Zudem gehöre ich zu denen, die sich eher zu kurz fassen.

Dank eurer Diskussion werde ich mich künftig trauen, ausführlicher zu erzählen, wenn es besser ist, der heutigen Leserschaft mehr "vorzukauen". Oder ist das vom Genre abhängig?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich gehe bei meinen Schreibentscheidungen etwas anders vor. Bei kritischen Stellen und erst in der Überarbeitung frage ich mich immer nach der Funktion eines Textteils.
Ich denke, am einfachsten kann ich das am Beispiel einer Beschreibung erläutern.

Wenn die Funktion meiner Beschriebung ist, einige Tatsachen zu liefern, die für das folgende Verständnis nötog sind, dann wähle ich einen knappen Stil und beschränke mich auf das Wesentliche.
Will ich hingegen mit meiner Beschreibung eine Stimmung transportieren, kann ich in alle Einzelheiten und auch in alle möglichen Metaphern gehen.
Schwieriger wird es, wenn ich eine Beschreibung nutzen möchte, um auf Widersprüche hinzuweisen oder Hinweise, Denkanstöße oder Ähnliches zu liefern, wie es in der Spannungsliteratur üblich ist.
Und in der Ich-Perspektive chrarakterisiere ich durch die Beschreibung mit den Augen das Prota  meine Hauptfigur.

Für mich gehört die Frage von Show oder Tell in einen ganz anderen Zusammenhang. in den Rhythmus von Spannung und Entspannung Ich kann nur schwer fünf Spannungsszenen nacheinander schreiben (alle show). Es ist besser eine Entspanniungsmöglichkeit zum Durchatmen einzuschieben. Das kann, muss nicht, durch Tell geschehen.

Liebe Grüße
Wolf

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Stunden schrieb Wolf:

Für mich gehört die Frage von Show oder Tell in einen ganz anderen Zusammenhang. in den Rhythmus von Spannung und Entspannung Ich kann nur schwer fünf Spannungsszenen nacheinander schreiben (alle show). Es ist besser eine Entspanniungsmöglichkeit zum Durchatmen einzuschieben. Das kann, muss nicht, durch Tell geschehen.

Was du beschreibst, habe ich gerade in einer Leseprobe erlebt. Da gibt es eine wirklich gut geschriebene (Show-) Szene nach der anderen, ohne dass ich zwischendurch aus dem Feuerwerk wieder runterkomme und etwas reflektieren oder mich zurücklehnen kann.

Jetzt habe ich nach Beispielen gesucht, wie z. B. Behauptungen "Ich habe Angst", "die Wiese war schön" u.ä., was man alles bildlicher und emotionaler darstellen kann.

Einen ganz guten Überblick über den Unterschied zwischen filmischer und geschriebener Darstellung sowie über die Vorteile und Nachteile des "Show don´t tell" habe ich hier https://die-schreibtechnikerin.de/tipps/schreibtipps/show-dont-tell/gefunden.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Neben der Notwendigkeit von Tempowechseln, wie Wolf sie beschreibt, finde ich auch Sabines Einwand wichtig: Den Genuss, den eine gute Erzählstimme verschaffen kann. Das ist das, was mir das Lesen eigentlich zum Vergnügen macht, auch wenn der Plot mal ein bisschen schwächelt. Leider scheint das zunehmend in den Hintergrund zu treten, stilistisch raffiniertes Erzählen scheint mehr und mehr ein ausschließliches Merkmal für E-Literatur zu werden.
Schade. Die Angelsachsen können das (oft besser).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 40 Minuten schrieb KerstinH:

Neben der Notwendigkeit von Tempowechseln, wie Wolf sie beschreibt, finde ich auch Sabines Einwand wichtig: Den Genuss, den eine gute Erzählstimme verschaffen kann. Das ist das, was mir das Lesen eigentlich zum Vergnügen macht, auch wenn der Plot mal ein bisschen schwächelt. Leider scheint das zunehmend in den Hintergrund zu treten, stilistisch raffiniertes Erzählen scheint mehr und mehr ein ausschließliches Merkmal für E-Literatur zu werden.
Schade. Die Angelsachsen können das (oft besser).

Mein voriger Beitrag ist leider im Äther verschwunden. (Vom Smartphone. Ich wollte sagen, dass ich SusanneGas Beitrag oben auch voll zustimme. Mir ist die Sprache immer sehr wichtig, auch bei"reiner" Unterhaltung und bei Spannungsromanen. Gerade habe ich ein paar Bücher zur Seite gelegt, weil sich lasen wie ein Aufsatz oder ein Zeitungsreport. Ich suche dringend nach Sprachgenussbüchern, die natürlich auchspannend sein dürfen!

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 16 Stunden schrieb KerstinH:

 Die Angelsachsen können das (oft besser).

Das dachte ich früher auch mal. Inzwischen ist mir klar, dass dort die Masse an Autorinnen und Autoren einfach zig mal größer ist - und nur die erfolgreichsten, sehr lebendig geschriebenen Titel zu uns durchdringen. Unterhalb der (angelsächsischen) Mittelschicht gibt es dann auch zig mal mehr schlecht geschriebene Stories, aber die bekommen wir so gut wie nie zu Gesicht. Und das verzerrt unsere Wahrnehmung. (Ebenso gibt es in GB und den USA auch durchaus taff geführte Auseinandersetzungen in puncto E- und U-Literatur, aber auch davon hören wir in unserer Blase so gut wie gar nichts, was zur Annahme führt, solche Streitereien gäbe es dort nicht.)

Bearbeitet von Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 2.9.2023 um 16:15 schrieb UteZ:

Ein sehr interessanter Thread. Ich zeige, wenn die Leserschaft die Szene direkt "miterleben" soll, und erzähle, was in kürzerer Form behandelt werden kann. Zudem gehöre ich zu denen, die sich eher zu kurz fassen.

Dank eurer Diskussion werde ich mich künftig trauen, ausführlicher zu erzählen, wenn es besser ist, der heutigen Leserschaft mehr "vorzukauen". Oder ist das vom Genre abhängig?

Das kommt für mich auch darauf an, wie lang eine gezeigte Szene im Vergleich zu einer erzählten Szene ist.

Im meinem aktuellen Roman geht es im das Grobthema "Feuer" in verschiedenen Facetten. In einem Kapitel bereiten Jugendliche in einem Jugendzentrum eine Party vor. Da wird auf das Gebäude ein Brandanschlag verübt. Als die Jugendlichen es bemerken, brennt es schon so sehr, dass sie aus dem Fenster fliehen müssen. So weit, so interessant und actionreich ...

Für die Handlungen der Feuerwehr habe ich bei einem Feuerwehrmann recherchiert. Das Prozedere ist genau festgelegt, die Reihenfolge der Wagen und vieles mehr. Als ich dies in die weitere Szene schreiben wollte, bemerkte ich, dass es zwar interessant ist, aber eben sehr lang werden wird.

Funktion der Szene ist, dass die Hauptfigur Ira bei dem Einsatz die flüchtige Bekanntschaft eines Feuerwehrmanns macht. Der nimmt sie Tage später beim Trampen mit und die beiden werden ein Paar. Momentan ist mein Plan, die Szene um den Brand im Jugendzentrum nach Eintreffen des ersten Feuerwehrfahrzeugs abzubrechen und den weiteren Verlauf dieser Handlung in einer Unterhaltung zwischen Ira und dem Feuerwehrmann während der darauffolgenden Tramp-Szene darzustellen. (Diese Entscheidung kann sich aber auch noch ändern)

So viel zu einer Entscheidung (show oder tell) aus meiner Praxis. Weitere Faktoren für mich sind:

Gibt es andere ähnliche gezeigte Stellen im Roman, dh wiederholt sich hier evtl etwas?

Wie sehr soll sich die Stelle dem Leser einprägen? ME merkt man sich show eher als tell.

Gibt es in den Szenen davor und/oder danach Tell-Stellen? Zu viele Tellstellen machen für meinen Geschmack die Handlung zäh ...

 

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sehr interessante und hilfreiche Diskussion! Es beruhigt mich sehr, dass die show-don't-tell-Regel hier nicht als unumstößliches Dogma gesehen wird. Gerade für mich als Romandebütant ist das ein heißes Eisen.

A mind is like a parachute. It doesn´t work if it is not open (Frank Zappa)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Stunden schrieb JürgenB:

Sehr interessante und hilfreiche Diskussion! Es beruhigt mich sehr, dass die show-don't-tell-Regel hier nicht als unumstößliches Dogma gesehen wird. Gerade für mich als Romandebütant ist das ein heißes Eisen.

Es gibt eigentlich nur ein unumstößliches Dogma: Langweile die Leserinnen und Leser nicht. Alles andere sind vor allem handwerkliche Instrumente/Hinweise, die für Einsteiger zunächst einmal sehr nützlich sein können. Oder wie Kafka einst meinte: Die Kunst hat das Handwerk nötiger als das Handwerk die Kunst.

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Stunden schrieb JürgenB:

Sehr interessante und hilfreiche Diskussion! Es beruhigt mich sehr, dass die show-don't-tell-Regel hier nicht als unumstößliches Dogma gesehen wird. Gerade für mich als Romandebütant ist das ein heißes Eisen.

Ich habe vor vielen Jahren auch Sol Stein gelesen. An einigen Stellen wirkte es schon so, als halte er seine handwerklichen Regeln für die allein seligmachenden. Und ich war entsprechend genervt. Ich unterrichte seit über 10 Jahren regelmäßig Kreatives Schreiben. Wenn mir da Fragen gestellt werden wie: "Wenn ich in der Ich-Perspektive bin, darf ich dann ..." antworte ich: In der Kunst gibt es keine Verbote. Du darfst alles machen, was du willst, solange du es bewusst und nicht aus Versehen tust. Anders gesagt:

Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 20.2.2024 um 16:07 schrieb HenningS:

Ich habe vor vielen Jahren auch Sol Stein gelesen. An einigen Stellen wirkte es schon so, als halte er seine handwerklichen Regeln für die allein seligmachenden. Und ich war entsprechend genervt. Ich unterrichte seit über 10 Jahren regelmäßig Kreatives Schreiben. Wenn mir da Fragen gestellt werden wie: "Wenn ich in der Ich-Perspektive bin, darf ich dann ..." antworte ich: In der Kunst gibt es keine Verbote. Du darfst alles machen, was du willst, solange du es bewusst und nicht aus Versehen tust. Anders gesagt:

Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst.

Anhänger von Sol Stein haben mal die Geschichte einer Kollegin so zusammengestrichen (Adjektive usw.), dass nachher nur noch ein Gerippe da war. Und in einem Roman von Stein selbst fand ich keine seiner eigenen Regeln wieder. Komisch.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...