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(Peter D. Lancester)

Englisches You in Deutsch

Empfohlene Beiträge

(Peter_Dobrovka)

Wieder mal eine schwachsinnige Anfrage von mir, aber sie muß sein.

Ich möchte meine deutsche Prot. nach London fahren lassen, wo sie eine Weile lebt und auch Englisch sprechen muß.

Nun gibt es diesbezüglich gewisse eingefahrene Konventionen, aber ich war mit denen noch nie ganz zufrieden. Eine davon betrifft das "you", welches eigentlich "Ihr" bedeutet. Das "Du" ist eigentlich "thou" und findet sich nur noch in altertümlichen Schriften oder dem Vaterunter.

Das heißt, die Angelsachsen reden miteinander immer noch wie im Mittelalter. Die korrekte Übersetzung von "Hi girl, nice to meet you" wäre: "Hallo, Mädel, schon Euch zu sehen."

Überhaupt gibt es keinen Unterschied zwischen Duzen und Siezen, denn auch das "Sie" ist "you", also "ihr".

Excuse me, Sir, can you tell me where the station is?" - "Entschuldigt, Herr, könnt Ihr mir erzählen, wo der Bahnhof ist?"

Irgendwie reizt es mich, die englischen Dialoge im Roman auch so umzusetzen. Es reizt mich ungemein.

Warum frage ich euch überhaupt? Nun, ich würde gerne wissen, was Ihr von einem Buch halten würdet, das so geschrieben ist. Würdet ihr den Autor für verrückt erklären? Das Buch verreißen? Weglegen?

Oder fändet ihr das im Gegenteil vielleicht sogar mal ganz erfrischend?

 

Peter

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Hallo Peter,

ich halte davon gar nichts. Beim Lesen läge meine Aufmerksamkeit ganz auf diesem unwichtigen Detail, und wahrscheinlich würde ich mich ständig fragen, was der Autor damit bezwecken will.

Letztlich ist das ja nichts weiter als eine sprach-/literaturwissenschaftliche Spielerei, die m.E. in Prosa nichts zu suchen hat. Im schlimmsten Fall könnte das sogar unfreiwillig komisch wirken. Versuch, es bei "Du" und "Sie" zu lassen, je nach dem, wie hoch der Grad der Nähe zwischen den Figuren ist.

Gruß Chris

 

PS: Irgendwie muss ich dabei auch an Helmut Kohl denken: "You can say 'you' to me" ...

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Hey Peter!

 

Die Frage ist Interessant. Aber für mich sprechen drei Gründe GEGEN eine solche Übersetzung:

 

1.) Die Gewöhnung, das moderne nutzen alter Wörter.

Das Wort 'Buch' kommt von 'bouchen', womit die Holzdeckel aus Buchenholz gemeint waren, die man aus Schutzgründen vor und hinter die Papierteile legte. Wenn man heute 'Buch' sagt, meint man also eigentlich zwei Holzdeckel...

Sollte man ein modernes 'Buch' deswegen 'Papp' nennen??

 

Kaum ein englischer Nativespeaker ist noch so vertraut mit dem 'thou', dass er es so nutzt, wie man es kennt, thou kennen viele Amerikaner (Mit den den Engländern weiß ich es nicht) nur von Shakespeare und aus der Bibel.

 

2.) Eine Aussage kann ich nicht ganz unterschreiben:

 

Überhaupt gibt es keinen Unterschied zwischen Duzen und Siezen, denn auch das "Sie" ist "you", also "ihr".

 

Ich kann nie genau festmachen, WORIN die Unterscheidung liegt, aber die Angelsachsen unterscheiden sehr wohl zwischen Sie und du. Das liegt zwar nicht im Wort 'You', aber in anderen Kontexten. Wenn ich einen Film auf Englisch sehe, oder einen Roman auf englisch lese, merke ich fast immer, wenn zwei Charaktere von einem formellen Sie zu einem zwanglosen Du wechseln. Nur diesen Wechsel an irgendetwas fest zu machen, ist mir noch nicht gelungen. Muss irgendwo im Subtext liegen...

 

3.) Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Deine Theorie generell stimmig ist. Ich bin kein Anglist, und habe mich nie wirklich schlau gemacht, bin aber immer davon ausgegangen, die mittelalterlichen Wörter thou und thee wären die Entsprechungen von Du und Sie...

Aber da weißt du vermutlich schon mehr als ich.

 

Auf jeden Fall würde ich eine solche Übersetzung als überkandidelt und übertrieben halten, weil kein Mensch sich so sehr mit dem nicht mehr gebräuchlichen thou auseinandersetzt, es kaum einer (im Deutschsprachigen Raum) kennt, und ich wieder den Eindruck hätte, hier wolle ein besonders kleingeistiger Autor mit seinen Rechercheergebnissen glänzen...

 

Natürlich nur eine Meinung!  ;)

 

I greet thee,

Marco! :s17

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Ich fände es befremdlich. Ob ich das Buch wegschmeissen oder vielleicht trotzdem gerne lesen würde kommt auf den Inhalt an.

 

Du solltest vielleicht Charlie fragen, wenn Du jemanden suchst, der sich mit sowas auskennt...

 

Eva

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So, hab mich jetzt nochma in der Wikipedia schlau gemacht! ;)

 

Thou ist 2nd person singular Nominative, Thee ist 2nd person singular objective (und thy ist genitive). You ist 2nd person plural objective.

 

Nichts desto trotz gilt thou als total veraltet, obsolet als reines Middle Englisch.

Deine These, die Engländer würden dem you auch heute noch die Bedeutung zumessen, den es früher hatte, ist damit falsch.

Die Engländer nutzen also das gleiche Wort, doch hat dieses heute schlicht eine andere Bedeutung gewonnen als im MIddle English. Eine Nutzung des You wie im Middle English wäre also nicht nur ungewöhnlich, sondern schlicht falsch...

 

Näheres hat mal wieder die Wikipedia! (Link ungültig) (Link ungültig)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ich kann nie genau festmachen, WORIN die Unterscheidung liegt, aber die Angelsachsen unterscheiden sehr wohl zwischen Sie und du. Das liegt zwar nicht im Wort 'You', aber in anderen Kontexten.

 

Zum Beispiel einfach, wenn dabei ein "Mr. Smith" oder ein "Jack" steht. Im ersten Fall würde ich es mit "Sie" übersetzen, im zweiten mit "du".

 

Lieber Peter, ich finde deine Auffassung, ein "you" sei ein veraltetes "Ihr" sehr befremdlich. Ich habe es eher so erlebt: In England geht man sehr schnell zum "du" über. An der Uni haben auch Professoren wenig auf ihren Titel gegeben; sie unterschrieben Aufgabenblätter an uns mit "Richard" anstatt mit "Professor XYZ"; man nannte von der Sekretärin bis zur Leiterin der Fakultät alle beim Vornamen.

 

Die Höflichkeit kommt eben nicht durch ein höfliches Personalpronomen, sondern durch andere Redeweisen ins Spiel.

 

Ich würde bei deiner Idee, Peter, denken, sie macht eine Zeitreise.

 

Liebe Grüße

Judith

"Felix", FVA 2015,  jetzt als Kindle eBook // Ab 12.7.2021: "Liebe braucht nur zwei Herzen", Penguin Verlag // Sommer 2022: "Wenn dein Herz woanders wohnt", Penguin Verlag

www.judithwilms.com

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(Peter_Dobrovka)

Das geht in eine falsche Richtung. Ich suche nicht jemanden, der sich damit auskennt, und ich will auch kein "thou" im Text verbauen (was eh schwierig sein dürfte, wenn ich in Deutsch schreibe).

Aber für die Angelsachsen gibt es heutzutage keinen Unterschied zwischen "du", "Sie" und "Ihr" und "ihr". Das ist so, als wenn die Sprachentwicklung im Deutschen den Weg genommen hätte, daß alle sich mit "Ihr" anreden. Ich hätte das mal ganz spaßig gefunden, die Dialoge auf diesem Umstand aufzubauen. Ich denke nicht, daß es extrem störend wäre, denn in historischen Romanen oder im Falle von Fantasy gewöhnt man sich ja auch ganz schnell an solche Dinge. Und ich habe auch einen tiefer liegenden Grund, so zu verfahren: Meine Prota ist selbst ein wenig verschroben, und die Vorstellung, sich wie im Mittelalter anzureden, gefällt ihr.

 

Schade, daß bis jetzt die Meinungen ablehnend sind.

 

Aber ich habe im Zweifelsfalle eine Idee, wie ich den Kuchen trotzdem essen und behalten kann: Die englischen Dialoge auf Kehlmann-Art schreiben. Keine wörtliche Rede, Konjunktiv.

Sie fragte ihn, was er denn nun tun wolle.

Na ja, so ganz zufrieden bin ich damit auch nicht. Vielleicht nerve ich meine Probeleser nochmal mit dieser Frage. Aber dann nicht mehr theoretisch, sondern ich setz ihnen den Text einfach so vor und frage, was sie davon halten.

 

In einem Film wäre das einfach: ich würde die Dialoge in Englisch mit Untertiteln sprechen lassen.

 

Peter

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Hallo Peter,

stell doch einfach mal eine Textprobe von 1-2 Seiten Dialog rein, dann können wir am ehesten beurteilen, wie Deine Idee wirkt.

Gruß Chris

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Hey, Peter

 

Die Idee mit der indirekten Rede hat doch etwas für sich, sie schafft eine Distanz, die eine nicht vollkommen beherrschte Sprache auch schafft und auch in dieser indirekten Form kann man durch geschickte Formulierungen und markante Wortwahl jedem ein eigenes Gesicht geben.

Ich bin ein ziemlicher Fan von indirekter Rede, aber es wundert mich ehrlich gesagt, dass du das in Betracht ziehst. Ich habe noch eine Aussage von dir im Hinterkopf, dass du diese narrativen Dialogmöglichkeit ablehnst. Hat dich der gute Herr Kehlmann da bekehrt?

 

Mfg Peter

;)

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Das geht in eine falsche Richtung.

 

Bist du sicher?

 

Ich frag jetzt nochmal nach. So wie ich dich verstehe, stellst du folgende These auf:

 

1.) Die englischsprachigen Länder trennen nicht zwischen Du und Sie.

 

2.) Die englischsprachigen Länder nutzen für die Anrede das You, welches im Middle English als Anrede der Form 'Euch' galt, und empfinden das You auch heute noch so, wie es im Mittelalter genutzt wurde.

 

Daraus ziehst du den Schluß, Die Engländer sprechen sich mit einem mittelalterlichen 'Euch' an und empfinden das auch so, um das zur Geltung zu bringen, müsste man im Deutschen Euch + Konjunktiv nutzen.

Sehe ich das richtig?

 

Denn falls ja, dann liegst du sowohl mit deinen beiden Thesen falsch, als auch mit deiner Schlussfolgerung.

Besonders deine Idee mit dem Konjunktiv kann ich nicht nachvollziehen.

 

Aber ich habe im Zweifelsfalle eine Idee, wie ich den Kuchen trotzdem essen und behalten kann: Die englischen Dialoge auf Kehlmann-Art schreiben. Keine wörtliche Rede, Konjunktiv.

Sie fragte ihn, was er denn nun tun wolle.

 

Mal abgesehen davon, dass auch schon vor Kehlmann Leute in indirekter Rede geschrieben haben, kann ich nicht verstehen, wieso du ein 'You' mit dem Konjunktiv gleichsetzt.  ???

Den Punkt kann ich nicht nachvollziehen.

 

Dass das in Historischen und Fantasyromanen funktioniert, liegt vermutlich daran, dass man aus heutiger Zeit davon ausgeht, man habe damals so gesprochen. Auch das stimmt nur bedingt, obwohl es damals tatsächlich häufiger vorkam, dass man 'könnt ihr', und 'würde es euch' sagte, wenn man den Singular meinte.

 

Nur heute tut das keiner mehr, und nein, auch die englischsprachigen Personen nicht. Deshalb würde das anachronistisch wirken.

Wenn deine Prot das tut, kann es als Macke durchgehen, wenn man ihr allerdings so antwortet, ist es - falsch.

 

Der Vergleich hinkt doch schon dadurch, dass man das Ihr und Euch im Deutschen NUR mit dem Konjunktiv bilden KANN!

Das englische 'You' funktioniert jedoch sowohl mit einem can als auch einem could, und hat in beiden Fällen unterschiedliche Bedeutungen.

 

Du würdest sowohl:

can you tell me

als auch

could you tell me

mit 'könnt Ihr mir sagen' übersetzen.

 

In 'can you tell me' steckt aber kein Konjunktiv drin... Wie würdest du das Übersetzen?

Oder eine Übersetzung von 'will you' und 'would you'?

Tut mir leid, ich halte deine Idee für nicht umsetzbar...

 

Aber stell ruhig eine Textprobe ein, vielleicht wird es ja dann tatsächlich deutlicher. Obwohl ich es bezweifle...

 

Diese Pluralanrede für Singularpersonen ist und bleibt veraltet und ist im modernen Sprachgebrauch nicht mehr vorhanden, weder im englischen, noch im deutschen...

 

Gruß,

Marco!

 

P.S. Selbst WENN du es so schreiben würdest, müsstest du es im Buch erklären, weil es keiner nachvollziehen könnte und eine Fußnote mit einer ganzen linguistischen und sprachgeschichtlichen Abhandlung verfassen, die dir hinterher vermutlich jeder Anglist durch den Wolf dreht... (behaupte ich jetzt mal)

P.P.S. Ich hoffe, ich Grammatikmuffel hab jetzt alle Bezeichnungen hier richtig hinbekommen...  :s09

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(Peter_Dobrovka)
Hallo Peter,

stell doch einfach mal eine Textprobe von 1-2 Seiten Dialog rein, dann können wir am ehesten beurteilen, wie Deine Idee wirkt.

Gruß Chris

Das werde ich wohl tun.

Wird allerdings noch ein wenig dauern, es ist noch keine Zeile dieses Projekts niedergeschrieben. Bin noch am Plotten.

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)

Ich frag jetzt nochmal nach. So wie ich dich verstehe, stellst du folgende These auf:

 

1.) Die englischsprachigen Länder trennen nicht zwischen Du und Sie.

Korrekt.

 

2.) Die englischsprachigen Länder nutzen für die Anrede das You, welches im Middle English als Anrede der Form 'Euch' galt,

Korrekt.

 

und empfinden das You auch heute noch so, wie es im Mittelalter genutzt wurde.

Das hat keiner behauptet, und ich habe auch keine Ahnung, wer wann wie empfunden hat.

 

Daraus ziehst du den Schluß, Die Engländer sprechen sich mit einem mittelalterlichen 'Euch' an

Das tun sie tatsächlich.

 

und empfinden das auch so, um das zur Geltung zu bringen, müsste man im Deutschen Euch + Konjunktiv nutzen.

Sehe ich das richtig?

Nein, das ist völliger Kokolores.  ;D

Indirekte Rede und Konjunktiv will ich als Notlösung benutzen, falls wir hier auf keinen grünen Zweig kommen, um die wörtliche Rede zu vermeiden, und damit auch jede Form der Anrede.

 

Dass das in Historischen und Fantasyromanen funktioniert, liegt vermutlich daran, dass man aus heutiger Zeit davon ausgeht, man habe damals so gesprochen. Auch das stimmt nur bedingt, obwohl es damals tatsächlich häufiger vorkam, dass man 'könnt ihr', und 'würde es euch' sagte, wenn man den Singular meinte.

Ich habe nicht verstanden, was du damit sagen willst.

 

Nur heute tut das keiner mehr, und nein, auch die englischsprachigen Personen nicht. Deshalb würde das anachronistisch wirken.

Wenn deine Prot das tut, kann es als Macke durchgehen, wenn man ihr allerdings so antwortet, ist es - falsch.

Was du da sagst, ist grammatisch unmöglich.

Originaldialog:

Prota: "How are you?"

Mann: "I feel like you are looking."

So, wer hat hier jetzt "Euch" gesagt und wer nicht?

Ich wollte halt schreiben:

Prota: "Wie geht es Euch?"

Mann: "Ich fühle mich so, wie Ihr ausseht."

 

Der Vergleich hinkt doch schon dadurch, dass man das Ihr und Euch im Deutschen NUR mit dem Konjunktiv bilden KANN!

Huch?  ???

 

Das englische 'You' funktioniert jedoch sowohl mit einem can als auch einem could, und hat in beiden Fällen unterschiedliche Bedeutungen.

 

Du würdest sowohl:

can you tell me

als auch

could you tell me

mit 'könnt Ihr mir sagen' übersetzen.

In 'can you tell me' steckt aber kein Konjunktiv drin... Wie würdest du das Übersetzen?

"Könnt ihr mir sagen ...?"

 

Oder eine Übersetzung von 'will you' und 'would you'?

"Wirst du/werdet ihr"

"Würdest du/würdet ihr"

 

Diese Pluralanrede für Singularpersonen ist und bleibt veraltet und ist im modernen Sprachgebrauch nicht mehr vorhanden, weder im englischen, noch im deutschen...

Im Englischen ist es eben nie veraltet. Dagegen ist das "Du" veraltet. Wie ein Englischsprachiger das empfindet, weiß ich nicht, er benutzt halt "you" für jede Form der Ansprache, unterscheidet nicht zwischen förmlicher und persönlicher Anrede wie wir im Deutschen. Und daß du nicht festmachen kannst, warum du in Filmen einen Unterschied empfindest zwischen dem Sieze-"you" und dem Duze-"you", liegt daran, daß es keinen gibt. Jedenfalls nicht auf sprachlicher Ebene.

 

P.S. Selbst WENN du es so schreiben würdest, müsstest du es im Buch erklären, weil es keiner nachvollziehen könnte und eine Fußnote mit einer ganzen linguistischen und sprachgeschichtlichen Abhandlung verfassen, die dir hinterher vermutlich jeder Anglist durch den Wolf dreht... (behaupte ich jetzt mal)

Ich plane eine kleine Erklärung im Text selbst.

Textprobe wird folgen - in time. Es tut gut zu wissen, daß man seine kleinen Experimente hier vorab testballonnieren kann.

 

Peter

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Ich bin ein deutscher Muttersprachler mit Anglistik-Diplom, verheiratet mit einem englischen Muttersprachler mit Germanistik-Diplom. Aus unserer Warte kann ich Dir, Peter, nur sagen, dass das, was Du da fuehlst und nachahmen moechtest, nicht hundertprozentig abklopfbar sein mag (die romanischen Sprachen zum Vergleich heranzuziehen, macht beim Gebrauch der englischen "thou"-Formen mehr Sinn, als der Vergleich mit dem Deutschen), dass es fuer uns aber hundertprozentig nachvollziehbar und vorhanden ist.

 

Als unser aeltestes Kind gemacht wurde, sprachen wir ausschliesslich Englisch miteinander, weshalb mein Mann bis heute unserem Sohn als running gag erzaehlt: Als wir Dich gemacht haben, haben wir uns gesiezt. (Und daran ist sehr viel Wahres.)

 

Das englische You ist in der Tat ein distanzierteres Anreden als unser Du.

Weshalb ein Englaender einen deutschen Geschaeftspartner mit "you" und "Klaus" ansprechen kann, ohne zu begreifen, weshalb dieser das als distanz- und respektlos empfindet (in diesem Beispiel geht es um Klaus Esser waehrend des Vodafone/Mannesmann Takeover).

 

Dies aber fuer deutsche Leser, die mit dem Englischen nicht intensiv vertraut sind, nachzugestalten, halte ich fuer eine Herausforderung, vor der ich womoeglich zurueckschrecken wuerde. (Als Uebersetzer bin ich sogar aufgefordert, den Wechsel vom Sie zum Du an der Stelle, an der er "natuerlich erfolgt", hinzuzudichten.)

 

Ich habe beispielsweise versucht, in meinem Projekt (mit englischsprachigen Protagonisten) das englische "isn't it?", "didn't I?", "wouldn't you?" etc. nachzugestalten und gab auf. Meine deutschen Entsprechungen klingen zwar irgendwie ulkig, liebenswert und skurril - aber nicht nach dem, was ich eigentlich vorfuehren wollte. Ich haette damit meine Person zum Klassenclown gemacht.

 

Um eine derart charakteristische Eigenheit einer Sprache so in einer anderen abzubilden (gar im Deutschen - im neapolitanischen Italienisch beispielsweise haettest du durch die noch immer existierende Dreiteilung tu - lei - voi eine viel bessere Chance, verstanden zu werden), dass es nicht grotesk-klischeehaft und vor allem nicht unverstaendlich-verkunstet wird, bedarf es eines Verstaendnisses und Instinktes fuer beide Sprachen, ueber die ich nicht verfuege. (Als zusaetzliches Problem erscheint mir der Zeiten-Mix, den ich nicht ganz verstanden habe. Wenn Dein Text im Mittelalter spielt, sieht das alles natuerlich anders aus.)

 

Womit ich keinesfalls gesagt haben will, dass es sich nicht machen laesst.

Und erst recht nicht, dass ich es nicht reizvoll faende.

 

Fuer die Laenge dieses Beitrags bitte ich um Entschuldigung.

 

Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Korrekt.

 

Korrekt.

 

Juhuu! Wenigstens ist diesmal geklärt, dass wir von derselben Sache reden!  ;D

 

Ich gestehe, bei meinem letzten Post etwas ins Straucheln geraten zu sein, und das mit dem Konjuntiv ist tatsächlich Kokolores und etwas - wirr.

Ich schiebs mal auf mein Fieber. Aber du hast ja ein schönes Beispiel angeführt:

 

Originaldialog:

Prota: "How are you?"

Mann: "I feel like you are looking."

So, wer hat hier jetzt "Euch" gesagt und wer nicht?

Ich wollte halt schreiben:

Prota: "Wie geht es Euch?"

Mann: "Ich fühle mich so, wie Ihr ausseht."

 

Dein englischer Satz wirkt für Engländer modern. Dein Deutscher Satz hingegen für Deutsche veraltet. Dein problem ist, dass du einen Umstand darstellen möchtest, den du so nicht darstellen kannst, weil das Englische und das Deutsche in diesem Punkt nicht vergleichbar sind.

 

Sicher, das WORT 'you' ist mittelalterlich und heute noch in gebrauch, aber die BEDEUTUNG ist Modern.

 

Bei den Engländern hat sich das 'Euch' in die Gegenwart gerettet und das 'Du' ist versunken, also die umgekehrte Entwicklung wie hier.

 

Dein Problem liegt in der Bedeutung.

 

Versuche mal die Gegenprobe. Ein Englischer Autor stellt fest, dass die seltsamen Deutschen sich alle mit diesem in der Versenkung verschwundenen 'thou' ansprechen (bzw. natürlich der Entsprechung des Du im Englischen). Um das Deutlich zu machen, lässt er im Hier und Jetzt die Deutschen herumlaufen, und sich ständig mit 'Thou' ansprechen. Das käme den Englischen Lesern so vor, als würden wir hier Mittelalterlich reden. Ich glaube nicht, dass die englischen Leser das würden lesen wollen, weil es eine, mehr oder weniger, unsinnige Spielerei wäre.

Blutadler sähre jedenfalls sehr seltsam aus, wenn die Leute alle mit 'Thou' sprechen würden.

 

Darum behaupte ich, es sähe auch sehr seltsam aus, würden in einem Deutschen Buch die Engländer sich mit 'Habt ihr gestern am PC gesessen?" begrüssen.

Selbst wenn es sprachhistorisch korrekt sein mag, hast du eine Bedeutungsverschiebung, nämlich die in einen veralteten Sprachstil, der bei den Engländern aber SO nicht vorhanden ist... Und dadurch wiederum veränderst du den Inhalt dessen, was ein Engländer sagt.

'Euch' und 'Ihr' klingt veraltet, 'You' aber nicht.

 

Wie gesagt, bin gespannt auf deine dann mal kommende Textprobe.

 

Gruß,

Marco!

 

 

P.S. Hoffe, ich konnte trotz meines Fiebers diesen Post mal ohne zu straucheln fomrulieren...  :-/

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(Steffi (Ronya))

Hallo Peter

mich würde es, denke ich, auch stören, da ich das "Ihr" in einem in der modernen Welt spielenden Text nicht erwarte.

Ich würde es nicht nur als befremdlich empfinden, sondern eher als falsch, denn Sprachen sind in meinen Augen nicht als eins zu eins zu betrachten. Eigentlich müssten wir ja auch, wenn wir aus dem französischen übersetzen alles mit "Ihr" statt mit "Sie" ersetzen. "Vous" oder "you" heißt zwar nicht "Sie", aber es ist damit gleichzusetzen. Ich hoffe du verstehst, was ich meine.

Gruß Ronya

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Lieber Peter,

 

mir fällt gerade ein: in meinem letzten Roman habe ich eine Person aus dem 18. Jahrhundert in unsere Zeit versetzt. Damals gab es den "majestetischen Plural" noch und folglich benutzt mein Prota ihn zunächst. (Wobei man seinerzeit noch zwischen den Anreden "Ihr", "Sie" und "Er" unterscheiden musste, entsprechend der gesellschaftlichen Stellung) Daswäre doch mit dem, was Dir vorschwebt, vergleichbar, oder? In meinem Text wirkt seine Sprache ganz klar antiquiert, eigentümlich, er erscheint dadurch ziemlich verrückt (was Deine Prota ja tun soll, oder?)

 

Ich könnte mir also vorstellen, dass, wer Deine Dialoge liest, denkt, es gehe um eine veschrobene Person mit ziemlich reaktionärer Einstellung.

Willst Du das?

 

LG

 

Eva

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"Vous" oder "you" heißt zwar nicht "Sie"' date=' aber es ist damit gleichzusetzen.[/quote']

Gestattet, dass ich nun doch mal mit gesträubten Haaren schmunzle.

 

Die Tatsache, dass für verschiedene Dinge in einer Sprache gleichlautende Wörter verwendet werden, heißt noch lange nicht, dass die unterschiedlichen Dinge vom Muttersprachler auch gleich angesehen werden. Kommt noch die erschwerende Tatsache dazu, dass nicht alle Sprachen wie das Deutsche konkret Wort für Wort Aussagen machen, sondern z.B. manche wie das Französische kontextuell sind. Will sagen, ein Wort im Französischen entfaltet seine Bedeutung nur im Zusammenhang, alleinstehend kann es ziemlich viel unterschiedliche Dinge bedeuten, auch wenn es immer gleich geschrieben wird.

 

Kurzum, nur Ausländer mit ungenügendem Sprachverständnis und einem Knick in der Empathie würden vermuten, dass in Deutschland auf dem Pils wirklich buntes Gemüse schwimmen muss oder auf der Wiese Biere blühen.

 

Und so liest sich die Diskussion hier grade für mich.

 

Prosit!

Petra

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(Peter_Dobrovka)

Aus unserer Warte kann ich Dir, Peter, nur sagen, dass das, was Du da fuehlst und nachahmen moechtest [...] fuer uns aber hundertprozentig nachvollziehbar und vorhanden ist.

 

Als unser aeltestes Kind gemacht wurde, sprachen wir ausschliesslich Englisch miteinander, weshalb mein Mann bis heute unserem Sohn als running gag erzaehlt: Als wir Dich gemacht haben, haben wir uns gesiezt. (Und daran ist sehr viel Wahres.)

 

Das englische You ist in der Tat ein distanzierteres Anreden als unser Du.

Weshalb ein Englaender einen deutschen Geschaeftspartner mit "you" und "Klaus" ansprechen kann, ohne zu begreifen, weshalb dieser das als distanz- und respektlos empfindet (in diesem Beispiel geht es um Klaus Esser waehrend des Vodafone/Mannesmann Takeover).

Ah, endlich jemand, der mich versteht. :s04

 

(Als Uebersetzer bin ich sogar aufgefordert, den Wechsel vom Sie zum Du an der Stelle, an der er "natuerlich erfolgt", hinzuzudichten.)

Ja, das erlebe ich dauernd. In Büchern, in Filmen, überall. Dabei findet es ja eigentlich gar nicht statt.

 

Ich habe beispielsweise versucht, in meinem Projekt (mit englischsprachigen Protagonisten) das englische "isn't it?", "didn't I?", "wouldn't you?" etc. nachzugestalten und gab auf. Meine deutschen Entsprechungen klingen zwar irgendwie ulkig, liebenswert und skurril - aber nicht nach dem, was ich eigentlich vorfuehren wollte. Ich haette damit meine Person zum Klassenclown gemacht.

In "Asterix bei den Briten" hab ich das so vorgefunden:

"Der Tee schmeckt angemessen, tut er nicht?"

 

Fuer die Laenge dieses Beitrags bitte ich um Entschuldigung.

Unsinn! ;)

 

Peter

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Ja' date=' das erlebe ich dauernd. In Büchern, in Filmen, überall. Dabei findet es ja eigentlich gar nicht statt.[/quote']

 

So etwas nennt man dann 'Lokalisation' - Umstände, die in einer fremden Sprache oder Kultur in die eigene umzusetzen (zu versuchen).

Die Engländer haben ebenso verschiedene Vertrautheitslevel wie alle anderen. Um das wiederzugeben, muss man sich der Möglichkeiten der Zielsprache bedienen, in diesem Falle 'Sie' und 'Du'.

 

Die Inuit haben -zig Wörter für Schnee, je nachdem, was für Schnee das ist, wenn du das unlokalisiert umsetzt, wirkt es schlicht schräg.

 

Das japanische hat drei Höflichkeitslevel, und für die ein und die selbe Sache gibt es manchmal drei oder mehr Wörter. Im japanischen gibt es drei Möglichkeiten, 'Ja' zu sagen. Im Deutschen gibt es nur eine.

 

Aus der Tatsache, dass die Engländer nur ein Wort als Anrede haben, im Gegensatz zu zwei Worten im Deutschen, den Schluss zu ziehen, im englischen gäbe es keine Höflichkeitslevel, die dem Deutschen Duzen und Siezen gleichzusetzen sind, (So klingt Deine Aussage) halte ich für höchst fragwürdig... :-/

 

Übersetzungen sind immer auch lokalisatione, MÜSSEN es auch sein, urpsürnglich HIEß es auch mal 'Lokalisation'.

Warum sollte man das weglassen wollen?

 

Gruß,Marco! :s17

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(Peter_Dobrovka)

Die Inuit haben -zig Wörter für Schnee, je nachdem, was für Schnee das ist, wenn du das unlokalisiert umsetzt, wirkt es schlicht schräg.

Ein bissel Schrägheit würzt das Leben. :s21

 

Das japanische hat drei Höflichkeitslevel, und für die ein und die selbe Sache gibt es manchmal drei oder mehr Wörter. Im japanischen gibt es drei Möglichkeiten, 'Ja' zu sagen. Im Deutschen gibt es nur eine.

Bist du dir da völlig sicher? ;)

 

Aus der Tatsache, dass die Engländer nur ein Wort als Anrede haben, im Gegensatz zu zwei Worten im Deutschen,

Drei!

 

den Schluss zu ziehen, im englischen gäbe es keine Höflichkeitslevel, die dem Deutschen Duzen und Siezen gleichzusetzen sind, (So klingt Deine Aussage) halte ich für höchst fragwürdig...  :-/

Bring konkrete Beispiele, dann reden wir drüber. Vorher hat dein Einwand keinen Gegenstand.

 

Übersetzungen sind immer auch lokalisatione, MÜSSEN es auch sein, urpsürnglich HIEß es auch mal 'Lokalisation'.

Warum sollte man das weglassen wollen?

Aus Liebe zum Detail vielleicht. Aus Lust an Innovation.

Wir werden ja sehen, wie die Textprobe ankommt.

 

Peter

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Würdet ihr den Autor für verrückt erklären? Das Buch verreißen? Weglegen?

Oder fändet ihr das im Gegenteil vielleicht sogar mal ganz erfrischend?

 

Peter

 

Ganz klar: Weglegen. Und den Namen des Autors auf meine "Nie wieder was von dem lesen"-Liste setzen, und zwar ganz nach oben. Ich will Romane lesen, die mich unterhalten, mich zum Lachen oder auch zum Weinen bringen. Für solchen unsinnigen und unnötigen Kram habe ich keinerlei Verständnis.

 

Stefan

PS: Wer sich mit einem Engländer unterhält, merkt ganz genau, ob er gesiezt oder geduzt wird.

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Hallo zusammen,

@Ronya: Sorry, ich hatte dich total missverstanden, war aber mein Lesefehler.

 

@Peter: anschließend an das letzte Posting von Marco möcht ich dich fragen - wenn schon diese Verkunstung, warum dann so kompliziert über Fremdsprachen, dass du einen Linguisten bräuchtest? Warum nutzt du nicht die herrliche Vielfalt der deutschen Sprache und machst deine Figur z. B. zu einem Badner?  :s22

 

Im Badischen, zumindest dem alemannischen Teil, gibt es strenggenommen vier Formen des "ihr/Ihr" (weswegen die Rechtschreibreform hier übel Verwirrung gestiftet hat):

 

Mehrere Menschen im Raum:

 

Fall 1:

Du sprichst alle an: "Ihr kommt nachher mit in die Kneipe?" (2. P. Pl)

Fall 2:

Du sprichst nur einen an, deinen Geschäftspartner, mit leichtem Kopfkreisen: "Ihr kommt nachher mit in die Kneipe?"

Hier ist dir das "Sie" bereits zu steif, du signalisierst, dass du ihn gern duzen würdest, aber aus verschiedenen Gründen muss er das vorschlagen. Die Kopfbewegung dabei ist eine typische Übersprungshandlung. Wenn du zu weit gegangen bist, kannst du immer noch so tun, als hättest du ihn nur stellvertretend für die Menge im Raum angesprochen und Fall 1 gemeint.

 

Eine Person mit dir

 

Fall 3:

"Ihr kommt nachher mit in die Kneipe?"

In diesem Fall ist das "Ihr" wie in altertümlichen Texten eine Ehrbezeugung und sehr viel formeller als das "Sie". Meist in Hierarchien oder großen Altersunterschieden angewandt... ich glaube, jüngere Leute kennen das gar nicht mehr.

 

Leute, die in Beziehung zueinander stehen

Fall 4:

"Ihr kommt nachher mit in die Kneipe?"

Eigentlich sind es Leute, die du siezt. Du fühlst dich aber bereits auf vertrautem, fast schon freundschaftlichem Niveau und empfindest ein "du", darfst aber nicht. Nun sprichst du gezielt nur eine Person an (Gestik, Mimik), weil du weißt, die gehören eh zusammen. Und die Person titulierst du mit dem "Ihr" von Fall 3! Die leichte Ironie, die überhöhte Anrede deplatziert zu verwenden, ist eine Aufforderung durch die Blume, sich zu duzen.

 

Hoffentlich war das jetzt für Nichtbadner einigermaßen verständlich. Und wie in anderen Sprachen gehört noch einiges an Gesten und Kontext dazu, damit man damit so kunstfertig spielen kann.

 

Peter, du hast also genug Möglichkeiten in der eigenen Muttersprache. Nur passiert dir hier Ähnliches: Ein Berliner wird sich genauso an den Kopf fassen wie ein zugereister oder Jungbadner. Wenn die Lokalisation fehlt, wenn der Kontext beim Leser nicht bewusst ist, erreichst du nichts. Dann wird der Text wunderlich bis lächerlich.

 

Anderes Beispiel: In meinem ersten Roman kommt eine dialektsprechende Pfälzerin vor. Im Buch darf sie nicht wirklich Dialekt sprechen. Sie muss nur so klingen, wie sich Menschen in ganz Deutschland den Klang von Pfälzern vorstellen können. Macht man das anders, schreibt man für ein extrem kleines Nischenpublikum.

 

Schöne Grüße an Euch ;-)

Petra

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(Peter_Dobrovka)

Kommt noch die erschwerende Tatsache dazu, dass nicht alle Sprachen wie das Deutsche konkret Wort für Wort Aussagen machen, sondern z.B. manche wie das Französische kontextuell sind. Will sagen, ein Wort im Französischen entfaltet seine Bedeutung nur im Zusammenhang, alleinstehend kann es ziemlich viel unterschiedliche Dinge bedeuten, auch wenn es immer gleich geschrieben wird.

Französisch ist zwar nicht mein Ding, aber ich verstehe genau, was du meinst.

 

Kurzum, nur Ausländer mit ungenügendem Sprachverständnis und einem Knick in der Empathie würden vermuten, dass in Deutschland auf dem Pils wirklich buntes Gemüse schwimmen muss oder auf der Wiese Biere blühen.

Ich bin ja auch ein oller Mehrsprachler, und ich weiß, daß die Sprache oft auch ein gewisses Lebensgefühl rüberbringt, das von Sprache zu Sprache einfach ganz anders ist. Dinge werden anders ausgedrückt, und sie werden auch anders empfunden. Das andere ist dann das "Normale", aber es bleibt anders. Um mal ein krasses Beispiel zu bringen: Im Mittelalter war religiöse Extase und ständiges Bezugnehmen auf Gott, Engel, Teufel und Jenseits normal, aber all das zu streichen bzw. in moderne Schemata zu transponieren, nimmt den Dingen ihre Authentizität.

Die Ungarn haben in ihrem alltäglichen Sprechen eine unermeßliche Palette blumig-metaphorischer genitaler Fluchworte. Das wörtlich ins Deutsche zu übertragen läse sich, als ob Goethe und Petra gemeinsam ein Pornodrehbuch verfaßt hätten. Aber es ist dort nichts Aufsehenerregendes, es ist normal. Bitte sich das so vorzustellen wie das inflationäre "fuck" in manchen englischen Subkulturen. Ebenfalls normal unter guten Freunden, sich in jedem zweiten Satz zu "beleidigen".

"Na du versoffenes Arschloch, wie geht es dir? Laß uns einen draufmachen!"

"Ach, fick doch deine Mutter, ich muß erst noch diese hirnverfickten Formulare zusammenficken, aber dann komm ich."

Ich glaube, man kann dem Leser sowas tatsächlich nicht zumuten, zumindest nicht ohne Trickserei. Aber ich glaube an die Macht des Gewöhnungseffektes. Wenn man ihn behutsam, Stück für Stück z.B. in die Besonderheiten einer anderen Kultur bzw. Sprachweise einführt, merkt er gar nicht, daß er beginnt, fremde Denk- und Fühlstrukturen zu adaptieren. In der "Shogun"-Serie oder in "Der mit dem Wolf tanzt" hatte ich seinerzeit das Gefühl, nebenbei Japanisch bzw. Inidanisch zu lernen und mich sogar in diese Sprachen hineinzufühlen.

 

Peter

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Hallo Peter,

ich verstehe, was du meinst (diese Flüche kenne ich auch aus dem Polnischen... dieser Vergleich :s06). Ich fürchte nur, das ist hohe linguistische Kunst, die einem wirklich viele Leser nimmt. Wahrscheinlich in der Unterhaltungsliteratur eher nichts zu suchen hat.

 

Ich hadere damit ja auch, weil meine Bücher in mehreren Ländern spielen. Gut, da stoße ich natürlich eindeutig an Lektoratsgrenzen. Trotzdem hab ich mir erlaubt, meine honigblondgelockte Französin wie eine echte Französin agieren und sprechen zu lassen, nämlich gar nicht romantisch weiblich, sondern teilweise sehr deftig, auch mal rüde. In Frankreich ist es völlig normal, dass Frauen auch mit Pumps Stinkefinger zeigen und sich ihrer Haut wehren, untereinander noch offener. Meine Lektorin fand die Frau aber dadurch zickig bis kalt. Hier in Frankreich würde keiner was finden, im Gegenteil, das wirkte sympathisch.

 

Ich kann aber meinen Lesern nicht in einem Extrasachbuch erklären, warum Französinnen anders reden als deutsche Frauen und doch das Gleiche meinen. Die Konsequenz war einfach die: ich musste einiges in den Dialogen glätten. Einfach weil meine Leser eine ganz andere Sozialisation haben.

 

Deshalb: So schön das Spiel ist (und in der "Hochliteratur" sicher möglich ohne viel Gegenstimmen) - du musst zuerst an deine Leser denken. Wen willst du ansprechen?

 

Schöne Grüße,

Petra

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