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BarbaraS

Singular oder Plural oder gemischt?

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Hallo liebe Schreibkundige,

 

was sagen euer Sprachgefühl bzw. eure Grammatikkenntnisse zu diesem Satz:

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklen Kitteln, Bierflaschen in den erhobenen Händen.

 

Sollte es vielleicht besser so heißen?

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklem Kittel, eine Bierflasche in der erhobenen Hand.

 

Oder so?

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklen Kitteln, eine Bierflasche in der erhobenen Hand.

 

Oder noch mal anders?

 

(Und wenn ihr für die erste Variante seid: Hätte ich dann ganz oben nicht schreiben müssen "was sagen eure Sprachgefühle"?

Wieso geht das gar nicht? Angelika???)

 

Ich bin gespannt, was ihr sagt!

 

Viele Grüße

 

Barbara

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Sebastian Niedlich

Angelika kann das wahrscheinlich am ehesten erklären, aber hier mal meine 2 Cents:

 

Ich glaube es geht alles, aber der erste Satz ist vermutlich am "korrektesten". Es sind mehrere Männer, also mehrere Kittel und mehrere Bierflaschen in mehreren Händen. Aber am "richtigsten" fühlt sich für mich der letzte Satz an. Rein gefühlsmäßig. Mehrere Männer, alle haben Kittel an, aber individuell hat jeder Mann eine Bierflasche in der erhobenen Hand. Ich vermute, ich empfinde das als besser, weil die Aneinanderreihung von Pluralformen "ermüdend" wird.

 

Und "Sprachgefühle" übrigens nicht, weil es um unser jeweiliges, individuelles Sprachgefühl geht. ;)

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(Und wenn ihr für die erste Variante seid: Hätte ich dann ganz oben nicht schreiben müssen "was sagen eure Sprachgefühle"?

Wieso geht das gar nicht? Angelika???)

 

 

Um die erste Frage vorweg zu beantworten:

 

Es gibt Nomen, für die sich ein Plural aus Gründen unserer Logik verbietet. In erster Linie sind es die Massennomina – also Brot, Bier, Blut – oder Abstrakta wie Ruhe, Glück, Zeit und die Kollektiva, das sind Wörter, denen meist das Präfix Ge- vorgeschnallt ist: Gemüse, Gebirge, Gebäck. Allen eignet, dass sie nicht zählbar sind: zwölf Ruhe sagen wir nicht. 

 

Dennoch gibt es nicht selten die Möglichkeit, auch solche Begriffe, die in sich nicht zählbar sind oder selbst schon einen pluralischen Kern haben, als etwas Konkretes zu fassen. Speziell bei den Massennomina ist das leicht zu haben:

 

Ich esse gerne Brot = Massennomen mit Nullartikel.

Geben Sie mir bitte ein frisches Brot/ zehn Brote = Konkretum, zählbar, mit Numeralien zu versehen oder auch mit Artikeln.

Ich denke, der Bedeutungswandel dabei ist gut spürbar, oder?

 

Ein solcher Wandel liegt auch vor, wenn wir Abstrakta pluralisieren:

 

Ich habe keine Zeit/kein Geld = Abstraktum, unzählbar

Wir leben in schwierigen Zeiten/Hier liegen die Gelder für die Angestellten = Hier wird die Zeit aufgegliedert in Epochen, das Geld in konkrete Summen und darin zählbar.

 

Gefühle sind von Haus aus pluralisierbar, es gibt sie als Unterkategorien zum Überbegriff "Gefühl"  – also als Neid, Angst, Liebe etc., die für sich wieder keinen Plural bilden können. Und jetzt ist die Antwort klar, oder? Das Sprachgefühl ist ja durch das Bestimmungswort Sprach- schon als bestimmtes Gefühl zu sehen, in Analogie also zu Ehrfucht, Stolz etc. (obwohl es sachlich natürlich etwas anderes ist).

 

Hier kann man noch mehr dazu lesen.

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Meinem Sprachgefühl gefällt Nr. 3 am besten. Aber ich frage mich unwillkürlich, was sie mit den Bierfaschen in den erhobenen Händen eigenlich tun. Prosten sie sich gegenseitig zu? Oder prosten sie dem Autor zu? Oder stehen sie starr, mit den Bierflaschen in den erhobenen Händen?

Bearbeitet von Christa
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Schon einmal vielen Dank, Angelika! Sehr einleuchtend, was du da ausführst.

 

Und Christa, dein "starr" trifft voll ins Schwarze, denn bei dem Satz handelt es sich um die Beschreibung eines Fotos, und die betrachtende Person versucht den Kontext zu erraten.

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Hallo liebe Schreibkundige,

 

was sagen euer Sprachgefühl bzw. eure Grammatikkenntnisse zu diesem Satz:

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklen Kitteln, Bierflaschen in den erhobenen Händen.

 

Sollte es vielleicht besser so heißen?

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklem Kittel, eine Bierflasche in der erhobenen Hand.

 

Oder so?

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklen Kitteln, eine Bierflasche in der erhobenen Hand.

 

 

Also, wie Sebastian sagte: Möglich sind alle drei Varianten. Aber natürlich unterschieden sie sich und zwar hinsichtlich dessen, was ausgestellt werden soll. 

 

Im ersten Satz hast du überall Plural mit Nullartikel. Dieser Nullartikel folgt aus dem Plural, aber nicht einfach aus jedem Plural, sondern aus dem, den den du automatisch bildest, wenn du ein Nomen mit dem Indefinitartikel vorstellst. Zum Vergleich:

 

Hier steht der Mann. – Hier stehen die Männer.

Hier steht ein Mann. – Hier stehen Männer.

 

Das sieht jetzt recht formal aus, hat aber eine ordentlich dramatische Wucht in sich. Während nämlich der Definitartikel (der, die das) nur irgendwohin zeigt, meist auf eine Stelle weiter oben im Text, macht der Indefinitartikel (ein, eine) ordentlich Wind um sein Nomen, schreit herum, dass es zum ersten Mal im Text auftritt, also bisher unbekannt und überhaupt ziemlich einmalig sei (weil sich speziell dieser schlaue Artikel seine etymologische Herkunft als Numerale zunutze machen kann).

 

Interessant sind deine Männer mitsamt Kitteln und Flaschen also schon im ersten Satz über diesen im Nullartikel versteckten Indefinitartikel. Und nun zu den Unterschieden:

 

( Satz 1): interessante, weil unbekannte Gruppen von Männern. Innerhalb dieser Gruppen stelle ich mir die  Männer jetzt wieder im Plural vor und zwar so, dass ein jeder (einzelne) von ihnen einen dunklen Kittel trägt und eine Flasche in der Hand hält.

 

(Satz 2): Jetzt wird jede dieser Gruppen, obwohl sie in sich natürlich pluralisch aufgebaut sein muss, in eine amorphe Masse zusammengeschmolzen, für die ein Kittel und eine Flasche ausreichen sollte (fachsprachlich: pars pro toto)

 

(Satz 3): Wie Satz 1, aber im letzten Teil tritt quasi einer der Männer heraus aus seiner Gruppe und stellt mir seine – eine – Bierflasche vor, als hätte man sie (und damit auch ihn) nahe heran gezoomt.

 

Hier noch etwas mehr zur damaturgischen Kraft von ein und eine

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Mir gefällt keine der drei Varianten. Und ich vermute, dass Dein anfängliches Bauchgrummel auch daher stammen könnte, dass die Verkürzung der Gruppenbeschreibungen, nicht so recht zur Satzkonstruktion passen.

Wenn Du anstatt über Gruppen über Männer schreiben würdest, wäre alles viel einfacher.

 

Manchmal stehen Männer dabei, meistens in Gruppen, allesamt in dunklen Kitteln und fast jeder mit einer Flasche Bier in der Hand ... oder was immer Dir wichtig erscheint.

Es gibt auch noch gefälligere Lösungen mit mehreren Sätzen, aber dann klingt es doch etwas sehr unterschiedlich zu Deinem Satz.

 

Mir geht es nur darum, dass Du ja etwas über Männer sagen möchtest, aber mit den Gruppen startest, die später im Satz niemanden mehr interessieren. Über die Gruppen (Unterschiede, Gruppengrößen etc.) sagst Du ja nichts.

 

Liebe Grüße

Wolf

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Sehr schön wie immer analysiert, Angelika. Dann steht die eine Bierflasche also fürs Ganze.

Schon einmal vielen Dank, Angelika! Sehr einleuchtend, was du da ausführst.

 

Und Christa, dein "starr" trifft voll ins Schwarze, denn bei dem Satz handelt es sich um die Beschreibung eines Fotos, und die betrachtende Person versucht den Kontext zu erraten.

 

Aber auch wenn alle drei Varianten möglich sind, kommt es doch darauf an, ob es auch gefällt. Wenn das nun kein Bild wäre, müsste ja noch Bewegung in der Gruppe kommen. Sie stehen also da und unterhalten sich, prosten sich zu, streiten oder schweigen sich an.

 

Was Wolf sagt, ist ebenfalls bedenkenswert.

Manchmal stehen Männer dabei, meistens in Gruppen, allesamt in dunklen Kitteln und fast jeder mit einer Flasche Bier in der Hand.

 

Es sind aber verschiedene Gruppen und nicht einfach nur Männer.

 

Ist natürlich zu umfangreich und entspricht auch  nicht dem "starren" Bild. Jetzt weiß ich auch, was mich gestört hat. Es waren die erhobenen Hände. Im ersten Moment dachte ich nämlich, sie hielten die Flaschen hoch-wie zum Zuprosten.

 

Manchmal stehen Gruppen von Männern dabei, in dunklen Kitteln, Bierflaschen in den erhobenen Händen.

 

Wie sie dastehn und was sie machen, das kann der Beschreibende ja in den Folgesätzen beschreiben.

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Noch einmal ganz ganz herzlichen Dank, liebe Angelika!

Diese Unterschiede in der Betonung werde ich mir noch eine Weile auf der Zunge zergehen lassen – mal sehen, welche Variante gewinnt.

 

Mein spontanes Sprachgefühl ging übrigens in dieselbe Richtung wie eures, Sebastian und Christa – zunächst stand da Variante Nr. 3. (Dann fing das Nachdenken an ;-))

 

Wolf, deinen Einwand gegen die "Gruppen" kann ich zum Teil nachvollziehen, ich überlege noch, ob ich die einfach weglasse. Deine Umformulieren beschreiben aber etwas anderes, als was ich ausdrücken will. Ich habe das vorhin ungenau formuliert: Tatsächlich geht es um mehrere Fotos (meine Figur blättert sie durch), auf denen jeweils Grüppchen von Männern herumstehen und offenbar auf irgendetwas trinken. Ich will die Beschreibung dieser Fotos unbedingt statisch halten. Und nein, mein eigentliches Problem hat mit der  "Gruppen"-Frage ichts zu tun, glaube ich.

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Dein Text, Barbara, Deine Entscheidung, und vielleicht ist mein Bauchgemurmel auch nicht Deins. Aber ...

Wenn ich die Details weglasse, bleibt übrig: Manchmal stehen Gruppen dabei

Und mit diesem Satzstück kann ich nichts anfangen. Und auch wenn ich erfahre, dass es sich um Gruppen von Männern handelt, geht es mir nicht besser.

Was dann danach kommt, beschreibt die Männer, nicht die Gruppen. Mir ist zwar nach Deinen Erläuterungen klar, was Du möchtest. Jemand sieht sich Bilder an. Er sieht schwarze Klümpchen. Gruppen von Männern. Dann schaut jemand genauer. Alle dunkle Kittel und jeder eine Bierflasche in der Hand.

Ändert aber nichts an meinem Unwohlsein.

 

Andererseits hätte ich im laufenden Text wohl darüber hinweggelesen. Aber wenn ich gestolpert wäre, dann nicht über Deinen Aspekt.

Mach was draus :)

 

Liebe Grüße

Wolf

 

Außerdem hat es Angelika dazu gebracht uns wieder einen ihrer Kommentare zu schenken. Immer wieder ein Genuss!!!!

Bearbeitet von Wolf
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Lieber Wolf,

 

ganz kurz und in Eile: ich hoffe, du hast meine Antwort vorhin nicht als "Abbügeln" aufgefasst. So war das nicht gemeint. Mir macht es eigentlich immer Spaß, Sätze genau anzuschauen. Ich bin halt nur anderer Meinung. ;-)

Aber jetzt muss ich erst einmal aus dem Haus …

 

Herzliche Grüße

 

Barbara

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Liebe Barbara,

ich habe auch etwas Schwierigkeiten mit dem Satz, und zwar weil Gruppen nichts in der Hand (den Händen) haben können. Der Bezug stimmt für mich nicht. Ich fände besser: "Manchmal stehen Männer dabei, gruppenweise, in dunklen Kitteln, Bierflascheb in den erhobenen Händen."

 

Abgesehen von diesen Kleinigkeiten: ein starkes Bild!

Frisch erschienen: "Letzte Meile"

www.mariaknissel.de

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Keine Sorge, Barbara,

(hier fehlt mir jetzt das Knuddelsmiley)

 

ich habe es längst (vor mindestens dreißig Jahren) aufgegeben, meine Meinung als die allein seligmachende zu sehen.

Du fragst, bekommst meine Antwort, und dann machst Du was draus. So oder so.

 

Alles ist gut :)

Wolf

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ich habe es längst (vor mindestens dreißig Jahren) aufgegeben, meine Meinung als die allein seligmachende zu sehen.

 

8-) Ich glaube, ich habe dafür deutlich länger gebraucht.

 

ich habe auch etwas Schwierigkeiten mit dem Satz, und zwar weil Gruppen nichts in der Hand (den Händen) haben können. Der Bezug stimmt für mich nicht.

 

Ja, darum habe ich oben geschrieben, dass ich Wolfs Einwände gegen die Gruppen teilweise nachvollziehen kann: Ich sehe ein, dass man das so sehen kann. Ich selbst empfinde den Bezug allerdings nicht als unklar, erstens weil die Kittel und Bierflaschen direkt auf die Männer folgen, nicht auf die Gruppen, und zweitens – eben weil Gruppen keine Kittel tragen und Bierflaschen heben. ;-)

 

Gut, das ist kein sehr starkes Argument, denn ich weiß natürlich, was ich sagen will.

 

Jedenfalls, über den Punkt denke ich noch mal nach. Mein eigentliches Problem lag aber tatsächlich bei der Singular/Plural-Frage. Und ich glaube, dank euch und insbesondere Angelika bin ich da jetzt schlauer geworden. Noch einmal ganz herzlichen Dank fürs Mitdenken!

 

Barbara

Bearbeitet von BarbaraS
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