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Sabine

Ich-Erzähler verschweigt Wissen

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Aber die Protagonistin macht doch bewusst gar keine Täuschung. Der Leser täuscht sich nur bei dem, was er fälschlich annimmt.

Die Überraschung wäre deshalb eine Überraschung, weil er beim Cliffhanger was anderes angenommen hat. Da kann meine Prota nichts dafür, wenn der Leser hier falsch denkt (einzig ich als Autor bin ein wenig gemein gewesen, weil ich den Cliffhanger zweideutig ausgelegt habe)

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Das gilt ja generell, wenn man irgendwelche Hinweise "offen verstecken" will: Man erwähnt den Umstand A, aber in einem Zusammenhang, bei dem der Leser denkt, das diene dazu, um Problem B zu lösen. Danach vergisst er A wieder. Und dann, im Finale, tataa!!, spielt A dann auf einmal doch wieder eine, ach was, DIE entscheidende Rolle!

 

Ein Beispiel, aus dem hohlen Bauch:

Hauptperson ist in die Wohnung des Gegners eingestiegen. Da ist diese Truhe. Hauptperson will sie öffnen, versucht es mit einem Schraubenzieher. Der rutscht ab und fällt hinter die Truhe. Beim Versuch, ihn wieder rauszuholen, sieht Hauptfigur durchs Fenster, dass Gegner unerwarteterweise schon zurückkehrt, was ihr ansonsten entgangen wäre. Sie flüchtet.

 

Wie schätzt der Leser das ein? Der abrutschende Schraubenzieher war nur ein Hilfsmittel, um Hauptperson rechtzeitig entkommen zu lassen. Kann man abhaken.

 

Aber, haha!, 200 Seiten später führt der Showdown in eben diesen Raum, Gegner kriegt Hauptperson zu fassen, drückt sie über die Truhe und ihr den Hals zu, sie tastet im letzten Moment hinter die Truhe, kriegt den Schraubenzieher zu fassen und rammt diesen dem Gegner in die Schläfe …

 

Und der Leser so: Well done! 

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Ein Beispiel, aus dem hohlen Bauch:

Hauptperson ist in die Wohnung des Gegners eingestiegen. Da ist diese Truhe. Hauptperson will sie öffnen, versucht es mit einem Schraubenzieher. Der rutscht ab und fällt hinter die Truhe. Beim Versuch, ihn wieder rauszuholen, sieht Hauptfigur durchs Fenster, dass Gegner unerwarteterweise schon zurückkehrt, was ihr ansonsten entgangen wäre. Sie flüchtet.

 

Wie schätzt der Leser das ein? Der abrutschende Schraubenzieher war nur ein Hilfsmittel, um Hauptperson rechtzeitig entkommen zu lassen. Kann man abhaken.

 

Aber, haha!, 200 Seiten später führt der Showdown in eben diesen Raum, Gegner kriegt Hauptperson zu fassen, drückt sie über die Truhe und ihr den Hals zu, sie tastet im letzten Moment hinter die Truhe, kriegt den Schraubenzieher zu fassen und rammt diesen dem Gegner in die Schläfe …

 

 

 

Idealerweise lockt die Hauptfigur den Gegner genau in diesen Raum zu ebenjener Truhe, weil sie sich an den Schraubenzieher erinnert und ich - als aufmerksamer Leser - vielleicht auch. Ich fiebere mit, und habe zu jeder Zeit die Chance auf Augenhöhe mit der Figur mitzugehen. Ich sehe hier keine Täuschung des Lesers, nur das berühmte 'Gewehr an der Wand', das in Kapitel zwei erwähnt wird und im showdown zum Erschießen des Gegners dient. Könnte man sogar mit der ehrlichen Ich-Erzählerin bewerkstelligen, indem man sie in ihrer Todesangst 'die Truhe' denken lässt und in Wirklichkeit kommt ihr der Schraubenzieher in den Sinn, der hinter der Truhe liegt.

 

Ich hatte Sabine aber so verstanden, dass der Leser (um bei dem Beispiel zu bleiben) vermutet, dass sie (wegen vorheriger Andeutung) den Gegner mit dem Schraubenzieher erdolchen will, dann aber, in besagtem Raum angekommen, stattdessen einen Revolver aus der Truhe zieht und schießt. Diesen Revolver hat sie - in weiser Vorraussicht - vorher (nach dem Cliffhanger) in der Truhe verborgen. In dem Zimmer, in das sie den Gegner jetzt lockt. Das wäre für mich eine Täuschung des Lesers, um künstlich einen Überraschungseffekt zu erzeugen.

 

Ja, ich weiß, gibt es sicher zuhauf, aber ich mag es halt trotzdem nicht ;D

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Gestern habe ich Kate Atkinsons Transcription (Deckname Flamingo) ausgelesen (sehr empfehlenswert!) und wurde auf den letzten Seiten so nebenbei mit einer Information über die Ich-Erzählerin überrascht, die dem ganzen Roman eine andere Färbung gab, eine zusätzliche Dimension, die sich fugenlos in die vielschichtige Handlung einfügt. Hervorragend gemacht.

 

 

 

 

 

 

 
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