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Olivia Kleinknecht

Ein Kuss

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Olivia Kleinknecht

„EIN KUSS“ schlummerte schon länger in der Schublade. Jetzt habe ich ihn bei Amazon-Kindle eingestellt, bevor er vollends verschimmelt.

 

Auf der einen Seite: eine einsame alte Frau, deren Trost das Fernsehen ist. Es füllt ihr Zimmer mit Lebendigem, Stimmen, Schreien, Schluchzen, Jauchzen, mit beherrschbaren menschlichen Geräuschen, unaufdringlichem Leben, auch wenn die tausend schönen jungen Gesichter, die tausend blühenden jungen Körper in Talkshows und Filmen ihr suggerieren, sie gehöre zu einer Welt, von deren Hässlichkeit und Verfall kaum jemand etwas ahnt. Auf der andern Seite der berühmte Regisseur Angelotti, ein Besessener, der atemlos von Vergnügen zu Vergnügen rast, und bis ins höhere Alter sein Leben im prallen Erlebnisrausch verbraucht.

 

 

Was verbindet die beiden? Die Alte war mit Angelotti befreundet, als sie noch jung war. Angelotti war damals schon älter, hatte seinen Zenit überschritten, sowohl körperlich als auch beruflich. Nach ihrer kurzen, heftigen Affäre schrieb Angelotti der jungen Frau noch regelmäßig Briefe. In diesen Briefen beschreibt er seine immer bizarreren erotischen Ausschweifungen.

 

 

Die Alte tröstet sich nun mit dem Fernsehen und dem Lesen dieser alten Briefe. In ihrer Wohnung, die sie kaum mehr verlassen kann, gibt es sonst nichts Lebendiges. In den Briefen erfahren wir, auch Angelotti kämpft mit dem Alter. Neben den banalen äußeren Anzeichen beschreibt er die viel heimtückischeren, inneren Signale, den negativen Umschwung der Grundstimmung, die zunehmende Ängstlichkeit, das abnehmende Selbstvertrauen, die wachsende Sentimentalität, seine stärkere Zärtlichkeitssucht und zugleich seine wachsende Toleranz für Gewalt, besonders seiner eigenen Person gegenüber: Seit ihm das Leben immer mehr Misserfolge bereitet, findet er zuweilen nur noch in Körperqualen Erleichterung. „Sollte meine Potenz so nachlassen, dass mein Glied überhaupt nicht mehr steif wird, töte ich mich“, schreibt er seiner Brief-Freundin.

 

Angelotti tat immer, was er wollte, überschritt alle Grenzen. Sein Leben war eine Bühne. Schafft er es, auch seinen Abgang lustvoll zu gestalten?

 

 

Die Alte nahm fraglos hin, wie ihr Leben immer ereignisloser und öder wurde. Was sagen ihr jetzt noch die amoralischen Briefe Angelottis, die ein „Viva la libertà“ eines modernen Don Giovanni herausschreien? Auch sie denkt an ihren Tod. Schwingt sie sich so spät noch zu einer letzten freien Entscheidung auf? 

 

http://olivia-kleinknecht.com/ein-kuss/

 

 

 

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Du hast wirklich immer interessante Themen und Geschichten, liebe Olivia. Ich denke, das muss ich lesen!

 

Liebe Grüße und viel Erfolg

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich habe bereits zwei interessante Bücher von Dir gelesen, Olivia - "Das Gedächtnis von Gegenständen" und "Stirb in Florenz", und nun freue mich auf "Ein Kuss".

Das Cover ist wirklich gelungen, auch Deine Website gefällt mir gut.

 

Weiterhin viel Erfolg!

 

Helene

Helene Luise Köppel:  Romanreihe "Töchter des Teufels" (6 Historische Romane über den Albigenserkreuzzug); sowie Romanreihe "Untiefen des Lebens"  (6 SÜDFRANKREICH-thriller), Neu in 2022: "Abkehr".

                                         

                                 

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Olivia Kleinknecht

Herzlichen Dank für die Ermunterung. A propos Cover. Ich werde es nun doch noch einmal ändern. Man hat mir gesagt, es passt nicht zum Inhalt.

Es ist kein Thriller und keine Mord-Geschichte. Und auch den Titel ändere ich nochmal geringfügig: in Kein Kuss. Uff uff. So viele Anläufe, komme mir schon vor wie Menderes ...

Liebe Helene, war eben auf deinem Website, wunderschön gemacht!

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Olivia Kleinknecht

Danke ganz herzlich, liebe Sabine. Ja, das Thema ist verrückt. Und auch ich muss verrückt sein ...

Eigentlich wollte ich mir das Phänomen von Stimmung oder Atmosphäre erklären. Du spürst irgendwo irgendetwas. Ein Ort, ein Ding, auch eine Person, strahlt etwas aus. Etwas liegt quasi in der Luft. Ist Stimmung, ist Atmosphäre sozusagen nur aus der Luft gegriffen, ist sie etwas Metaphysisches, oder gibt es dafür ein physikalisches Substrat? Besteht sie etwa aus irgendwelchen physikalischen Teilchen? Besonders fiel mir diese Ausstrahlung von etwas beim Malen auf. Lange Zeit habe ich Portraits gemalt, und irgendwie fand ich es hoch seltsam, dass in den gemalten Gesichtern, in den Bildern, die Stimmung beziehungsweise die Gefühle hervorkamen, die ich hatte, während ich die Gesichter malte. Die Bilder strahlten sie aus. Wie kamen meine Gefühle in die Bilder, in einen toten Gegenstand, hat mich dann beschäftigt. Das hatte etwas Magisches. Und tatsächlich führten meine Fragen mich nicht nur in den Bereich der Naturwissenschaften, sondern auch in den Bereich der Magie und der Parapsychologie. In der Parapsychologie habe ich statistische Evidenz dafür gefunden, dass Dinge und Orte  ein Gedächtnis haben, und zwar scheint alles um uns herum gesättigt mit Informationen, Gedanken, Gefühlen, Tönen, Lauten, Gerüchen, mit allem, was um die Gegenstände oder an den Orten je geschah, gefühlt, gedacht wurde. Und nicht nur in den Naturwissenschaften fand ich dann auch Modelle, die ein solches Gedächtnis der Dinge erklären, und die auch vorschlagen, wo dieses Gedächtnis nun gespeichert sein könnte. LG, Olivia

 

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