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ClaudiaB

Sprache und Denken

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Liebe Claudia, zur Geschichte der Entstehung von Einrichtungen aller Art (ich hoffe, die Sprache ist auch darunter) habe ich gerade was Neues auf dem Buchmarkt entdeckt. Möglicherweise bahnbrechend?

Auch hier noch mal: Vielen, vielen Dank!!! Die Sprache ist tatsächlich nicht darunter, die wird einfach vorausgesetzt. Das kommt auch daher, dass die Geschichte der Entstehung erst da einsetzt, als die Sprache schon da war.

 

Über die Musik habe ich jetzt länger nachgedacht. Merkwürdigerweise scheinen mir die musikalischen Strukturen viel ähnlicher denen der Mathematik als der Grammatik. Vielleicht hat ja das auch damit zu tun, dass die kognitiven Fähigkeiten zum Musikverständnis aus allgemeinen kognitiven Fähigkeiten bestehen.

Grammatik erscheint mir viel anarchistischer oder chaotischer als die Strukturen der Musik bzw so wie Harmonielehre/Analyse sie nachstellen. Ein Versuch, ein Regelwerk zu schaffen, also die Struktur im Nachhinein anzubieten. In deinem Zitat wird das intuitive oder automatische Verstehen musikalischer Strukturen beschrieben, sofern es im heimischen Idiom bleibt, also europäische Musik  ungefähr ab der Renaissance bis jetzt, wozu auch alle Pop/Jazz/Blues und so weiter Entwicklungen zählen ( Amerika  ist mit "europäisch" auch gemeint). Das wäre unser Idiom, wenn wir von unserem Tonsystem Abweichendes hören wird es schon schwierig, gewisse Musik (neue E-Musik, Experimentelles, gänzlich Kulturfremdes) nehmen wir dann wohl wirklich nur noch als Aneinanderreihung von Sounds wahr.

 

Jetzt musste ich erstmal deixis googeln und einiges darüber lesen. :)

Wann hat sich denn die theory of mind in der Menschheitsgeschichte entwickelt, weiß man das?

Danke und herzliche Grüße

Claudia

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Wann hat sich denn die theory of mind in der Menschheitsgeschichte entwickelt, weiß man das?

Danke und herzliche Grüße

Claudia

 

 

Nein, das ist nicht genau bekannt. Man muss sich auf indirekte Indizien verlassen. Dazu gehören vor allem die Überreste der kulturellen Produktivität prähistorischer Menschen, wie Werkzeuge, Malerei, Klangkunst, Kleidung und Hinweise auf ihre Bestattungsformen und gesellschaftliche Zusammenhänge. Sehr indirekt sind auch Vergleiche mit indigenen Völkern, Vergleiche mit genetisch verwandten Spezies im Verhalten und in der DNA.

 

Die Sache mit der theory of mind hat ja mit dem Grad des (Ich-) Bewusstseins zu tun. Da ist es hilfreich zu wissen, dass ein gewisser Grad von Ich-Bewusstsein auch bei anderen Tieren als dem Menschen vorhanden ist. Das zeigt sich zum Beispiel im sogenannten Spiegeltest. Verschiedene Tiere erkennen sich selbst im Spiegel, haben also eine Vorstellung vom Ich.

 

Täuschen ist auch recht weit verbreitet, und zwar nicht nur unter Primaten. PeterW kann sicher viel mehr dazu sagen. Wer täuscht, hat eine gewisse Vorstellung von der Vorstellung des anderen. Das ist aber nicht dasselbe wie lügen, denn beim Lügen wird eine falsche Aussage gemacht. Das Lügen ist also an Aussagen gebunden.

 

Es wird schon hier klar, dass das Ich-Bewusstsein nicht wie eine Explosion auf einen Schlag in die Evolution gekommen ist.

 

Bestattungsformen werden auch als wichtige Zeugen von Bewusstsein betrachtet. Wer Verstorbene aufwändig bestattet und sie mit Schmuck, Werkzeugen oder Nahrung ausstattet, macht sich Gedanken darüber, was mit den Toten passiert, denkt also über die Zukunft nach und darüber, was nach dem Tod passiert. Es wird angenommen, dass diese Menschen auch ihre eigene Sterblichkeit erkannten und dass diese Erkenntnis die Bestattungsrituale verstärkt haben. Diese Art von Gedanken ist genau das, was in der theory of mind passiert: Ich überlege, was der andere denkt.

 

Die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit ist für manche, die auf diesem Gebiet arbeiten, der Motor der geistigen Entwicklung. Mit der Erkenntnis des Todes muss ich dieser Bedrohung, die aus dem eigenen Geist kommt, begegnen. So erfindet der Mensch ein geistiges Gebilde, das seine Existenz erklärt und sein Ich weiter leben lässt – meist in der Welt der Ahnen.  All dies ist eine geistige (mentale) Welt, die außerhalb der realen Welt existiert, nämlich im Geist der Menschen, und wir haben bewussten Zugriff auf diese Gedanken. Erst in der Antike haben die griechischen Philosophen dieser geistigen Welt Rationalität eingehaucht. Die Ägypter haben aber auch in vor-rationaler Zeit unglaubliche technische und kulturelle Entwicklungen erfahren.

 

Aus diesen wenigen Beobachtungen kann man natürlich kein exaktes Datum ableiten. Man bekommt aber einen ersten Eindruck davon, dass der entscheidende Schritt schon zur Zeit der berühmten Höhlenmalereien vollzogen worden sein muss. Viele dieser Höhlen waren übrigens Kultstätten, und dabei waren neben den optischen Eindrücken auch akustische wichtig. Akustiker und Archäologen haben heraus gefunden, dass wichtige Darstellungen oft an  Stellen platziert sind, die bestimmte akustische Effekte haben und auf das Befinden der Anwesenden wirken. Sie gehen davon aus, dass die „Verantwortlichen“ ein genaues Wissen von diesen akustischen Effekten hatten. Auch dies ist ein Beispiel für bewusstes Wissen und seiner Anwendung.

 

​Soviel erst mal zum bewussten Denken. Claudias ursprüngliche Frage ging aber weiter: wie hängen Sprache und Denken zusammen? Für heute reicht das aber erst mal.

Bearbeitet von Manfred
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Vielen Dank, Manfred und die anderen! Das Thema ist einfach faszinierend, gerade weil es in gewisser Hinsicht ungreifbar ist, weil alle Annahmen sich ja auf eine Zeitstufe beziehen, in der es sprachlich Aufgezeichnetes so direkt nicht gab. Die Kontroversen, die Theorien dazu auslösen können, scheinen gewaltig gewesen zu sein. Hat da nicht mal ein amerikanischer Linguist (Green?) sich daran gemacht, aus den bekannten Sprachen – toten wie lebendigen – eine bisher unbekannte "Ursprache" nachzubilden? Ich meine mich zu erinnern, dass Schüler von ihm in Oxford mit Prügeln bedroht wurden, sollten sie jemals den Namen ihres Meisters öffentlich nennen.  :o

 

Musik und Mathematik hängen nach Aussage einiger deutscher Philosophen (Hegel. Nietzsche?) enger zusammen als Musik und Sprache. Was mir aus zwei Gründen (der eine davon persönlicher Art) einleuchten würde.

Erstens: Von allen Künsten ist die Musik die abstrakteste. In der Literatur machen wir Aussagen, fällen Urteile, vergleichen, rufen Erinnerungen hervor etc. Das geht auch in der Malerei – wenn auch auf abstrakterer Höhe: Das Porträt einer schönen, unzufriedenen Frau kann uns Gedanken und Gefühle zu ihr nahelegen, es kann in der Tat mehr sagen als die berühmten tausend Worte. Aber die ganze Geschichte erzählen von der unglücklich mit einem Landarzt verheirateten Emma, die auf jeden Luftikus hereinfällt, sich verschuldet, ein Doppelleben führt und sich am Ende vergiftet – das blieb dann doch den Millionen Worten des Flaubert vorbehalten. In der Musik ist gar keine Geschichte mehr, die rührt unmittelbar ans Gefühl, da mischt sich kein Gedanke mehr ein (außer Programmmusik, aber das ist eine sehr temporäre Sache gewesen).

 

Zweitens bin ich wirklich matheschwach, jedoch musikalisch. Ich kann singen und zwei Instrumente dilettantisch spielen. Noten lesen schaffe ich. Aber die Zusammenhänge zwischen Akkord und Dominantseptakkord und all den anderen geheimnisvollen Größen zu begreifen, kriege ich nicht hin. Wenn ich es versuche, stellen sich haargenau dieselben Kopfschmerzen ein wie früher bei der Infinitesimalrechnung (von der ich heute noch alpträume).

 

Angelika

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Jetzt mal zu dieser Sache mit der Ursprache. Ja, es hat Versuche gegeben „die Ursprache“ zu rekonstruieren. Das ist aber, mit Verlaub, ein völlig sinnloses Unternehmen. Man kann sich das vereinfacht so vorstellen: wir kennen Lautverschiebungen z.B. bei den germanischen Sprachen und können so historische Stufen von einander ableiten. Man hat das auch bei der Rekonstruktion des Indogermanischen gemacht. Allerdings wurde daran auch viel Kritik geübt, unter anderem deshalb weil die rekonstruierte Sprache rein hypothetisch ist. Nur geht es dabei um einen Zeitraum von ca. 6000 Jahren. Bei „der Ursprache“ muss man einen erheblich größeren Zeitraum ansetzen, und dann wird die hypothetische Rekonstruktion einfach zur blinden Anwendung einer Methode ohne materiellen Anhaltspunkt. Dann wäre da auch noch die Frage, ob diese Ursprache eines Tages vom Himmel gefallen ist. Nach allem, was wir wissen, haben sich die kognitiven Voraussetzungen für Sprache in der Evolution schrittweise entwickelt. Daher ist die Suche nach der Ursprache ähnlich wie die Suche nach dem ersten Hühnerei.

 

Es wurde aber die menschliche DNA in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen um den Globus analysiert und in Verwandtschaftsverhältnisse gruppiert. Diese Gruppierungen entsprechen sehr gut den Gruppierungen, die sich aus den entsprechenden Sprachfamilien ergeben. Gleichzeitig sieht man auch, dass bestimmte sprachliche Eigenschaften (wie die Tonhöhe in Tonsprachen) mit genetischen Eigenschaften korrelieren. Diese Art von Beobachtungen werden als Indiz dafür gewertet, dass die bekannten Sprachen einen gemeinsamen Ursprung haben.

 

Die gegenwärtig existierenden ca. 6000 Sprachen befinden sich trotz der vielen strukturellen Unterschiede alle auf derselben evolutionären Stufe. Alle werden mit derselben mentalen und biologischen Architektur verarbeitet, und wir haben nicht die leiseste Ahnung davon, wie eine frühere Entwicklungsstufe der menschlichen Sprachfähigkeit ausgesehen haben mag. Früher wurde spekuliert, dass der Neandertaler, also eine ausgestorbene andere Menschenart, nicht artikulieren konnte (da ihm angeblich das „Zungenbein“ fehlt) und nicht über Sprachfähigkeit verfügte. Dieses Urteil musste revidiert werden, als man ein Exemplar seines „Zungenbeins“  fand und seine DNA entschlüsselte – mit dem Ergebnis einer enormen Ähnlichkeit zu uns, einschließlich einem Satz von Genen, die mit Sprache in Zusammenhang stehen. All das beweist natürlich nicht, dass Neandertalerinnen und Neandertaler dieselbe Art von Sprache hatten wie wir. Es rückt aber das Bild vom depperten Vetter (bzw. von der depperten Base) etwas zurecht und macht deutlich, dass die Geschichte der Sprache wahrscheinlich noch weiter zurück reicht als wir dachten. Aus diese Perspektive mutet die Rekonstruktion des Indogermanischen an wie eine Rückblende der Tagesschau.

Bearbeitet von Manfred
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Zweitens bin ich wirklich matheschwach, jedoch musikalisch. Ich kann singen und zwei Instrumente dilettantisch spielen. Noten lesen schaffe ich. Aber die Zusammenhänge zwischen Akkord und Dominantseptakkord und all den anderen geheimnisvollen Größen zu begreifen, kriege ich nicht hin. Wenn ich es versuche, stellen sich haargenau dieselben Kopfschmerzen ein wie früher bei der Infinitesimalrechnung (von der ich heute noch alpträume).

 

Ja, ich war auch schwach in Mathe. In der Schule ein Albtraum, angefangen mit einer bestimmten Lehrerin, sich dann fortsetzend, zwischendrin ein paar Lichtblicke, Lehrer, die mir sagten, ich hätte da gar keine Schwäche. Aber die Art kopfschmerzerzeugende Verwirrung kenn ich gut. Bei Mathe. Aber nicht, was Musiktheorie betrifft. Eins meiner Lieblingsfächer im Studium. Klar strukturiert, alles ersichtlich, erschließbar, eine Analyse dessen, was man vor sich hat, Regeln, die im Nachhinein gemacht wurden, auch, um Geniales in Formen zu bringen, verständlich zu machen. Und man kann aber sogar ein bisschen spekulieren, auslegen, Zusammenhänge finden. Verschiedene Modelle miteinander vergleichen. Heute höre ich, wenn ich jemandem etwas mehr oder weniger Kompliziertes musiktheoretisch erkläre, oft ein Stöhnen: Das ist ja wie Mathe! Ja, genau. :)Das ist ja das Gute daran!

 

Daran sieht man mal wieder, dass nur der Bezug stimmen muss ...

Dass sich diese Art von analytischem Wissen stark von Sprachen unterscheidet, empfinde ich auch so. Und selbst das Hören von Musik, die "Analyse", die im Hirn gleichzeitig stattfindet, empfinde ich als matheverwandt, nicht als sprachverwandt. Und noch etwas: Man behauptet ja, wer "musikalisch" sei, könne auch den Tonfall von Sprachen jederzeit nachmachen. Das stimmt in meinem Fall nicht unbedingt, ich bin wohl zweifellos musikalisch, kenne jedoch Leute, die weniger mit Musik am Hut haben, dennoch Sprachmelodien/Dialekte etc viel besser nachsprechen können als ich oder auch als andere Musiker meiner Bekanntschaft. Als wissenschaftliche Erklärung reicht das nicht aus, schon klar, dennoch ...

 

Danke für deine Erläuterungen, was die Ursprache und die langsame Entstehung der Theory of Mind betrifft, Manfred!

Tja, wie hängen jetzt wohl Sprache und Denken zusammen ...?

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Es wurde aber die menschliche DNA in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen um den Globus analysiert und in Verwandtschaftsverhältnisse gruppiert. Diese Gruppierungen entsprechen sehr gut den Gruppierungen, die sich aus den entsprechenden Sprachfamilien ergeben. Gleichzeitig sieht man auch, dass bestimmte sprachliche Eigenschaften (wie die Tonhöhe in Tonsprachen) mit genetischen Eigenschaften korrelieren. Diese Art von Beobachtungen werden als Indiz dafür gewertet, dass die bekannten Sprachen einen gemeinsamen Ursprung haben.

Tonal organisierte Sprachen und Genetik korrelieren? Wie interessant! Aber das heißt ja doch wohl nicht, dass nur Leute aus einem bestimmten genetischen Umfeld die chinesischen vier  etc. Töne treffen können? Wäre ja ein Todesurteil für europäische Sinologen!

 

Dass ostasiatische Völker, die nebenbei tonal sprechen, sich genetisch gleichen, kann ich mir natürlich vorstellen, da gibts ja durchaus Ähnlichkeiten auf etlichen Gebieten (bis zum Mongolenfleck bei den Babys). Aber was folgt daraus zur Sprachentstehung? Verstehe ich dich richtig, Manfred, dass du mit "den bekannten Sprachen" etwa die Gruppe der tonalen meinst? Dass alles, was wir an Sprachen kennen, einen gemeinsamen Ursprung hat, kann es nicht sein, das war ja gerade die Greensche Hypothese. Aber auch innerhalb der Tonsprachengruppe kann das nicht allgemein gelten. Sinologen und Japanologen würden da jedenfalls widersprechen. Auch das Japanische hat Tonalität (wenn auch nur zwei Töne beteiligt sind, Paradebeispiel ist immer hashi, das je nach Tongefälle Essstäbchen oder Brücke heißt), ist aber strukturell vollkommen anders aufgebaut als Chinesisch. Agglutinierend und flektierend, auch die Wortbildung läuft anders. – Aber vielleicht habe ich dich sowieso falsch verstanden?

 

Auf alle Fälle muss ich zwischendrin noch lobend anmerken, wie sehr hier die political correctness eingehalten wird im Falle der Neandertaler und Neandertalerinnen:s01  :s01  :s01

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Allerdings ist Japanisch keine tonale Sprache, auch wenn es in wenigen Fällen (wie "hashi") für zweierlei Bedeutungen auch zweierlei Betonungen gibt (allerdings nicht, wie in den chinesischen Sprachen, innerhalb einer Silbe, es ist eher eine steigene oder sinkende Betonung von einer Silbe zur anderen). Im Vergleich zu den chinesischen Sprachen ist die Aussprache im Japanischen ein Klacks.

 

Dafür ist hier etwas anderes interessant für Euer Thema: die viel engere Kopplung von Sprache und Schrift. Im Japanischen gibt es vergleichsweise wenig Silben. Und wenn man weniger Silben zum Bau von Wörtern zur Verfügung hat, ergeben sich zwangsweise mehr Homonyme: Wörter, die gleich klingen, aber Unterschiedliches bedeuten. Die rein japanische Schrift ist eine Silbenschrift: Ein Zeichen hat einen phonetischen Wert. Das Wort "hashi" für Brücke und das Wort "hashi" für Essstäbchen sehen also in dieser japanischen Schrift gleich aus. Darum werden außerdem viele chinesische Zeichen benutzt ("Kanji") - die wiederum etwas über die Bedeutung eines Wortes verraten, wie Piktogramme. Mit Kanji geschrieben sehen "Brücke" und "Essstäbchen" dann nicht mehr gleich aus. Das Schriftzeichen verrät, was gemeint ist.

Deshalb ist in Japan das Gesprochene viel stärker an die Schrift gekoppelt, vor allem eben an die chinesischen Zeichen. Das Wort "sake" heißt nicht nur "Reiswein", sondern auch "Lachs". Wenn zwei gerade über Fisch reden, haben sie in Japan beim Sprechen vor ihrem inneren Augen viel stärker als wir auch das geschriebene Zeichen "Fisch", und niemand denkt in dem Moment an den Reiswein. Der bekannte japanische Uhrenhersteller "Seiko" hat einen Namen, der - mit anderen, aber eben gleich ausgesprochenen Zeichen - auch "Geschlechtsverkehr" bedeuten kann. Niemand in Japan würde darüber lachen. Weil man im Kontext sofort die entsprechenden chinesischen Zeichen mitdenkt. Witze, die auf der Doppelbedeutung von Wörtern beruhen, funktionieren deshalb in Japan manchmal nicht so gut wie bei uns.

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Die Sache mit der DNA und Sprache habe ich erwähnt, weil zum Ursprung von Sprache so viel spekuliert wurde und diese faktische Art der Forschung ein Beispiel für eine ernsthafte Richtung ist. Typisch für die Spekulationen nach Art der Wauwau-„Theorie“ ist ja, dass sie eine enorm tiefgründige und weitreichende Frage mit wenigen Federstrichen beantworten wollen. Und wie wir hier schon mehrfach festgestellt haben, braucht man auch als Laie mehr Geduld und muss die Grenzen unserer gegenwärtigen Erkenntnis akzeptieren. Grübeln allein wird da nicht weiter führen. Dabei stehen uns heute sehr viel weiter entwickelte Forschungsmethoden zur Verfügung als noch vor einigen Jahrzehnten. Die DNA-analyse ist da ein Beispiel.

 

Wie gesagt, es wurde die menschliche DNA analysiert. Das ermöglicht verschiedene Vergleiche: moderner Mensch - Neandertaler (zwei Menschenarten), moderner Mensch - prähistorischer Mensch, moderner Mensch – Schimpanse, sowie Bevölkerungsgruppen des modernen Menschen. Bei dem letztgenannten Schwerpunkt ging es um die minimalen DNA-Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen. Diese Unterschiede wurden gruppiert und mit sprachlichen Gruppierungen (nach Stammbäumen) verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass die beiden Gruppierungen weitgehend überein stimmen. Und das wird als ergänzender Beleg dafür gewertet, dass alle gegenwärtig bekannten Sprachen auf denselben Ursprung zurück zu führen sind. Ein solches Ergebnis ist in der Summe spektakulär und wäre vor der Jahrtausendwende völlig undenkbar gewesen. Nicht nur wegen der „Entschlüsselung“ des menschlichen Genoms, sondern auch wegen der ungeheuren Fortschritte bei der zuverlässigen und schnellen Analyse von Jahrtausende altem Material. Im Vergleich zu den groben Strichen der Wauwau-„Theorie“ ist damit aber nur ein einziger Schritt getan. Diese Beobachtung mahnt zu Geduld und Vorsicht.

 

Und es steckt noch ein weiteres mögliches Missverständnis hinter dem Kürzel DNA. Es klingt so sehr nach angeborenem Programm und fest in die Struktur des Menschen eingebrannt. Man könnte sich vorstellen, dass bestimmte Sequenzen der DNA die Struktur und Funktion der einzelnen Sprachen festlegen. Und dazu habe ich noch die Sache mit den Tonsprachen (bzw. tonalen Sprachen) erwähnt. Dann liegt der falsche Schluss noch viel näher, dass Eigenschaften von Sprachen genetisch fest gelegt sind. Das ist sicher nicht der Fall. Wie könnten sonst deutsche Kleinkinder perfekt Mandarin lernen? Und das können sie, wenn sie in der entsprechenden Umgebung aufwachsen. Bei all den Fällen, die Spracherwerbsforscher untersucht haben, sind gesunde Kinder immer Muttersprachler der Sprache oder Sprachen (ein, zwei oder mehr) geworden, von denen sie umgeben waren. Daran sieht man, dass Menschen für den Erwerb aller Sprachen ausgerüstet sind. Zusätzlich ist dies ein weiterer indirekter Beleg dafür, dass sich alle Sprachen auf  derselben evolutionären Stufe befinden.

 

Nein, die Sache mit der DNA und Sprache ist anders zu verstehen. Es wurden bestimmte Gene und DNA-Sequenzen identifiziert, die mit bestimmten Sprachstörungen einher gehen. Ihre genaue Wirkungsweise ist nicht bekannt, und man nimmt an, das es hier komplexe Wirkungszusammenhänge zwischen diesen und anderen Genen und auch der Umgebung besteht. Zusätzlich wurden bei einigen Genen Varianten gefunden, die häufig mit bestimmten sprachlichen Merkmalen zusammen fallen, wie zum Beispiel mit der Tonalität. Der Zusammenhang ist aber nicht ein-zu-eins. Menschen mit anderen Varianten können ebenfalls tonale Sprachen erwerben. Manche Forscher nehmen an, dass diese Varianten die Entwicklung von Tonalität begünstigt haben. Man möchte ja auch die "Vielfalt des menschlichen Sprachbaus" (W. v. Humboldt) erklären können.

 

Bei der Sache mit den Stammbäumen kommt übrigens auch der Name „Joseph Greenberg“ ins Spiel. Greenberg ist weltweit bekannt für seine Arbeiten in der Sprachtypologie und Universalienforschung. Der Vergleich der menschlichen DNA mit sprachlichen „Gruppierungen“ basiert auf seinen wissenschaftlichen Vorleistungen. 

 

Soviel dazu. Jetzt bleibt aber immer noch Claudias Frage offen - ebenso wie die Verbindung von Sprache und anderen kognitiven Fähigkeiten. Im Verhältnis von Körper und Geist gibt jetzt aber der Körper eindeutige Signale.

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