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Show, don't tell

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die Narration und das szenische Erzählen sind Grundformen des Erzählens.

 

Die Narration ist ein zusammenfassendes indirektes Erzählen, bei dem Ereignisse, Personen usw. verkürzt und wertend beschrieben werden, wobei der Erzähler oder die Erzählfigur die Deutung der Narration in den meisten Fällen direkt mitliefert. Indirekt ist dieser Erzählen, weil eine Wertung bereits vorgenommen wurde. Narratives Erzählen ist die älteste Form des Erzählens.

Als Stilmittel wird nicht nur zusammengefasst und das Beschriebene gewertet, sondern der Leser kann Rückschlüsse auf den Erzähler oder die Erzählfigur vornehmen.

 

Das szenische oder direkte Erzählen erfolgt entweder in der Form einer Szene oder als Handlungspräsens, bei dem der Leser aus den beschriebenen Handlungen (durch den Erzähler oder die Erzählfigur) selber eine Charakterisierung oder Deutung vornehmen soll. Direkt ist dieses Erzählen, weil der Leser sozusagen fiktiv selber Zeuge des Ereignisses ist und er die Deutungen selber vornimmt.

 

Hallo Thomas,

 

danke für die schöne Definition. Aber an einer Stelle möchte ich Einspruch erheben: Dass die Deutung direkt mitgeliefert wird. Das kann sein, muss aber nicht (sagst du ja auch später "in den meisten Fällen"). Genau dieser Punkt ist meiner Meinung nach nicht nötig, Deutung ist sehr beliebt in schlechten Texten - da kann man nicht nur Rückschlüsse auf den Erzähler ziehen, da "spricht" der Autor direkt zu dem Leser.

 

Munroe ist so eine Mischform, sehr viel narrativ mit szenischen EInsprengseln. Aber Deutung findet eher selten statt, falls überhaupt. Deutung kannst du auch im szenischen Erzählen unterbringen. Oft denke ich: leider, wenn ich diese Manie mancher Erzähler lese, ihre eigene Weltanschauung dem Leser auf die Nase zu knallen oder die sicherstellen wollen, dass der Leser genau die Gefühle beim Lesen entwickelt, die er ihrer Meinung nach haben soll.

 

Und damit wären wir wieder bei der Ausgangsfrage: Bedeutet Show, don't tell das Gleiche wie "Szenisches Erzählen".

 

Ich glaube nicht, weil es neben der Eigenschaft "Szenisch" oder "narrativ" noch etwas wichtigeres gibt, das Texte auszeichnet - oder eben auch nicht. Siehe Doctorows Zitat, das Ulf gebracht hat. Und Lisa, du hast das ja sehr ausführlich an einem Beispiel gezeigt (nicht behauptet ;-)), dass du narrativ etwas "showen" kannst.

 

Dass Show don't tell gerne schnell mit szenisch kurzgeschlossen wird, hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass das "Tell" oft in Tateinheit mit "narrativ" auftritt. Und es  vor allem Anfängern beim szenischen Schreiben leichter fällt, ihre Behauptungen (tell) zu verlassen und sich dem zeigen (show) zuzuwenden.

 

So ist jedenfalls meine Erfahrung.

 

Herzliche Morgengrüße, Hans Peter

Bearbeitet von hpr
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Sie braucht einen Satz, wo andere 10 brauchen. In dem Roman "Demokratie" verlässt eine Mutter ihre beiden kleinen Töchter, und Didion beschreibt die Sehnsucht des einen Mädchens mit einem narrativen Satz, sinngemäß, ich habe das Originalzitat nicht hier:

 

Noch ein Jahr lang grub sie mit ihren Fingern den Sand am Strand um, auf der Suche nach Zigarettenstummeln, an denen der Lippenstift ihrer Mutter klebte.

 

Kein: Die Mädchen weinten sich in den Schlaf. Die Mädchen vermissten ihre Mutter. Keine ausführliche Szene. Eine Tätigkeit des Mädchens reicht und seine Sehnsucht nach der Mama ist erzählt. Und ich wage zu behaupten, dass dieser eine Satz mehr weh tut, viel lebendiger ist, als eine ausführliche Szene...

 

Liebe Grüße

Lisa

 

Dieser Satz ist interessant. Er ist anscheinend nicht in eine Szene gebettet, also kein szenisches Erzählen. Und doch ist es definitiv "Show". Sie sagt nicht, das Kind vermisst die Mutter. Sie "zeigt" es durch das Benehmen des Kindes. Man kann also auch in einem narrativem Absatz durchaus "anschaulich" schreiben.

 

Überhaupt scheint ein bisschen Verwirrung zu herrschen. "Show" heißt eben so zu schreiben, dass der Leser es erlebt, fühlt, riecht und sieht. "Tell" im Englischen heißt einfach "erzählen" und nicht etwa behaupten. Ich weiß nicht, wo die Interpretation des "Behaupten" herkommt. Für mich bedeutet dieses "tell" einfach narrativ schreiben. Ob es sich um Behauptungen handelt, sei völlig dahingestellt.

 

"Das Mädchen vermisste noch lange seine Mutter." (Tell)

 

"Das Mädchen grub immer wieder mit den Fingern im Sand, suchte Zigarettenstummel, an denen noch etwas Lippenstift der Mutter klebte" (Show)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Überhaupt scheint ein bisschen Verwirrung zu herrschen. "Show" heißt eben so zu schreiben, dass der Leser es erlebt, fühlt, riecht und sieht. "Tell" im Englischen heißt einfach "erzählen" und nicht etwa behaupten. Ich weiß nicht, wo die Interpretation des "Behaupten" herkommt. Für mich bedeutet dieses "tell" einfach narrativ schreiben. Ob es sich um Behauptungen handelt, sei völlig dahingestellt.

 

Tell heißt nicht nur erzählen, sonst wäre der Satz ja unsinnig. Jede Geschichte wird erzählt, egal ob szenisch oder narrativ.

 

Mein Oxford Lexikon sagt als Hauptbedeutung von tell: "give information concerning or a description of". Und das hat Doctorow ja gesagt: Es reicht nicht, dem Leser die Information zu geben, dass es regnet, er muss es spüren.

 

Mein englisch-deutsches Lexikon nennt außer "erzählen" auch als Bedeutung "sagen" und zwar in der Bedeutung "Ich sage dir, was Sache ist".

 

Die Anglisten mögen jetzt entsetzt sein, aber ich stand einfach vor dem Problem, was sage ich den Leuten über "Show, don't tell". Und mir kam "Zeigen, nicht behaupten" der Bedeutung am nächsten und man kann es sich leicht merken.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Ich finde "behaupten" unglücklich gewählt, da im Deutschen sofort der Verdacht aufkommt, es sei vielleicht nicht wahr. Eine einseitige Behauptung, vielleicht sogar eine Lüge. Das ist nicht, was "tell" bedeutet. Und es verwirrt für mich den Begriff "show dont tell", gibt ihm eine falsche Auslegung.

 

"Tell me a story."

"Tell me what happened."

"Tell me the truth!"

"I told him the story of my life."

"The messenger told of important events."

 

Da wird nicht behauptet, sondern einfach erzählt und zwar narrativ, wie man es meistens tut, wenn man "berichtet". Das ist, was man tut, wenn man jemand etwas erzählt. Man listet Fakten auf oder Ereignisse. Man setzt sie nicht in Szene, oder eher nur selten. Das ist der normale Erzählmodus. Dann passierte das und dann das.

 

Das "show" ist eben ein anderes Kaliber, ein "reenactment", eine szenische Darstellung, ein Kamerabild, ein Dialog.

 

Und direkt oder indirekt, wie Thomas sagt, passt natürlich gut. Narrativ ist meist indirekt, die Übermittlung geschieht durch einen Dritten, im Roman durch den Autor. Und "show" ist das unmittelbare Erleben des Lesers, der an einer Szene teilnimmt.

Bearbeitet von Ulf Schiewe

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Überhaupt scheint ein bisschen Verwirrung zu herrschen. "Show" heißt eben so zu schreiben, dass der Leser es erlebt, fühlt, riecht und sieht. "Tell" im Englischen heißt einfach "erzählen" und nicht etwa behaupten. Ich weiß nicht, wo die Interpretation des "Behaupten" herkommt. Für mich bedeutet dieses "tell" einfach narrativ schreiben. Ob es sich um Behauptungen handelt, sei völlig dahingestellt.

 

 

Die begriffliche Unschärfe in der verwendeten Terminologie geht noch weiter. "Narrativ" ist eigentlich nicht korrekt, denn dieser Ausdruck meint das Erzählen allgemein, schließt also auch das szenische Erzählen mit ein. Alles, was erzählt wird, egal, wie, ist narrativ. Der richtige Begriff, der auch klarer anzeigt, worum es in der Unterscheidung geht, lautet: summarisch. Also summarisches vs. szenisches Erzählen. Anders als in dem aus dem Englischen falsch eingedeutschten "behaupten" für "tell" sind diese Bezeichnungen nur beschreibend, also völlig wertfrei. Lisas Beispiele haben ja eindrücklich gezeigt, wie beides ineinandergreift und beides auch zusammengehört.

 

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Hallo Ulf,

 

die Einteilung in direktes und indirektes Erzählen basiert auf der Vorstellung, dass Augenzeugenberichte schon einmal durch den Prozess einer Interpretation durch den Berichtenden gegangen sind. Dabei werden die Sinneseindrücke gefiltert und bestimmte Eindrücke in deutende Beschreibungen zusammengefasst. Somit ist auch das, was berichtet wird, eine Interpretation oder Deutung. Behauptung führt, wie du anmerkst, durchaus in die falsche Richtung. Weil wir ja unsere Sinneseindrücke nicht behaupten, sondern filtern und unsere Deutungen eben keine Behauptungen sind.

 

In der Geschichtsschreibung gibt es die Unterteilung in primäre und sekundäre Quellen, die in gewisser Weise eine Ähnlichkeit mit dem direkten und indirekten Erzählen haben: Eine primäre Quelle hat das eigentliche Ereignis erlebt, eine sekundäre hat nur primäre Quelle gelesen- es handelt sich also um Informationen aus 2. Hand, bzw. der Informationsgehalt ist durch die vorhandenen Quellen beschränkt. Aber: Manche sekundäre Quellen sind viel besser als primäre Quellen, weil mehrere Quellen ausgewerter und gewichtet werden, andere Informationen oder Hintergründe ergänzt...

 

Hier kommen wir auch zu einem entscheidenden Punkt: Wenn ich einen narrativen Bericht durch "Show" ergänze, handelt es sich immer noch um eine Narration, genau wie ein szenisches Erzählen trotz narrativer Elemente immer noch ein szenisches Erzählen bleibt.

 

Mal ein konkretes Beispiel, das selten verwendet wird:

 

1. rein narrativ und teilweise deutend: Lida war 1,65 m groß, braunhaarig und sehr schön.

2. narrativ und stark deutend: Lida war eher klein, wallnußbraunes Haar und sehr schön.

3. narrativ, deutend mit "Show" und Bewegung: Lida war 1,65 m groß, braunhaarig und alle Männer drehten sich um, wenn sie einen Raum betrat.

4. narrativ, deutend aus Fremdperspektive, mit "Show" und Bewegung: Samuel hatte ihm erzählt, dass Lida recht klein war, vielleicht 1,65 m, braunhaarig, aber wenn sie einen Raum betrat...

5. Mischform/ Wechsel im Satz ins Handlungspräsens: Lida war 1,65 m groß, braunhaarig und wenn sie einen Raum betrat, Mann, dann klopfte dein Herz wie die Rhythmussektion einer Reggaeband.

6. szenisch mit Bewegung und Elementen "Tell": Lida betrat den Raum und obwohl sie eher klein war, mit alltagsbraunen Haaren, sah jeder Mann und jede Frau in ihre Richtung. Ihre Art sich zu bewegen, langsam, aber voller Energie...

7. szenisch ohne Bewegung mit "Tell": Lida reichte ihm gerade bis zur Schulter, sie war vielleicht 1,65 m groß, braunhaarig,

8. ...

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Sehr anschaulich, Thomas.

 

Man könnte auch noch szenisch weiterführen:

 

"Als Lida den Raum betrat, verstummten die Gespräche. Etwas an ihrem elastischem Gang, ihrem herausfordernden Blick in die Runde brachte die Luft zum knistern, ließ die Männer von ihren Drinks aufschauen und vergessen, worüber sie gerade geredet hatten."  ;D

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Die Gefahr, wenn ein Anfänger sich ausnahmslos an Show don't tell hält, ist, dass er oft nicht einschätzen kann, welche Szenen für den Leser bzw. die Handlung von Bedeutung sind. Dann zeigt er auch Zwischenszenen bis ins Detail und langweilt den Leser, anstatt ihn mit einer narrativen Zusammenfassung in die nächste bedeutungsvolle Szene zu manövrieren.

Ich finde beides sind Stilmittel, die ihre Berechtigung im Roman haben. Viel wichtiger ist, dass der Autor ganz genau weiß, was er tut.

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Ich finde "behaupten" unglücklich gewählt, da im Deutschen sofort der Verdacht aufkommt, es sei vielleicht nicht wahr. Eine einseitige Behauptung, vielleicht sogar eine Lüge. Das ist nicht, was "tell" bedeutet. Und es verwirrt für mich den Begriff "show dont tell", gibt ihm eine falsche Auslegung.

"Fred war ein Banker und geldgierig", das ist zwar eine Behauptung, aber ob es eine Lüge ist, kann der Leser nicht wissen. Auf jeden Fall wird es ihm nicht gezeigt.

 

Und die kritischen Stellen in Texten sind eben solche Autorenbehauptungen, die der Leser glauben sollte (so hofft es der Autor) oder nicht glaubt (das ist oft die Folge beim Leser). Typischerweise hört man dort den Autor sprechen, der seine eigene Erzählung erklärt.

 

"Berichten" würde es natürlich auch treffen.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Ich habe nochmal bei Sol Stein nachgelesen. Er unterscheidet bei Romanen drei Komponenten:

 

  • Beschreibung - entweder eines Ortes oder Figur. (Dazu könnte man auch Reflexionen, innere Zustände hinzunehmen, denke ich)
  • Narrative Zusammenfassung - das Erzählen/Berichten von Ereignissen abseits der Bühne, Dinge, die der Leser nicht "sehen oder hören" kann, weil sie im "off" geschehen
  • Unmittelbare Szene - geschieht direkt "vor den Augen" des Lesers und könnte so von einer Kamera erfasst und als Film abgedreht werden. Theater besteht fast ausschließlich aus solchen Szenen.

Ich finde das eine gute Definition. Eigentlich noch besser als "Show don't tell", obwohl ganz ähnlich. Natürlich werden in einem Roman alle Elemente benötigt, wobei der heutige Leser allerdings zuviel Beschreibung und Narrative Zusammenfassung als langweilig empfindet.

Bearbeitet von Ulf Schiewe

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  • Narrative Zusammenfassung - das Erzählen/Berichten von Ereignissen abseits der Bühne, Dinge, die der Leser nicht "sehen oder hören" kann, weil sie im "off" geschehen

Das finde ich aber falsch. Bzw. es trifft nur auf eine bestimmten Typ von Roman zu, nämlich den, wo alles Wichtige szenisch gestaltet wird und das Narrative nur dazu da ist, Informationen nachzuliefern.

 

Bei Munro sind die narrativen Abschnitte nicht "im Off", sondern sie bilden das Grundgerüst der Handlung. Erst recht bei Salter. Oder beim "Mädchen" von Klüssendorf, das wir hier mal gelesen haben. Und bei vielen anderen höchst intensiven Romanen. Da müsste man ja sagen, der gesamte Roman spielt im Off. ;-)

 

So gesehen steckt in Sol Steins drei Punkten versteckt auch schon der Leitspruch "Show don't tell", und zwar im ursprünglichen Sinn: Wenn es wichtig ist, mach's szenisch und nicht narrativ. Das ist aber eben nur eine Möglichkeit zu schreiben.

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Ganz und gar nicht, Barbara. Mit narrativer Zusammenfassung ist das indirekte Erzählen gemeint, wie auch Thomas es erklärt, wobei der Autor der Übermittler ist und oft auch eigene Wertungen einbringt. Natürlich ist dort Handlung enthalten, aber der Leser erlebt die Geschichte nicht unmittelbar.

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Ganz und gar nicht, Barbara. Mit narrativer Zusammenfassung ist das indirekte Erzählen gemeint, wie auch Thomas es erklärt, wobei der Autor der Übermittler ist und oft auch eigene Wertungen einbringt. Natürlich ist dort Handlung enthalten, aber der Leser erlebt die Geschichte nicht unmittelbar.

 

Ja, denke ich auch. Szenisches Erzählen in Romanen, daraus kannst du sofort ein Drehbuch machen und es verfilmen. Chandler soll angeblich mal seine Sekretärin beauftragt haben, als er ein Drehbuch schreiben sollte/musste, einfach die Dialoge aus dem Roman zusammenzuschreiben. Der Produzent war begeistert.

 

Das geht in den klassischen narrativen Erzählungen nicht. Narratives Erzählen ist sehr viel schwerer filmisch zu erzählen, da musst du es erstmal in "szenisch" übersetzen. Natürlich ist "im Off" irreführend, Narrativ ist einfach etwas, das der Roman kann, der Film aber nur sehr begrenzt. Insofern wäre es ein Unterscheidungsmerkmal: Szenische Erzählungen kannst du sofort verfilmen (natürlich ist das jetzt vereinfacht gesagt), narrative nicht.

 

Um aber mal auf Munroe zurückzukommen. Irgenwer hat hier mal erwähnt, dass sie mische, immer mal wieder einzelne Dialogelemente, szenische Splitter einbaue. Und ich glaube, das ist ganz typisch für gelungene narrative Erzählungen. Sie erhalten "szenische Splitter". Mir ist kein gelungener Roman bekannt, der nur narrativ erzählt, ganz ohne derartige szenische Einsprengsel. Aber vielleicht fällt euch einer ein?

 

Herzliche Güße, Hans Peter

Bearbeitet von hpr
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Um aber mal auf Munroe zurückzukommen. Irgenwer hat hier mal erwähnt, dass sie mische, immer mal wieder einzelne Dialogelemente, szenische Splitter einbaue. Und ich glaube, das ist ganz typisch für gelungene narrative Erzählungen. Sie erhalten "szenische Splitter". Mir ist kein gelungener Roman bekannt, der nur narrativ erzählt, ganz ohne derartige szenische Einsprengsel. Aber vielleicht fällt euch einer ein?

 

 

 

Ich glaube, "Madame Bovery", wenn ich mich recht erinnere. Es gibt zwar wunderbare Beschreibungen, aber keine filmbaren Szenen.

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Wenn die narrativen Passagen die Handlung tragen, ist "Off" nicht nur irreführend, sondern falsch. Es ist völlig richtig: Alice Munro mischt narratives und szenisches Erzählen, und zwar ungeheuer gekonnt, finde ich. Aber der Punkt ist, dass man bei ihr mit Beginn des Narrativen nicht "off stage" ist. Dieser Begriff  impliziert, dass man sich aus dem Geschehen zurückzieht, und das ist nicht der Fall. Die Geschichte geht völlig bruchlos weiter. Sie ist nicht mehr filmisch in dem Sinn, dass es zeitdeckend ist. Die Zeit wird gedehnt oder gerafft. Man ist aber weiterhin direkt vor Ort und mitten im Geschehen. Die "filmbaren Szenen", wie du es nennst, Ulf, sind bei Munro oft nur Bruchstücke von Dialogen.

 

"Das Mädchen" fängt zwar mit einer Szene an, wird aber auch von den narrativen Passagen getragen. Auch bei denen ist man nicht im Off, sondern so nah am Mädchen dran, wie es eine Szene vielleicht gar nicht bewirken könnte.

 

Wie gesagt: In Sol Steins Zusammenfassung steckt meiner Ansicht nach eine Voreingenommenheit für eine bestimmte Erzählweise, nämlich die, bei der Szenen die Handlung tragen (und die darum näher am Film sind).

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Wie gesagt: In Sol Steins Zusammenfassung steckt meiner Ansicht nach eine Voreingenommenheit für eine bestimmte Erzählweise, nämlich die, bei der Szenen die Handlung tragen (und die darum näher am Film sind).

Vielleicht denken wir überhaupt viel zu viel in Filmbegriffen? Und "Off" ist der einzige Filmbegriff, der hier anwendbar ist, auch wenn er gar nicht passt.

 

Szenische Erzählungen sind nahe am Film. Der Autor erzählt eine Szene und der Leser taucht ein und in seinem Kopf läuft ein Film ab. Und das nehmen wir als selbstverständlich an, dass ein Film im Leser abläuft, wenn er eine Geschichte liest.

 

Aber ist das so? Munroes Erzählung von der Frau, deren Tochter verloren geht, weil sie keinen Kontakt mehr mit der Mutter haben will, ist mir immer noch präsent. Aber ich sehe keinen Film. Und ich glaube, ich habe auch beim Lesen keinen Film gesehen. Ich habe mit der Frau mitfühlen können, die Geschichte hat mich berührt. Vielleicht ist das das Problem, dass wir zusehr auf den Film fixiert sind und nicht mehr wahrnehmen, was es im Roman gibt, das den Leser fesselt, obwohl es kein Film ist und auch keinen Film im Kopf anstößt?

 

Okay, das war jetzt wieder meine Neigung zu wilden Spekulationen.

 

Barbara, du hast gepostet:

Aber wie dem auch sei, Henkin scheint mir mit den Begriffen mal das eine und mal das andere zu meinen. Wenn er Munro, Saunders etc. ins Feld führt, meint er mit "Tell" sicherlich das narrative Erzählen. Aber wenn er am Schluss "Sie war nervös" und "Sie kaute an den Fingernägeln" gegenüberstellt, benutzt er "Show" und "Tell" so wie du, denn auch "sie war nervös" könnte problemlos in einer szenischen Passage stehen.

Ich denke, dass geht nicht nur Henkin so, dass er mal das eine und mal das andere meint, sondern das ist weitverbreitet. Und je nachdem wird dann mal die eine oder die andere Bedeutung gewählt, aber für Klarheit sorgt sowas nicht.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Wenn die narrativen Passagen die Handlung tragen, ist "Off" nicht nur irreführend, sondern falsch. Es ist völlig richtig: Alice Munro mischt narratives und szenisches Erzählen, und zwar ungeheuer gekonnt, finde ich. Aber der Punkt ist, dass man bei ihr mit Beginn des Narrativen nicht "off stage" ist. Dieser Begriff  impliziert, dass man sich aus dem Geschehen zurückzieht, und das ist nicht der Fall. Die Geschichte geht völlig bruchlos weiter. Sie ist nicht mehr filmisch in dem Sinn, dass es zeitdeckend ist. Die Zeit wird gedehnt oder gerafft. Man ist aber weiterhin direkt vor Ort und mitten im Geschehen. Die "filmbaren Szenen", wie du es nennst, Ulf, sind bei Munro oft nur Bruchstücke von Dialogen.

 

"Das Mädchen" fängt zwar mit einer Szene an, wird aber auch von den narrativen Passagen getragen. Auch bei denen ist man nicht im Off, sondern so nah am Mädchen dran, wie es eine Szene vielleicht gar nicht bewirken könnte.

 

Wie gesagt: In Sol Steins Zusammenfassung steckt meiner Ansicht nach eine Voreingenommenheit für eine bestimmte Erzählweise, nämlich die, bei der Szenen die Handlung tragen (und die darum näher am Film sind).

 

 

Liebe Barbara, ich glaube, die Voreingenommenheit liegt da eher bei dir. Der Begriff "Off" war von mir und ist ein Fachwort aus der Filmbranche und vielleicht nicht ganz zutreffend.

 

Mit "Narratve Summary", der Begriff, den Sol Stein verwendet, will er überhaupt nicht sagen, dass keine Handlung erzählt wird. Im Gegenteil. Sie wird nur nicht vor den Augen des Lesers dargestellt, wie auf einer Bühne, sondern vom Autor als Dritten erzählt, eventuell interpretiert und meist zusammengefasst, deshalb "Summary". "Am Nachmittag nahmen wir unseren gewohnten Tee ein, während es draußen regnete. Später schaltete Tom das Fernsehgerät ein." Das ist auch Handlung, aber sie findet eben nicht auf einer Bühne statt. Man kann sich das sicher vorstellen, aber wir erleben es als vom Autor berichtet und nicht mit lebenden Figuren in einer Szene.

 

Es ist ja auch völlig okay, so zu schreiben. Ich habe ständig solche Passagen. Aber eben auch Szenisches. Und die meisten Leser heutzutage mögen vor allem Szenisches, wenn auch nicht ausschließlich. 

Bearbeitet von Ulf Schiewe

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Liebe Barbara, ich glaube, die Voreingenommenheit liegt da eher bei dir. Der Begriff "Off" war von mir und ist ein Fachwort aus der Filmbranche und vielleicht nicht ganz zutreffend.

Ja, eben. Er ist nicht zutreffend. Genau das sage ich doch. Wieso bin ich dann voreingenommen und du nicht? ;-) (Das ist jetzt nicht ernst gemeint.)

 

Ich dachte, du hättest oben Sol Stein zitiert. Wenn der Filmvergleich von dir stammt und nicht von ihm, will ich nichts gegen Sol Stein gesagt haben. Denn da stimme ich Hans Peter völlig zu: Dieser Vergleich mit dem Film haut schon nicht hin - oder eben nur für eine Methode des Erzählens. Über die ich gar nichts Abfälliges gesagt habe. Ich habe nur gesagt, dass es sehr sehr viele tolle (und bildstarke und intensive und spannende) Roamne gibt, die nicht wie ein Film gebaut sind. Und bei denen ist man eben auch in den narrativen Passagen "ganz dabei", nah am Geschehen, nah an den Figuren. Anders als im Film oder in einer szenischen Passage, aber auch. Und das Narrative ist dabei auch keineswegs immer zusammenfassend, sondern ebenso oft ausmalend. Zeitebenen werden verwoben, Innen und Außen wird verwoben ... Lauter Dinge, die der Film nicht kann oder nur sehr schwerfällig kann.

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Du hast völlig recht, Barbara. Dagegen ist doch auch gar nichts zu sagen. Ich weiß nicht, was du da verteidigen willst. Was Sol Stein betrifft, so hat er nur diese drei von mir genannten Schreibkomponenten definiert. Wobei das Wort "Off" von mir war. Er sagt wörtlich: "Narrative Summary is the recounting of what happens offstage, out of the reader's sight and hearing, a scene that is told rather than shown."

 

Er sagt auch überhaupt nicht, dass man so nicht schreiben sollte. Nur, dass der Zeitgeschmack eher in Richtung "Immediate Scene" tendiert. Und er fügt hinzu, dass man damit wahrscheinlich leichter einen Verlag findet. :)

 

Außerdem ist auch Sol Stein nicht Gott. Ich finde nur, er hat für einen Autoren viel Nützliches zu sagen. Mir jedenfalls hat er diverse Male die Augen geöffnet.

Bearbeitet von Ulf Schiewe

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 Ich weiß nicht, was du da verteidigen willst.

Nur meine eigene Meinung, Ulf. Ich war halt mit einer deiner Aussagen nicht einverstanden. Eben der Sache mit dem Off. Von der ich dachte, sie käme von Sol Stein. Was dann gar nicht zutraf. Unklare oder missverständliche Begriffe stören mich einfach, weil sie dazu führen, dass alle munter aneinander vorbeidiskutieren.

 

Nix für ungut

 

Barbara

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 Ich weiß nicht, was du da verteidigen willst.

Nur meine eigene Meinung, Ulf. Ich war halt mit einer deiner Aussagen nicht einverstanden. Eben der Sache mit dem Off. Von der ich dachte, sie käme von Sol Stein. Was dann gar nicht zutraf. Unklare oder missverständliche Begriffe stören mich einfach, weil sie dazu führen, dass alle munter aneinander vorbeidiskutieren.

 

Nix für ungut

 

Barbara

 

 

Ich drück jetzt mal den nicht vorhandenen "Like-Button". :)

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Hallo Hans Peter,

 

ist nicht ganz richtig: Forrest Gump ist in eine Rahmenhandlung und eine Binnenhandlung gegliedert, wobei die Binnenhandlung von einer Erzählfigur, in diesem Fall Forrest Gump, erzählt wird. Somit ist es zwar indirektes Erzählen, da es eine Erzählfigur gibt, diese muss aber nicht zwingend nur narrativ Erzählen,

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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