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Angelika Jo

Denn morgen sind wir tot

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Denn morgen sind wir tot

Jugendthriller von Andreas Götz

 

 

 

Siri ist sechzehn, hat den üblichen Knatsch zu Hause, die übliche beste Freundin und Niklas, einen Verehrer aus der üblichen Altersklasse, der sie mehr nervt als belustigt. Da ist der wesentlich ältere Adrian aus der Großstadt schon ein anderes Kaliber. Damit sind die Würfel gefallen. Unaufhaltsam zieht Siri diese Beziehung hinab in eine heillose Katastrophe, und der Leser folgt ihr auf diesem Weg atemlos vor Spannung – obwohl das schreckliche Ende von der ersten Zeile an klar ist, denn Siri schreibt ihre Geschichte und die von Niklas und Adrian nach Beendigung ihrer Jugendstrafe selbst.

Dass das gut geht, dass der Leser bei Siri bleibt, sie sogar ins Herz schließen wird, liegt an der meisterlichen Zeichnung der Figuren: Wie Siri sich in den schönen fremden Mann verliebt, die Mischung aus Neugier, Kleinstadtfrust und einem klassisch „normalen Familienleben“, wie sie sich selbst abquält mit ihrer Frage, ab wann Gewalt für sie überhaupt zum Thema werden konnte – das ist so deutlich aus der Seele dieses Mädchens gesprochen, dass der Leser ihr bedingungslos folgt. Von der Schwindelei zur Lüge, in den Exzess und schließlich bis zur fürchterlichen Gewalttat, die sich ganz anders als geplant abspielen wird. In der bangen Hoffnung, es möge sich doch noch abwenden lassen, was passieren wird.

Für das Ende hat sich der Autor offenbar eine Art Belohnung des Lesers ausgedacht – nein, ein Happy End gibt es nicht, das wäre zu billig. Aber eine so überraschende Wendung, dass die unterschwellig durch den Text laufende Frage nach der Schuld sich tatsächlich noch einmal neu stellt.

 

Ich fand das Buch großartig und wünsche ihm ganze Schulklassen (mitsamt Lehrern) voller Leser.

 

Angelika

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Liebe Angelika, und lieber Andreas,

dem kann ich mich nur anschließen: das Buch ist großartig. Habe es eben fertig gelesen. Und es ist wirklich interessant, wie meisterlich hier die Spannung erzeugt und gehalten wird, obwohl man meint, alles zu wissen. Man will nicht wissen, was, sondern wie und auch: warum? (Wir haben ja einen anderen Thread über Spannung, dieses Buch bzw die Gedanken darüber passen dazu.) Toll finde ich, wie wenig man über diese Figuren weiß als Leser/in. Nämlich nur das, was Siri weiß oder sich denkt. Und das ist natürlicherweise durch ihren Blick gefärbt, aber was man dahinter ahnt, macht einen großen Teil der Spannung aus. Und auch das, was offen bleibt. Und auch nicht alles erklärt wird. Und obwohl oder gerade weil man im Grunde sehr wenig Informationen über die Figuren hat, wirken sie plastisch, sind ihre Handlungen zu verstehen und man sieht ihnen zu und sieht gleichzeitig viel mehr. Das kommt vermutlich daher, dass der Autor seine Figuren durch und durch und dann noch ein bisschen besser und genauer kennt.
Außerdem wird meisterhaft vorausgedeutet.

Um mal zu allgemeinplatzen: Ganz großes Kino (oder Tennis oder was immer du willst:)) Herr Götz!

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ganze Schulklassen voller Leser und die Lehrer dazu - das wäre genau das Richtige. Denn Siri ist eigentlich ein ganz normales Mädchen, quasi "wie du und ich" - und ich hatte das Gefühl, dass man sich beim Lesen dieses Buches nicht nur fragt "Wie konnte das passieren?", sondern auch "Könnte mir das nicht auch passieren?" Das ist auch ein Teil der Spannung.

 

Das Buch ist sehr gut, aber man legt es nicht jubelnd weg, sondern mit einer Gänsehaut der ganz besonderen Art ... Macht auf jeden Fall noch lange nachdenklich!

"Felix", FVA 2015,  jetzt als Kindle eBook // Ab 12.7.2021: "Liebe braucht nur zwei Herzen", Penguin Verlag // Sommer 2022: "Wenn dein Herz woanders wohnt", Penguin Verlag

www.judithwilms.com

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und ich hatte das Gefühl, dass man sich beim Lesen dieses Buches nicht nur fragt "Wie konnte das passieren?", sondern auch "Könnte mir das nicht auch passieren?" Das ist auch ein Teil der Spannung.

Ja, das stimmt, das fragt man sich immer  ... oder: wo hätte man noch aussteigen können ...

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ihr Lieben,

 

vielen, vielen Dank für eure lobenden Worte zu meinem Buch, die mich von Herzen freuen, weil ich genau so eine Reaktion beim Leser erzeugen wollte. Mir selbst ist dieses Buch von allen am nächsten, und desalb ist es umso schöner, dass es nicht nur mir gefällt. :-)

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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