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(Peter D. Lancester)

Was macht gute Dialoge aus?

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Hallo Leute,

ich möchte Jan und Peter N beipflichten. Wenn man zu Beginn des Schreibens noch nicht weiß, wie seine Figuren reden, haben sie kein Leben, dann fehlt Grundlegendes. Was nicht heißt, dass man zum Schluss noch einmal einen Korrekturgang machen kann, bei dem man sich ausschließlich auf die Dialoge konzentriert.

Ich selbst mache das, wenn das MS fertig ist, um evtl. Brüche leichter zu finden, die durch Schreibpausen entstanden sind.

 

Joy: Ich kann dir nur beipflichten, dass Wissenschaftler ganz normal reden und mit ihrem Bäcker wahrscheinlich eher noch einfacher, ja vielleicht sogar mit dessen Fachwörtern ein "Dreikornbrot" kaufen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Lektor hier vordergründig herumschrauben würde.

 

Was anders ist, ist die Denke - du wirst von deinen Bekannten wissen, dass die Alltagsthemen vielleicht auch aus einem analytischeren Blickwinkel angehen, vielleicht sogar in ganz einfachen Lebensfragen völlig versagen. Sie werden vielleicht sachlicher formulieren, andere logische Ketten bilden. Ich finde, das sollte man in Dialoge übersetzen, nicht das vordergründige Klischee. Und auch da sollte der Wissenschaftler ein Individuum sein, seine eigenen Marotten haben. Wenn sich dann das gespräch um sein Fachgebiet dreht, muss er sich natürlich auskennen und in seinem Element schwimmen.

 

Dann hast du zwei Möglichkeiten: Findet der Dialog zwischen zwei Wissenschaftlern statt, kannst du in Fachsprache verfallen - aber das wird die Leser aus der Geschichte werfen oder nicht verständlich sein. Du musst also einen Dialog kreieren, der klingt, als sei er Fachsprache, der aber auf der Sprachebene des Romans bleibt. (Ich hatte das mal mit einer dialektsprechenden Figur, da darf es auch nur "klingen".)

 

Hast du den Dialog über das Fachgebiet zwischen einem Unwissendem und dem Wissenschaftler, muss der Wissenschaftler absichtlich vereinfachen... hier hast du am ehesten die Möglichkeit, die Diskrepanz zu zeigen, wenn ihm z.B. immer wieder das gleiche Fachgesülze herausrutscht und sein Gegenüber ihn öfter unterbricht, dass er gefälligst verständlich reden soll. Es gibt auch die Möglichkeit, den Wissenschaftler in Fachthemen selbstsicher und flüssig reden zu lassen, während er sich etwa in Gefühlsdingen einen abbricht... aber da besteht dann schon wieder Klischeegefahr...

 

Schöne Grüße,

Petra

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Das Problem ist auch, dass ich meine Leute Dinge sagen lassen muss, die Wissenschaftler nicht auszusprechen brauchen, weil es ihr Allgemeinwissen ist, ich aber keinen Nicht-Wissenschaftler habe, dem sie es erklären könnten, der Leser aber darüber aufgeklärt werden muss. Blödes Dilemma. Wahrscheinlich muss ich eine weitere Figur erfinden die keine Ahnung hat, so wie der Leser.*seufz*

 

LG

Joy

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Joy, falls Du mich meinst:

Ich bin nicht unbedingt der Ansicht, dass Du die Wissenschaftler wesentlich "wissenschaftlicher" reden lassen musst (tendenziell riete ich schon, das zu tun, ohne deshalb ins andere Extrem zu verfallen. Besonders an den Stellen, wo diese Wissenschaftler untereinander ueber ihr Thema reden. Das ist eine voellig andere Situation, als wenn sie mit Dir oder mir reden). Vielmehr vermute ich, dass Leser dieses Genres mehr wissenschaftlich-praezise Informationen wuenschen, die Du ja aber nicht zwangsweise in Dialoge einbauen muesstest.

 

Aber auch das waren nur Vermutungen eines genreunerfahrenen Lesers.

Vielleicht doch ein eigener Thread?

Mit spezieller Aufforderung an die Experten (Andreas)?

 

Herzliche Gruesse,

Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Nein Charlie, ich meinte nicht dich. Astrid hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht und ich habe an einigen Stellen auch Änderungen durchgeführt, weil ich merkte was sie damit meinte.

 

Nur hat mich dieser Hinweis eben grundsätzlich meine Herangehensweise an die Wissenschaftler überlegen lassen.

Ja, vielleicht wäre das doch ein anderer Thread. Man möge mich bitte umziehen, falls dem so ist. Das passt jetzt wohl doch nicht mehr in den FAQ Bereich.

 

LG

Joy

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Liebe Leute,

 

soviel sei mir erlaubt anzumerken:

 

Die von mir referierte Technik war nie und ist nicht als Substitution einer präventiven Konstitution von individuellen linguistischen Charakteristika der Protagonisten intendiert.

 

Doch bietet sie einer Majorität von Autoren, die ihren Dramatis Personae keine konstanten Verbalcharakteristika konstituieren können und die ihre eigene Stimme wiederholt involvieren (Und derer sind es eine Menge!) einen Konsens, einen Fokus, diese Suboptimalität aus dem restlichen Textfluss zu extrahieren und ihr individuell Aufmerksamkeit zu schenken.

 

(wissenschaftlich genug? ;) Dabei bin ich nicht mal Soziologie-Student)

 

Der Unterschied liegt hier in der Rubrik: Ich hätte die Technik im Handwerks-Teil anders formuliert, hier sind wir aber im Einsteigerteil, wo solche Tipps deshalb einen Wert haben, weil viele Autoren (Und nicht nur Anfänger) eben NICHT beim Dialogschreiben auf solche individuellen Kleinigkeiten achten, und immer wieder ihre eigene Stimme den Charakteren aufdrücken - aus reiner Gewohnheit und Unaufmerksamkeit, weil sie IMMER so sprechen. Wer privat immer Semmel sagt wird sich schwer tun, seine Charaktere automatisch Brötchen sagen zu lassen...

 

Und, liebe Petra, und lieber Jan, da ist es ein wenig vereinfacht, die Leute abzuspeisen, und zu sagen, wer sich mit seinen Figuren auseinandersetzt, kreiert automatisch eine Sprache die er selbst nicht spricht, dem ist nicht so. Ich behaupte sogar, ohne eure Bücher zu kennen, dass in jedem eurer Charaktere eure eigene Sprache zu finden ist, wie bei mir vermutlich auch, obwohl das genau der Punkt ist, an dem ich mich zu verbessern suche. Ob das die Regel oder die Ausnahme ist, weiß ich nicht, aber wer einmal durch die Buchläden schweift, findet dort tausende hübsch ausgearbeiter Charaktere, die aber alle gleich sprechen...

 

Ganz so einfach und autodidaktisch scheint es also nicht zu sein, hmm?! ;)

 

Lieben Gruß,

Marco!

*Ab sofort wieder mit seinem gewohnten Vokabular*

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Hallo Marco,

langer Rede kurzer Sinn: Meine Meinung unterscheidet sich gar nicht so sehr von deiner (und ja, ich brauche mehrere Durchgänge, meine Dialoge zu lektorieren und klinge sicher trotzdem durch).

 

Aber genau deshalb tendiere ich dazu, dem Anfänger nicht unnötig Steine in den Weg zu legen, indem er das Pferd von hinten aufzäumt.

Es ist hilfreich, sich lieber im Vorfeld die Mühe zu machen, einem Charakter eine eigene Sprache zu verleihen.

Ich mache das gleich bei der Beschreibung, die ich immer zur Hand habe. Da gibt es "Aussehen", "Gestik / Bewegungen / Gang" und eben auch die Abteilung "Sprache". Das sieht dann ungefähr so aus:

 

Figur A: Redet in kurzen, logisch aufeinander aufgebauten Sätzen. Bei Unsicherheit werden Nebensätze eingeflochten, teilweise mit falschem Bezug. Frauen gegenüber wiederholt er gern einen Nachsatz, als könnten diese seinen Ausführungen nicht ganz folgen. Bei Erregung spuckt er durch die Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen.

 

(Hier kann man vielleicht sehen, wie Sprache und Psychologie der Person zusammenhängen).

 

Wenn man zu jeder Figur so eine Beschreibung als Anfänger macht, kann man sich schon während des Dialogs vor Augen halten, auf was es ankommt.

 

Auch wenn man nachher im Eifer einiges wieder vergisst oder selbst durchklingt... glaub mir, es spart eine Menge Arbeit, sich diese Eigenschaften vor dem Dialog noch einmal durchzulesen!

Trotzdem möchte ich niemanden dazu bekehren, sich vor dem Schreiben Gedanken zu machen ;-)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Trotzdem möchte ich niemanden dazu bekehren' date=' sich [b']vor[/b] dem Schreiben Gedanken zu machen ;-)

 

Alter Scherzkeks! :D (Oder Alte Scherzkeksin?! :s09)

 

Du hast in allem was du sagst recht, wir unterscheiden uns tatsächlich nicht sehr. Nur ist es so, dass die meisten Autoren, und wie ich finde nur zu verständlich, Probleme damit haben oder hätten, sich immer alle zwei Wochen, wenn ein Dialog einer Person kommt, wieder in dessen Welt einzufühlen. Diese Fähgkeit zum ein und ausschalten von Weltansichten fehlt häufig.

 

Und in dem Falle HILFT es, sich am Ende des Schreibprozesses nochmal allen Dialogen einer Person gesondert zu widmen, weil man dann IN dessen Sprache ist und nicht ständig wieder rausschlüpft.

 

Dass es besser wäre, sich schon im Vorfelde des Ganzen Gedanken über die Spreche einer Person zu machen unterschreib ich ja auch. Nur gibt es viele, gerade Anfänger, die beim dreimonatigen Erstellen ihres Textberges aus ihren Planungen rausrutschen...

 

Will deine Argumente gar nicht abstreiten, aber halte es auch für Steine im Weg des Anfängers, ihm zu raten, von Anfang an die volle Kontrolle über seinen wilden 300-Seiten Texthengst zu haben. Wenn einem dauernd die Zügel entgleiten, kann es manchmal helfen, sich von hinten anzuschleichen... ;)

 

Gruß,

Marco! :s17

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Ich finde, Ihr habt beide Recht.

Wenn ich mir Petras Liste vorher mach' und hinterher nach Marcos Methode nachschau', ob ich die auch eingehalten hab', dann fahr' ich sicher ganz gut.

 

Marcos Idee, die Dialogstellen Person fuer Person durchzugehen, statt den Roman insgesamt zu redigieren, wobei das Ohr fuer den Tonfall der einzelnen dann doch wieder nicht scharf genug ist, werde ich mir merken. Das leuchtet mir ein.

 

Viele Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Hallo Marco,

wie kommt es, dass ich deine Vorschläge manchmal erst hinterher verstehe? :s01

Du meinst ja dasselbe wie ich... der nachträgliche Lektorierblick - das gesondert für jede Person einzeln zu machen ist sicher eine gute Idee!

Schöne Grüße,

Petra,

gern auch Scherzkekserich ;D

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Lieber Marco,

 

auch wenn Dir jetzt plötzlich alle zustimmen - ich nicht ;D

 

Ich denke nämlich, der entscheidende Punkt wurde hier übersehen - Drehbuch!

Du hast diesen Tip aus einem Drehbuchseminar ( o.ä.), und das ist was ganz anderes.

Ein Drehbuch lebt einzig und allein von Dialogen - es gibt quasi nichts anderes als Dialoge, mit denen steht und fällt die jeweilige Figur.

Das ist klar.

 

Bei Romanen sieht das aber doch etwas anders aus.

Okay, ich geb zu - für jemanden, der sich mit seinem ersten Manuskript abquält, ist Dein Tip nicht schlecht... aber ich hab ja drauf gewartet, daß Sysai was dazu sagt, wenn Du ihr vorschlägst, nach Vollendung des Manuskripts noch mal sämtliche Dialoge der einzelnen Personen einzeln aufzuschreiben  ;D (zumindest hab ich Deinen Vorschlag so verstanden).

 

Nee, Marco - niemand schreibt ein Manuskript einfach so runter und sagt: perfekt!

Da gehen noch etliche Lese- und Korrekturdurchgänge ins Land, bei denen man sich auch genau die Sprechweise der jeweiligen Personen anschaut, das ist ganz klar.

 

Aber das funktioniert nicht in dieser "abgetrennten" Form!

Man kann sich nicht eine einzelne Person raussuchen und nur diese Passagen lesen - denn sie plappert ja nicht allein vor sich hin.

 

Und änderst Du die Sprech-Rede-Ausdruckweise der einen Personen, ist zwangsläufig auch die andere Person betroffen - und dann mußt Du im schlimmsten Fall auch die ganzen erzählerischen Passagen ändern, weil nichts mehr zueinander paßt.

 

Deshalb also immer, wie Petra sagt - erst denken, dann schreiben.

Erspart viel Arbeit und Mühe.

 

Gruß

Jan

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Hallo Leute,

 

erst denken, dann schreiben, ja, das mach ich so. Ich sehe jede Figur innerlich vor mir, "höre" wie sie spricht, was dazu führt, dass ich sie auch gleich so schreibe.

Aber manche Figuren wollen nicht so klar rüberkommen, oder sie gleichen in ihrer Art zu sprechen ganz einfach anderen.

An denen arbeite ich hinterher noch einmal.

 

Grundsätzlich gesehen hat Marco ne prima Anregung gegeben. Wem's hilft - der soll es so machen.

 

Ich bleibe lieber dabei mein MS im Ganzen Korrektur zu lesen, weil mir im Gesamtzusammenhang besser auffällt, ob Figur A oder B nun realistisch rüber kommt oder nicht.

Lediglich wenn ich im Nachhinein etwas Entscheidendes ändere, muss ich mir die Arbeit machen und jeden einzelnen Dialog mit dieser Person überprüfen.

 

Jan, was Drehbuch und Buch gemeinsam haben, sind die Scipts der einzelnen Figuren, wie im richtigen Leben. Figur Jan kam mit einem anderen Script/Drehbuch auf die Welt als Figur Joy. Im Buch treffen die verschiedenen Ziele/Scripts/Anschauungen/Prägungen/Meinungen aufeinander. Passen sie nicht zusammen, entsteht der Konflikt. Ansonsten würde ich Drehbuchdialoge auch lieber nicht mit Romandialogen vergleichen, denn sie sind grundverschieden! Wer je versucht hat ein MS in ein Drehbuch zu verwandeln, weiß wovon ich spreche.

 

LG

Joy

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Hallo Jan,

ich glaube, du missverstehst Marco! Ich habe ihn so verstanden, wie ich das selbst mache...wenn es an die Endkorrekturen des fertigen Romans geht, lese ich das MS zB einmal mit Hauptaugenmerk auf Figur A und ob alles stimmig ist, was sie betrifft (die Verknüpfungen mit anderen laufen da automatisch mit, aber nicht als Hauptsache). Dann nehme ich mir Figur B vor etc. Man erreicht damit an kritischen Stellen Trennschärfe.

Insofern kann man vom Drehbuchschreiben durchaus lernen. (Übrigens kenne ich auch Lektoren, die so prüfen, wenn etwas hakt).

Deine ganzheitliche Methode funktioniert natürlich genauso.

Schöne Grüße,

Petra

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Lieber Jan!

 

Im Gegensatz zu Peter kann ich deine Argumentation zwar nachvollziehen, jedoch nicht teilen. In einigen Punkten liegst du falsch, in einigen scheinst du mich falsch zu verstehen, in anderen haben wir unterschiedliche Ansichten!

 

Vielleicht kannst du dir ja ein Gesamtbild zusammensetzen, wenn ich nochmal kommentiere! ;)

 

Ein Drehbuch lebt einzig und allein von Dialogen - es gibt quasi nichts anderes als Dialoge, mit denen steht und fällt die jeweilige Figur.

Das ist klar.

Genau das ist das Fehlurteil, das hier und andernorts kursiert, und gegen das ich seit Monaten versuche, gegenanzugehen: Dialoge sind das UNWICHTIGSTE im Drehbuch!! Die Handlungen sind das, was die Figur charaktersieren. (Ich lamentiere gerne nochmal!)

Die Dialoge sind lediglich das Augenscheinlichste...

Du glaubst mir nicht?? Wann genau hat dir mal jemand einen Film erzählt, oder hast du jemandem einen Film erzählt, und hat dabei die Dialoge gebraucht?? Ist Darth Vader wegen seiner Dialoge böse (Bis auf den einen, ich weiß...) oder weil er immer alle Leute erwürgt?

Ist JAmes Bond ein Held, weil er so eloquent spricht, oder weil er immer die Ruhe bewahrt und aus jeder Situation entkommt?

Ist Käptn Ahab so faszinierend, weil er große Reden schwingt, oder weil er, komme was da wolle, nicht von seiner Rache ablassen will??

Nochmal: Ein gutes Drehbuch BRAUCHT keine Dialoge. Jeder Dialog ist lediglich ein Zuckerguß auf der Torte, der das Gesamtwerk noch verfeinert.

Ich habe massenhaft Drehbücher OHNE jedweden Dialog gelesen, die großartig waren...

Für Romane sind Dialoge wesentlich wichtiger als für Drehbücher...

 

Anders gesagt: Der Unterschied, den du ziehst, existiert nicht!

 

Okay, ich geb zu - für jemanden, der sich mit seinem ersten Manuskript abquält, ist Dein Tip nicht schlecht... aber ich hab ja drauf gewartet, daß Sysai was dazu sagt, wenn Du ihr vorschlägst, nach Vollendung des Manuskripts noch mal sämtliche Dialoge der einzelnen Personen einzeln aufzuschreiben  ;D (zumindest hab ich Deinen Vorschlag so verstanden).

Dann verstehst du richtig. Sysai ist Profi, ich nehme an, sie kann sich tatsächlich in ihre Figuren auf Knopfdruck einfühlen, wenn sie nach acht Wochen plötzlich wieder einen Dialog schreiben muss zu einer Figur, die sich seit acht Wochen nicht beschrieben hat.

Schaden würde es dennoch nicht, am Ende einer Person am Stück ein einheitliches Sprachbild zu geben.

 

Aber das funktioniert nicht in dieser "abgetrennten" Form!

Man kann sich nicht eine einzelne Person raussuchen und nur diese Passagen lesen - denn sie plappert ja nicht allein vor sich hin.

Ich weiß zwar, was du meinst, sage dir aber: Das ist vernachlässigbar!

Zum einen weil a) Ich weder gesagt noch gemeint habe, dass die von mir vorgeschlagene Technik der letzte Schritt sein sollte, vor dem eintüten und verschicken des Manuskripts, sondern im Gegenteil:

Text fertigschreiben.

Dialoge am Stück durchkauen.

Mit der Überarbeitung anfangen.

Du siehst eine abschließende Feinschlifftechnik, wo ich keine gesetzt habe. Es darum, ein pro Person einheitliches und von den abgetrenntes SPRACHBILD zu schaffen, nicht darum, perfekte Dialoge auszufeilen, indem man den Gesamttext ausblendet. Hier liegt vermutlich dein großes Missverständnis. ;)

 

Und änderst Du die Sprech-Rede-Ausdruckweise der einen Personen, ist zwangsläufig auch die andere Person betroffen - und dann mußt Du im schlimmsten Fall auch die ganzen erzählerischen Passagen ändern, weil nichts mehr zueinander paßt.

Und b) ist das wiederum falsch, weil: Es mag in der Realität vorkommen, dass jemand, der sich eine Stunde mit jemandem mit sächsischem Dialekt unterhält, plötzlich auch anfängt zu sächseln, aber genau solche Realitätsbezüge sind in einem Buch falsch.

Und ich wüßte nicht, wie, wann und warum die grammatische Ausdrucksform von Person A die grammatische Ausdrucksform von Person B beeinflussen sollte?! Gibts nicht, würde ich auch nicht machen, weil es die gesamten Dialoge und deine Charaktere verwässert.

Kann in Einzelszenen witzig sein (Siehe PeterN's Beispiel aus The Big Lebowski und dem Dude) und dann auch dort bearbeitet werden, als generellen Tipp würde ich davon aber ohnehin absolut abraten...

Eine Person sollte ihre Sprechweise immer beibehalten, ausser es gibt trifftige, Handlungs- oder Atmosphärebedingte Gründe, die Ausdrucksweise einer Person zu ändern. (Halt wie bei the Dude, oder eine Frau, die wie ein Mann reden muss, um ins Schloss zu kommen, oder ein armer Junge, der in die High Society kommt etc.)

Ständiges rumschwirren und vermischen irgendwelcher Ausdruckssweisen ist inkonsequent und lässt die Dialoge insgesamt schlecht ausgearbeitet erscheinen.

 

Deshalb also immer, wie Petra sagt - erst denken, dann schreiben.

Erspart viel Arbeit und Mühe.

Das sagt nicht nur Petra, das sage auch ich, und eigentlich sagt das jeder einzelne in diesem Forum! (Wer das NICHT sagt, melde sich hier bitte mal...)

Allerdings: Mühe und Arbeit erspart es leider nicht, ganz im Gegenteil!!

Weniger nachdenken erspart Mühe und Arbeit, aber darunter leidet die Qualität. Je mehr man nachdenkt, desto mehr Arbeit, aber desto mehr Qualität.

Aber wer Arbeitsscheu ist, hat sich mit der Schriftstellerei ohenhin das falsche Steckenpferd gesucht.

Und wer am Anfang UND am Ende nachdenkt und arbeitet, hat die meiste Qualität... ;)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Hallo, ihr alle,(dein letztes Posting passt auch dazu, Marco),

 

ich habe jetzt mal die Probe aufs Exempel gemacht.

1.Habe ich mir eine Kurzgeschichte(„Das Fest der Autoren“), die ich zum fünfjährigen Jubiläum meiner Scheibwerkstatt eingestellt habe, auf die Dialoge hin durchgelesen. Sie haben alle was von mir.

Eine Kommentatorin schrieb dazu: „Ja, so habe ich Autoren schon live sprechen hören.“

 

2.Habe ich die beiden ersten Kapitel meines Romans auf die Dialoge abgeklopft. Jeder hatte seine eigene Sprache. Aber ein Bauer sprach nicht „bäurisch“ genug, da konnte ich ein paar Sachen korrigieren. Das ist dann ja noch was anderes: Sprache und soziale Schicht.

 

Also hat Marco doch auf jeden Fall was angestoßen, was auch einen erfahrenen Autor weiterbringen kann.

 

LG Christa

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Ich glaube nicht, dass eine Figur dadurch "verwässert" wird, dass sie über mehr als einen Ausdrucksmodus verfügt.

Menschen sprechen verschieden, Menschen sprechen NICHT immer gleich. Ich hab ein Beispiel mal irgendwo aufgeschnappt, dort wird Sprache mit einem Haus verglichen. Der Keller ist die Gossensprache, das Wohnzimmer die Umgangssprache, der Dachboden die gewählte Festtagssprache; gebildete, echte Personen haben Zugang zu all diesen Räumen. Auch der Beispiels-Mechaniker hat Zugang zu seinem Dachboden. Bei ihm mag der Dachboden nicht so üppig möbiliert sein wie bei einem Germanisten oder einem professionellen Festtagsredner, aber Zugang hat er. Gerade die Verwendung einer Sprachebene, die nicht aufgeht, die nicht zu dem Charakter eigentlich passt, hat einen hohen emotionellen Wert. Warum sind denn Geschichten und Szenen so lustig und stark, wo Menschen wie "Fische auf dem Land" reagieren und reden. Lassen wir unseren Mechaniker das erste Mal die Eltern seiner Freundin kennenlernen, Angehörige des Bildungsbürgertums, und lassen wir ihn versuchen, "gewählt" zu formulieren und zu sprechen und wir haben eine interessante Szene.

Der Schulhofrowdy wird mit seinen Raufkumpanen anders reden als mit seinem Lehrer, seinen Eltern oder seiner feinfühligen Freundin. Die Unterschiede mögen marginal sein und es wird immer sein "natürliches Wesen" durchschimmern, der Anstrich, die Fassade seines Hauses, aber Menschen passen ihre Wortwahl und ihren Ausdruck den Situationen an.

 

Ich glaube was wichtig und richtig ist an dem, was Jan sagt, ist dass man verdammt nochmal wissen sollte, wie seine Charaktere in verschiedenen Situationen reden, bevor man den ersten Pinselstrich führt. Damit kann man sicherstellen, dass man einen echten Zugang zu ihnen hat. Dann funktioniert es wesentlich mehr aus dem Gefühl der Situation heraus -und so sollten Dialoge meiner Ansicht nach entstehen- als aus dem Kopf heraus. Sicher ist harte Arbeit an den Dialogpassagen erforderlich, aber meiner Ansicht nach sollte die erste Fassung von Dialogen mehr noch als alle andere Passagen eines Prosatextes aus dem Flow, aus dem Bauch heraus, entstehen und das geht nur, wenn man sich über die Geisteshaltung, über das Wesen, der Charaktere absolut im Klaren ist.

Die Methode, die Marco vorschlägt, hat etwas von einem Placebo. Ach, um die Dialoge kümmere ich mich später, da gehe ich nachher nochmal drüber. Sicher, für erfahrene Autoren, die wissen, wie alles im Text zusammenhängt und einander beeinflusst, kann so eine Methode nochmal einen reizvollen Aspekt abdecken, aber auch dort sehe ich die Gefahr, dass man es "übertreibt", die Charaktere durch die Betonung ihrer Sprache karikiert.

 

Nebenbei bemerkt: Ist euch schon mal aufgefallen, dass viele Menschen in vielen Fällen die Begrüßungsformel des Dialogspartner aufgreifen?

 

Mfg

Peter

 

P.S.: Ahab lebt natürlich von seinen Dialogen und Monologen, du Banause.

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Hey Peter!

 

Das ganze nähert sich bereits den persönlichen Vorlieben, dennoch mag ich deine Aussage nicht so stehen lassen, weil ich das Gefühl habe, sie verfälscht meine Aussage!

 

Ich glaube nicht' date=' dass eine Figur dadurch "verwässert" wird, dass sie über mehr als einen Ausdrucksmodus verfügt.[/quote']

Den Glauben teilen wir.

Ich hingegen glaube, eine Figur wird verwässert, wenn sie bei jedem Gesprächspartner anders redet.

 

Menschen sprechen verschieden, Menschen sprechen NICHT immer gleich.

Richtig. Aber Romandialoge sollten keine echten Gespräche wiedergeben.

 

Ich hab ein Beispiel mal irgendwo aufgeschnappt, dort wird Sprache mit einem Haus verglichen. Der Keller ist die Gossensprache, das Wohnzimmer die Umgangssprache, der Dachboden die gewählte Festtagssprache; gebildete, echte Personen haben Zugang zu all diesen Räumen. Auch der Beispiels-Mechaniker hat Zugang zu seinem Dachboden. Bei ihm mag der Dachboden nicht so üppig möbiliert sein wie bei einem Germanisten oder einem professionellen Festtagsredner, aber Zugang hat er. Gerade die Verwendung einer Sprachebene, die nicht aufgeht, die nicht zu dem Charakter eigentlich passt, hat einen hohen emotionellen Wert. Warum sind denn Geschichten und Szenen so lustig und stark, wo Menschen wie "Fische auf dem Land" reagieren und reden. Lassen wir unseren Mechaniker das erste Mal die Eltern seiner Freundin kennenlernen, Angehörige des Bildungsbürgertums, und lassen wir ihn versuchen, "gewählt" zu formulieren und zu sprechen und wir haben eine interessante Szene.

Alles richtig. Aber bei meinen Ausführungen ging es eben NICHT um Bildungsstand oder ähnliches. Das hast du aus den Augen verloren. Es geht um winzige Kleinigkeiten, die nichts mit Bildung, Herkunft oder ähnlichem zu tun haben. Lies meinen Post nochmal durch, dann siehst du, wovon ich sprach. Aber es soll hier auch nochmal erläutert werden, weil sowohl du, als auch Jan, und wer weiß, wer sonst noch, das nicht so versteht, wie ich es meine!

 

Der Schulhofrowdy wird mit seinen Raufkumpanen anders reden als mit seinem Lehrer, seinen Eltern oder seiner feinfühligen Freundin.

Das ist falsch. Jedenfalls in Bezug auf die Feinheiten, von denen ich sprach.

 

Ich glaube was wichtig und richtig ist an dem, was Jan sagt, ist dass man verdammt nochmal wissen sollte, wie seine Charaktere in verschiedenen Situationen reden, bevor man den ersten Pinselstrich führt.

Wer behauptet etwas anderes??

 

Was Du und Jan ausser Acht lasst: Ich rede nicht davon, dass ein Junkie 'Scheisse' sagt und ein Professor 'merde'.

Es geht darum, dass jeder Mensch eine eigene grammatikalische Wortstellung aufweist, eine eigene Art, etwas zu formulieren, Dinge, die von Wortwahl alleine komplett losgelöst sind.

 

Unsere Ohren sind es gewohnt, dass jeder Mensch hier kleine Unterscheidungen macht. Der Eine sagt: "Das Salz ist alle", der andere sagt: "Das Salz ist leer", der dritte sagt: "Es ist kein Salz mehr da."

Das sind so kleine Entscheidungen der persönlichen Vorlieben, dass kaum ein Mensch sie wahrnimmt. Auch der Autor hat hier seine Präferenzen. Bei einem "Das Salz ist alle" Autor werden alle Charaktere immer von allem sagen, dass es 'alle ist'. Das klingt für unser Ohr gleichförmig, weil alle Charaktere gleich reden, man aber mehr Vielfalt gewohnt ist.

 

Um das zu vermeiden, empfehle, ich zu sagen: So, bei Charakter A ist immer alles alle, bei B alles leer, und bei C von Nichts mehr etwas da. Und die Dialoge am Stück auf solche Kleinigkeiten hin abzuklopfen.

Und ja, das geht erheblich einfacher, wenn man es nach Texterstellung noch einmal am Stück macht. Warum? Weil man es sich während eines mehrmonatigen Schreibprozesses nicht unentwegt wieder bewusst machen kann. Man vergisst kleinigkeiten.

 

Bei Charakter A ist immer alles alle, schön, viel, lustig, seltsam, das Objekt kommt vor dem Subjekt und die persönliche Anrede fehlt.

Bei Charakter B ist immer alles leer, hübsch, ne Menge, komisch, merkwürdig, Subjekt kommt vor Objekt und er sagt Wagen statt Auto.

Bei Charakter C ist immer alles nicht mehr da, prächtig, reichlich, amüsant, wild, Prädikat kommt als erstes und er schiebt immer einen Nebensatz ein.

Bei Charakter D...

Bei Charakter E...

Bei Charakter F...

Bei Charakter G...

.

.

.

 

 

Erwartet ihr wirklich, man hat das alles den ganzen Schreibprozess über im Kopf? Und dann kommt der Salat: Bei Charakter B ist etwas mal alle, dann leer, dann nicht mehr da. Bei Charakter A ist es mal lustig, mal amüsant, mal prächtig...

 

Und so verwischt alles, und am Ende rutscht es leicht wieder in die Präferenzen des Autors, und alle Charaktere finden, wie der Autor selber, alles leer, reichlich, viel, komisch, wild, Subjekt kommt vor Objekt und es heisst immer Wagen statt Auto. Und schon reden die Charaktere wieder wie der Autor... und alle gleich.

Und eben anhand solcher Kleingkeiten kann man gut, schnell und einfach eine Unterscheidung der Charaktere erreichen.

 

Das geht, beileibe, über die Wahl zwischen Schulhofjunkie und Uniprofessor hinaus, und wenn ihr einem Anfänger-Autor wirklich ratet, für jeden seiner achtzehn Charaktere eine andere Sprechweise als die des Autoren selber im Kopf zu behalten, übertreibt ihr es.

 

Die Methode, die Marco vorschlägt, hat etwas von einem Placebo. Ach, um die Dialoge kümmere ich mich später, da gehe ich nachher nochmal drüber.

Bitte, lies dir nochmal durch, worum es mir geht, und du wirst selber sehen, dass das nicht hinkommt. Ich wette mit Dir um nen Zehner, dass alle deine Charaktere immer alle, oder leer, oder ist nicht mehr da sagen, je nachdem, welcher Typ DU bist!

Denn das ist nicht nur ein Anfängerfehler, das passiert den meisten Autoren, weil sie sich dieser Unterscheidung nicht bewusst sind.

 

Und ich behaupte nicht, das du dir nicht vorher überlegst, ob oder wie gebildet deine Charaktere sind!

 

Nebenbei bemerkt: Ist euch schon mal aufgefallen, dass viele Menschen in vielen Fällen die Begrüßungsformel des Dialogspartner aufgreifen?

Das wäre eine weitere Sache, die einen Roman nett machen kann, aber eine Person in meinen Augen nicht charakterisiert, sondern eher Verwirrung stiftet...

 

P.S.: Ahab lebt natürlich von seinen Dialogen und Monologen, du Banause.

Nee, nee, der lebt davon, dass er von Rachsucht zerfressen ist! :s22

 

Unbanausige Grüße,

Marco! :s17

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