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Hanna Aden

Ein paar Gedanken zu Liebesromanen ...

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Irgendwann habe ich, glaube ich, mal zugegeben, dass ich in meinem Leben schon "Schund" geschrieben habe. Genauer gesagt, Geschichten mit erotischen Elementen. Was mich daran jedoch immer viel mehr interessiert hat, war die Selbstfindung meiner Protagonisten, inklusive ihrer sexuellen Biografie und all der seltsamen Verwicklungen, die einen Menschen zu dem machen, was man ist. Vor "klassischen" Liebesromanen habe ich mich immer gedrückt, weil ich mit der Vorstellung von hingebungsvoll-schwachen Frauchen und starken, souverän-überlegenen Alphamännern nicht so viel anfangen kann. Vielleicht habe ich auch nur zur falschen Zeit die falschen Nackenbeißer in die Hand bekommen und Schüttelkrämpfe bekommen, weil dort psychologisch fragwürdige Besessenheit zum Beweis wahrer Liebe hochstililsiert wurde ... oder weil mir weibliche Heldinnen angeboten wurden, die selbst nichts leisten konnten und deswegen die Hilfe eines starken Mannes brauchten. Keine Ahnung. Jedenfalls hatte ich immer das Gefühl, dass dieses Genre für mich nicht passt.

 

Liebe und Füreinander-Einstehen sind super. Ehrlich. Aber über diese Art Liebe liest man selten etwas, zumindest kommt es mir so vor. Auf seelenzerfetzende Besessenheit, "ich kann ohne dich nicht leben" und den Retter aus der Not meines Lebens, das ich allein nicht auf die Reihe kriegen würde, kann ich gut verzichten. Das habe ich mit fünfundzwanzig tatsächlich mal ausprobiert (er besaß sogar eine eigene Firme und war Millionär) ... und nein danke, ich verzichte. Augenhöhe rules.

 

Lange schien es mir, als ob mich diese Einstellung unfähig zum Schreiben von Liebesromanen macht. Dort, so schien es mir, wird ein bestimmtes Rollenbild erwartet, sowohl bei Männern wie auch bei Frauen, und ich finde keines von beidem besonders sexy.

 

Und doch ... Liebe gehört zu den schönsten Dingen, die das Leben uns bietet. Sie ist besser als Schokoladenkuchen, heißt es am Ende der Brautprinzessin von Goldman, wenn ich mich richtig erinnere. Und da war der körperliche Teil von Liebemachen noch nicht mal mit inbegriffen.

 

Dieser Widerspruch hat mich lange gequält - bis eine Freundin von mir zu einem Wochenendseminar von John Truby fuhr. An einem der Tage lehrte er die Seminarteilnehmer die Storybeats einer Lovestory, wie sie in Hollywood seit Generationen von einem Drehbuchautor an den nächsten weitergegeben werden. Meine Freundin widerum gab die Beats an mich weiter ... und ich begriff, dass zum Schreiben von Liebesgeschichten mehr gehört als das Wiederkäuen von Geschlechterklischees, die nicht mehr sexy sind.

 

Ein paar Überlegungen dazu habe ich in meinem Blog festgehalten. Im ersten Beitrag zu dem Thema geht es um meinen Zwiespalt zwischen der Faszination für das Thema Liebe und die Klischees, die mich abstoßen.

 

Im zweiten Beitrag erzähle ich von meinem Gespräch mit der Freundin und lasse die Mitleser teilhaben an meinem Kampf um Verständnis dafür, was das Ziel einer Liebesgeschichte sein kann. Denn ohne glaubhaftes Ziel, das es wert ist, dafür zu kämpfen, verblasst eine Story schnell zur Schablone, und ich kann nach wie vor nicht glauben, dass das Erringen eines anderen Menschen der zentrale Inhalt im Leben eines Menschen sein sollte. Glücklicherweise ist er das auch gar nicht, behauptet Truby. Da geht es um viel mehr.

 

Im dritten Artikel beschäftige ich mich mit dem zentralen Konflikt, der hinter den Kulissen in jeder Liebesgeschichte mit hineinspielt - und der die scheinbar so simple "Sie finden sich - sie verlieren sich und kämpfen - sie kriegen sich" psychologisch und erzählerisch viel interessanter werden lässt. Seit ich das verstanden habe, bin ich zum ersten Mal in der Lage, eine Geschichte über den Kampf um die Liebe so zu entwickeln und zu schreiben, dass sie mich selbst in den Bann zieht und beim Schreiben Spaß macht.

 

Vielleicht interessieren die Überlegungen den einen oder die andere von euch - und vielleicht habt ihr Ergänzungen, Erweiterungen, Anmerkungen und Gedanken zu dem Thema? Ich liebe den Austausch mit Kollegen zu spannenden Aspekten unseres Handwerks :).

 

Die allerbesten Grüße

Hanna

Bearbeitet von HannaT
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Sehr schön, liebe Hanna, zumal ich auch gerade an einem Liebesroman schreibe. Und auch ich dachte, dass ich so etwas Immergleiches nicht schreiben wolle und doch merke ich jetzt, dass mit einer guten Plotidee selbst die immergleiche Struktur dieses Genres spannend aufgefächert werden kann (so hoffe ich jedenfalls).

 

Lassen wir uns überraschen!

 

LG Cornelia

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Da bin ich ja schon sehr gespannt, was deine Freundin von Truby alles gelernt hat ;)

Geschlechterklischees möchte bestimmt jeder gerne verhindern. Jedenfalls hänge ich beim Plotten meiner neuen Story genau an dieser Frage. Nackenbeißer habe ich noch nie gelesen - ich glaube, ich sollte das nachholen, um deren Klischees verhindern zu können. Bis jetzt habe ich eine Liebesgeschichte ähnlich geplottet wie andere auch - an der Heldenreise orientiert. Wobei der zu gewinnende Schatz - nicht der Mann war, sondern etwas anderes. Eine Erkenntnis, beruflicher Erfolg, so was in der Art.

Der Mann sollte im Verlauf dieser Heldenreise zu einem Mitstreiter werden. Natürlich ist er das nicht von Anfang an, das wäre ja langweilig. Aber er sollte mit der Heldin gemeinsam ein Ziel verfolgen.

Jetzt denke ich gerade an klassische Liebesgeschichten wie "Stolz und Vorurteil" - auch da erkenne ich eine Heldenreise. Elizabeth Bennett reift vom vorlauten Mädchen zur Frau , die in der Lage ist, Vorurteile zu überwinden und dadurch erst bereit für die Liebe zu Mr Darcy ist. (okay, könnte man auch als Coming-of-Age bezeichnen, aber das überlappt sich nach meinem Verständnis) Passenderweise ist er ein reicher Mann, der sie von Sorgen erlöst, aber sie liebt ihn nicht deswegen. Elizabeth Bennett hätte sich auch in einen armen Mr Darcy verliebt.

Kannst du uns vorab schon mehr über Trubys Storyline verraten?

 

LG Ulrike

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Kannst du uns vorab schon mehr über Trubys Storyline verraten?

 

LG Ulrike

 

Das, was du über die Heldenreise schreibst, passt ganz gut dazu, finde ich :). Zumindest so, wie ich es verstanden habe.

 

Helena hat mir über diesen Workshop auch von ein paar ganz interessanten Dingen darüber erzählt, was Liebe eigentlich bedeuten kann, wenn man den romantischen Schleier abzieht. Ich fand die Idee eines "Liebesvertrags" sehr interessant, einer unausgesprochenen Vereinbarung zwischen Lovers-to-be, die beinhaltet, wer welche Aufgaben im gemeinsamen Leben übernehmen wird. Dank moderner Verhütungsmittel muss es hier nicht mehr primär um die Versorgung und Erziehung von Kindern gehen ...

 

Und auch die Frage nach dem zentralen Konflikt, um den es in einer Lovestory für das Individuum immer in der einen oder anderen Form geht, wenn man die oberflächlichen Konflikte mal tiefer analysiert und versucht, herauszuarbeiten, worum es tief im Innern in Wahrheit geht.

 

Ich werde mir von meinem nächsten Vorschuss, wenn ich es mir irgendwie leisten kann, selbst einen Workshop bei ihm gönnen, denke ich. Unabhängig von diesem speziellen Genre ;)

 

Aber gerade Liebe war halt beim Schreiben oft so ein Stiefkind bei mir - was eigentlich sehr schade ist.

Bearbeitet von HannaT
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Wie heißt der Spruch? "Wer lesen kann, ist im Vorteil" - auf deinem Blog stehen ja schon alle Beiträge zum Thema  ;) 

 

Ich habe mir jetzt mal einen Kaffee und viel Zeit genommen, deine ausführlichen Beiträge zu lesen.

Am interessantesten fand ich den Konflikt "Verschmelzen vs. Autonomie", denn er zielt auf die Annäherung zweier Individuen ab, die ein gemeinsames Projekt wagen wollen: das gemeinsame Leben zweier autonomer Partner. Ein Roman, in dem dieser Konflikt ausschlaggebend ist, fällt mir bislang nicht ein, dabei ist es doch genau der Konflikt, der jeden begleitet, der in einer Beziehung lebt. 

 

Im Plot für meinen neuen Roman bringt der Mann etwas mit in die Beziehung, was der Frau nicht gefällt. Trotzdem empfinde ich es als Heldenreise, weil die Frau als Schatz eine sehr wichtige Erkenntnis gewinnt, durch die sie erst vollständig wird. Doch die Erkenntnis ist mit dem verbunden, was er mitbringt. Insofern wäre es auch ein "Verschmelzen vs. Autonomie"-Konflikt, weil sie mehr Autonomie aufgeben wird, als sie es gedacht hatte? Und mir fällt gerade auf, dass er gar nichts aufgeben muss. Das gefällt mir nicht.

Das war wohl genau der Denkanstoß, den ich gebraucht habe. Er muss auch etwas aufgeben bei dieser Autonomie-Frage, sonst gefällt es mir nicht.

 

Kennst du Bsp. für Liebesromane, die diesen Konflikt beinhalten?

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Ein Roman, in dem dieser Konflikt ausschlaggebend ist, fällt mir bislang nicht ein, dabei ist es doch genau der Konflikt, der jeden begleitet, der in einer Beziehung lebt. 

 

Kennst du Bsp. für Liebesromane, die diesen Konflikt beinhalten?

 

So eine einfache Frage - und so schwer zu beantworten ^^. Ich merke, dass ich sie mir nicht mal getellt habe.

 

Truby sagt, dass es in guten Liebesgeschichten unterschwellig immer um diese Frage gehe. Vielleicht findest du (oder jemand anders) noch mehr Beispiele dafür?

 

Bei der Suche nach Beispielen fällt mir dieser Roman hier ein. Paranormal Romance und damit total totgelutscht - aber schon so alt, dass er eher zu den Begründern des Hypes und nicht zu den Me-toos zählt. Mit anderen Worten, es ist tatsächlich eine gute Geschichte und nicht nur ein Aufguss von Elementen, die a.) eine Leserin bei einem anderen Buch so gerührt haben, dass sie sie beim Schreiben noch einmal erleben wollte oder b.) von einer professionellen Autorin schnell genug geschrieben wurde, um die Welle zu reiten und Geld zu verdienen.

 

Der Roman ist primär ein Entwicklungsroman über Elena Michaels, eine Frau, die damit leben muss, gegen ihren Willen zur Werwölfin gemacht worden zu sein. Seitdem ist da etwas Wildes, Böses in ihr, was nicht zu dem Bild der lieben, freundlichen und angepassten Frau passt, die sie sein will. Natürlich ist das alles die Schuld von Clayton, der sie damals zur Wölfin machte ... Stück für Stück muss Elena begreifen, dass dieses Wilde und Böse schon immer ein Teil von ihr war - genau wie das verletzte kleine Mädchen, deren Eltern starben und die nie ein wirkliches Zuhause hatte und viel zu viel Gewalt in Stieffamilien erlebte. Alle wollten sie, weil sie ein süßes, blondes Püppchen war, aber niemand kam damit klar, dass sie Nacht für Nacht hochschreckte und schrie und wieder den Unfall durchlebte, bei dem ihre Eltern draufgingen. Sie wollte unbedingt als Erwachsene eine normale Familie finden und hat einen normalen Freund, der ihr gegenüber väterlich-liebevoll agiert. Alles, was wild, spöttisch, rebellisch und gewalttätig ist, glaubt sie dafür unterdrücken zu müssen.

 

Und ganz langsam findet sie für sich eine Synthese zwischen diesen zwei verschiedenen Teilen ihres Wesens. Sie lernt, dass sie den Werwolf nicht dafür verantwortlich machen kann, dass er sie zur Werwölfin machte - er hätte es nie getan, wenn er die wilde Seite in ihr nicht gesehen und geliebt hätte. Umgekehrt lernt der Werwolf, ihr mehr Autonomie zuzugestehen ... bzw. hat es schon die ganze Zeit versucht. Für ihn ist es animalischer und unschuldiger als für sie: Er liebt sie, sie ist seine Partnerin, also soll sie IMMER bei ihm sein. Deswegen hat er sich auch über ihren Willen hinweggesetzt. Am Ende sagt er ihr, dass er ihre Einstellung "Zwei autonome Partner" niemals teilen wird, für ihn soll es immer das Verschmelzen miteinander sein - aber er liebt und respektiert sie genug, um zu akzeptieren, dass ihre Einstellung dazu eine andere ist, und wird versuchen, darauf Rücksicht zu nehmen. Er kann nicht versprechen, dass es ihm immer gelingen wird, aber er will und wird sein Bestes geben.

 

Umgekehrt lernt Elena, zu vertrauen und daran zu glauben, dass er sie tatsächlich um ihrer selbst willen liebt, dass sie sich weder in Richtung "wilde Wölfin" noch "angepasste liebe Frau" verbiegen muss ... und dass ein wenig Verschmelzen und Symbiose tatsächlich als sie selbst möglich ist und sie dabei trotz allem noch einen großen Teil ihrer Autonomie behält.

 

***

 

Ich habe diesen Roman wieder und wieder gelesen und lange nicht verstanden, warum ich ihn so mochte ;). Auf den ersten Blick kam er mir gar nicht wie ein Liebesroman vor, obwohl die Geschichte von Clayton und Elena tatsächlich eine wunderschöne Lovestory beinhaltet. Mir gefiel immer der Schluss am besten: Elena begreift, dass sie ihren Freund in der "normalen" Welt tatsächlich für seine Geduld, sein Verständnis und seine Warmherzigkeit geliebt hat - aber dass das die Eigenschaften sind, die sie sich immer bei einem Vater ersehnt hat. Als Gefährten ... will sie Clay, mit all seinen Fehlern, weil das zwischen ihm und ihr die Leidenschaft zweier gleichstarker, grundverschiedener Partner ist, die erotisch hochkocht und gleichzeitig der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels (die Story enthält auch viel Action und Gefahr) dient.

Bearbeitet von HannaT
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Das, was du über das Gleichgewicht schreibst, Ulrike, dass beide einen Teil ihrer Autonomie aufgeben müssen (so ist es in der Realität ja auch immer), finde ich gerade auch hochspannend. Es ist noch nicht direkt der Schlüssel, der mir für mein aktuelles Projekt fehlt, aber es geht schon mal in diese Richtung. Ich bin gespannt, was in dieser Diskussion noch kommt - vielleicht krieg ich ja auch noch das Aha-Erlebnis, das ich gerade brauche und nicht genau weiß, was es sein wird? 

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Erstmal Hanna, finde ich das Bild, das du über Liebesromane hattest, ja echt gruselig. Was hast du denn da nur gelesen? :o

(Klar gibt es sowas - aber doch auch genug anderes!)

 

Ich finde die Diskussion aus dem Grund spannend, weil ich einen Liebesroman bisher noch nie anders betrachtet, geplant, geplottet oder geschrieben habe, als einen anderen Roman. (Was nun mit daran liegen könnte, dass ich NUR Liebesromane schreibe ... halt nicht immer glückliche Liebe.)

Den Mann (oder die Frau zu kriegen) habe ich bisher noch nie als großes Ziel betrachtet, sondern allenfalls als Umstand, über den die Lösung des Konflikts erreichbar wird - oder der genau das erschwert ;) In den meisten "typischen" Liebesromanen funktioniert Liebe ja als eine Energie, die die Protagonisten dazu bringt, sich mit einem ureigenen Problem auseinanderzusetzen und dies zu lösen, um sich dieser Liebe öffnen zu können.

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Jenni, diesen Gedanken finde ich sehr hübsch: Liebe als Energie, die die Protagonisten dazu bringt, sich mit einem ureigenen Problem auseinanderzusetzen und es zu lösen.

 

LG Cornelia

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Ich find ja, das eine ist die Struktur eines Romans - und die ähnelt sich, ob Heldenreise, Drei-Akt-Modell oder wie sie alle heißen. Wendungen, Konflikte, pipapo.

 

Und das Andere, was du nennst, Hanna, ist eher thematisch angesiedelt, oder irre ich mich da? Würdest du einem thematischen Aspekt in einer Paarbeziehung eine andere Struktur zuschreiben? Wie sich ein Paar findet, sich verhandelt usw. ist zumindest für mich ein Aspekt des Themas.

Autorin | Ein  Buch schreiben

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher

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Vielleicht interessieren die Überlegungen den einen oder die andere von euch - und vielleicht habt ihr Ergänzungen, Erweiterungen, Anmerkungen und Gedanken zu dem Thema? Ich liebe den Austausch mit Kollegen zu spannenden Aspekten unseres Handwerks :).

 

 

Ich auch, danke fürs "Anschubsen" dieses Aspekts!

Autorin | Ein  Buch schreiben

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher

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Erstmal Hanna, finde ich das Bild, das du über Liebesromane hattest, ja echt gruselig. Was hast du denn da nur gelesen? :o

(Klar gibt es sowas - aber doch auch genug anderes!)

 

Was - oder wann? ;). Mit siebzehn: Verlassen vom ersten Freund.

 

Spannendes Buch mit rothaariger Frau und sexy Mann und "Rebellin" im Titel, zur Zeit der französischen Revolution. Ich lese begeistert an. Sie kämpft gegen Ungerechtigkeit, dringt in einen Kerker ein, um jemanden aus Gerechtigkeitssinn zu befreien ... wird auf einem Dach bei Nacht von einem anderen Freiheitskämpfer gestellt, der stärker als sie ist und ihre Handgelenke gegen die Wand drückt. Wow, wie aufregend! Jetzt kämpfen sie zusammen ...

 

Nein. Sie muss flüchten, nach England, zu alten Freunden der Familie. Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, muss sie den Sohn der Familie heiraten, ein arrogantes Arschloch, in den sie scih aber trotzdem verliebt, und von da an sind ihre Tage damit gefüllt, zu Hause zu sitzen, den Haushalt zu führen, sich mit ihrer Schwiegermutter anzufreunden und sich Sorgen um den Mann zu machen, der im Ausland kämpft. Am Ende stellt sich heraus, dass er und der maskierte Freiheitskämpfer identisch sind.

 

Hallo? Ich war siebzehn! Ich träumte von Abenteuern, die ich selbst erleben wollte. Zu Hause sitzen und träumen tat ich selbst, da wollte ich nicht über eine Heldin lesen, die auch nicht zu mehr in der Lage war.

 

Zweiter Fall: Fünfundzwanzig. Verliebt in einen Mann, der mit meinen Gefühlen nur spielte. Na gut, versuchen wir es noch mal mit einem Liebesroman. Ein bischen was zu träumen, und die Freundin empfahl es so nachdrücklich ... Ich lese es und denk mir wieder: Was genau soll mir diese Frau anbieten, um mich damit zu identifizieren? Die ist nur zu Hause oder geht zur Schule, ist nett zu allen, zweifelt an ihrem Aussehen ... und der Typ stalkt sie Tag und Nacht. (Bella und Edward ... ich hab den Zauber der Story erst im Film begreifen können, als ich den langhaarigen Bodybuilder von Werwolf sah ^^).

 

Die Bücher, die mich gefesselt haben, waren eher "Planet der Habenichtse" von LeGuin, wo man so schön über alternative Gesellschaftssysteme nachdenken konnte, "Schwertschwester" von Zimmer Bradley, wo die Frauen gekämpft und Abenteuer erlebt haben, Sci-Fi in jeder Form, natürlich auch die Krimis von Ingrid Noll, wo die Frauen so herrlich boshaft andere Leute vergiftet haben ... oder historische Romane von Merkle-Riley, wo die Frauen kämpfen, Ziele verfolgen, besondere Fähigkeiten haben, Freundschaften schließen ... und tatsächlich neben ihren anderen Kämpfen auch Liebe finden.

 

Ich vermute, dass bei vielen Büchern, die ich gelesen habe, sehr wohl "Liebesroman" hätte drüber stehen können ... aber da ging es eben immer noch um andere Dinge. "Angelique" könnte durchaus in dieses Genre fallen, die Abenteurerin, die durch die ganze bekannte Welt tingelte, gegen den König rebellierte, sich mit Piraten Feuergefechte lieferte ... aber die auch von vielen Männern geliebt und begehrt wurde und am Ende ihre große Liebe fand.

 

Den Mann (oder die Frau zu kriegen) habe ich bisher noch nie als großes Ziel betrachtet, sondern allenfalls als Umstand, über den die Lösung des Konflikts erreichbar wird - oder der genau das erschwert ;) In den meisten "typischen" Liebesromanen funktioniert Liebe ja als eine Energie, die die Protagonisten dazu bringt, sich mit einem ureigenen Problem auseinanderzusetzen und dies zu lösen, um sich dieser Liebe öffnen zu können.

 

Hast du Empfehlungen für "typische" Liebesromane für mich, oder Beschreibungen, worum es darin neben "Liebe" und "den anderen kriegen" geht, wenn man die "klassische" Romanstruktur zugrundelegt? Ich habe in meinem Leben tatsächlich erst zwei bewusst mit dem Ziel gelesen, eine schöne Liebesgeschichte zu verfolgen, und ich muss gestehen, dass ich aus den obigen Gründen tatsächlich beide Male sehr enttäuscht wurde.

 

Würdest du einem thematischen Aspekt in einer Paarbeziehung eine andere Struktur zuschreiben? Wie sich ein Paar findet, sich verhandelt usw. ist zumindest für mich ein Aspekt des Themas.

 

Ich habe tatsächlich zu wenige Bücher dieses Genres gelesen, um dazu etwas Spezifisches sagen zu können. Es gibt viele Bücher in meinem Schrank, die darauf warten, dass ich sie lese - und ich habe inzwischen auch entschieden, dass ich keine Bücher mehr kaufen werde, auf der von einem faszinierenden, unnahbaren, sonstwas-Mann auf dem Klappentext die Rede ist, weil ... ich weiß nicht, warum. Die beiden krassesten Beispiele, warum es mir nicht gefiel, habe ich weiter oben beschrieben. Andere Bücher sind "nur" nach dem ersten Lesen auf den Stapel für den öffentlichen Bücherschrank gewandert, wenn ich sie denn bis zum Ende gelesen habe.

 

Vielleicht ist "mein" Problem, dass ich Bücher nur dann als "Liebesromane" erlebt habe, wenn sie neben der Lovestory sonst nichts zu bieten hatten? Sobald es um Coming-of-Age geht, um private Probleme, Familienhintergründe, Action (und ja, Science Fiction bleibt mein Lieblingsgenre), Ermittlungen oder eine zerbrochene Psyche, erleb(t)e ich es gar nicht mehr als "Liebesroman", sondern einfach als (mehr oder weniger) gelungene Geschichte.

 

Dabei ist Letzteres eigentlich viel realistischer, wenn es um "echte" Liebe geht. Die findet ja auch im richtigen Leben nie ohne Hintergrund statt und muss immer zwischen realen Menschen mit Stärken und Schwächen stattfinden, die ihr Leben aktiv gestalten.

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