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Christine Spindler

Und noch zwei Punkte, in denen ich mit dem Lektorat nicht einverstanden bin

Empfohlene Beiträge

Christine Spindler

Erster Punkt

 

Die Lektorin hat im Text durchgehend Körperteile mit Possesivpronomen benannt:

 

Beispiel:

Ich schrieb: "Sie schob sich die Haare hinter die Ohren"

Lektorat: "Sie schob sich ihre Haare hinter die Ohren"

 

Das klingt für mich immer wie eine wörtliche Übersetzung aus dem Englischen, denn da wird es so gehandhabt. Ich mache das nur, wenn es sonst zu Missverständnissen kommen könnte. Aber in Sätzen wie: "Er fasste sich an die Nase" weiß doch jeder, dass es seine eigene Nase ist und nicht die eines anderen.

Wie seht ihr das?

 

Zweiter Punkt

Ich vermeide Konstruktionen, in denen Verben zu weit von ihrem Subjekt oder Objekt entfernt sind. Die Lektorin scheint so etwas aber zu mögen.

 

Beispiel:

Ich schrieb: "Sie rief mich an, um mir die frohe Botschaft mitzuteilen, dass sie eine Rolle bekommen hatte."

Lektorat: "Sie rief mich an, um mir die frohe Botschaft, dass sie eine Rolle bekommen hatte, mitzuteilen."

 

Das finde ich total zerpflückt. Und ihr?

 

LG, Christine

Hört mal rein in meinen Podcast: https://anchor.fm/tinazang

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Keine Frage.
Gerade das zweite Konstrukt von ihr lässt mich daran zweifeln, ob sie den richtigen Beruf gewählt hat ;)

Bearbeitet von Rudi
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Beim Zweiten gebe ich Dir vollkommen Recht .. total zerpflückt. 

Beim Ersten würde ich jedoch das Personalpronomen akzeptieren ... mit dem "die Haare" kann sie sich die Dinger sonst wo hinschieben. Mag pingelig klingen, aber wenn Du willst, dass es "ihre Haare" sind, dann sag das auch (auch wenn es aus dem Kontext ersichtlich ist, dass es ihre sind ... "Die" ist absolut unelegant)

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Ich hatte mal eine Lektorin, die hätte daraus gemacht: "Sie steckte sich ihre Haare hinter ihre Ohren."

 

Ich finde, hier wird's für mich fein und hängt von der Perspektive ab: "Sie steckt sich die Haare hinter die Ohren" ist für mich viel näher dran, mehr "aus ihrer Perspektive heraus" während "steckt sich ihre Haare hinter die Ohren" etwas distanzierter, beobachtender anfühlt.

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Ich gebe dir auch in beiden Punkten recht.

Als Übersetzerin kenne ich das Problem mit den Possesivdingern (soll es nicht irgendwann mal einen Grammatikkurs geben???).

"Sie schüttelte ihren Kopf". Ja, welchen denn sonst?

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

www.mcpoets.de

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Die gibt es im Deutschen auch, Christine, die zuverlässigen Regeln.

 

In diesem Fall kreist die ganze Problematik um den so genannten Pertinenzdativ, der dann fällig wird, wenn es um Körperteile geht. Im Deutschen "besitzt" man nicht gern Hände, Bauch oder Zähne, sondern lässt den Dativ indirekt und elegant ausdrücken, wem was gehört:

 

Sie gab mir die Hand.

Ihm tut der Bauch weh.

Er legt ihr die Hand auf die Schulter. – Da habe ich kein einziges sein oder ihr und trotzdem weiß jeder sofort, wem die Hand "gehört" und wem die Schulter. (Er legt seine Hand auf ihre Schulter? – Sagt kein Mensch.)

 

Und deshalb habt ihr hier alle das Richtige gesagt und Christine darf sich mit Fug und Recht wehren,

 

Angelika 

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Als Übersetzerin kenne ich das Problem mit den Possesivdingern (soll es nicht irgendwann mal einen Grammatikkurs geben???).

 

Der Kurs – also, eigentlich ist es ein Blog, beginnt am 27. Mai, Maria. Ich gebe dann rechtzeitig Bescheid.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Christine Spindler

Angelika, von dir lerne ich immer die coolsten Sachen. Pertinenzdativ hatte ich noch nie gehört. Danke :) Und ich freue mich auf deinen Grammatikblog

 

Liebe Grüße

Christine 

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Unqualifizierter Einwurf: Und solche Leute behaupten nachher, sie hätten das Buch überhaupt erst lesbar gemacht. Bisher hatte ich noch keine Lektorin, die auch nur den Schimmer einer Ahnung von Sprache hatte (oder von Urheberrechten, aber das gehört nicht hierher).

Bearbeitet von AstridV

Meine Homepage

 

Rabenzeit 1 gibt's als E-book und gedruckt bei Amazon. :)

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Zweiter Punkt

Ich vermeide Konstruktionen, in denen Verben zu weit von ihrem Subjekt oder Objekt entfernt sind. Die Lektorin scheint so etwas aber zu mögen.

 

Beispiel:

Ich schrieb: "Sie rief mich an, um mir die frohe Botschaft mitzuteilen, dass sie eine Rolle bekommen hatte."

Lektorat: "Sie rief mich an, um mir die frohe Botschaft, dass sie eine Rolle bekommen hatte, mitzuteilen."

 

Das finde ich total zerpflückt. Und ihr?

 

Ach, das habe ich jetzt erst gesehen. Auch hier hast du recht, Christine. Der Vorschlag der Lektorin ist veraltete Syntax. So haben Thomas-Mann und noch früher Heinrich von Kleist geschrieben. Heute greift man bei solchen Sätzen zur so genannten "Nachstellung": Man schließt eine Satzklammer (in deinem Fall mit dem Verb mitzuteilen) und lässt dann erst den nächsten Nebensatz raus. Das entlastet ein so genanntes Mittelfeld im Satz, das ansonsten wegen zu vieler Informationen keine Luft mehr bekäme. 

 

Aber da deine Lektorin solche Riesenumklammerungen liebt, wie wärs mit:

 

"Sie rief mich, um mir die frohe Botschaft, dass sie eine Rolle bekommen hatte, mitzuteilen, an." ?

 

Zu diesem Komplex gibt es auch was in meinem Blog – aber ziemlich weit hinten ... nachgestellt eben,

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Ich hatte mal eine Lektorin, die hätte daraus gemacht: "Sie steckte sich ihre Haare hinter ihre Ohren."

 

Ich finde, hier wird's für mich fein und hängt von der Perspektive ab: "Sie steckt sich die Haare hinter die Ohren" ist für mich viel näher dran, mehr "aus ihrer Perspektive heraus" während "steckt sich ihre Haare hinter die Ohren" etwas distanzierter, beobachtender anfühlt.

 

Ganz recht. Es ist doch offensichtlich, welche Haare gemeint sind.

 

(Sorry, mit Angelika überschnitten.)

 

Ja, verschlimmbessern kommt in Lektoraten schon häufig vor. Nur nicht einschüchtern lassen. :)

Bearbeitet von Ulf Schiewe

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Vielleicht völlig falsch, aber ich verwende die Possesivpronomen manchmal auch, um den Charakter einer Person zu unterstreichen: wer immer von "meinen" Haaren denkt, ist egozentrischer als derjenige, der nur "die Haare" denkt und den Schwerpunkt in den Gedanken auf die Haare legt.

Zu weit hergeholt? Völlig daneben, da es wohl doch eindeutige Grammatikregeln gibt? Wie seht ihr das?

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Christine Spindler

Aber da deine Lektorin solche Riesenumklammerungen liebt, wie wärs mit:

 

"Sie rief mich, um mir die frohe Botschaft, dass sie eine Rolle bekommen hatte, mitzuteilen, an." ?

 

Herrlich. Ich würde am liebsten einen ganzen Roman, der solche Sätze enthält, verfassen. Wie du siehst, übe ich schon  ;)

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Vielleicht völlig falsch, aber ich verwende die Possesivpronomen manchmal auch, um den Charakter einer Person zu unterstreichen: wer immer von "meinen" Haaren denkt, ist egozentrischer als derjenige, der nur "die Haare" denkt und den Schwerpunkt in den Gedanken auf die Haare legt.

Zu weit hergeholt? Völlig daneben, da es wohl doch eindeutige Grammatikregeln gibt? Wie seht ihr das?

 

Nein, nein, Ulrike, das darf man natürlich variieren. Ich habe nur die inzwischen übliche Form zitiert. Meine Oma zum Beispiel pflegte so zu jammern: "Meine Fiiiße dun wäh, meine Fiiiße ...!" Sie war in der Tat davon überzeugt, dass sie eigentlich die Herrscherin der Welt sei (und die Füße als Teilbereich davon natürlich gleichfalls ihr Eigentum).

 

Das sind Stilfragen, da darf man viel.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Das ist echt übel. Mir wird (zu Recht!) oft das Gegenteil angekreidet, denn ich neige (weil ich wahrscheinlich zu viele Engländer lese) dazu, die eigenen Hände, Haare und Köpfe schütteln zu lassen. Und dieses nur im Deutschen so mögliche Auseinanderziehen hat Mark Twain schon treffend aufs Korn genommen*.

 

Will sich da jemand mit aller Gewalt "einbringen"? 

 

____________________ 

* Erinnert mich an folgendes Beispiel aus der Reiner'schen Stilfibel:

"Hinsichtlich des durch die von den der in der neben dem Forsthaus gelegenen einsamen Waldhütte begangenen Körperverletzung angetrunkenen Raufbrüdern Zerreißung von Wäschestücken entstandenen Schadens wird der Anzeigende auf den Weg der Zivilklage verwiesen."

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Christine Spindler

 

____________________ 

* Erinnert mich an folgendes Beispiel aus der Reiner'schen Stilfibel:

"Hinsichtlich des durch die von den der in der neben dem Forsthaus gelegenen einsamen Waldhütte begangenen Körperverletzung angetrunkenen Raufbrüdern Zerreißung von Wäschestücken entstandenen Schadens wird der Anzeigende auf den Weg der Zivilklage verwiesen."

 

Oh ja, die gute Reiner'sche Stilfibel. Die Beispiele darin sind immer wieder erbaulich.

Hört mal rein in meinen Podcast: https://anchor.fm/tinazang

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Zur Umklammerung hab ich vor kurzem dieses schöne Beispiel gelesen:

 

Die Möglichkeiten der deutschen Grammatik können einen, wenn man sich darauf, was man ruhig, wenn man möchte, sollte, einlässt, überraschen.

 

;D

www.isabellastraub.at

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Vielleicht völlig falsch, aber ich verwende die Possesivpronomen manchmal auch, um den Charakter einer Person zu unterstreichen: wer immer von "meinen" Haaren denkt, ist egozentrischer als derjenige, der nur "die Haare" denkt und den Schwerpunkt in den Gedanken auf die Haare legt.

Zu weit hergeholt? Völlig daneben, da es wohl doch eindeutige Grammatikregeln gibt? Wie seht ihr das?

 

Ich erinnere mich an das (aus dem englischen übersetzten) Buch "Planet der Habenichtse" von Ursula le Guin, der u.a. auf einem Planeten spielt, dessen Bewohner versuchen, Anarchie zu leben. Dort bekommen die Kinder von klein auf an beigebracht, nicht "meine Hand", "meine Mutter" (wie es im Englischen üblich ist) zu sagen, sondern "die Hand" oder "die Mutter".  Die andere Form gilt als egoistisch.

 

Es im Deutschen als Stilmittel einzusetzen, finde ich eine gute Idee.

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

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