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42

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42 war eines der hochgelobten Bücher im Herbst und stand auch auf der Auswahlliste des deutschen Buchpreises.

 

Also habe ich es gelesen.

 

Leicht war das nicht. Eine Gruppe von Besuchern des CERN, des Teilchenbeschleunigers bei Genf, gerät in eine Zeitblase und während ihre Zeit weiterläuft, bleibt sie für alle anderen (und auch die materielle Welt) stehen.

 

Zwar kann Tom Lehr die Konsequenzen aus seiner Idee materiell sehr beeindruckend schildern (das Wasser der Wasserleitungen fliesst zB nicht mehr, Türen lassen sich nur mit Tricks öffnen, etc.).

 

Doch die Sprache ist mehr als gewöhnungsbedürftig, da muss man schon ein Sprachliebhaber sein, um das goutieren zu können. Oder ein Sprach-S/Mler, denn in der Mitte gibt es fünfzig Seiten, da schafft er es, die Sprache in einen technisch-verfremdeten Alptraum zu verwandeln, der für mich kaum mehr genießbar war. Eine Art Plattenbau mit harten, grausamen Kanten und Ecken und der Schönheit einer fünfziger Jahre Bahnhofshalle. Interessant, dass er das offenbar gewollt hat, denn später wird sie viel lebendiger.

 

Am grausamsten aber die Charaktere, denen vor allem eins fehlt: Charakter. Also ob mit der Dimension Zeit ihnen jede Dimension flöten gegangen wäre, Nabelschauer a la 50er-/60er Jahre Literatur, nur dass der nabel des Ich-Erzählers nicht sonderlich interessant ist.

 

Wen näheres interessiert:

(Link ungültig)

 

Hans Peter

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Hallo Hans-Peter!

 

 

Ich bin auch einige Male um dieses Buch gekreist, weil es mich thematisch interessierte, habe dann aber einige abschreckende Kritiken gelesen und dann wieder Abstand genommen.

 

Meine Frage an Dich: Würdest Du es denn trotz der sprachlichen Schwere unterm Strich empfehlen? Oder eher nicht?

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Hallo Andre,

Ich bin auch einige Male um dieses Buch gekreist, weil es mich thematisch interessierte, habe dann aber einige abschreckende Kritiken gelesen und dann wieder Abstand genommen.

 

Meine Frage an Dich: Würdest Du es denn trotz der sprachlichen Schwere unterm Strich empfehlen? Oder eher nicht?

Weder - noch. Ich denke, grade bei dem Buch muss das jeder selbst entscheiden. Ich kenne Leute, deren Urteil ich sehr ernst nehme, die es gut fanden. Andere schmeißen es irgendwann entnervt in den Abfallkübel.

 

Ich war ein paar Mal - dort wo der Plattenbaustil in der Mitte den Leser mit Substantiven, Partizipien und möglichst keinen Verben quält - naha daran, aufzugeben.

 

Warum habe ich es weitergelesen? Weil ich auch neugierig war, wie jemand auf diese (abstruse? originelle? - bitte zutreffendes ankreuzen) Weise ein Buch über ein so spannendes Theme mit sovielen konkreten Details schreiben kann.

 

Hans Peter

 

PS: Toms Rezi von "42" findest du hier:

(Link ungültig)

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Hm... das klingt wahnsinnig spannend. Zeit hat mich schon immer fasziniert. Darf ich fragen, ob sich am Ende auch eine glaubhafte Lösung zeigt? Oder wird das nicht aufgeklärt? Das wäre nämlich dann ein Grund für mich es nicht zu lesen. Ich hasse Bücher mit einer tollen Idee, die dann nicht erklärt wird. :s07

 

LG

Joy

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Hallo Hans Peter,

 

wer sagt denn, das Lesen leicht sein soll? :-)

 

Ich hatte mit "42" auch meine Schwierigkeiten, ich habe es in fast vier Wochen nicht geschafft. Aber ich konnte es auch nie weglegen. Deshalb habe ich es auch nicht verlängert sondern selbst gekauft. Und die Entscheidung habe ich nicht bereut.

 

Der Zeitdruck, der so weggefallen ist, hatte mich offenbar behindert. Ich hab das Buch dann auch überall mit hingeschleppt, und als mich jemand bat, mal etwas vorzulesen, ist bei mir der Groschen gefallen: Diese Sprache muss ich sprechen, nicht lesen.

 

Ich frage mich zwar, was meine Nachbarn jetzt von mir denken, aber das ist mir ziemlich egal. Ich hab mir 42 in drei Nächten vorgelesen, und es war ein Genuss ;D

 

Dabei fiel mir dann auch auf, dass der Zeitrick 'nur' ein dramaturgisches Mittel ist, das es Lehr erlaubt, unsere Zeit besser auszuleuchten. Ohne diesen Trick wäre die Ehrlichkeit wohl nur schwer erträglich.

 

Mal von Friederike Mayröcker ganz abgesehen - "Und ich schüttelte einen Liebling" ist IMO noch mal um ein paar Klassen schöner als "42" - frage ich mich, welche Leute eigentlich den deutschen Literaturpreis vergeben und wonach sie urteilen. Nach literarischer Qualität anscheinend nicht, sonst wäre Kehlmann nicht vor Lehr gelandet.

 

Andererseits finde ich die Preisvergabe schon in Ordnung, weil Kehlmann durchaus ein Publikum anspricht, dass ansonsten nur für Triviales ansprechbar zu sein scheint, und das ist ein Erfolg.

 

Für mich ist "42" neben Katharina Hackers "Habenichtse" (Ich gehe jede Wette ein, die holt den deutschen Buchpreis auch nicht :-) ) eines der besten gesellschaftskritischen Bücher der letzten Zeit.

 

Gruß

 

HW

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wer sagt denn, das Lesen leicht sein soll? :-)

 

Niemand. Aber wenn schwer, dann muss es einen Grund haben und die Mühe belohnt werden.

 

Das mit dem Lautlesen ist aber eine Idee, auf die ich nicht gekommen bin. Ich weiß aber von einigen anderen Büchern, dass sie vorgelesen besser wirken.

 

Dabei fiel mir dann auch auf, dass der Zeitrick 'nur' ein dramaturgisches Mittel ist, das es Lehr erlaubt, unsere Zeit besser auszuleuchten. Ohne diesen Trick wäre die Ehrlichkeit wohl nur schwer erträglich.

[...]

Für mich ist "42" neben Katharina Hackers "Habenichtse" (Ich gehe jede Wette ein, die holt den deutschen Buchpreis auch nicht :-) ) eines der besten gesellschaftskritischen Bücher der letzten Zeit.

Zeitkritik? Ich wäre nie auf Zeitkritik im Zusammenhang mit 42 gekommen. Weil da der serbische Redner in der UNO ermordet wird? Oder alle Bodyguards Sadisten sind?

 

Nein, die Frage meine ich jetzt ehrlich: Was ist für dich daran Zeitkritik?

 

Hans Peter

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Hi Hans Peter,

 

 

Nein, die Frage meine ich jetzt ehrlich: Was ist für dich daran Zeitkritik?

 

 

Z.B. die Darstellung der Sexualität. Houellebecq muss neidisch werden, wenn er das liest, oder?

 

Ich habe das ganze Buch beim zweiten Mal so gelesen, als sei die Zeit gar nicht stehen geblieben, sondern sie liefe normal weiter. Das erinnerte mich dann sehr an meine "Castaneda-Zeit", mit dem damals situationsbedingten klaren Blick auf die Dinge.

 

Gruß

 

HW

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Z.B. die Darstellung der Sexualität. Houellebecq muss neidisch werden, wenn er das liest, oder?

Ja, eine ausführlich geschilderte, sehr trostlose Sexualität, notgedrungen auch sehr einseitig. Aber was ist daran Zeitkritik? Oder stehe ich auf der Leitung?

 

Ich habe das ganze Buch beim zweiten Mal so gelesen, als sei die Zeit gar nicht stehen geblieben, sondern sie liefe normal weiter. Das erinnerte mich dann sehr an meine "Castaneda-Zeit", mit dem damals situationsbedingten klaren Blick auf die Dinge.

Tut mir Leid, mit Castaneda habe ich auch nicht soviel anfangen können. Ja, die Zeit läuft weiter, wenn auch in einem ganz anderen Takt als für die anderen. Die Chronifizierten leben in einer eigenen Welt. Das könnte natürlich auch passieren, wenn sie auf Droge wären. Oder es eine Welt hinter der realen gäbe und sie wechseln dorthin.

 

Vielleicht habe ich deshalb gar nicht das Bedürfnis, mir das ganze nur als Metapher vorzustellen - was natürlich möglich wäre. Dieses zwei Wirklichkeiten, da hast du recht, das ist das spannendste an der Geschichte.

 

Nur eben schade, dass der Autor meiner Meinung nach viel zu wenig daraus macht. Oder zuviel. Weil das was passiert, für mich nicht aus den Personen folgt, sondern aus dem Willen des Autors, dessen Finger ich sehe, wie er den Ich-Erzähler hin- und herschiebt.

 

Vielleicht sehe ich das auch deshalb so kritisch, weil ich in letzter Zeit ein paar Bücher gelesen habe, in denen Autoren ihre Personen nicht handeln lassen, sondern hin- und herschubsen und zwar sowohl in E wie U. Da wird man dann allergisch.

 

Dafür habe ich endlich mal wieder ein tolles Buch gelesen, wo das nicht passiert: "Buick Rivera". Soll angeblich heute abend auch in Lesen! von Heidenreich kommen. Manchmal hat diese Sendung einfach ihr gutes, weil sie Bücher bekannt macht, die sonst untergehen würden, was schade wäre. Das war schon mit Fox' "Luisa" so.

 

Hans Peter

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