Zum Inhalt springen
Uschi

Ich bin in Rage!

Empfohlene Beiträge

Hallo,

 

all Ihr lieben professionellen und semiprofessionellen Sprachwissenschaftler!

 

Ich verwende immer mal wieder gern im fantastischen und historischen Kontext den Begriff "Rage".

 

Eine extrem kluge Probeleserin hat das moniert mit dem Einwand, das sei

a) ein modernes Wort,

b) kein überregionaler Begriff.

Beides hat mich sehr überrascht.

 

So schnell will ich mich nicht von diesem Wort verabschieden, wenn´s nicht sein muß. Oder sollte ich? ???

 

Liebe Grüße

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Uschi,

 

ein Blick in den Duden hat soeben ergeben, dass "Rage" französischen Ursprungs ist - somit also vielleicht nicht unbedingt für jedes Setting passend - und außerdem umgangssprachlich gebraucht wird.

 

Wie wär's denn mit "Wut", "Zorn", "Raserei"? ;)

 

Gruß Chris

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Steffi (Ronya))

Hallo Uschi

hab grad mal nachgesehen und dabei herausgefunden, dass es, wie bereits aufgrund der Aussprache vermutet, aus dem Französischen kommt. Ursprünglich kommt von dem Lateinischen "rabies" die Wut.

Ob es ein regionaler Begriff ist? Weiß ich nicht genau, wenn dann wohl eher ein süddeutscher, da dort ja einige Begriffe aus dem Französischen übernommen wurden. Ob du es streichen solltest? Ich finde das muss nicht sein, aber mir wurden auch schon oft eingedeutschte Fremdwörter angekreidet, insofern ist mein Urteil hier wahrscheinlich nicht unbedingt maßgebend.

Gruß Ronya

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo,

 

das mit dem französischen Ursprung hatte ich auch schon gelesen, da ist dann aber spannend, wann es von dort gekommen ist...

 

Wie wär's denn mit "Wut", "Zorn", "Raserei"?

 

immer wieder gern - aber ich hätte halt gern auch noch die "Rage", wenn ich darf...

 

Vorläufig noch ganz leicht stur:

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo, Uschi,

 

ich habe eben in den neuen und alten Duden nachgeguckt: ich würde es ruhig verwenden-ist sehr gebräuchlich, auch überregional. Ab wann es verwendet wurde, konnte ich nicht rauskriegen.

Bei mir ist dieses Reizwort "derweil". Das wurde mir umgekehrt schon als nicht mehr gebräuchlich angekreidet-und wo habe ich es kürzlich gesehen? In Andreas' Projekt Babylon.

 

Lg

Christa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bei mir ist dieses Reizwort "derweil". Das wurde mir umgekehrt schon als nicht mehr gebräuchlich angekreidet

 

Ich liebe es, solche armen kleinen, vom Aussterben bedrohten Wesen zu retten. Deshalb sollte man immer den Versuch unternehmen, sie am Lektor vorbeizuschmuggeln und ihnen in den Hirnen der Leser eine neue Heimstatt zu bieten...

 

LG

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich finde Rage ist ein tolles Wort! Klingt doch viel aufgebrachter, viel feuriger als "Wut" oder dieses elendig lange "Raserei". ;) Ich würde mir das nie nehmen lassen, angeblich modern oder nicht.

Pah! :s17

 

LG

Joy 8)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

das mit dem französischen Ursprung hatte ich auch schon gelesen, da ist dann aber spannend, wann es von dort gekommen ist...

Wahrscheinlich, wie die meisten eingedeutschten französischen Begriffe, mit Napoleon.

 

Ich finde Rage auch gebräuchlich und überhaupt nicht modern. Hat eher schon was altmodisches, denn wer sagt das denn heutzutage noch? Also bekannt und gebräuchlich ja, umgangssprachlich wohl eher nicht - zumindest nicht im Norden.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Napoleon war eher der Beginn vom Ende des französischen Einflusses in Deutschland. Unter seiner Herrschaft besannen sich die Deutschen in allen Teilstaaten wieder auf ihre Sprache und Kultur.

 

Den Anfang nahm der Einfluss im Zeitalter Ludwigs XIV (1643 - 1714) Damals gerieten die höheren Gesellschaftsschichten im Hl. Römischen Reich Deutscher Nation (Lacht nicht, das hieß wirklich so) so stark unter den kulturellen Einfluss Frankreichs, dass ein Teil ihrer Mitglieder (z.B. Friedrich II von Preußen ) schließlich wesentlich besser Französisch als Deutsch sprach.

 

Diese Mode sickerte von oben nach unten durch und bescherte z.B. der bayerischen Sprache den schönen Ausdruck "Potschamberl" für Nachttopf (Von pot de chambre.)

 

Was speziell die "Rage" angeht könnte ich mir sogar vorstellen, dass sie schon früher in den deutschen Sprachraum eingewandert ist. Auch im Spätmittelalter, (13./14. Jahrhundert) standen die deutschen Fürstenhöfe schon unter dem Einfluss der französischen Kultur, v.a. der Troubadorlieder. Ein Ausdruck wie "Rage" für die Emotionen der Rittersleut in dem Augenblick, in dem sie übereinander herfallen, könnte damals schon übernommen worden sein.

 

Hier in Bayern ist der Ausdruck "Rage" im Übrigen durchaus noch verständlich. Allerdings waren die Leute, die im meiner Gegenwart verwendet haben, immer mindestens eine Generation älter als ich. (Also so um die 60.) Ich selbst würde mich nicht so ausdrücken.

 

Grüße

 

M.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Nimm es!

Hallo Sysai!

 

;D Ab jetzt mit dem besten Gewissen...

 

Hallo Mischa!

Ein Ausdruck wie "Rage" für die Emotionen der Rittersleut in dem Augenblick, in dem sie übereinander herfallen, könnte damals schon übernommen worden sein.

So ist auch mein "gefühltes Alter" des Wortes. Und daß Du schreibst, Du kennst es eher aus aus meiner Generation als aus Deiner, gibt ihm noch ein bißchen zusätzliche erwünschte Patina.

 

Danke Euch allen!

 

LG

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo, Uschi!

 

Da du offenbar keinen historischen Roman schreibst, dessen Handlung vor dem 18./19. Jh. liegt, ist Rage gleichbedeutend mit Wut. Dann ist es auch sicherlich nur auf eine persönliche Aversion der Lektorin zurückzuführen.

 

(Die Außenlektorin, die meine beiden Schätzchen beackerte, hatte offenbar nichts für um als Präposition ("um den Hals") oder Präfix ("umarmen") übrige und versuchte solche Stellen sehr häufig durch andere Formulierungen zu ersetzen, obwohl es bei mir nicht auffallend "umt".

Menschen haben nun einmal Vorlieben und Abneigungen, die meist völlig unbewußt sind. Wenn du es mit der Rage nicht gerade übertreibst -- jedes Stilmittel schleift sich bei inflationärem Gebrauch ab! --, sehe ich kein Problem.

 

Wenn du mir das allerdings in einem Mittelalterroman unterjubeln wolltest, würde ich auf den sprachlichen Anachronismus hinweisen. "Rage" hat m.W. erst nach Ludwig XIV diese Bedeutung angenommen (hängt mit der Entwicklung der Medizin zusammen und dem Einsickern medizinischer Begriffe in die Kultur- und später in die Volkssprache, daher auch der Zusammenhang mit der Tollwut), zuvor wurden fureur und furie verwendet.

Zeitgleich mit der Bedeutungserweiterung bei rage im Frz. entwickelte sich im Dt. "rabiat", das auch von lat. rabies abgeleitet wurde.

 

Liebe Grüße,

Iris :s17

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hier in Bayern ist der Ausdruck "Rage" im Übrigen durchaus noch verständlich. Allerdings waren die Leute' date=' die im meiner Gegenwart verwendet haben, immer mindestens eine Generation älter als ich. (Also so um die 60.) [/quote']

Hi Mischa, jetzt fühle ich mich ganz alt !

Ich sitze zwar nicht in Bayern, nur in der ehemals bayrischen Pfalz, aber mit Rage habe ich überhaupt kein Problem, verwende dieses Wort auch...

Grüße vom rasenden Raben oder ragenen Raben :)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Uschi,

noch ein Wort aus Frankreich: Rage ist laut Kluge im 18. Jhdt. erst in die deutsche Sprache eingegangen. Damals hat man auch "enragiert" noch gekannt = leidenschaftlich erregt.

 

Im Französischen selbst gibt es das Wort seit 1080, es kam vom populärlateinischen "rabia" (von rabies). Im 12. Jhdt. kommt das Verb rager auf, im Sinne von "sich aufregen, wütend machen". Im 17. Jhdt. wird es auch im Sinne von "irritiert sein" verwendet.

International verbreitet hat es sich vor allem um 1792 als politischer Ausdruck in der Revolution, später durch Balzac, der 1832 "rageusement" - das Adverb bildet. (Quelle: etym. Lexikon von Larousse)

Rage im Französischen ist nicht so fest an "Zorn / Wut" gekoppelt wie im Deutschen, man kann auch beim Liebesspiel in Rage geraten ;-)

 

Schöne Grüße,

Petra

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wenn man alle Worte auf die Zeit untersucht, wann sie in Gebrauch kamen, und sie nicht benutzt, wenn sie zu 'jung' sind, könnten wir keine historischen Romane mehr schreiben.

Bei denen geht es ja ebenfalls um die heutigen Leser und darum, mit noch verständlichen Worten eine gewisse Patina zu erzeugen. Worte müssen richtig klingen und eine gewisse Stimmung erzeugen.

 

Gruß Sysai  

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Interessant. Ist "rabies" nicht auch das englische Wort für Tollwut? Ich glaube mein Hund hat eine solche Impfung intus. Jetzt kann er wohl nicht mehr in Rage geraten. ;)

 

LG

Joy

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo, all ihr lieben engagierten Enragierten,

 

genau das, was Sysai schreibt, habe ich mir heute auch auf dem Weg zur Straßenbahn überlegt. Wir benutzen dauernd Begriffe, die in der Zeit, in der unsere Romane spielen, noch nicht gebräuchlich waren. Wenn wir das nicht tun würden, wären sie unverständlich für die heutigen Leser. Man muß halt nur vermeiden, etwas zu verwenden, das die Leute deutlich rausreißt.

 

Nach Euren Rückmeldungen - danke auch nochmal Susanne und Petra - habe ich keine Skrupel mehr mit der "Rage", die demnach wohl eher etwas angestaubt ist als zu modern.

 

@Joy: falls er nicht kastriert ist, ist´n bißchen Liebesrage vielleicht noch drin...

 

Liebe mittagspäusliche Grüße

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

doch - er (der jetzige) spielt zwischen 1620 und 1640.

Wie gesagt: Dann würde ich ihn bei einer Person, die über eine entsprechende Bildung (Französischkenntnisse!) verfügt, als spezifisches Charakteristikum in der wörtlichen Rede akzeptieren (aber sicher einen Vermerk setzen) und ansonsten in jedem Fall monieren. ;D

 

Persönliche sprachliche Vorlieben eines Autors haben hinter den Notwendigkeiten eines Textes zurückzustehen. Der sprachliche Relativismus, dem so gerne gefrönt wird, bringt nicht nur mich dazu, mind. 30 % der Leseexemplare, die ich bekomme, schon nach wenigen Seiten in die Ecke zu schmeißen -- auf den Stapel mit dem Vermerk "Wer 's haben will!" Andere kaufen es erst gar nicht.

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Iris,

 

autsch... :s09

 

Du würdest ein ansonsten gut recherchiertes Buch in die Ecke werfen wegen einem Satz wie:

 

"Er mußte aufpassen, sich nicht in Rage zu reden."?

 

Du wirst mir doch zustimmen, daß es nicht möglich (oder zumindest nicht sinnvoll) ist, ein historisches Buch in der Sprache der Zeit zu schreiben, in der es spielt. Wo ziehst Du da die Grenze?

 

LG

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Liebe Uschi,

 

ich habe jetzt nochmal darüber nachgedacht.

Sätze wie „Er geriet in Rage und zog seine Pistole“ würden mich auch bei einem Roman, der im siebzehnten Jahrhundert spielt, zumindest etwas erstaunen. Würde d’Artagnon inmitten seiner Musketiere rufen: „Du bringst mich in Rage, du jämmerlicher Wicht“, bevor er losgaloppiert, könnte ich das eher akzeptieren.

Wir können natürlich nicht die alte Sprache verwenden, das ist unlesbar für einen modernen Leser. Aber es gibt viel zwischen Grimmelshausen, alten Heiligenlegenden und dem, was ich manchmal an historischen Romanen auch schon in die Ecke oder den Papierkorb gefeuert habe. Nicht wegen eines einzigen Patzers, sondern wegen einer gesamten Unstimmigkeit und Oberflächlichkeit, mit der über historische Zusammenhänge hinweggegangen wird.

Ich kenne nur wenige historische Romane, die ihre Zeit wirklich gut herüberbringen. Und sehr viel muss recherchiert werden, auch die Sprache, die Ausdrücke. Das ist etwas anstrengend, gleichzeitig macht es aber auch Spaß, über die alten Zeiten etwas zu erfahren, weil alle ihre Errungenschaften sich bis heute auswirken und die Charaktereigenschaften der Menschen und ihre Handlungsweisen sich nicht grundsätzlich geändert haben

Seit ich historisch schreibe, lese ich diese Bücher sehr kritisch – und in diesem Bereich ist bei mir auch schon einiges im Papierkorb gelandet. Autsch! ;)

Also-das Baby bei den Ägyptern fällt bei mir durch ebenso wie das „Sie“ im 15. Jahrhundert.

 

LG Christa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...