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CorneliaL

Holgers "Nebel im August" am Sonntag im ZDF

Empfohlene Beiträge

Da ich in den "Ankündigungen" kein neues Thema erstellen kann, bringe ich meine Empfehlung hier rein. Am Sonntag um 22 Uhr wird im ZDF der Film "Nebel im August", den ich schon im Kino gesehen habe und zu dem Holger Karsten Schmidt nach einem Roman das Drehbuch geschrieben hat, ausgestrahlt. Dieser Film ist für alle, die sich für das Thema "Euthanasie" interessieren, ein Muss. Den Roman habe ich - zusammen mit anderem Material - in Vorbereitung meines Romans "Birkensommer" gelesen. Damals wusste ich noch nicht, dass Holger das Drehbuch für den Film schreibt und er kurze Zeit später zu sehen sein würde. Wirklich sehr eindrücklich!

 

LG Cornelia

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Liebe Cornelia,

 

vielen Dank, dass Du darauf hinweist.

Ich habe schon weiter unten in einem Beitrag vor ein paar Jahren zum Start des Kinofilms über die Arbeit an diesem Stoff gesprochen, falls jemand noch etwas dazu lesen möchte.

Die Entwicklung des Drehbuchs, basierend auf Robert Domes' Roman - der vor bald 17 Jahren mit seinen Recherchen für seinen Roman begann -, hat viele Jahre in Anspruch genommen.

 

Der Film ist natürlich keine leichte Kost. Ich freue mich aber über jeden, der ihm trotzdem eine Chance gibt.

 

Schönes Wochenende,

 

Holger

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Ja, Holger, ich weiß, und ich erinnere mich natürlich an diesen Thread, wollte ihn aber nicht nochmal hochholen. Danke aber für deinen Hinweis, da können dann die, die ihn noch nicht kennen, nochmal nachlesen.

 

LG Cornelia

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Ich habe den Film gerade gesehen, sehr beeindruckend. Wie viel von der Geschichte ist eigentlich real und wie viel fiktiv? Was ist über den echten Ernst Lossa bekannt gewesen?

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Ich habe den Film auch zum zweiten Mal gesehen und war wieder sehr berührt. Melanie, die Geschichte des Ernst Lossa ist gut dokumentiert, u.a. ja auch in dem gleichnamigen Roman. Als ich gestern zur Eröffnung der Wanderausstellung über Euthanasie im Rathaus war, schaute mich sein Gesicht auch wieder von einer der Stellwände an. Du kannst davon ausgehen, dass das Gezeigte alles den damaligen Geschehnissen entspricht, außerdem wurde ja im Abspann noch einiges dazu gesagt. U.a. welche Figuren fiktiv waren und was die Täter für Strafen bekommen haben. Ich denke doch, dass kaum einer besser als du über diese Zeit Bescheid weiß. Schließlich hast du ja auch einen Roman darüber geschrieben und vorher recherchiert.

 

LG Cornelia

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Den Film habe ich gestern Nacht im Fernsehen angeschaut und war sehr berührt von der stillen, eindringlichen Art, in der er erzählt wurde. (Die beiden ersten Teile von "Holocaust" habe ich ebenfalls gesehen und fand beide keine leichte Kost, aber dieser hier wird mir mehr im Gedächtnis bleiben). Vieles hat mich an Melanies Buch "Im Lautlosen" erinnert.

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Ich habe ihn mir gestern angeschaut und war ebenfalls sehr berührt. Der Film ist sehr beeindruckend. Ich kann mich Christa nur anschließen. Die Stille des Films hat für mich aber auch den Schrecken ausgemacht. Die Ausweglosigkeit, in der sich die Kinder befanden, nichtahnend, was man ihnen antun würde.

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Ich habe den Film gerade gesehen, sehr beeindruckend. Wie viel von der Geschichte ist eigentlich real und wie viel fiktiv? Was ist über den echten Ernst Lossa bekannt gewesen?

Das lässt sich in Zahlen schwer ausdrücken, Melanie.

Die Geschichte von Ernst Lossa ist u. a. deshalb gut bekannt, weil sie Bestandteil der Nürnberger Prozesse war. Aber auch, weil Michael von Cranach Anfang der Achtziger als Leiter der Psychiatrie nach Kaufbeuren kam und die Krankenakte von Ernst Lossa entdeckte, in denen sich wiederum zahlreiche Hinweise finden, etwa, dass er anderen Patienten und dem Personal geholfen hat. Oder eben, wie im Film gezeigt, im Sektionshaus. Oder die Hungernden mit geklauter Nahrung versorgt hat.

 

Wir haben uns bei der Adaption an das gehalten, was wir recherchieren konnten (dabei waren Michael von Cranach und der Romanautor Robert Domes zweifelsfrei die wichtigsten Quellen). Bis auf Nandl und andere Patienten gab es alle handelnden Figuren wie den Direktor oder die Kinderkrankenschwester (die nach 4 Jahren Freiheitsstrafe ja wieder ihren Beruf weiter ausüben durfte) oder sind von mir von mehreren Personen zu einer fusioniert worden (der Assistent Hechtle oder Schwester Sophia).

 

Dialoge sind natürlich nicht überliefert.

Aber es gibt schriftliche Quellen, Briefwechsel etwa.

 

Ich kann es vielleicht an einer Szene festmachen, warum es schwer ist, eine Aussage für den ganzen Film zu machen, was "real" ist und was nicht.

Lossas Geschichte ist real. Schwester Sophia ist fiktiv. Aber sie repräsentiert das Dilemma der Ordensschwestern, das ist wiederum real. Es gab kein Gespräch zwischen Sophia und dem Bischof, denn der Bischof ist zwar real, Sophia aber nicht. Wir wissen aber, dass die Ordensschwestern sich Rat holten, wie sie sich zu verhalten hatten. Auf der einen Seite wollten sie sich nicht mitschuldig machen, auf den anderen Seite die Patienten aber auch nicht um Stich lassen. 

Wir wissen auch um die damalige Haltung der Kirche zur Euthanasie. Man wusste um die dezentrale Ermordung von Behinderten (wobei auch körperliche Behinderungen wie etwa ein Klumpfuß dazu gehörten) in den Anstalten, hat aber keinen Finger gerührt.

Aus diesen Haltungen - Ordensschwestern hier, Kirche da - habe ich eine Szene entwickelt, in der Ordensschwestern Sophia sich mit ihrem Dilemma an den Bischof wendet, um von dem abgespeist zu werden.

Auch der Junge mit dem Klumpfuß zu Beginn des Filmes ist eine Erfindung. Wir wissen aber, dass es durchaus Familien gab, die ihr Angwhörigen aus den Anstalten nach Hause geholt haben. Er steht also filmisch dafür, dass das möglich war - die Familie musste das aber auch wollen...

 

Wie Du siehst, kann ich Dir keine abschließende Antwort geben, da müssten wir alle Quellen gemeinsam begutachten und dann jede Filmszene daraufhin abklopfen.

 

Schöne Grüße,

 

Holger 

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Die von Holger erwähnte und im Film gezeigte Tatsache, dass es Familien, wenn sie nur "hinterher" waren, gelang, ihre Angehörigen aus den Anstalten zu holen, habe ich auch in meinem "Birkensommer" gezeigt. Im Nachwort habe ich Götz Alys Zitat aus "Die Belasteten" erwähnt, der schrieb: "Sofern besorgte Verwandte auf die Entlassung ihrer kranken und pflegebedürftigen Familienmitglieder, mussten die Anstaltsdirektoren nachgeben."

 

Es war nämlich nicht im Sinn der Nazi-Führung, dass wegen dieser Geschehnisse in den Pflegeanstalten die Bevölkerung "unruhig" wurde. Man wollte um jeden Preis vermeiden, dass sich eine Protestbewegung formierte, wo man wegen dem ungünstigen Kriegsverlauf ohnehin schon genug zu tun hatte, um die Menschen bei der Stange zu halten.

 

LG Cornelia

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Ich habe den Film gerade gesehen, sehr beeindruckend. Wie viel von der Geschichte ist eigentlich real und wie viel fiktiv? Was ist über den echten Ernst Lossa bekannt gewesen?

Das lässt sich in Zahlen schwer ausdrücken, Melanie.

Die Geschichte von Ernst Lossa ist u. a. deshalb gut bekannt, weil sie Bestandteil der Nürnberger Prozesse war. Aber auch, weil Michael von Cranach Anfang der Achtziger als Leiter der Psychiatrie nach Kaufbeuren kam und die Krankenakte von Ernst Lossa entdeckte, in denen sich wiederum zahlreiche Hinweise finden, etwa, dass er anderen Patienten und dem Personal geholfen hat. Oder eben, wie im Film gezeigt, im Sektionshaus. Oder die Hungernden mit geklauter Nahrung versorgt hat.

 

Wir haben uns bei der Adaption an das gehalten, was wir recherchieren konnten (dabei waren Michael von Cranach und der Romanautor Robert Domes zweifelsfrei die wichtigsten Quellen). Bis auf Nandl und andere Patienten gab es alle handelnden Figuren wie den Direktor oder die Kinderkrankenschwester (die nach 4 Jahren Freiheitsstrafe ja wieder ihren Beruf weiter ausüben durfte) oder sind von mir von mehreren Personen zu einer fusioniert worden (der Assistent Hechtle oder Schwester Sophia).

 

Dialoge sind natürlich nicht überliefert.

Aber es gibt schriftliche Quellen, Briefwechsel etwa.

 

Ich kann es vielleicht an einer Szene festmachen, warum es schwer ist, eine Aussage für den ganzen Film zu machen, was "real" ist und was nicht.

Lossas Geschichte ist real. Schwester Sophia ist fiktiv. Aber sie repräsentiert das Dilemma der Ordensschwestern, das ist wiederum real. Es gab kein Gespräch zwischen Sophia und dem Bischof, denn der Bischof ist zwar real, Sophia aber nicht. Wir wissen aber, dass die Ordensschwestern sich Rat holten, wie sie sich zu verhalten hatten. Auf der einen Seite wollten sie sich nicht mitschuldig machen, auf den anderen Seite die Patienten aber auch nicht um Stich lassen. 

Wir wissen auch um die damalige Haltung der Kirche zur Euthanasie. Man wusste um die dezentrale Ermordung von Behinderten (wobei auch körperliche Behinderungen wie etwa ein Klumpfuß dazu gehörten) in den Anstalten, hat aber keinen Finger gerührt.

Aus diesen Haltungen - Ordensschwestern hier, Kirche da - habe ich eine Szene entwickelt, in der Ordensschwestern Sophia sich mit ihrem Dilemma an den Bischof wendet, um von dem abgespeist zu werden.

Auch der Junge mit dem Klumpfuß zu Beginn des Filmes ist eine Erfindung. Wir wissen aber, dass es durchaus Familien gab, die ihr Angwhörigen aus den Anstalten nach Hause geholt haben. Er steht also filmisch dafür, dass das möglich war - die Familie musste das aber auch wollen...

 

Wie Du siehst, kann ich Dir keine abschließende Antwort geben, da müssten wir alle Quellen gemeinsam begutachten und dann jede Filmszene daraufhin abklopfen.

 

Schöne Grüße,

 

Holger 

 

 

 

Vielen Dank, Holger. 

 

Die Figur von Schwester Sophia war eine von denen, die mich sehr interessierte, und es ist sehr gut gelungen, sie aus verschiedenen echten Persönlichkeitsanteilen anderer Schwestern zusammenzusetzen. Schwester Kiefer war auch schauspielerisch hervorragend besetzt, ebenso wie der Direktor. Diese vermeintlich Fürsorgliche, und dahinter wird eiskalt ausgesiebt, während der junge Ernst als asozial eingestuft wird und viel mehr Menschlichkeit beweist. Das hat den Film so eindrücklich gemacht. Über das Ende musste ich nachdenken, ob mir das gefiel oder nicht, mit der Aussage, er wäre in Amerika angekommen. Letztlich aber schon, weil das ja auch eine Art hilfloser Widerstand war, der es noch mal bedrückend machte.

 

Gut fand ich, dass die Tötung selbst nicht gezeigt wurde. Und dass deutlich wurde, dass gerade jene - der Direktor und Schwester Kiefer - die man sonst für die Paradebesetzung einer Ärzteserie nehmen würde - die brutalsten Charaktere waren, aber dabei zwiespältig - ambivalent davon überzeugt, das Richtige zu tun.

 

Und ich hatte einen politisch unkorrekten, makaberen Gedanken. Diese Entzugs-Gemüsesuppe wäre heute bei Leuten, die abnehmen wollen, bestimmt der Renner ...

 

Das Beeindruckende sind die leisen Töne, dass es ohne jede Dramatisierung auskommt, weil es schon gruselig genug ist, wenn Schwester Kiefer nett lächelnd mit dem Himbeersaft kommt. Mich wundert nicht, dass sie später als Kinderschwester weiter arbeitete. In Hamburg hat auch ein Arzt, der über 50 Kinder tötete, nach seinem Freispruch bis 1973 weiter gearbeitet. Ich finde es gruselig, wenn ich mir vorstelle, dass ich - Jahrgang 1969 - noch von so jemandem hätte behandelt werden können. 

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Liebe Melanie,

 

dankeschön.

 

Über die Jahre der Entwicklung hat das Buch diverse "Enden" durchlaufen. Ich hätte gerne mit der geschlossenen Zimmertür aufgehört, dann der Abspann.
Aber Leser des Drehbuches und auch der Verleih haben geraten, nach diesem düsteren Trip am Ende ein klein wenig Hoffnung, ein kleines bisschen an Sinn aufleuchten zu lassen.

In dieser Hinsicht sind der Rabe und Nandls Lüge à la "Ernst ist in Amerika" vielleicht besser einzuordnen. 

Wir haben uns auch sehr lange mit den Antagonisten beschäftigt, es gab viele Einschätzungen, Diskussionen - und ja, am Ende waren wir davon überzeugt, dass der Direktor zutiefst von der Mission der "Erlösung" erfüllt war ebenso wie von der "Rassenhygiene".

Obwohl man eine Menge Leute mit dem Film nachdenklich stimmt oder sogar berührt, bin ich auch froh, dass diese Arbeit jetzt hinter mir liegt. Man kommt ja nie ganz als derselbe da wieder raus.

Schönen Abend,

Holger

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Dass am Ende ein Rabe auftauchen würde, war mir in dem Moment klar, als er sagte, dass er sich nach seinem Tod in einen Raben verwandeln würde :-) 

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Was mir noch einfällt und was mir gut gefallen hat, ist die Erwähnung, dass das Euthanasieprojekt sogar noch 56 Tage nach der Kapitulation fortgeführt wurde. Es wird ja oft vergessen, dass die Kranken die einzigen NS-Opfer waren, die nicht befreit wurden, sondern während alle anderen Opfer befreit wurden, nach wie vor weiter weggesperrt blieben und (ver-)hungerten, weil sie Deutsche waren und die niedrigsten Lebensmittelkartenkategorien hatten. Im vorliegenden Fall ist es bemerkenswert, dass überhaupt Haftstrafen gegen die Täter verhängt wurden. In Hamburg wurden bei den Ärzteprozessen ja Präzedenzfälle geschaffen, um die Täter dauerhaft freisprechen zu können. 

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