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(Mascha)

Perspektive und Tempus

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Matthias, du sprichst etwas an, wo ich mir ständig den Kopf zerbreche. Sollte man in einem Roman, der im Präteritum geschrieben ist, ins Präsens wechseln, wenn die Protagonistin ihre Meinung zu einem Zustand äußert, der sich nicht nur auf das Geschehen im Roman beschränkt? Oder sollte man der Zeitform trotz Vernunft treu bleiben?

Hier mal ein Beispiel, der Roman ist im Präteritum geschrieben:

 

"(...) die Medien frag(t)en nie nach dem Warum. Sie frag(t)en nicht, welche Sorgen und Nöte den Betroffenen zur Tat getrieben haben(/hatten) oder ob es nicht doch ganz anders gewesen ist(/war). Sie stürz(t)en sich auf das, was sie sehen(/sahen), press(t)en es in ein Schema und verkauf(t)en es als Schand- oder Heldentat. Täter und Opfer. Schwarz und Weiß. Zuschauer lieb(t)en Geschichten von den Guten und den Bösen. Ich weiß(/wusste) das, die Medien wissen(/wussten) das und beide verdien(t)en wir unser Geld damit."

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Ich glaube, dass wenn beides gut geschrieben ist, der Unterschied zwischen Ich-Perspektive im Präsens und im Präteritum gar nicht so groß ist.

 

Wenn ich z.B. die Psychothriller von Michael Robotham (Präsens) mit denen von Linwood Barclay (Präteritum) vergleiche, frage ich mich gerade, ob das wirklich eine entscheidende Rolle spielt, in welcher Zeit das geschrieben ist.

 

Bei Robotham fällt es mir auf den ersten Seiten immer auf, da die Ich-Perspektive im Präsens bei Thrillern eher selten ist, aber das hat sich nach zwei, drei Kapiteln erledigt.

 

Und für die Spannung, das Mitfiebern mit dem Protanisten, den Inhalt usw. spielt es doch gar keine Rolle, oder?

 

Wenn jetzt die Perspektiven in den schon erschienenen Büchern der beiden Autoren tauschen würden - ich glaube nicht, dass sich irgendetwas, außer halt der Zeit selbst, an den Büchern ändern würde.

Bearbeitet von MichaelT
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Sollte man in einem Roman, der im Präteritum geschrieben ist, ins Präsens wechseln, wenn die Protagonistin ihre Meinung zu einem Zustand äußert, der sich nicht nur auf das Geschehen im Roman beschränkt? Oder sollte man der Zeitform trotz Vernunft treu bleiben?

Meine Antwort wäre ein entschiedenes "Kommt drauf an". Du erziehlst halt eine unterschiedliche Wirkung, je nachdem, wie du es löst.

 

Bleibt der Text im Präteritum, bleibe ich beim Lesen in der Handlung, die mir erzählt wird, und die allgemeinen Gedanken der Protagonistin werden zu einem Teil der Handlung: So hat sie innerhalb der Geschichte, die sie mir erzählt, über die Medien gedacht. Ich folge ihren Gedankengängen zur damaligen Zeit, so wie ich sonst auch ihren Handlungen und Erlebnissen folge.

 

Wechselt der Text ins Präsens, so ändert sich der Erzählton, die Protagonistin spricht aus ihrer Erzählerposition direkt zu mir und sagt mir etwas Allgemeines über die Welt. Es gibt ja sehr viele Ich-Erzählungen, die das als Stilmittel benutzen, entweder hier und da eingestreut oder auch, indem sie die Zeit des Erzählens zu einem zweiten Handlungsstrang ausbauen (wo berichtet wird, wie das Erzählen oder Aufschreiben vorangeht, wie es unterbrochen wird, wie der Erzähler Dinge erfährt, die er bisher nicht wusste oder was auch immer).

 

Auf jeden Fall entsteht durch den Wechsel ins Präsens vorübergehend eine Distanz zu der Handlung, die bisher berichtet wurde. Das kann die Sache spannender und vielschichtiger machen, aber es kann natürlich auch nerven, wenn es zum Beispiel eine spannende Actionszene unterbricht.

 

So weit meine zwei Cent.

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Bislang reden wir immer von der erzielten Wirkung von Tempus und Perspektive für den Leser.

 

Was mir gerade beim Schreiben (mal wieder) auffällt: um einer Person beim Schreiben nahe zu kommen, sind die Ich-Perspektive und auch das Präsens natürlich geeigneter. Sprich: es ist leichter zu schreiben. Wenn ich gerade gut im Schreibfluss bin, gerate ich oft ins Präsens, obwohl mein Text im Präterium geschrieben wird. Ich akzeptiere dass dann erstmal, lasse es weiter fließen (passiert sowieso viel zu selten) und korrigiere später.

 

@Barbara und Sabine, was die eingestreuten allgemeinen Lebensbetrachtungen im Präsens angeht: Das Präsens wirkt hier wie ein Ausrufezeichen, es sagt: Achtung, jetzt kommt was Wichtiges. Etwas, das außerhalb der Erzählzeit steht. Es hängt vom Inhalt (hier: Medienschelte) ab und vom Zeitpunkt, wann sie eingestreut werden, ob es mich aus der Handlung reißt oder ob ich es gut finde.

 

LG Ulrike

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Matthias, du sprichst etwas an, wo ich mir ständig den Kopf zerbreche. Sollte man in einem Roman, der im Präteritum geschrieben ist, ins Präsens wechseln, wenn die Protagonistin ihre Meinung zu einem Zustand äußert, der sich nicht nur auf das Geschehen im Roman beschränkt? Oder sollte man der Zeitform trotz Vernunft treu bleiben?

Hier mal ein Beispiel, der Roman ist im Präteritum geschrieben:

 

"(...) die Medien frag(t)en nie nach dem Warum. Sie frag(t)en nicht, welche Sorgen und Nöte den Betroffenen zur Tat getrieben haben(/hatten) oder ob es nicht doch ganz anders gewesen ist(/war). Sie stürz(t)en sich auf das, was sie sehen(/sahen), press(t)en es in ein Schema und verkauf(t)en es als Schand- oder Heldentat. Täter und Opfer. Schwarz und Weiß. Zuschauer lieb(t)en Geschichten von den Guten und den Bösen. Ich weiß(/wusste) das, die Medien wissen(/wussten) das und beide verdien(t)en wir unser Geld damit."

 

Ja, so würde ich das machen. Bei meinen Ich-Erzählern tue ich dies gelegentlich. Im "Bastard von Tolosa" erzählt einer seine Geschichte 30 Jahre später. Und natürlich bezieht er sich gelegentlich auf "seine" Gegenwart. "Heutzutage denken die Leute ..." philosophiert er. Das wäre doch sehr seltsam, wenn er "heutzutage dachten die Leute ..." reden würde.

 

Ein paarmal hatte ich auch schon Gespräche darüber mit meiner Lektorin. Der Ich-Erzähler beschreibt eine Burg, die es heute vielleicht gar nicht mehr gibt, aber zu Zeiten des Erzählers durchaus. Selbst wenn er im Präteritum (Geschichte) erzählt, ist die Burg aber immer noch da (Präsens).

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Okay, dann hab ich das jetzt verstanden. Ich fand nur, dass sich die Weltbetrachtung im Präteritum "falsch" anhört, aber rausreißen möchte ich den Leser auch nicht.

 

Das selbe habe ich auch festgestellt, Ulrike. Ich fühle mich dem Geschehen beim Schreiben näher, wenn ich im Präsens bin. Beim Überarbeiten übersetze ich deshalb den im Präteritum geschriebenen Text oft ins Präsens, damit ich noch besser in das Innenleben meiner Protagonistin tauchen kann.

Wobei ich fast glaube, dass nicht die Zeitform beim Leser Nähe schafft, sondern einzig das, was im Roman geschieht. Wenn ihn die Handlung mitreißt, wenn er die Charaktere nachvollziehbar findet, dann ist es ihm egal, ob der Roman im Präsens oder im Präteritum geschrieben ist. Zumindest hab ich diese Erfahrung mit meinen Testlesern gemacht.

 

Edit: Mein Beitrag hat sich mit deinem überschnitten, Ulf. Ja, genau, das meinte ich. Es liest sich einfach komisch.

Wer weiß, vielleicht fällt es dem Leser ja gar nicht auf, wenn man die Zeitform kurz wechselt. Harlan Coben wechselt ständig die Zeitformen, aber gut, der spricht ja auch zum Leser, dann ist das wieder was anders. Das tu ich ja nicht in meinem Roman. Oh Mann.

Bearbeitet von Sabine
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Das waren jetzt keine zwei Cent, liebe Barbara, sondern ein Sack Dukaten. Genauso ist es, wie du schreibst: Das Präteritum summt vor sich hin: Erzählung, Erzählung, alles ist Erzählung ... wer erzählt, will nahezu unhörbar bleiben. (Für viele Schriftsteller ein hohes Ziel, glaube ich).

 

Ein zwischen geschaltetes Präsens unterbricht das Summen, die Stimme des Erzählers erklärt etwas, was in seinen Augen immerwährende Gültigkeit hat (analog zu wissenschaftssprachlichen Äußerungen, auch im Präsens, wie Der Delphin ist ein Säugetier.) Das mag an bestimmte Erzählstrukturen gewöhnte Leser irritieren, kann aber umgekehrt auch zu der beruhigenden Einsicht führen, dass dieser Erzähler etwas weiß über seine Welt. Viele Alte haben so geschrieben, aber auch brandneue und sehr erfolgreiche wie Jonathan Franzen.

 

Im Übrigen lassen sich Tempus + Perspektive nicht so einfach katalogisieren: "zieht rein", "haut raus" o.ä. Neben diesen beiden Größen gibt es ja noch eine Vielzahl weiterer Stilmittel: szenisches oder summarisches Erzählen, direkte oder indirekte Rede ... etc.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Im Übrigen lassen sich Tempus + Perspektive nicht so einfach katalogisieren: "zieht rein", "haut raus" o.ä. Neben diesen beiden Größen gibt es ja noch eine Vielzahl weiterer Stilmittel: szenisches oder summarisches Erzählen, direkte oder indirekte Rede ... etc.

 

 

 

Das kann man gar nicht oft genug sagen!

 

Und selbst Präsens ist nicht gleich Präsens. Normalerweise erzählt es ja auch Vergangenes. Daneben gibt es aber noch ein Echtzeitpräsens, das Ereignisse erzählt, die jetzt passieren.

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Sollte man in einem Roman, der im Präteritum geschrieben ist, ins Präsens wechseln, wenn die Protagonistin ihre Meinung zu einem Zustand äußert, der sich nicht nur auf das Geschehen im Roman beschränkt?

 

Ein interessanter Denkanstoß, Sabine.

Autoren müssen sich klar und eindeutig ausdrücken, damit ihre Botschaft annähernd unverfälscht beim Leser ankommt. Das Problem (wie nahezu bei jeder Kommunikation) ist, dass zwischen Sender und Empfänger unterschiedliche Voraussetzungen, was Auffassungsgabe, Interpretation, Bildungsstand etc. bestehen. Kurz, beim Leser kommt die eigentlich klar formulierte Aussage unter Umständen nur teilweise, oder überhaupt nicht an.

 

Bei deinem aufgeführten Textzitat hast du beide Möglichkeiten, je nachdem, was du ausdrücken möchtest. Vielleicht kann ich das ein einem kleinen Beispiel verdeutlichen:

 

»Ich erkannte, wie ungerecht die Welt war«

»Ich erkannte, wie ungerecht die Welt ist.«

 

Die erste Aussage beschreibt eine Erkenntnis des Ich-Erzählers aus der Vergangenheit. Auf jeden Fall trifft diese Feststellung auf die damalige Zeit zu. Man könnte interpretieren, dass es sich um eine Feststellung handelt, die auch in der Gegenwart noch ihre Gültigkeit besitzt. Es kann aber auch bedeuten, dass sich die Situation in der Gegenwart ganz anders darstellt.

 

Die zweite Aussage ist eindeutiger. In der Vergangenheit stellte der Ich-Erzähler fest, was für ihn immer noch Gültigkeit besitzt. Es ist ein Fakt, den er ohne zeitliche Einschränkung vertritt.

 

Vielleicht hilft es dir, wenn du die Einstellung deines Ich-Erzählers hinterfragst. Kann sie sich von damals zu heute geändert haben. Schätzt er die Dinge heute anders ein? Will er ein Statement formulieren, was für ihn Allgemeingültigkeit hat?

Tränen im Mississippi     •     Aaron Grünblatt      •      Amüsante Spaßitüden      •     Völlich Anders Verlach

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Darüber hab ich mir schon Gedanken gemacht, Matthias. Sie vertritt diese Meinung auch im Jetzt, weil sie selbst inzwischen nicht mehr in dem Schwarz-Weiß-Denken gefangen ist, aber sie weiß, dass noch viele Menschen so denken. Wie du schon sagst, Sender-Empfänger-Problem, man lebt in seiner eigenen Welt und ergründet nicht die Ängste und Beweggründe der anderen, sondern verurteilt sie für das was sie der eigenen Meinung nach falsch gemacht haben.

Deshalb müsste ich es der Richtigkeit halber ja ins Präsens setzen, aber irgendwie fühlt es sich merkwürdig an, wenn sie plötzlich mitten unter der Erzählung als Erzählerin präsent wird.

Bearbeitet von Sabine
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aber irgendwie fühlt es sich merkwürdig an, wenn sie plötzlich mitten unter der Erzählung als Erzählerin präsent wird.

 

Das bringt es perfekt auf den Punkt, finde ich. Ein Ich-Erzähler führt ja ein Doppelleben im Text: Er ist die Person, die die Geschichte erlebt, und zugleich die Person, die die Geschichte erzählt. Bleibt man im Präteritum, so bleibt man beim erlebenden Ich (die Geschichte summt und summt, wie Angelika es beschreibt). Wechselt man für allgemeine Betrachtungen oder Meinungsäußerungen ins Präsens, macht sich für den Leser das erzählende Ich bemerkbar. "Gehen" tut beides, wie hier ja schon viele gesagt haben. Die Wirkung ist halt sehr unterschiedlich.

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Man kann ins Präsens wechseln, um etwas festzustellen, auch wenn der Roman in der Vergangenheit spielt. Wurde hier ja schon gesagt.

 

Da erkannte ich, dass die Welt rund ist.

Oder: Da erkannte er, dass die Welt rund ist.

 

Du kannst aber auch aus anderen Gründen ins Präsens wechseln:

 

Wir bummelten den Waldweg entlang. Jojo schnüffelte durch das Unterholz. Und plötzlich steht ein riesiges Ungetüm vor uns mit Zähnen so groß wie Säbel. Es schnappt einmal zu und Jojo verschwindet in seinem Maul. Dann schluckt es und schaut uns an. Gierig. Hat es immer noch Hunger? Doch ebenso plötzlich verschwindet es wieder. Die Vögel zwitscherten wieder fröhlich, die Sonne schien, Nur dass Jojo nicht mehr herumschnüffelte, erinnerte an das Monster. Und die zwei riesigen Fußabdrücke im Waldweg.

 

Da wechsel ich ins Präsens, wenn Action in die Geschichte kommt, es wird atemloser.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Hallo zusammen,

 

m die Funktion von Perspektive (Ich oder Er/Sie, selten Du) und Tempus (Gegenwart und Erzählzeit/ Präteritum) zu beschreiben, muss man noch einige Punkte dazunehmen:

 

1. Erzähler (zuverlässiger oder unzuverlässiger Erzähler in der Ich- oder Er-/ Sieerzähler, als Person in der Geschichte oder reiner Erzähler)

 

Der Erzähler als Figur ist optional.

 

Der Erzähler ist eine Figur, der die Geschichte erzählt. Dabei kann er sowohl nur als Erzähler auftreten, sondern auch als Figur in der Geschichte sein bzw. selber als Figur in der von ihm erzählten Geschichte auftreten.

 

Ein Erzähler schafft fast eine Rahmenhandlung, in der er die Geschichte erzählt, oder er verweist zumindest auf seine Rolle. Somit schafft er immer Distanz.

Er kann sowohl personal, personal mit Innensicht (nicht zwingend aller Figuren) oder auktorial erzählen.

Manche Erzähler kommentieren Ereignisse, Momente, Entwicklungen (später wird dies noch mal wichtig),..

 

Eine Sonderform ist der unzuverlässige Erzähler: Er erzählt die Geschichte nicht so wie ein zuverlässiger Erzähler, sondern verschweigt, führt in die Irre, übertreibt, stellt Figuren übertrieben gut oder schlecht dar...

 

Eine weitere Sonderform sind mehrere Erzählfiguren wie z.B. bei "Game of Thrones".

 

+/- Distanz zur erzählten Geschichte, außer sie sind selber Figuren in der Geschichte (und sie erzählen zeitgleich). Gerade unzuverlässige Erzählfiguren schaffen viel Distanz.

+/- Rahmenhandlung bzw. Verweis auf die Rolle

+/- wird gerne bei auktiorialen Geschichten verwendet, bei denen eine Erzählfigur als der "Wissende" auftritt, um einen nicht figuralen Erzähler mit auktorialer Erzählweise zu vermeiden

+/- alle Ich-Erzähler sind Erzähler bzw oft auch Erzählfiguren

+/- kann eine Geschichte ordnen und kommentieren

+/- Erzählfiguren können sympathisch oder unsymphatisch sein

+/- kann verschiedene Geschichte zu einer Gesamterzählung verbinden

+/- bei verschiedenen Erzählfiguren können Handlungen aus verschiedenen Sichtweisen betrachtet werden.

 

2. Erzählweise (personal (mit oder ohne Innensicht) und auktiorial (mit oder ohne Innensicht); eine oder mehrere Perspektivträger

 

Eine personale Erzählweise bedeutet in der Reinform, dass der Erzähler die Geschichte nur aus seiner Sichtweise schildert und kein Innensicht bei anderen Figuren oder in zukünftige Ereignisse hat, wenn er nicht auch Erzählfigur ist.

Manche personalen Erzähler haben keine Innensicht in die Gedankenwelt der Figuren. Dies kann mit einer Erklärung und Rahmenhandlung umgangen werden- indem der Erzähler oder die Erzählfigur darüber spricht, wie er das erfahren hat.

Andere personalen Erzähler haben Innensicht in alle Figuren, sie wirken oft fast auktorial.

 

Auktoriale Erzähler kennen alle Geheimnisse der Geschichte, alle Figuren mit Innensicht...

 

+/- auktoriale Erzähler (in der Reinform ohne Erzählfigur( wurden früher sehr gerne eingesetzt, s.B. Fontane, und wirken heute auf viele Leser als nette, alte Herren, die sich die Welt zurechtfabulieren. Sie sind ein wenig außer Mode.

+/- auktoriale Erzähler schaffen viel Distanz

+/- personale Erzähler wirken näher bei der Geschichte, als wären sie wirklich dabei, besonders wenn sie selber Figuren in der Geschichte sind.

+/- bei mehreren personalen Erzähler als Figuren der Geschichte bekommen diese oft eine eigene Erzählweise. So können Ereignisse auch aus mehreren Sichtweisen beschrieben werden.

+/- auktoriale Erzähler wissen alles

+/- personale Erzähler müssen manchmal Umwege nehmen, um bestimmte Dinge erfahren zu haben

+/- Fehlende Innensicht schafft Distanz, aber auch Interpretationsspielraum, wenn der Erzähler ihre Innensicht versucht zu erraten.

 

3. Rahmenhandlung

 

Dir Rahmenhandlung ist ein Rahmen, in der ein Erzähler oder eine Erzählfigur die Geschichte erzählt. So kann eine Rahmenhandlung zeitlich parallel oder später zur eigentlichen Geschichte "passieren".

 

+/- Distanz

+/- schafft bei personalen Erzählern Raum für Innensichten

+/- gute Erklärung für Vordeutungen (das es später noch viel schlimmer werden würde, ahnte er noch nicht)

+/- kann unterschiedliche Geschichten miteinander verbinden (Bsp. Rahmenhandlung 100o und 1 Nacht)

+/- kann am Ende einen besonderen Twist am Ende schaffen

 

4. direkte Leseransprache/ Bruch des "Schleiers"

 

Manchmal wendet ich der Erzähler oder die Erzählfigur direkt an die Leser

 

+/- Einerseits Distanz, gleichzeitig aber auch Nähe

+/- Bruch des Erzählvertrag ist möglich (Ich aktiv, du stellst es dir nur vor)

+/- Spannungsaufbau durch Vordeutung

 

5. Ich-Erzähler, Er-Sieerzähler, Du-Erzähler

 

Du-Erzähler kommen vielleicht bei 1 von 500.000 Romanen vor, da sie sich prinzipiell immer auch an den Leser wenden, um ihn stärker an eine Geschichte aktiv zu binden. Das funktioniert aber selten, diese Erzählform wirkt häufig unangenehm und "nervig".

 

Ich-Erzähler

Sind meistens (je nach Wahl der obigen Bereichen) "unmittelbarer" an der Geschichte dran- das ist aber nicht unbedingt ein Vorteil. So gibt es aber gute Erklärungen für Innensichten. Ich-Erzähler sind immer auch Erzähler, nicht immer, aber oft Erzählfiguren.

Wenn keine auktoriale Perspektive gewählt wird, ist der Ich-Erzähler (wenn er auch Figur der Geschichte ist) beschränkt- es muss umständlich erklärt werden, wenn er die Innensichten anderer Figuren kennt oder was passiert, wenn er nicht dabei ist.

 

Er-/Sieerzähler

Allein durch die Wahl gibt es eine gewisse "Distanz" zur Erzählung, die durch Innensichten nur teilweise aufgehoben wird.

 

Ist er personal (also eine Figur), dann hat er die gleichen Nachteile wie ein Ich-Erzähler, ist er auktorial, kann er auch die Innensicht und Handlungen anderer Personen beschreiben.

 

6. Tempus/ Erzählzeit

 

Die übliche Zeit für eine Geschichte ist das "Erzählpräteritum", d.h. die Geschichte wird im Präteritum erzählt, weil das seit der Antike die übliche Erzählzeit für die Epik ist. Durch die zeitliche Distanz entsteht auch eine Distanz zwischen Erzähltem und Leser. Dies kann durch diverse Mittel (s.o.) und rhetorische Mittel aufgehoben oder zumindest reduziert werden.

 

Im "Erzählpräteritum" kann bei Handlungen ins "Erzählpräsens" gewechselt werden, d.h. der Tempus wird verschoben, meist mittels "Plötzlich", "Auf einmal", "In diesem Augenblick" oder anderen als Signalworte. Dadurch soll das im "Erzählpräsens" erzählte direkter und ohne Distanz erzählt werden.

 

Präsens als Erzählzeit soll eine dauerhafte Nähe und Unmittelbarkeit signalisieren und tut dies auch- die Stärke ist aber von den obigen Erzählweisen abhängig. Dadurch fehlt die Möglichkeit bestimmte Dinge narrativ zu erzählen und auf die Zukunft zurückzugreifen, bzw. oft auch die Möglichkeit auktorial zu erzählen, außer man verwendet eine Erzählfigur, die in der Ich-Perspektive erzählt. Das wirkt dann oft sehr künstlich.

 

7. Zusammenfassendes Erzählen und Szenisches Erzählen

 

Zusammenfassendes Erzählen bedeutet, dass Handlungen oder Ereignisse von Figuren oder vom Erzähler kurz zusammengefasst werden, wenn dies für die Geschichte "besser" ist, weil dies szenisch zu umständlich, lang, langatmig, uninteressant,... wäre.

 

Szenisches Erzählen bedeutet, dass ein Ereignis im klassischen Szenenaufbau erzählt wird. (Einleitung zu Dialog oder Handlung, manchmal Innsicht, Aufbau, verzögerndes Element, Höhepunkt, Überleitung). Oft wird der klassische Aufbau auch gekürzt (Halbszene), um etwas nicht unnötig auszuwalzen.

 

Szenisches Erzähler verursacht weniger Distanz als zusammenfassendes Erzählen, so müssen Informationen aber manchmal über Umwege mitgeteilt werden, wenn auf zusammenfassendes Erzählen verzichtet wird,

 

Sonderformen: Lieder, Gedichte, Briefe, SMS, Twitter, Karten...

 

In den meisten Romane werden alle Elemente verwendet, oft in wilden Kombinationen, um ökonumisch eine Geschichte zu erzählen. Wichtig ist dabei auf eine Dynamik zu achten, da die dauernde Verwende eines Elements sehr ermüdend auf den Leser wirkt.

 

8. Anmerkungen zur Distanz

 

Distanz ist ein Stilmittel, keine besonderen Qualität oder ein Nachteil einer Geschichte. Die Extremformen: maximale Nähe und maximale Distanz sind für den Leser anstrengend und führen bei vielen Lesern zur Frustration.

Gerade eine Variation zwischen Nähe und Distanz bringt eine gewisse Dynamik in eine Geschichte.

 

Wichtig für die Distanz sind aber nicht nur die oberen Elemente: Sprache, Sprachstil, Rhythmik, rhetorische Figuren und vieles Mehr bestimmen die Distanz und Nähe einer Geschichte mit.

Gerade durch eine besondere Betontung von ausgewählter Sprache und besonderer Rhythmik, sowie vielen rhetorischen Figuren kann eine Unmenge an Distanz geschaffen werden, wie z.B. bei vielen literarischen Texten.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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