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UlrikeS

Ich und mein Vater

Empfohlene Beiträge

 

 

Vielleicht bekommst Du einen "Knoten" in die Perspektive, weil das ja nicht nur eine Frage der Perspektive (wer spricht?) ist, sondern auch die der Erzählsituation (zu wem spricht der Erzähler?).

 

 

Wenn jemand seiner Schwester gegenüber von Papa und Mama spricht, ist das etwas ganz anderes, als wenn er gegenüber einem anderen Erwachsenen, den er nicht allzu gut kennt, von Mama oder Mutti spricht. Da ist dann das objektivere "meine Mutter" angemessen, sonst wirkt es in der Tat kindlich. Der Leser ist ja jemand, den der Protagonist zu Beginn des Buches erst kennenlernt, sozusagen. (Das leite ich daher ab, dass es umgekehrt ja genauso ist. :) )

 

 

Ein bisschen O.T., aber das brennt mir schon die ganze Zeit unter den Nägeln: ​Wie empfindet ihr das, wenn Erwachsene (meist Frauen) vor anderen ständig von "meiner Mama/meinem Papa" sprechen? Begegnet mir in letzter Zeit immer wieder. Hört sich für mich extrem kindlich, fast schon unreif an, aber das sind durchaus Frauen von über 30 ... Na ja, vielleicht bin ich einfach nur zu alt  ;-).

 

Liebe Grüße

​Inez

 

 

Ich finde das auch kindlich. Vergleichbar mit Menschen, die über ihren Lebenspartner mit dessen Kosenamen reden.

Daher lasse ich das auch bei meiner Protagonistin weg, obwohl die genau in diese Alterskasse fällt. Aber sie ist kein Typ, der immer noch auf liebes Kindchen-Schema macht und Gummistiefel mit Pünktchen anzieht.

 

LG Ulrike

 

Mir fällt gerade ein, dass ich das auch schon bei einer Ü30 gehört habe - "meine Mama". Dabei war das eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Merkwürdig.

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Es ist in Schulen etc. auch durchaus üblich, sich als "die Mama von Fritzi" oder "Fritzis Mama" vorzustellen. Oder andere Mütter als "Mamas" zu bezeichnen.

Für mich recht  wirklich sehr befremdlich, Mama ist für mich ein Kosewort, und man stellt sich ja auch nichts als Karls Hasi oder das Schätzeken vom Jürgen vor ;D

Aber es scheint sich sehr fest eingebürgert zu haben.

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Ich glaube, dass "Mama" etwas Liebevolles hat bzw haben soll, wenn eine Ü30 Geschäftsfrau von ihrer Mutter so spricht.

 

In Kindergartenkreisen hat sich's halt so eingebürgert, aber vielleicht auch, weil die eigenen Kinder so über die "Mamas" ihrer Kindergartenfreunde sprechen. (Und nicht "die Mutter von Paula" sagen.

"Felix", FVA 2015,  jetzt als Kindle eBook // Ab 12.7.2021: "Liebe braucht nur zwei Herzen", Penguin Verlag // Sommer 2022: "Wenn dein Herz woanders wohnt", Penguin Verlag

www.judithwilms.com

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Ich glaube, dass "Mama" etwas Liebevolles hat bzw haben soll, wenn eine Ü30 Geschäftsfrau von ihrer Mutter so spricht.

 

In Kindergartenkreisen hat sich's halt so eingebürgert, aber vielleicht auch, weil die eigenen Kinder so über die "Mamas" ihrer Kindergartenfreunde sprechen. (Und nicht "die Mutter von Paula" sagen.

Auf Elternabenden im Kindergarten o.ä. finde ich das nicht so schlimm. Da ist man sowieso in der Kinderwelt.

Aber im geschäftlichen Umgang finde ich es komisch. Vielleicht ist es aber auch der nächste Schritt  in der Sprachentwicklung.

 

LG Ulrike

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Da gibt es einen aktuellen Bestseller (Psychothriller) als Beispiel:

 

"Die Vermissten" von Caroline Eriksson.

 

In meinem ersten Buch habe ich in Ich-Perspektive (Protagonistin Ende 30)

immer "mein Vater" und "meine Mutter" geschrieben.

 

In "Die Vermissten" heißt es einfach immer "Mama" und "Papa" und ich muss zugeben,

dass das besser ist, weil es viel authentischer wirkt. Wir sind praktisch im Kopf der Protagonistin

(auch irgendwas zwischen 30 und 40), und man denkt einfach nicht "mein Vater" und "meine Mutter",

sondern halt z.B. "Mama" und "Papa". So wirkt das Verhältnis zu den Eltern auch deutlich intensiver.

 

Beim nächsten Buch mache ich das auch so.

 

Wenn die Protagonistin mit den Eltern spricht, auch "Mama" und "Papa".

 

Nur, wenn sie mit jemand anderem über ihre Eltern spricht, würde

ich "mein Vater" und "meine Mutter" nehmen. Da wären dann "Mama" und "Papa" wirklich zu kindlich,

aber in Gedanken find ich das sehr gut.

Bearbeitet von MichaelT
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Da gibt es einen aktuellen Bestseller (Psychothriller) als Beispiel:

 

"Die Vermissten" von Caroline Eriksson.

 

In meinem ersten Buch habe ich in Ich-Perspektive (Protagonistin Ende 30)

immer "mein Vater" und "meine Mutter" geschrieben.

 

In "Die Vermissten" heißt es einfach immer "Mama" und "Papa" und ich muss zugeben,

dass das besser ist, weil es viel authentischer wirkt. Wir sind praktisch im Kopf der Protagonistin

(auch irgendwas zwischen 30 und 40), und man denkt einfach nicht "mein Vater" und "meine Mutter",

sondern halt z.B. "Mama" und "Papa". So wirkt das Verhältnis zu den Eltern auch deutlich intensiver.

 

Beim nächsten Buch mache ich das auch so.

 

Wenn die Protagonistin mit den Eltern spricht, auch "Mama" und "Papa".

 

Nur, wenn sie mit jemand anderem über ihre Eltern spricht, würde

ich "mein Vater" und "meine Mutter" nehmen. Da wären dann "Mama" und "Papa" wirklich zu kindlich,

aber in Gedanken find ich das sehr gut.

Leider gibt es auf amazon keine Leseprobe, das hätte ich mir gerne angesehen.

 

Da es ein Psychothriller ist, könnte hiermit bewusst die Wirkung erzielt worden sein, die Protagonistin als kindlicher, naiver anzusehen, auch gewollt sein. Laut den Rezensionen ist sie ja wohl eine Frau, die eher re-agiert als agiert.

 

Vielleicht finde ich das Buch ja in der Buchhandlung, dann schaue ich mir das mal an.

 

Danke für den Tipp!

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ich würde das gar nicht naiv oder kindlich sehen. Es bezeichnet einfach sehr das Verhältnis, ob es ein sehr inniges, liebevolles ist, oder eher ein nüchternes, oder gar ein distanziertes?

 

Natürlich muss man dabei bedenken, wem die Perspektive eine Geschichte erzählt und wie nah man dran ist.

Ist man im Kopf der Figur dabei (und sie weiß nicht mal davon) oder erzählt die Figur einem fremden Zuhörer, was sie erlebt?

Das muss sich einfach stimmig einfügen.

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Ein bisschen O.T., aber das brennt mir schon die ganze Zeit unter den Nägeln: ​Wie empfindet ihr das, wenn Erwachsene (meist Frauen) vor anderen ständig von "meiner Mama/meinem Papa" sprechen? Begegnet mir in letzter Zeit immer wieder. Hört sich für mich extrem kindlich, fast schon unreif an, aber das sind durchaus Frauen von über 30 ... Na ja, vielleicht bin ich einfach nur zu alt  ;-).

Das kenne ich auch und sehe es eher als eine Prägung an, die im Kindesalter gelegt wurde und auch im Erwachsenenalter bestehen bleibt. Ich bin der Meinung, ob die Eltern als Mama/Papa, Mutti/Vati oder Mutter/Vater angeredet werden, ist eine Eigenschaft der jeweiligen Person und es gibt keine allgemein gültige Regel, was richtig oder falsch ist. Es muss im Text nur konsequent durchgehalten werden. Wobei regionale und historische Aspekte auch nicht ohne sind. Meine Generation (40 - 60) und im Ostteil groß geworden, wird sehr häufig "Mutti" sagen. Das hat eine ganz einfache Ursache - wir sind mit dem Kinderlied "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht..." groß geworden und haben es derartig häufig gehört, dass dieses Lied die Wirkung von Werbung erreicht hat.

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Ein bisschen O.T., aber das brennt mir schon die ganze Zeit unter den Nägeln: ​Wie empfindet ihr das, wenn Erwachsene (meist Frauen) vor anderen ständig von "meiner Mama/meinem Papa" sprechen? Begegnet mir in letzter Zeit immer wieder. Hört sich für mich extrem kindlich, fast schon unreif an, aber das sind durchaus Frauen von über 30 ... Na ja, vielleicht bin ich einfach nur zu alt  ;-).

Das kenne ich auch und sehe es eher als eine Prägung an, die im Kindesalter gelegt wurde und auch im Erwachsenenalter bestehen bleibt. Ich bin der Meinung, ob die Eltern als Mama/Papa, Mutti/Vati oder Mutter/Vater angeredet werden, ist eine Eigenschaft der jeweiligen Person und es gibt keine allgemein gültige Regel, was richtig oder falsch ist. Es muss im Text nur konsequent durchgehalten werden. Wobei regionale und historische Aspekte auch nicht ohne sind. Meine Generation (40 - 60) und im Ostteil groß geworden, wird sehr häufig "Mutti" sagen. Das hat eine ganz einfache Ursache - wir sind mit dem Kinderlied "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht..." groß geworden und haben es derartig häufig gehört, dass dieses Lied die Wirkung von Werbung erreicht hat.

 

Das Lied kannte ich gar nicht, hab's aber natürlich sofort gegoogelt.

Puh.

Zeitgleich schmetterte im Westen Heintje "Mama" - wo nicht die Mutter das Kind verlässt, sondern umgekehrt, aber auch erst, wenn aus dem Jüngling ein Mann geworden ist ;)

 

Aber ich glaube, Mama/Mutti ist auch eine Nord/Süddeutsche Sache, jedenfalls sagten meine norddeutschen Cousins Mutti zu ihrer Mama:

 

Danke für das Lied!

 

LG Ulrike

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Ich habe mich besonders bei meinem Roman "Drei Worte auf einmal" intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Ich habe viel herumprobiert. Natürlich kommt es immer auf die Erzählerstimme an. Letztendlich bin ich bei folgender Lösung gelandet: Der Ich-Erzähler (in "Spring!" und auch bei meinem aktuellen Romanprojekt ist es eine Erzählerin), an dem ich sehr nah dran bin, spricht von "Mutter" und "Vater", in der wörtlichen Rede eher "Mama" und "Papa", das habe ich aber wenig benutzt. Sobald du "meine Mutter" oder "mein Vater" schreibst, entfernst du dich vom Erzähler, was auch ok ist, wenn es eben zu deiner Erählerstimme passt. Es ist dann weniger direkt, eher so, als würdest du einer Freundin etwas über deine Mutter erzählen.

In "Spring!" habe ich das übrigens thematisiert, dort will die Mutter der Ich-Erzählerin nicht mit "Mama" oder gar "Mutti" angesprochen werden, sondern mit "Janis" (weil sie Janis Joplin toll findet und außerdem meint, dass jeder Mensch das Recht habe, seinen Namen selbst auszuwählen). Das macht die Tochter natürlich nicht, sondern meidet es, sie mit Namen anzusprechen. Aber wenn sie über ihre Mutter spricht, sagt sie "Mutter". Ich glaube, das funktioniert einfach am besten.

Meine Erfahrung: Probier es einfach ein paar Seiten lang aus, lies es dir laut vor, und dann weißt du hoffentlich, was passt. Wenn nicht, hast du vielleicht noch nicht die richtige Erzählerstimme gefunden. Aber das, das wissen wir alle, ist ein eigenes Thema ...

 

Lass uns wissen, wie du dich entschieden hast, ich finde das spannend, weil ich selbst so viel darüber nachtgedacht habe.

Frisch erschienen: "Letzte Meile"

www.mariaknissel.de

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Maria, das finde ich interessant. Nur "Vater" oder "Mutter" zu schreiben empfinde ich distanzierter als mit dem Personalpronomen. Es erinnert mich an Zeiten, wo man seine Eltern siezte bzw. ein starkes autoritäres Gefälle herrschte, wo ein Kosename wie Mama kein Platz gehabt hatte.

 

Die Distanz habe ich auch bei deinem Buch "Drei Worte auf einmal" empfunden - der Erzähler hat ja auch ein distanziertes Verhältnis zu seinen Eltern, die sich jahrelang um den behinderten Bruder kümmern müssen. Der Erzähler ist sich, wenn ich mich richtig erinnere, dessen auch bewusst - vor allem in den Passagen in der Pubertät (leider habe ich dein Buch gerade verliehen). Dort hat es für mich gepasst. Die Anrede "Mama/Papa" drückt den Wunsch nach Nähe aus.

 

Das Verhältnis meiner Erzählerin zu ihren Eltern ist auch distanziert, nur ist sie sich dessen nicht so bewusst. Sie lebtaufgrund eines traumatischen Erlebnisses in einem Schneckenhaus, ist sauer auf alles, drückt diese Wut, die Enttäuschung und den Schmerz aber nicht aus. Erst im Verlaufe der Geschichte wird dieses alles aufgebrochen.

 

Ich weiß aber nicht, ob das den Unterschied macht - schließlich erzähle ich im Präteritum, und dann, zu einem späteren Zeitpunkt, ist die Distanz ja offengelegt. Leider habe ich dein Buch gerade verliehen, sobald ich es wieder da habe, muss ich nochmal schauen, wie es bei dir wirkt. Mir war bislang noch kein Buch eingefallen, das in der Gegenwart spielt und nicht "mein Vater" schreibt!

 

Sprachlich hatte mich "Drei Wort auf einmal" schon immer sehr beeindruckt :)

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Danke für das Lob, Ulrike! :)

Ein distanziertes Verhältnis hat mein Protagonist in "Drei Worte auf einmal" zu seinen Eltern eigentlich erst später. Er leidet ja als Jugendlicher sehr darunter, dass die Eltern ihm nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geben. Der Vater als sehr wichtiger Mensch im Leben des Protagonisten taucht bereits im ersten Satz auf: "'Sieh mal', sagte Vater und zeigte ...". Die Alternative wäre gewesen: "'Sieh mal', sagte Papa und zeigte ..." oder "'Sieh mal', sagte mein Vater und zeigte ...".

Gehen für mich beide nicht. Was funktionieren könnte, wäre noch so etwas wie: "'Sieh mal', sagte Paps und zeigte ...". Aber das hätte nicht in die Zeit gepasst und auch nicht zu dieser Arbeiterfamilie, es ist zu modern, zu amerikanisch. 

Frisch erschienen: "Letzte Meile"

www.mariaknissel.de

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Danke für das Lob, Ulrike! :)

Ein distanziertes Verhältnis hat mein Protagonist in "Drei Worte auf einmal" zu seinen Eltern eigentlich erst später. Er leidet ja als Jugendlicher sehr darunter, dass die Eltern ihm nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geben. Der Vater als sehr wichtiger Mensch im Leben des Protagonisten taucht bereits im ersten Satz auf: "'Sieh mal', sagte Vater und zeigte ...". Die Alternative wäre gewesen: "'Sieh mal', sagte Papa und zeigte ..." oder "'Sieh mal', sagte mein Vater und zeigte ...".

Gehen für mich beide nicht. Was funktionieren könnte, wäre noch so etwas wie: "'Sieh mal', sagte Paps und zeigte ...". Aber das hätte nicht in die Zeit gepasst und auch nicht zu dieser Arbeiterfamilie, es ist zu modern, zu amerikanisch. 

Echt schade, dass dein Buch gerade nicht hier ist. Der Vater im ersten Satz wäre mir sofort aufgefallen.

 

Du bringst mich ins Grübeln. "Mein" Vater zu schreiben bindet den Vater immer ans Bein des Sprechenden. Er existiert nur in der Zuordnung. "Vater" ist eine eigenständigere Person. Völlig autark wird er durch den Vornamen "Dieter". Dann ist er ein Mensch ohne Bindung an die Tochter - nur ist die Tochter diejenige, die spricht. Was will sie eigentlich, wenn sie die Geschichte erzählt? Will sie ihren Vater an sich binden oder autark erscheinen lassen? Oder irgendwas in der Mitte?

 

Fragen über Fragen, die einen immer näher an den Kern der Geschichte dringen lassen.

Danke für die Anregung!

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Echt schade, dass dein Buch gerade nicht hier ist. Der Vater im ersten Satz wäre mir sofort aufgefallen.

 

 

 

 

Du kannst auf Amazon oder auf der Verlagsseite reinlesen. Ich glaube, dass dadurch, dass die Leser von Beginn an von "Vater" und "Mutter" hören und die beiden auch eine wesentliche Rolle in der Geschichte spielen, gewöhnen sie sich sehr schnell daran. Das wäre bei wechselnden Bezeichnungen, wie Brunhilde sie vorschlägt, nicht so.

 

Ich habe übrigens, weil mich das Thema damals auch so beschäftigt hat, nochmal die Passage aus "Spring!" rausgesucht, in der die Mutter eingeführt wird. Die Ich-Erzählerin ist zu dem Zeitpunkt ein Kind:

 

Ich liebe es, wenn die Welt auf dem Kopf steht. So wie jetzt Mutter, die auf mich zukommt: die zerdrückten Ballerinas ganz oben, daran aufgehängt die Knöchel und Waden, um die ein weiter lilafarbener Rock schwingt. Eine bestickte Bluse mit blinkenden Pailletten. Lange rotbraune Haare, im selben Takt schwingend wie der Rock. Es sieht lustig aus, dass die Haare nach oben hängen. Und ganz unten ist der Himmel, ein diffuses Gemisch aus Blau und Grau. Der Himmel als Erde, das gefällt mir.

„Angel“, ruft Mutter. So nennt sie mich seit ein paar Wochen. Das heißt Engel auf Englisch, sagt sie, „und du bist doch mein Engel“. Ich soll sie nicht Mama und schon gar nicht Mutti nennen wie die Mütter der anderen Kinder, auch nicht Regina, wie sie wirklich heißt, sondern ‚Janis‘, weil sie Janis Joplin bewundert und findet, dass jeder Mensch das Recht hat, den eigenen Namen selbst zu bestimmen. Seitdem meide ich es, sie mit Namen anzusprechen.

 

Witzig, oder? Da habe ich wohl unbewusst das Dilemma der Bezeichnung der Mutter im Roman thematisiert. Aber ich habe mich damals selbst bei dieser Kinderperspektive gegen die Bezeichnung "Mama" entschieden. Sicher kann man darüber streiten, aber ich fand es so am besten. 

Frisch erschienen: "Letzte Meile"

www.mariaknissel.de

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Ich persönlich würde im Ich-Erzähler immer "Mein Vater", "Unsere Mutter" usw. nutzen. 

Auch wenn es vielleicht etwas vom Ich-Erzähler distanziert, ist mir nur "Vater" oder "Mutter" irgendwie zu förmlich. 

 

Ich finde aber auch, dass es auf die Figuren ankommt. Wenn du es nachher liest, fühlst du sicher direkt, ob es passt oder nicht. 

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Ich liebe es, wenn die Welt auf dem Kopf steht. So wie jetzt Mutter, die auf mich zukommt: die zerdrückten Ballerinas ganz oben, daran aufgehängt die Knöchel und Waden, um die ein weiter lilafarbener Rock schwingt. Eine bestickte Bluse mit blinkenden Pailletten. Lange rotbraune Haare, im selben Takt schwingend wie der Rock. Es sieht lustig aus, dass die Haare nach oben hängen. Und ganz unten ist der Himmel, ein diffuses Gemisch aus Blau und Grau. Der Himmel als Erde, das gefällt mir.

„Angel“, ruft Mutter. So nennt sie mich seit ein paar Wochen. Das heißt Engel auf Englisch, sagt sie, „und du bist doch mein Engel“. Ich soll sie nicht Mama und schon gar nicht Mutti nennen wie die Mütter der anderen Kinder, auch nicht Regina, wie sie wirklich heißt, sondern ‚Janis‘, weil sie Janis Joplin bewundert und findet, dass jeder Mensch das Recht hat, den eigenen Namen selbst zu bestimmen. Seitdem meide ich es, sie mit Namen anzusprechen.

 

Ich habe Angelikas Bezeichnung für ihre Mutter immer als Reaktion empfunden - dieses "Mutter" klingt ja seltsam altmodisch. Und ist für mich die einzige Möglichkeit, wie Angelika auf die Verweigerung ihrer Mutter, wirklich Mutter zu sein, reagieren kann ...

Genau aus diesem Grund erschien mir das konsequente "Mutter" zwingend und für die Figur absolut logisch. (Da hat dein Unbewusstes eben wieder gewusst, was es tat ... :))

 

Und genau deswegen finde ich die Überlegungen, wie Elternteile/Verwandte/Figuren im Roman von Ich-Erzählern oder der Erzählstimme bezeichnet werden, absolut wichtig, es sagt so viel ... über Verhältnis, Erzählsituation, Distanz oder Nähe des Erzählers zu den Figuren oder seinem fiktiven Publikum, Gesamtsound.  Und für mich spricht es absolut für den Text, wenn ein und dieselbe Person von verschiedenen Figuren verschieden betitelt wird. Den Lesern sollte man (glaube ich) dieses Unterscheidungsvermögen und die intellektuelle Anstrengung, auch in der U, unbedingt zutrauen. (Achtung Zwinkersmiley, Ironie, aber auch Realität ...  auf jeden Fall gut, wenn man belegen kann, warum man das tut ...)

Viel Glück.

Liebe Grüße

Claudia

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Das ist sehr gut gemacht - ja!

Und man kann herrlich damit arbeiten, ohne dass der Leser es bewusst wahrnimmt.

Meine Antonia in "Es war einmal Aleppo" schreibst zunächst von Paps. "Paps lenkt den Wagen in die Einfahrt."

Dann steigert sich langsam ein Konflikt zwischen den beiden hoch, bis sie irgendwann auf "mein Vater" umformuliert, weil sie sich plötzlich weit entfernt, distanziert von ihm wahrnimmt.

Ich finde, damit kann man viel machen.

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Danke für dein tolles Beispiel, Maria. "Spring!" muss ich auch unbedingt noch lesen!

 

Im Moment ist gerade so viel Unerwartetes los hier, das gar nicht dazukomme, meinen noch namenlosen Gartenroman weiterzuschreiben, daher weiß ich auch noch nicht, wie sich alles so anfühlt. Ich werde aber berichten  :) 

 

LG Ulrike

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Das ist echt schwierig, ich hänge da auch gerade.

 

"Mein Vater" und "meine Mutter" finde ich zu distanziert und in Ich-Perspektive nicht authentisch.

 

"Mama" und "Papa" ist wirklich sehr kindlich.

 

"Mutter" und "Vater" (ohne "mein(e)") find ich sehr aniquiert.

 

"Mum" und "Dad" find ich eigentlich sehr gut, aber ist das für eine Protagonistin Mitte 30 realistisch? Sie wird ja ihre Eltern so nennen, wie sie sie immer genannt hat. Der "Mum" und "Dad"-Trend kommt mir aber eher neu vor (also in Deutschland). Oder hat jemand von euch seine Eltern schon vor 20, 30 Jahren so gennant bzw. eure Freunde?

 

"Paps" find ich gut, aber was wäre da das weibliche Gegenstück?

Bearbeitet von MichaelT
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