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Bettina Wüst

Method Writing - Erinnern als kreativer Akt

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Inspiriert durch Elkes Frage in einem Nachbarthread möchte ich hier kurz erklären, was ich unter „method writing“ verstehe und Erfahrungen mit Schreibübungen mit euch austauschen.  

 

Method writing habe ich von dem Begriff „method acting“ abgeleitet. Er bedeutet, dass ein Schauspieler auf eigene Erfahrungen und Erinnerungen zurückgreift, um eine ausgedachte Szene mit Leben und Gefühlen auszufüllen. Er spielt die Szene also nicht nur, tut-so-als-ob, sondern er erlebt sie wahrhaftig. Ebenso wie man einem Schauspieler anmerkt, ob diese Szene ein Gefühl in ihm triggert oder ob er uns etwas vorspielt, merkt man einer Figur (oder dem Erzähler) an, ob hier wahrhaftige Gefühle getriggert werden oder ob der Autor/Erzähler so tut als ob.

 

Es gibt verschiedene Methoden, dieses wahrhaftige Erleben zu triggern, eine davon ist, selbst Erlebtes aufzuschreiben und in einem Gefühls- und Stimmungsordner zu speichern.

 

Hier nun einige Anregungen, wie man solch einen Ordner anlegen kann:

 

Erinnern als kreativer Akt - arbeiten mit persönlichen Themen:

 

Welche Situationen gab und gibt es in eurem Leben, die intensive Gefühle wie Wut, Ärger, Enttäuschung, Freude, Lust, Überschwang geführt haben? In welchem Themengebiet sind sie angesiedelt? Das können Themen sein wie:

 

  • Beziehungen/Trennungen
  • Betrug
  • Verlustangst
  • Arbeitslosigkeit
  • Identität
  • Extravaganz

 

Oder knöpft euch Freude und Konflikte vor, die aufgrund unterschiedlicher Wertevorstellungen ausgebrochen sind. Das können Werte sein wie:

 

  • Ehrlichkeit
  • Loyalität
  • Ehrgeiz
  • Authentizität
  • Abenteuerlust
  • Bescheidenheit

 

Gut ist es, wenn man während 3 Monaten alles aufschreibt, was diese Bereiche betrifft. Man kann natürlich auch Vergangenes aufschreiben, aber in einem ersten Schritt hilft es, Aktuelles aufzuschreiben, um möglichst präzise zu sein, bevor die Eindrücke verblassen.  

In welchen Situationen seid ihr glücklich, ärgerlich, traurig? Was oder wer hat diese Gefühle ausgelöst? Welche körperlichen Reaktionen habt ihr empfunden? Atemnot? Druck im Bauch? Herzrasen? Verspannte Schultern? Wie verändert sich eure Stimme? Rutscht sie eine Oktave tiefer? Oder höher? Oder seid ihr gar sprachlos? Bevor wir Gefühle benennen und identifizieren können, machen sie sich körperlich bemerkbar.

 

Verändert sich eure Sprache? Je nach Veranlagung befleissigen sich manche verärgerte Menschen einer höchst eloquenten Sprache, gerne auch gespickt mit Substantivierungen und Ironie, um Distanz zu den eigenen Gefühlen oder dem Kontrahenten zu schaffen (oder um sich über ihn zu erheben). Andere hingegen sprechen dann sehr derbe, waten in wohltuenden Fäkalien, um den inneren Druck abzubauen.

 

Es ist hilfreich, hier wirklich ALLES aufzuschreiben, was euch einfällt, so ist es später, wenn ihr euren Gefühlsordner als Fundgrube für euren Roman nutzt,  tausendmal einfacher, dieses Gefühl wieder lebendig werden zu lassen.

 

Weitere wichtige W-Fragen:

 

Wo fand die Gefühlsauslöser-Situation statt? Im Wald? In der eigenen Küche? In einer überfüllten Galerie?

Wer war daran beteiligt?

Zu welcher Tageszeit?

Welche Witterung herrschte?

Könnt ihr euch an ein spezielles Geräusch, einen speziellen Geruch erinnern?

 

Auch hier: Möglichst präzise sein und jede Klitzigkeit aufschreiben, auch wenn sie euch banal erscheint. Wenn ihr die Gefühle für eine Romanszene aktivieren wollt, helfen all diese Klitzigkeiten enorm (und dann kann es sehr reizvoll sein, mit Gegensätzen zu arbeiten. Wenn ihr z.B. ein heftiges Streitgespräch mit eurem Liebsten/den Geschwistern/Teamkollegen unter zwei Augen in einem geschlossenen Raum geführt habt, übertragt die Szene in ein stark besuchtes Museum, in einen Schlachthof, was auch immer. Menschen reagieren anders, wenn sie beobachtet werden. Aber das ist natürlich ein neues Thema).

 

Dann: Reflektieren und analysieren.

 

Wie fühlt ihr euch während der Situation?

Einen Tag später? Einen Monat später?

Falls es ein Ärger/Wut-Gefühl war: Habt ihr wirklich auf die aktuelle Situation reagiert? Oder hat das Gegenüber einen wunden Punkt berührt?

Hat hier vielleicht eine alte Wunde geschmerzt, die durch das Gespräch wieder aufgerissen wurde?

Wenn ja, welche Wunde ist das? Reaktionen fallen immer heftiger aus, wenn darunter liegende, ältere Schichten berührt werden (und hinterher wundert man sich, wie man dermassen ausrasten konnte).

War Wut das adäquate Gefühl? Oder handelte es sich um ein Ersatzgefühl? Verbarg sich dahinter vielleicht eher Angst? Enttäuschung?

 

Manchmal ist es schwierig, diese weiterführende Fragen zu beantworten. Es gibt jedoch  Methoden aus der Coaching Praxis, um Antworten zu finden. Wer sich dafür interessiert, kann gerne per PN nachhaken. Diese Übungen helfen im Übrigen nicht nur, um authentische Szenen zu erschaffen, sondern auch, um eure Figuren näher kennen zu lernen. In diesem Fall könnt ihr exakt die gleichen Fragen eurer Figur stellen und nicht euch selbst.

 

So, das war’s, in aller Kürze :-)

 

Welche Schreibübungen benutzt ihr, um Szenen lebendig werden zu lassen? Wollen wir eine Hitliste zum Nachlesen und Nachdenken erstellen?

 

Liebe Grüße

 

Bettina

 

 

 

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Liebe Bettina,

 

ich finde dein "method writing" hochinteressant und ich würde diesen Ansatz ja fast als eine Art ganzheitliche „Lebenshygiene“ verstehen.

Wenn man es schafft, seine Gefühle bewusst wahrzunehmen, indem man sie wertfrei benennt und die Situation einer Art Kugelperspektive heraus nachvollzieht, dann ist das pure Achtsamkeit.  In so einer Haltung lösen sich innere Konflikte sehr schnell auf bzw. man kann sie als das sehen, was sie sind und kann seinen Verstand nutzen, um Lösungen zu finden, anstatt ihn „frei“  rotieren zu lassen, wo er sich  ja dann meist an Glaubenssatzsystemen abarbeitet, in denen Verurteilungen, Opferhaltung und andere nicht sachdienliche Muster die negativen Emotionen stärken …

 

Allgemein, aber nicht des Schreibens, sondern des Lebens wegen, setze ich mich sehr viel mit meinen Gefühlen und Gedanken auseinander und schreibe auch täglich Beobachtungen auf, die ich zu späteren Zeitpunkten für mich analysiere. Auch nutze ich für noch tiefere Selbstreflektion Techniken wie Tarot oder Traumdeutung. (Genaues Festhalten, wie man sich im Traum gefühlt hat, als man das oder jenes durchlebte kann nach meiner Erfahrung enorm schnelle und klare Selbsterkenntnis bringen.)

Dass man diese Art der „Lebenshygiene“ auch noch nutzen kann als Reservoir für die  Reaktionen der eigenen Figuren, finde ich, wie gesagt, hochinteressant. Insbesondere deine klare Aufdröselung.

 

Jetzt, im ersten Moment, schrecke ich selbst allerdings davor zurück, für mein Schreiben an diesen Punkten auch noch Methode einzuführen oder z.B. eine spezielle Datenbank anzulegen. Auf mich wirkt das sehr sezierend und gerade die Momente in meinem Schreibprozess, wo ich aus dem Innen meiner Figuren heraus schreibe, genieße ich ungemein. Da genieße ich die Freiheit, mich ganz tief  auf die Situation und die Figuren einzulassen, meinen Verstand auszuschalten und sattdessen wahrzunehmen, nachzufühlen, mich führen zu lassen. Ich schreibe dann einerseits sehr  intuitiv und andererseits nutze ich alles, was mir zur Verfügung steht. Erinnerungen, Vorstellungskraft, Spiegelneuronen,  meinen eigenen Körper, … .

 

Nichtsdestotrotz finde ich deine so umfassenden Anregungen sehr interessant und lasse das einmal auf mich wirken. Bisher war mir immer klar, dass die tägliche Zeit, die ich darauf verwende, um mir meiner Selbst bewusst zu werden, auch meinem Schreiben dient. So  allerdings zeigst du einen Weg, wie man diese Erkenntnisse noch viel konkreter aufbereiten kann, um sie dann für das Schreiben zu nutzen.

Sehr spannend!

Vielen herzlichen Dank, dass du das hier einfach so teilst und herschenkst!

 

Liebe Grüße,

Juliane

"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen."

Erich Kästner Vorträge und Lesungen einstudieren  und  Autorenseite Juliane Breinl

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Hallo Bettina,

 

generell stellt sich bei deiner Theorie die Frage, welchen Teilschritte letztlich erzielt werden sollen, um das genannte Ziel zu erreichen und welche Hindernisse dabei zu überwinden sind. Auch scheint mir das "Method Acting" viele weitere Ansätze zu bieten, die genutzt werden könnten.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Allgemein, aber nicht des Schreibens, sondern des Lebens wegen, setze ich mich sehr viel mit meinen Gefühlen und Gedanken auseinander und schreibe auch täglich Beobachtungen auf, die ich zu späteren Zeitpunkten für mich analysiere.

 

 

 

Ja, es geht um das Betrachten und im 2. Schritt dann das Analysieren. Gute Autoren sind ja immer auch gute Beobachter :-)

 

Ich schreibe dann einerseits sehr  intuitiv und andererseits nutze ich alles, was mir zur Verfügung steht. Erinnerungen, Vorstellungskraft, Spiegelneuronen,  meinen eigenen Körper, … .

 

Das Unterbewusstsein schreibt immer mit und macht das Schreiben ja zu einer ungemein spannenden Angelegenheit:-) Ich denke aber nichtsdestotrotz, dass es hilft, wenn man sich vorbereitet, wenn man die Figur und ihre Motive kennt, um dann ungehemmt und schön flowmässig loszulegen. Je mehr man sich mit den eigenen Gefühlen und Beoabachtungen auseinandersetzt, damit einher auch die Menschenkenntnis vertieft, umso besser kann man sich in die Figur vertiefen und muss weniger bei jeden Schritt, bei jeder Szene und Wendepunkt überlegen: Wie soll die sich jetzt verhalten? Dann entwickelt sich das ohne Anstrengung. Und dann schreibt man von innen nach aussen. Und nicht umgekehrt. Mit "innen" meine ich: Ich kenne meine Figur, ihre Motive, ihre Stärken und Schwächen und entwickele daraus die Geschichte. Mit "aussen" meine ich:  Die Figur soll so und so sein und dann braucht sie noch eine Macke, um sympathisch zu sein usw.

 

Diese Übung zielt also genau auf dieses Beobachten und Verstehen ab. Und das scheint ja genau das zu sein, was du schon ganz natürlich auch für dein eigenes Mensch-Sein benutzt und in deine Arbeit einfliessen lässt.

 

Liebe schweizerische Doppel-S-Grüsse (wie lästig, dass meine CH Tastatur kein scharfes S hergibt)

 

Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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danke Bettina - was mich wieder dran erinnert, wie gern in eines deiner Seminare besuchen würde!!

Besteht eine Chance in Oberursel, vielleicht?

 

Anni

 

Diese Chance besteht, liebe Anni :-)

 

LG, Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Liebe Bettina,

 

vielen Dank für diesen schönen, inspirierenden Post :).

 

Ich möchte deine Methode um etwas ergänzen, was mir in der Vergangenheit schon oft ähnliche Inspirationen gegeben hat, nämlich das Hobby LARP (Live Action RolePlay), über das man auch bei Wikipedia nachlesen kann https://de.wikipedia.org/wiki/Live_Action_Role_Playing. Einfach ausgedrückt hat man bei diesem Hobby die Möglichkeit, für einen Abend oder ein (verlängertes) Wochenende in die Haut eines völlig anderen Menschen in einer völlig anderen Welt zu schlüpfen. Am beliebtesten sind dabei Fantasy-Welten, es gibt aber auch Western, Steampunk, Science-Fiction, Dystopie und vieles mehr. Viele betreiben dieses Hobby sehr aufwendig mit Kostümen und anderem (ich gehöre dazu, ich liebe das Basteln), um Freunde zu treffen ...

 

Es gibt Spieler, die vor allem "larpen", um einmal der unbesiegbare, allen anderen weit überlegene Held zu sein, der sie in der realen Welt nicht sind. Das nennt man "powergamen". Die meisten, die dieses Hobby betreiben, betrachten sich jedoch als Mitspieler an einem großen Spiel, das für alle ein Maximum an Spielspaß rausholen soll. Spielspaß entsteht einmal durch Kämpfe mit Schaumstoffwaffen, aber vor allem durch gutes, tiefes, glaubhaftes Charakterspiel. Für einen abgegrenzten Zeitraum kann man so tun, als wäre man jemand anders: Mutiger, ängstlicher, schüchterner, häuslicher, dümmer, humorlos, cholerisch, bösartig oder, oder, oder. Anders als bei rein fiktiven Fantasiegebilden hat man hier jedoch die Möglichkeit, ebenfalls zu erfahren, wie anders Menschen auf einen reagieren, wenn man sich so benimmt und so herumläuft. Da alle wissen, dass es nur ein Spiel ist, muss man durch Verhalten, das normalerweise negativ konnotiert ist, keine negativen Konsequenzen von Freunden befürchten, da alle wissen, es ist nur ein Spiel.

 

Dank dieses Hobbys konnte ich bereits intensiv wenigstens näherungsweise erfahren, wie es sich anfühlt und wie Menschen reagieren, wenn ...

 

- ich ein dummes Mädchen vom Land bin, das sich nach der großen weiten Welt sehnt und nicht wirklich in Worte fassen kann, wenn jemand ihre Grenzen überschreitet (interessanteste Erfahrung: Leute behaupteten, mir helfen zu wollen, und missachteten meine Wünsche und Grenzen und fühlten sich dabei noch als Wohltäter)

 

- ich in einem entsprechend gebauten Spielsetting ein fieses Intrigenspiel spiele, um Macht zu gewinnen und andere an die Wand fahre (interessanteste Erfahrung: Auf hinterhältige Weise gewonnene Macht fühlt sich schal und leer an, ich habe mich immer mehr nach echter Schönheit und Ehrlichkeit gesehnt, konnte aber nicht mehr darauf vertrauen, dass so etwas überhaupt noch existiert, und wurde im gespielten Miteinander der Gruppe immer kälter und zynischer)

 

- ich als zartes Großstadtpflänzchen in eine Welt verpflanzt werde, in der die Menschen viel rauer miteinander umgehen als ich es gewohnt bin (interessanteste Erfahrung: Auch als "gespielter" Charakter kann man intensive Entwicklungen und Veränderungen durchmachen)

 

- ich als Soldatin in einem hoffnungslosen Guerillakrieg gegen eine total überlegene Übermacht, von meiner Truppe abgeschnitten (zwei interessante Erfahrungen: Ich habe viel mehr darüber gelernt, was es bedeutet, ein Mann zu sein, weil ich umgeben von lauter Männern diese unter Druck in einer Weise beobachten konnte, wie sie sich Frauen gegenüber sonst selten präsentieren, Zweite interessante Erfahrung: Ich war einmal abgeschnitten und "angeschossen" (natürlich nur im Spiel) und zählte die Sekunden runter bis zu dem Punkt, wo mich der Blutverlust ohnmächtig machen würde, und zwang mich, während dieses Zeitraums konsequent trotz Angst und Wut und Hilflosigkeit und Entsetzen in der Rolle zu bleiben; bessere Schreibrecherche über Gedanken in der Nähe des Todes lässt sich in meinen Augen nicht machen, ohne real in Gefahr zu geraten)

 

- ich als Anführerin eines Trupps von Sklavenjägern das Böse selbst personifiziert habe (da war ich eine NSC, ein Nicht-Spieler-Charakter, jemand, der von der Orga eingesetzt wurde, um den anderen Spielern Bedrohung und Spielanlässe zu geben) und mich selbst innerhalb der Rolle noch für einen guten Menschen hielt, weil ich manchmal nett zu den Gefangenen war. (Das war eine ganz, ganz beklemmende Erfahrung, für einen bestimmten Zeitraum so jemand zu sein und zu versuchen, die Gedanken und Handlungen wirklich glaubhaft zu verkörpern, weil ich da merkte, wie nah das Böse hinter der zivilisierten Oberfläche in mir und vielleicht in vielen weiteren Menschen schlummert - aber eine Erfahrung, denke ich, die mir heute noch hilft, Antagonisten mit mehr Seele zu füllen)

 

Das Schöne an diesem Hobby ist, dass man zwar in gewisser Hinsicht verpflichtet ist, die Logik der bespielten Welt zu befolgen, wie man es auch in Romanen muss, aber innerhalb dieser Welt hat man alle Freiheit, das zu spielen, was man selbst gerade erforschen will. Das kann man nutzen, um sich z. B. auf eine Beförderung im Berufsleben vorzubereiten, indem man im Spiel eine Gruppe anführt, oder um zu üben, wie man Nein sagt (das war mir mit sechzehn sehr wichtig) - aber es ist eben auch als Schriftsteller/in eine tolle Möglichkeit, auch mal gezielt Sachen zu erforschen, die für einen Roman wichtig sein können. Einfach mal für ein Wochenende in die Haut von jemandem schlüpfen, der so ähnlich tickt wie die Antagonistin? Kein Problem, dafür brauchte ich nicht mehr als ein Seidenkleid von Amazon für 25 Euro und einen Tavernenabend mit einem Eintritt von 5 Euro und 5 Euro Mindestverzehr. Und schon konnte ich versuchen herauszufinden, wie es sich anfühlt, dieser Mensch zu sein. Natürlich hat die Welt nicht ganz zu meiner gepasst, aber die Reaktionen der Mitspieler auf meine Spielangebote waren ganz anders als das, was ich mir in der Fantasie ausgedacht hatte, und dann musste ich in dieser Rolle darauf reagieren und mich immer im Hinterkopf fragen, wie dieser Mensch jetzt eben denken und handeln würde. Eine ganz andere Art und Weise, Figuren auch unter der Haut zu erforschen.

 

Vielleicht ist dieses Hobby ja auch was für den einen oder die andere, nicht bloß als Hobby, sondern auch als Figurerforschungswerkstatt? Bei neugierigem Interesse stehe ich gern für weitere Fragen zur Verfügung.

 

Liebe Grüße

Hanna

Bearbeitet von HannaT
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Diese Übung zielt also genau auf dieses Beobachten und Verstehen ab. Und das scheint ja genau das zu sein, was du schon ganz natürlich auch für dein eigenes Mensch-Sein benutzt und in deine Arbeit einfliessen lässt.

 

Liebe schweizerische Doppel-S-Grüsse (wie lästig, dass meine CH Tastatur kein scharfes S hergibt)

 

Bettina

 

 

Ach, ich finde Doppel-S-Grüsse sehr sympathisch und würde mich auch über ein Grüezi  ohne Doppel-S oder scharfes "ß" freuen.

 

Nachdem ich heute wieder unsystematisch einiges aufgeschrieben habe, bin ich tatsächlich am Überlegen, ob ich mir in einer ruhigen Stunde nicht einmal meine Kladden hernehmen und in einem System deiner Art konservieren sollte.

 

 

danke Bettina - was mich wieder dran erinnert, wie gern in eines deiner Seminare besuchen würde!!

Besteht eine Chance in Oberursel, vielleicht?

 

Anni

 

Diese Chance besteht, liebe Anni :-)

 

LG, Bettina

 

 

Da wäre ich auch mit dabei. :)

 

@ Hanna

Das klingt nach sehr viel Spaß und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sehr man in so eine Rolle eintauchen kann. Im letzten Jahr habe ich einmal mit einer Horde Jugendlicher Laser-Tag gespielt und bin gnaz schnell  in ein völlig anderes Ich-Gefühl gekommen. Auch, weil alle meine Mitspieler so viel jünger waren als ich und ich trotzdem voll integriert war. So war ich auch plötzlich wieder sehr jungendlich, habe mich an früheren Spaß beim Räuber und Gendarm spielen erinnert und konnte einfach jemand sein, der Spaß hat am Rumrennen mit einer Laserwaffe im Anschlag. Und dann kann man auch ausprobieren, wie es sich anfühlt, wenn man anders agiert: Versteckt aus einer sicheren Lage andere abzuschießen (snipermäßig) macht gleich ein völlig anderes Gefühl, als rumzurennen mit dem Gefühl, dass alle einen treffen können etc..

 

Ich finde, dass man auch bei manchen Gesellschaftsspielen (z.B. das Kartenspiel "Der große Dalmuti" oder "Risiko"), die Gelegenheit bekommt, sich von einer anderen Seite kennenzulernen oder auch gezielt eine neue Art des Agierens auszuprobieren, wenn man sich seine Art zu spielen bewusst macht und dann versucht etwas zu verändern. Ich habe z.B. beim Spiel "Risiko" noch nie gewonnen und nun einmal ausprobiert, mich bewusst anders zu verhalten und nicht dem nachzugeben, was ich eigentlich tun würde. Das ist sehr interessant. Insbesondere, wenn man dann auf seine Gefühle achtet, wie die sich durch das  veränderte Verhalten ändern.

Ich habe auch schon einmal an so einem Krimi-Dinner-Spiel teigenommen. Da bereitet man sich auch schon Tage vorher auf seine Rolle vor (auch mit Requisiten) und ist dann ein Abend lang diese Person. Das hat sehr viel Spaß gemacht und man konnte ganz andere Seiten an sich selbst und an befreundeten Mitspieler kennenlernen.

 

Bayrisches Allzeitservus gen Restdeutschland, Schweiz und Österreich,

Juliane

"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen."

Erich Kästner Vorträge und Lesungen einstudieren  und  Autorenseite Juliane Breinl

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Was ihr beide da über Rollenspiele und Krimi-Dinner erzählt, Juliane und Hanna, klingt nach viel Spass. Vielleicht peppen wir damit mal ein OU event auf und lueget echli was debi ussechunnt!

 

Mit eme härzliche Grüezi und Grüessli vom es seicht-wie-ne-more-Zürisee

 

Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Was ihr beide da über Rollenspiele und Krimi-Dinner erzählt, Juliane und Hanna, klingt nach viel Spass. Vielleicht peppen wir damit mal ein OU event auf und lueget echli was debi ussechunnt!

 

Mit eme härzliche Grüezi und Grüessli vom es seicht-wie-ne-more-Zürisee

 

Bettina

 

Das wäre einmal etwas! Krimi-Dinner in OU. Ich sehe schon die jungen Herren vom Service, wie sie erst skeptisch das Schauspiel beäugen, dann langsam auftauen und sich dann am liebten den Gästen auf den Schoß setzen würden, um mitzumachen. ;D

 

Oan herzliches Griaß Gott zruck aus m scheena Minga ohne See, dafür mit Isarflimmern,

Juliane (die von echten Bayern noch leicht als Zuzongne enttarnt wird)

"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen."

Erich Kästner Vorträge und Lesungen einstudieren  und  Autorenseite Juliane Breinl

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Krimi-Dinner mit Schriftstellern, wie cool :D.

 

Wobei der Bezug zwischen Larp und "Method Acting" noch ist, dass man sich im Larp die Figur und ihre Probleme wirklich nahezu frei selbst aussuchen kann, ergo kann man da ein eigenes Lebensthema im Rahmen des Method-Acting erforschen und so mehr in die Tiefe gehen. Beim Krimidinner kriegt man eher vorgegebene Rollen - habe ich auch schon gemacht und war ein großer Spaß.

 

Tja, was meint ihr? Krimi-Dinner in Oberursel? Wie es aussieht, kann ich dieses Jahr kommen und würde bei der Orga von so etwas gern mithelfen.

 

Aber weil das hier vom Thema wegführt, mache ich dazu mal einen eigenen Post an anderer Stelle ;). Hier soll es weiter um Method Writing gehen, das Thema ist zu spannend, um es zu zerpflücken. Ich bin in den vergangenen Tagen im Vorfeld meines neuen Projekts auch noch mal nach innen gegangen und habe geguckt, welche von meinen eigenen seelischen Bruchstellen ich nutzen kann, um meinen beiden Hauptfiguren hier und da noch ein Quäntchen mehr Tiefe zu verleihen. Das Schreiben wird anstrengender dadurch, aber mit ein bisschen Glück lohnt es sich hinterher im Ergebnis.

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Und gerade hatte ich den Impuls, dem aktueleln Gefühl eine Farbe zuzuordnen.

 

Vielleicht bist du auch Synästhetikerin? Es gibt Menschen, die verschiedene Sinneseindrücke miteinander im Kopf verknüpfen. Bei mir ist es so, dass ich zeitliche Abläufe und Emotionen mit Farben und fühlbaren Strukturen im Kopf verknüpfen kann. Das hilft mir beim Schreiben total. Manchmal bin ich im Kopf einfach nur damit beschäftigt, farbige, vibrierende "Fäden" (man kann das nicht ganz beschreiben) miteinander zu verknüpfen und zu Turmstrukturen aufbaue, die "schön" oder "rund" aussehen sollen, und eben auch aufregend. Oft habe ich dabei das Gefühl, Brüche wahrzunehmen, und dann suche ich einfach nach Farben und Konsistenzen, die nötig sind, um diese Lücken zu füllen. Das klingt total schräg, aber funktioniert für mich - und hinterher, wenn sich das Gebilde für mich stimmig (oder stimmiger als vorher) anfühlt, gehe ich zurück auf die Storyebene und gucke, was sich verändert hat, oder ich sehe mir den "neuen Faden" genauer an und übersetze ihn zurück in Gefühle und Zeiten ... und stelle z. B. fest, dass es nötig ist, dass die Figur zwei Jahrzehnte vorher etwas erlebt hat, was mit dem und dem Schmerz (z. B. Fehlgeburt mit siebzehn) zu tun hat. Und mit diesem Impuls öffnen sich dann fürs Schreiben ganz neue Türen.

 

Probier mal rum, was dir mit Farben noch alles einfällt :). Ich arbeite beim Plotten z. B. auch immer mit farbigen Karteikärtchen, unterschiedlich texturierten Wollfäden an einer großen Wand, und jede Figur kriegt in der ausführlichen Kapitelplanung eine eigene Farbe für die Seiten zu den Szenen aus ihrer Perspektive. Das kann eine tolle Gedächtnisstütze sein und hilft mir, die Figuren noch mal viel intensiver zu erleben.

 

Und natürlich speisen sich all diese "Farben" irgendwie auch immer aus den eigenen Erinnerungen und sind auch auf tausend Wegen mit diesen verknüpft, aber beim Arbeiten verändern sie sich.

Bearbeitet von HannaT
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