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Alf

Wie viele Perspektiven verträgt ein Roman?

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Mir geht es manchmal schon auch so, dass mich Perspektivenwechsel stören - und zwar dann, wenn mich die Erzählstimme der jeweiligen Figur nicht erreicht. Was nicht gleichbedeutend mit "mögen" ist. Ich muss die Figur nicht mögen, aber ich muss sie - egal aus welchem Grund - faszinierend finden. Ist das nicht der Fall, langweile ich mich schnell. Ich habe schon Bücher abgebrochen, weil ich mit einer der Perspektiven, aus der erzählt wurde, absolut nichts anfangen konnte.

 

Das ist eben die großen Kunst, die man als Autor vollbringen muss: die Figur so zu gestalten, dass der Leser ihre Erzählstimme unbedingt hören will. Notfalls muss ich die Einschübe aus anderen Perspektiven kurz halten, damit mir der Leser nicht verloren geht.

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Man kann übrigens einen neuen Perspektivträger ganz am Schluss einführen, sofern die Figur bislang auch bekannt ist und eine tragende Rolle spielte, aber eben ohne eigene Perspektive. In dem Fall funktioniert es problemlos und stört die Leser auch nicht - die meisten merken es nicht mal, weil die Figur vorher schon präsent war.

Problematischer wird es, wenn man eine ganz neue Figur ganz am Schluss neu einführt - aber auch das geht, wenn es a) logisch ist und b) in sich stimmig.

 

Es gibt also keine NoGos - und letztlich wird man es sowieso nicht jedem Leser recht machen können. Es gibt kein einziges Buch auf der Welt, das jedem gefällt - nicht mal die Bibel ;-)

 

Gruß, Melanie

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Oh ja, lieber Ulf, ich kenne Deinen Schmerz ... jetzt bist Du aber erst bei Buch 6 (das fand ich noch sehr gut!), warte mal auf Buch 7 und 8; und noch schlimmer: Buch 9 und 10 ... Ich gestehe: Mit den letzten beiden werde ich ums verrecken nicht warm. Anstatt Handlungsfäden zusammenzuführen, macht der gute Georgieboy NOCH mehr Handlungsstränge auf und ich als Leser hab komplett den Kontakt zum Rest der Geschichte verloren. Ein gutes Beispiel also, wie man sich mit neuen Perspektiven verzetteln kann. Echt ärgerlich. Weil man weiß, dass er es besser kann. Da gibt es in seinem Blog so ein kleines Fingerübungskapitel von ihm, ein Lovecraft-Crossover, in dem sich Jaime und Tyrion dem Kampf gegen einen großen Alten stellen müssen ... ganz offensichtlich nur ein Spaß, aber das ist echt mal wieder ganz großes George RR Martin Kino :) Aber vielleicht zwingt ihn die parallele Verfilmung dazu, zu straffen, und endlich zum Punkt zu kommen ;D So. OT Ende ;)

 

Mann, Melanie, Deine Kommentare versüßen mir dann doch jedesmal den Abend :)

 

Ciao und schönen Abend,

 

Alf.

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Oh ja, das ist ein Graus! Ich lese gerade "Limit" von Frank Schätzing, und es ist für mich eine Qual, wenn ein Perspektiventräger über mehrere Kapitel hinweg Detektivarbeit leistet, um etwas herauszufinden, was ich als Leser schon unlängst weiß. Auch bei der Millenium-Trilogie von Stieg Larsson fand ich ab Band 2 diese Wiederholungsunart echt anstrengend. Und: Wie gesagt, George R.R. Martin. The Master :D

 

Ciao :)

 

Alf.

 

Im besten Fall leistet ein Perspektivwechsel ja mehr, als längst Bekanntes wiederzukäuen, nämlich auf einen bekannten Sachverhalt eben eine neue Perspektive zu ermöglichen, um Differenzierung, Komplexität und vor allem Spannung bzw. Empathie zu erzeugen.

 

Also: Bankräuber überfällt Bank. Aus der Sicht der Kassiererin, die vielleicht versucht, an den Alarmknopf zu kommen usw. 

Hier ist man zunächst auf der Seite der armen Frau. Wird sie überleben? Wird sie die Polizei informieren können? usw.

 

Jetzt kommt Disney ins Spiel: Aus der Sicht des Bankräubers, der Geld benötigt für die OP der krebskranken Tochter / des dreibeinigen Dackels / um einen Asteroiden vom Einschlag auf die Erde abzuhalten (wie auch immer das durch einen Banküberfall zu bewerkstelligen wäre). 

Jetzt schlägt das Herz natürlich für ihn (also, wenn man eines hat). Und man hofft, dass die Kassiererin sich jetzt nicht zu sehr in Gefahr bringt.

 

Das Beispiel ist natürlich maßlos übertrieben, um anschaulich zu sein. 

Ich könnte jetzt einen Banküberfall erzählen, die Perspektive 10x ändern und ein richtig komplexes Fass aufmachen (der Assistent des Einsatzleiters ist der Komplize des Bankräubers usw.).

Anknüpfungspunkt ist dabei das Geschehen in der Bank.

 

Auf diese Weise spielst Du mit der Empathie des Lesers Pingpong.

Wenn die neue Perspektive nichts Neues zu Handlung und Figuren beiträgt, ist sie (in meinen Augen) schlicht überflüssig.

 

Schöne Grüße & gutes Gelingen,

 

Holger

 

 

 

 

 

 

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Also: Bankräuber überfällt Bank. Aus der Sicht der Kassiererin, die vielleicht versucht, an den Alarmknopf zu kommen usw. 

Hier ist man zunächst auf der Seite der armen Frau. Wird sie überleben? Wird sie die Polizei informieren können? usw.

 

Jetzt kommt Disney ins Spiel: Aus der Sicht des Bankräubers, der Geld benötigt für die OP der krebskranken Tochter / des dreibeinigen Dackels / um einen Asteroiden vom Einschlag auf die Erde abzuhalten (wie auch immer das durch einen Banküberfall zu bewerkstelligen wäre). 

Jetzt schlägt das Herz natürlich für ihn (also, wenn man eines hat). Und man hofft, dass die Kassiererin sich jetzt nicht zu sehr in Gefahr bringt.

 

Das Beispiel ist natürlich maßlos übertrieben, um anschaulich zu sein. 

Ich könnte jetzt einen Banküberfall erzählen, die Perspektive 10x ändern und ein richtig komplexes Fass aufmachen (der Assistent des Einsatzleiters ist der Komplize des Bankräubers usw.).

Anknüpfungspunkt ist dabei das Geschehen in der Bank.

 

Auf diese Weise spielst Du mit der Empathie des Lesers Pingpong.

Wenn die neue Perspektive nichts Neues zu Handlung und Figuren beiträgt, ist sie (in meinen Augen) schlicht überflüssig.

 

Schöne Grüße & gutes Gelingen,

Holger

 

Dafür gibt es ein schönes Beispiel: den Film "8 Blickwinkel" http://de.wikipedia.org/wiki/8_Blickwinkel

 

Ein Terrorattentat aus verschiedenen Blickwinkeln. Zum Ende hin leider nicht mehr so spannend - und genau da zeigt sich das Problem, eine Sache von verschiedenen Seiten aus erzählen zu wollen. Ein gutes Lehrstück zur Frage der Perspektive ;)

 

@Anni: Gilgi habe ich auch gelesen, an die Perspektivwechsel kann ich mich gar nicht mehr erinnern, weswegen sie mich wohl nicht groß gestört haben durften

 

LG Ulrike

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Oh ja, lieber Ulf, ich kenne Deinen Schmerz ... jetzt bist Du aber erst bei Buch 6 (das fand ich noch sehr gut!), warte mal auf Buch 7 und 8; 

 

Sorry, Alf. Ich hätte sagen sollen, dass ich die Reihe auf Englisch gelesen habe. Buch 6 ist das letzte soweit. Die Fan-Gemeinde warte auf Buch 7. Also bis Band 6 mochte ich es noch, aber dieses letzte hab ich abgebrochen.

 

In Deutschlang ist ja jeder Band aufgesplittet worden. Das hatte ich vergessen.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich kann gar nicht ohne Perspektivwechsel schreiben, Michelle. Es ist mir einfach zu öde, immer nur einer Person zu folgen. Mich interessieren auch weitere Figuren, ich entwickle gerne ihre innere Ansicht und ich betrachte die Story und verfolge ihren Fortschritt sehr gern von mehreren Seiten. Ich habe meistens 3-4 Perspektiven in meinen Krimis, in den historischen Romanen gern 5-6. In den Romanzen nur zwei. Liebe lässt sich ja meist nur von zwei Seiten betrachten :-)

Mich stören auch kurze Einschübe wie bei Ulfs Beispiel beim Lesen nicht, selber mache ich das aber nicht (mehr). 

 

Brunhilde

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Im besten Fall leistet ein Perspektivwechsel ja mehr, als längst Bekanntes wiederzukäuen, nämlich auf einen bekannten Sachverhalt eben eine neue Perspektive zu ermöglichen, um Differenzierung, Komplexität und vor allem Spannung bzw. Empathie zu erzeugen.

 

 

 

Ja, genau daran erkenne ich einen guten Perspektivenwechsel auch! 8 Blickwinkel fand ich persönlich ein eher weniger gelungenes Beispiel für Perspektivenwechsel, weil da der ständige Wechsel zum dramaturgischen Selbstzweck verkommen ist. Man weiß von Anfang an: Auf die Sichtweise verlasse ich mich nicht. Ist eh nicht vollständig. Und das macht die ganze Geschichte für mich sehr zäh.

 

Was mir diese Diskussion (und die vorherige) auf jeden Fall gebracht haben, ist die Einsicht, dass man seine eigene Motivation für Perspektivwechsel SEHR genau prüfen sollte! Manchmal ist es tatsächlich eine Art Fluchtreflex, weil es einfach anstrengender ist, aus der Sicht einer Hauptfigur zu schreiben (weil man vor der Gefühlslage dieser Figur zurückschreckt, oder oder oder). Manchmal ist es tatsächlich einfach auch autorentechnischer Spieltrieb, um "mal wieder was anderes" zu sehen, obwohl, bei genauem Hinsehen, die Perspektive einer Hauptfigur ein wesentlich dichteren Erzählfluss erzeugt. Aber man soll ja nicht sich selbst beschenken, sondern den Leser :)

 

Und, lieber Ulf, Band 6? Echt? Ich dachte der kommt erst raus? Sind wir mit "Dance of Dragons" nicht bei Band fünf? Dance of Dragons jedenfalls ist der Band, der mich eeeecht langweilt. Und mit seiner ständigen (storytechnisch) unmotivierten Grausamkeit übelst auf die Nerven geht ;) Meine Freundin guckt sich gerade die Serienadaption eben dieses Bandes an. Auch sie hat die Segel gestrichen ("jetzt kann er mich mal kreuzweise"). Hoffentlich hoffentlich hoffentlich hört er all diese Klagerufe und kehrt in Winds of Winter wenigstens wieder ein klein wenig zu seinen alten Stärken zurück. 

 

Ciao!

 

Alf.

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