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Show, don't tell

Empfohlene Beiträge

Die einen sehen es als unverrückbares Dogma, die anderen als Knebel, der Autoren hemmt.

 

Marcus Johanus hat über die Technik "Show, don't tell" geschrieben - und darüber, warum sie so oft Autoren ans Herz gelegt wird.

 

https://marcusjohanus.wordpress.com/2015/07/25/show-dont-tell-pro-und-contra/

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Interessant. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir über den Platzverbrauch, die Anstrengung oder die Ineffizienz von SdT Gedanken zu machen. SdT gehört für mich dazu, ein ganz wichtiger Faktor, den man, das gebe ich zu, auch nicht überstrapazieren sollte.Die gesunde Mischung macht's, wie so oft.

 

 

Brunhilde

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"Show don't tell" ist für mich einfach szenisches Erzählen. Und das heißt für mich, ich stelle Figuren auf meine imaginäre Bühne und lasse sie miteinander interagieren. Das kann manchmal umfangreicher werden, als ein paar narrative Sätze, dafür aber viel lebendiger und eindrucksvoller. Aber ich kann nicht ein ganzes Buch nur mit Drehbuchszenen füllen. Zwischendurch wird es auch narrativ, eine kurze Rückblende, eine Beschreibung, eine Überleitung oder eine Reflexion. Manchmal kann aber auch ein kurzer Dialog viel mehr sagen, als eine lange Erklärung, auch was Emotionales betrifft. "Show don't tell" ist einfach ein Stilmittel, das man einsetzt wie andere Mittel auch. Allerdings in einer Zeit, in der wir viel Visuelles in Film und Fernsehen konsumieren, ist es zu einem beliebten Stilmittel geworden. Lange narrative Passagen werden als langweilig empfunden.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Wir hatten hier mal den Thread show AND tell, wenn ich mich recht erinnere.

 

Ich finde ebenfalls, mit Maß und Ziel ist Show don't tell unersetzlich - aber es stößt auch an Grenzen.

 

Natürlich kann ich die Erinnerung des Helden auch als seine Gesten, Reaktionen auf Themen usw. zeigen, aber all dies wird eher nicht den Inhalt der Erinnerung zeigen - den muss man erzählen. Dort kann man aber wieder mit Zeigen "würzen".

 

Liebe Grüße,

Anni

Autorin | Ein  Buch schreiben

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher

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"Show don't tell" ist für mich einfach szenisches Erzählen. Und das heißt für mich, ich stelle Figuren auf meine imaginäre Bühne und lasse sie miteinander interagieren. Das kann manchmal umfangreicher werden, als ein paar narrative Sätze, dafür aber viel lebendiger und eindrucksvoller. Aber ich kann nicht ein ganzes Buch nur mit Drehbuchszenen füllen. Zwischendurch wird es auch narrativ, eine kurze Rückblende, eine Beschreibung, eine Überleitung oder eine Reflexion. Manchmal kann aber auch ein kurzer Dialog viel mehr sagen, als eine lange Erklärung, auch was Emotionales betrifft. "Show don't tell" ist einfach ein Stilmittel, das man einsetzt wie andere Mittel auch. Allerdings in einer Zeit, in der wir viel Visuelles in Film und Fernsehen konsumieren, ist es zu einem beliebten Stilmittel geworden. Lange narrative Passagen werden als langweilig empfunden.

Seh ich genauso.

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Diesen Artikel fand ich auch reichlich... banal :-X

Danke Andreas, dann bin ich nicht die Einzige. Es ging mir auch gar nicht drum, den Grundsatz an sich in Zweifel zu ziehen, sondern den Inhalt des Artikels zu kritisieren. Denn das bisschen Wischiwaschi ist keineswegs eine profunde Auseinandersetzung mit dem Thema, von der auch Autoren wie wir, die wir sowieso ständig mit diesen Dingen zu tun haben, profitieren. Für mich ist ein Beitrag nur dann hilfreich, wenn er neue Ansätze enthält, mit denen ich weiterkomme, wo ich weiterdenken kann.

 

LG Cornelia

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"Show don't tell" ist für mich einfach szenisches Erzählen. Und das heißt für mich, ich stelle Figuren auf meine imaginäre Bühne und lasse sie miteinander interagieren. Das kann manchmal umfangreicher werden, als ein paar narrative Sätze, dafür aber viel lebendiger und eindrucksvoller.

 

"Sechzig Jahre gingen ins Land und in dem kleinen Ort ereignete sich nichts besonderes"

Narrativ & Tell, kein Zweifel

 

"Unterdessen wurde die Stadt Lissabon in Portugal durch ein Erdbeben zerstört, und der Siebenjährige Krieg ging vorüber, und Kaiser Franz der Erste starb, und der Jesuitenorden wurde aufgehoben und Polen geteilt, und die Kaiserin Maria Theresia starb, und der Struensee wurde hingerichtet, Amerika wurde frei, und die vereinigte französische und spanische Macht konnte Gibraltar nicht erobern. Die Türken schlossen den General Stein in der Veteraner Höhle in Ungarn ein, und der Kaiser Josef starb auch. Der König Gustav von Schweden eroberte russisch Finnland, und die Französische Revolution und der lange Krieg fing an, und der Kaiser Leopold der Zweite ging auch ins Grab. Napoleon eroberte Preußen, und die Engländer bombardierten Kopenhagen, und die Ackersleute säeten und schnitten. Der Müller mahlte, und die Schmiede hämmerten, und die Bergleute gruben nach den Metalladern in ihrer unterirdischen Werkstatt"

Narrativ & Show (Johann Peter Hebel, Unverhofftes Wiedersehen)

 

Im szenischen Erzählen fällt das "Show" leichter, aber es ist ist nicht identisch.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Ich finde den Artikel auch nicht gerade aussagekräftig, doc in einem gebe ich dem Verfasser recht:

 

 

Show don’t tell ist nicht deswegen eine der obersten Schreibregeln, die Einsteigern immer und immer wieder eingebleut wird, weil sie ein Allheilmittel für schlechte Manuskripte ist, sondern weil sie beginnenden Autoren besonders schwer fällt.

 

Anfänger neigen dazu, zu behaupten, statt zu zeigen, was auf Dauer jeden Text unerträglich dröge macht, falls man nicht zufällig ein Genie ist.

 

Den Artikel von Joshua Henkin finde ich auch verwirrend. Zum Teil setzt er »Show« mit »Beschreiben« gleich, wofür er ein Beispiel wählt, das überflüssige Information enthält (braunes Plastiksofa). Dabei ist es eigentlich das Gegenteil, würde ich sagen, bzw. beschreibt man als Autor ja immer, ob man nun behauptet oder zeigt.

 

Ich finde immer noch »Er hasste sie dafür, dass sie ihn betrogen hatte« langweiliger als »Er riss all ihre Kleider aus dem Schrank und schnitt sie in kleine Streifen. Die treulose Schlampe hatte es nicht anders verdient.«

 

»Behaupten« kann aber auch einen sehr starken narrativen Sog entwickeln, vor allem, wenn etwas zusammengefasst werden soll oder wiederkehrende Ereignisse beschrieben werden. Da hat der Herr Johanus schon recht: Auf die richtige Mischung kommt es an.

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Danke für den Link, Manfred, den Artikel kannte ich noch nicht.

 

 

Do we need to know that a couch is a “big brown torn vinyl couch”? We are writing fiction, not constructing a Mad Lib. Yet writers have been told to describe, and so they do

 

Was ich nicht verstehe, wieso Joshua Henkin die große braune abgenutzte Vinyl Couch für ein Superbeispiel von Show hält. Und Munroe als Beispiel für tell? Ich bin kein Fachmann für Alice Munroe, aber das wenige, was ich von ihr gelesen habe, ist so gut wie nie "tell".

 

grübelnde Grüße

 

Hans Peter

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 Und Munroe als Beispiel für tell? Ich bin kein Fachmann für Alice Munroe, aber das wenige, was ich von ihr gelesen habe, ist so gut wie nie "tell".

Aber Munroe ist schon eine Meisterin des Narrativen, Hans Peter, oder? Und ich glaube, als die Begriffe "show" und "tell" von Erzählforschern eingeführt wurden, bedeutete das eine tatsächlich "szenisches Erzählen" und das andere "narratives Erzählen".

 

Inzwischen ist damit aber offenbar  manchmal auch der Unterschied gemeint, ob der Erzähler etwas (ein Gefühl, eine Stimmung) explizit benennt oder ob er es dem Leser überlässt, die Zeichen zu dekodieren. Also der Unterschied zwischen "Sie war traurig" und "Sie hatte Tränen in den Augen".

 

So erkläre ich mir jedenfalls, dass Diskussionen über dieses Thema oft so kompliziert werden. Bei beiden Artikeln, die hier verlinkt wurden, finde ich zum Beispiel schwer nachzuvollziehen, wogegen sich die Kritik denn nun eigentlich richtet.

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 Und Munroe als Beispiel für tell? Ich bin kein Fachmann für Alice Munroe, aber das wenige, was ich von ihr gelesen habe, ist so gut wie nie "tell".

Aber Munroe ist schon eine Meisterin des Narrativen, Hans Peter, oder? Und ich glaube, als die Begriffe "show" und "tell" von Erzählforschern eingeführt wurden, bedeutete das eine tatsächlich "szenisches Erzählen" und das andere "narratives Erzählen".

 

Inzwischen ist damit aber offenbar  manchmal auch der Unterschied gemeint, ob der Erzähler etwas (ein Gefühl, eine Stimmung) explizit benennt oder ob er es dem Leser überlässt, die Zeichen zu dekodieren. Also der Unterschied zwischen "Sie war traurig" und "Sie hatte Tränen in den Augen".

 

Ich würde Show, don't tell so interpretieren. Denn wenn es nur hieße: Erzähl szenisch, nicht narrativ, wäre es ziemlich banal (und oft falsch).

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Für mich macht der Artikel von Josua Henkin durchaus Sinn, wenn man ihn so versteht, dass "Show dont tell" nicht das einzige Stilmittel sein sollte. Das braune Sofa ist hier in Zusammenhang mit der Bemerkung zu sehen, dass er meint, alle seine Studenten scheinen mit einer Kamera auf der Schulter zu schreiben. Die Beschreibung eines Szenarios gehört ja mit zum szenischen Schreiben dazu. Aber man kann es natürlich übertreiben. Und da hat er recht.

 

Alice Munroe erzählt für mein Empfinden in der Hauptsache narrativ mit gelegentlichen Dialogfetzen dazwischen. Sonst könnte sie auch gar nicht lebensumspannende Schicksale in 30 Seiten darstellen.

 

Für mein Schreiben ist beides wichtig. Der Wechsel zwischen Szenisch und Narrativ erlaubt einen gewissen Rhythmus. Aktion gefolgt von Reflexion, mitten drin sein und wieder mit etwas Abstand nehmen. Schnell und wieder langsamer. Manchmal ist das Narrative nur drei Sätze lang, aber es unterbricht für einen Moment die Handlung, ohne den Lesefluss zu stören.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Inzwischen ist damit aber offenbar  manchmal auch der Unterschied gemeint, ob der Erzähler etwas (ein Gefühl, eine Stimmung) explizit benennt oder ob er es dem Leser überlässt, die Zeichen zu dekodieren. Also der Unterschied zwischen "Sie war traurig" und "Sie hatte Tränen in den Augen".

Ich würde Show, don't tell so interpretieren. Denn wenn es nur hieße: Erzähl szenisch, nicht narrativ, wäre es ziemlich banal (und oft falsch).

 

Na ja  - wenn man spontan loserzählt, ist man ja fast immer narrativ. Insofern könnte ich mir schon vorstellen, dass vielen Schreibanfängern gesagt werden muss: Bleib mal bei der Szene, husch nicht gleich weiter.

 

Aber wie dem auch sei, Henkin scheint mir mit den Begriffen mal das eine und mal das andere zu meinen. Wenn er Munro, Saunders etc. ins Feld führt, meint er mit "Tell" sicherlich das narrative Erzählen. Aber wenn er am Schluss "Sie war nervös" und "Sie kaute an den Fingernägeln" gegenüberstellt, benutzt er "Show" und "Tell" so wie du, denn auch "sie war nervös" könnte problemlos in einer szenischen Passage stehen.

 

Das gleiche bei Johanus: Wenn er sagt, "Show" sei intensiver, meint er offensichtlich szenisches Erzählen (recht hat er damit nicht, aber davon mal abgesehen). Aber die beiden Sätze, die er gegenüberstellt (bei ihm ist es nicht das Nägelkauen, sondern das Tränen-Rinnen), zielen wieder auf deinen Punkt ab, Hans Peter.

 

Ich finde das echt nur verwirrend.

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Wenn ich diesen Hinweis, der langsam zur Phrase zu verkommen droht, anbringe, dann bezieht er sich zumeist auf konkrete Szenen und selten auf das Schreiben allgemein. Ich denke, wenn man einem, der meint, Autor sein zu müssen, das als Stilmittel zu verkaufen versucht, bewegt man sich auf einem Niveau, das mit Schriftstellerei nicht wirklich viel zu tun hat.

 

Manches kann man zeigen, anderes muss man erklären, manchmal sogar das gleiche.  ;)  Der Deutungsspielraum fällt unterschiedlich groß aus - aus meiner Sicht ist das der bemerkenswerteste Unterschied, aber es hat natürlich auch dramaturgische Einflüsse - und solche auf die Wahrnehmung. Man schreibt jedoch nicht allgemein schlechter oder besser, wenn man viel oder wenig zeigt oder erklärt. Man schreibt anders. Oft hat man gute Gründe, so oder so vorzugehen, und die lassen sich in aller Regel nicht verallgemeinern. ;D

 

Ja, viele Anfänger (das ist nicht sehr wertend gemeint) erklären gerne und übrigens auch meistens sehr ausschweifend. Ich habe in den ersten Monaten nach Erwerb der Fahrerlaubnis auch noch ganz oft über die Schulter geschaut. Inzwischen mache ich das nur noch, wenn es wirklich nötig ist.

 

Herzlich,

Tom

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E.L. Doctorow sagte angeblich einmal: "Gutes Schreiben soll beim Leser vor allem Empfindungen hervorrufen, nicht die Tatsache, dass es regnet, sondern den Regen selbst zu spüren."

 

Mit "Show dont tell" kann einem dies gut gelingen, aber wer alles nur mit einem einzigen Stilmittel erzählen will, treibt die Sache auf die Spitze und beschneidet sich selbst anderer Möglichkeiten, die zur rechten Zeit vielleicht besser wären. Ich lasse mich persönlich von keiner Doktrin leiten, sondern vertraue meinem Gefühl, was jeweils richtig ist.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Für mein Schreiben ist beides wichtig. Der Wechsel zwischen Szenisch und Narrativ erlaubt einen gewissen Rhythmus. Aktion gefolgt von Reflexion, mitten drin sein und wieder mit etwas Abstand nehmen. Schnell und wieder langsamer. Manchmal ist das Narrative nur drei Sätze lang, aber es unterbricht für einen Moment die Handlung, ohne den Lesefluss zu stören.

 

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"Sechzig Jahre gingen ins Land und in dem kleinen Ort ereignete sich nichts besonderes"

Narrativ & Tell, kein Zweifel

 

Und ich würde überhaupt nicht wollen, dass da einer "eine große Show" draus macht. Wenn nichts passiert, wünsche ich mir, dass man recht bald zu Stellen kommt, an denen etwas passiert. Wie die meisten Vorredner schon feststellten, ist das Show ein Stilmittel, das seinen Platz und seine Zeit hat. In anglo-amerikanischer Literatur stört mich die Begeisterung an "zeigenden" Details häufig enorm, da sie meine eigene Fantasie einschränken. ("Er zündete eine Lucky Strike an." "Er trug eine Levis." Er trank nur Coca Cola, Pepsi schmeckte ihm nicht.") So etwas hätte meist weggelassen werden können, ohne dass den Lesern Facetten der Figuren entgangen wären.

 

Man die Zeigerei auch übertreiben - wenn es nichts von Substanz zu zeigen gibt.

 

Gruß

 

A

www.klippenschreiber.de

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Spannend - und auch irgendwie beruhigend - wie unterschiedlich dieser Satz (diese "Regel) interpretiert wird. Mir ist er bisher meistens mit dieser Erklärung begegnet: "Show, don't tell" = zeigen, nicht behaupten. Und dann wurde meistens sofort hinterhergeschoben: Also, schreibe szenisch, nicht narrativ. Für mich persönlich zielt dieser Satz in dieser Auslegung - zeigen, nicht behaupten - nicht nur viel zu kurz, er wird für mich den beiden Stilmitteln - szenisches und narratives Schreiben - überhaupt nicht gerecht. Denn ich kann sowohl szenisch behaupten, als auch narrativ. Und ich kann sowohl szenisch zeigen (wenn die Szene tief und somit wahr ist - aus "Nicht sterben- Frankfurter Poetikvorlesungen" von Terézia Mora), als auch narrativ.

 

Dabei wird für mich auch oft vergessen, wie wirkungsvoll eine Behauptung sein kann - Ich liebe dich z.B. (müssen wir erstmal glauben - und wenn wir diesen Satz nicht untermauert bekommen, kann das ein ganz schön fieses Gefühl bei Figur und Leser erzeugen...) - und wie wirkungsvoll eine Behauptung in Kombination mit etwas Gezeigtem sein kann:

Zwei Jungen gingen alle Wege gemeinsam.

Das ist für mich erstmal eine Behauptung. Das muss ich glauben (oder auch nicht).

 

Wenn der eine etwas sah, dann schien es ihm nicht richtig gesehen, bevor er es dem anderen gezeigt hatte.

Hier wird für mich - immer noch narrativ - gezeigt, wie symbiotisch diese Freundschaft ist. Dieses Detail reicht und ich glaube dem ersten Satz diese enge Freundschaft. Ein Mal Tell + ein Mal Show und ich habe das Buch direkt zur Kasse getragen :-) Der Autor müsste mir auch mit keinem Wort mehr diese Freundschaft beschreiben, denn er zeigt mir mit einem Detail, das für mich unglaublich präzise ist, wie tief diese Freundschaft ist. Und das ist für mich sehr berührend und lebendig - obwohl von einer Szene keine Spur. Natürlich hätte er auch eine Szene schreiben können, die diese besondere Freundschaft zeigt - aber diese beiden Sätze sind wie eine Lupe, durch die ich von nun an diese Freundschaft betrachte (die natürlich durch ein Weib zerstört wird ;-)). Und es spricht noch mehr für das Narrative: Der Autor beschreibt auf einer knappen Seite narrativ diese Freundschaft: (...) Und wenn sie Kjartan und Bolli waren, dann gab es keine Ungeheuer und Gespenster, sondern vielleicht einen Drachen, und zwar einen gefährlichen und schwerbesiegbaren Drachen, wegen der Fähigkeit, die er besaß, Feuer zu spucken, vor dem man sich hüten und seinen Verstand umso mehr gebrauchen musste, und er begann vielleicht als Strandmonster in der Spätsommerdämmerung oder am Abend, und dann war es besser, zu zweit zu sein und einander nicht nachzustehen an unfehlbarem Mut, und Helden ohne Fehl, das waren sie beide, zusammen.

Das Narrative betont hier für mich auch die Einheit dieser beiden Jungen. (Das narrative Kapitel endet ja auch auf dem "Einheitswort" zusammen, das der Autor durch ein Komma vom Rest trennt:... das waren sie beide, zusammen. Er hätte auch schreiben können: ... das waren sie beide zusammen.) 

 

Der Autor wird in dem Kapitel, in dem das Mädchen auftaucht, genau an der Stelle szenisch, an der die beiden Jungs dem Mädchen das erste Mal begegnen. Hier sind sie keine Einheit mehr, sie sind auf einmal der eine und der andere:

Ein Mädchen war in die Gegend gekommen. Sie wohnte in der Hütte bei dem alten Ehepaar in der Talsenke am Meer. Bei ihrem Großvater und ihrer Großmutter. Die Ziehbrüder konnten gar nicht anders, als sie zu bemerken. Sie sahen sie hochnäsig an den Häusern vorübergehen auf dem Weg zum Felsplateau, wo sie mit ihrem Großvater Angeln auswarf und manchmal mit ihm ruderte, damit sich die alte Frau ausruhen konnte. Das Mädchen hieß Vigdis. 
     "Guten Tag", sagte der eine.
     "Guten Tag, Jungs", sagte sie, und ihre Augen waren blau.
     "Guten Tag", sagte der andere.

    Sie sah die beiden an, und sie schauten zurück. Sie setzte ihren Weg fort.

    Sie hielt sich selten lange bei ihnen auf. Sie sprachen miteinander über sie, ohne ihre Gedanken zu offenbaren. (...)

 

In diesem Buch - "Morgengebet" von Thor Vilhjalmsson - werden für mich beide Stilmittel - szenisches Erzählen und narratives Erzählen - dramaturgisch perfekt eingesetzt (nicht nur bei dem Strang mit dem Mädchen). Mit einem "Schreibe szenisch, dann bist du immer lebendiger" fährt man meiner Meinung nach einen Ferrari - beide Stilmittel - mit nur 30 km/h.

Munroe ist für mich eine Meisterin im Zeigen - die Technik, die sie einsetzt, ist hauptsächlich das Narrative. Und dass das die Leser genauso berührt, wie Bücher die mehr szenisch geschrieben sind, liegt für mich an dem, WAS sie erzählt. Joan Didion ist auch eine Meisterin im narrativen Zeigen. Sie braucht einen Satz, wo andere 10 brauchen. In dem Roman "Demokratie" verlässt eine Mutter ihre beiden kleinen Töchter, und Didion beschreibt die Sehnsucht des einen Mädchens mit einem narrativen Satz, sinngemäß, ich habe das Originalzitat nicht hier: Noch ein Jahr lang grub sie mit ihren Fingern den Sand am Strand um, auf der Suche nach Zigarettenstummeln, an denen der Lippenstift ihrer Mutter klebte. Kein: Die Mädchen weinten sich in den Schlaf. Die Mädchen vermissten ihre Mutter. Keine ausführliche Szene. Eine Tätigkeit des Mädchens reicht und seine Sehnsucht nach der Mama ist erzählt. Und ich wage zu behaupten, dass dieser eine Satz mehr weh tut, viel lebendiger ist, als eine ausführliche Szene...

 

Liebe Grüße

Lisa

Bearbeitet von Lisa
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E.L. Doctorow sagte angeblich einmal: "Gutes Schreiben soll beim Leser vor allem Empfindungen hervorrufen, nicht die Tatsache, dass es regnet, sondern den Regen selbst zu spüren."

 

Ja, dieses Zitat würde ich als gute Darstellung von Show, don't tell ansehen.

 

Vielleicht habe ich einfach zuviele Anfängertexte gelesen, die einfach die Tatsache, dass es regnet, konstatieren.

 

Oder, um mal zu den Personen zu wechseln, bei denen diese Schreibhaltung noch viel furchtbarere Folgen hat: Ich will einen Banker in meinem Text haben. Damit die Leser auch genau wissen, wie ich mir diesen Banker vorstelle, erkläre ich ihn: Er ist gierig (natürlich), er kennt kein Mitleid (natürlich), etc. pp.

Alles meine Behauptungen.

 

Jueb hat hier mal gesagt, dass man schlechte Texte daran erkennt, dass man sie nicht interpretieren kann. Das wäre so ein Fall, denn der Autor hat die Interpretation gleich mitgeliefert.

 

Martin Walser hatte mal einen Roman über eine Banker (oder einen Investmentberater, um genau zu sein) geschrieben. Und er hat nichts über den Typen behauptet, er hat ihn agieren lassen, reden, denken. Der Leser konnte sich seine Interpretation selbst erstellen. Behauptungen schreiben dem Leser etwas vor.

 

Ich weiß gar nicht mehr, wieviel von dem Roman "narrativ" war und wieviel "szenisch". Ehrlich gesagt, ist es mir auch egal, aber ich habe die Person immer noch im Kopf, weil er sie mir gezeigt hat. Vermutlich würde jemand anderes diese Person anders interpretieren als ich, aber who cares?

 

Natürlich muss man manchmal auch was behaupten, zum Beispiel, dass ein Banker, der auftritt, gierig ist. Dennoch ist meine Erfahrung die gleiche wie die von Markus Johanus: Anschaulich zu schreiben, Show, das fällt den meisten zu Beginn sehr schwer.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Hallo zusammen,

 

die Narration und das szenische Erzählen sind Grundformen des Erzählens.

 

Die Narration ist ein zusammenfassendes indirektes Erzählen, bei dem Ereignisse, Personen usw. verkürzt und wertend beschrieben werden, wobei der Erzähler oder die Erzählfigur die Deutung der Narration in den meisten Fällen direkt mitliefert. Indirekt ist dieser Erzählen, weil eine Wertung bereits vorgenommen wurde. Narratives Erzählen ist die älteste Form des Erzählens.

Als Stilmittel wird nicht nur zusammengefasst und das Beschriebene gewertet, sondern der Leser kann Rückschlüsse auf den Erzähler oder die Erzählfigur vornehmen.

 

Das szenische oder direkte Erzählen erfolgt entweder in der Form einer Szene oder als Handlungspräsens, bei dem der Leser aus den beschriebenen Handlungen (durch den Erzähler oder die Erzählfigur) selber eine Charakterisierung oder Deutung vornehmen soll. Direkt ist dieses Erzählen, weil der Leser sozusagen fiktiv selber Zeuge des Ereignisses ist und er die Deutungen selber vornimmt.

 

Heute wird meist eine Mischform verwendet, bei der bewusst mehr oder weniger viele Elemente aus beiden Bereichen eingesetzt werden, je nach Zielrichtung der Stelle und Wahl des Autors. Wobei einige ganz interessante Kombinationen so gut wie nie verwendet werden, da sie weitgehend unbekannt sind.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Die Narration ist ein zusammenfassendes indirektes Erzählen, bei dem Ereignisse, Personen usw. verkürzt und wertend beschrieben werden, wobei der Erzähler oder die Erzählfigur die Deutung der Narration in den meisten Fällen direkt mitliefert. Indirekt ist dieser Erzählen, weil eine Wertung bereits vorgenommen wurde. Narratives Erzählen ist die älteste Form des Erzählens.

Als Stilmittel wird nicht nur zusammengefasst und das Beschriebene gewertet, sondern der Leser kann Rückschlüsse auf den Erzähler oder die Erzählfigur vornehmen.

 

Das szenische oder direkte Erzählen erfolgt entweder in der Form einer Szene oder als Handlungspräsens, bei dem der Leser aus den beschriebenen Handlungen (durch den Erzähler oder die Erzählfigur) selber eine Charakterisierung oder Deutung vornehmen soll. Direkt ist dieses Erzählen, weil der Leser sozusagen fiktiv selber Zeuge des Ereignisses ist und er die Deutungen selber vornimmt. 

AH! Vielen Dank, Thomas! Indirekt und direkt - vor die Stirn klatsch! Ja, das trifft es für mich noch viel besser, als zeigen und behaupten!

Handlungspräsens - ist das narrativ erzählt? Also wie mein Didion Beispiel? Oder noch etwas anderes?

 

Liebe Grüße

Lisa

Bearbeitet von Lisa
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Hallo Lisa,

 

Handlungspräsens ist nur eines von vielen Namen für diesen "Erzählkniff". Dabei wird in einer Erzählung das Tempus von Präteritum auf Präsens gewechselt, sehr oft nach bestimmten Signalworten oder Signalsätzen wie: "Auf einmal"; "Plötzlich"; "In diesem Augenblick"...

 

Detektiv Munroe öffnete vorsichtig die Tür. Der Verdächtigte sollte nach Aussage der Zeugin nicht zu Hause sein. Aber eine Elefant ist die Mutter der Porzellankiste.

Plötzlich ein Geräusch. Munroe zieht ihre Pistole. Sie sichert den Flur und öffnet die Tür zum Wohnzimmer.

 

Der Tempuswechsel sorgt beim Leser für das Gefühl direkt (nicht nur zeitlich) dabei zu sein.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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