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jueb

Grammatik/Stilfrage

Empfohlene Beiträge

Das ist von mir auch alles nur überspitzt gesagt. Vielleicht sollte ich es anders formulieren. Literatur wäre dürftig, wenn nur das gelten würde oder vorhanden wäre, was der Autor glaubt, in seine Bücher hineingelegt zu haben.

 

Deshalb finde ich es auch so komisch, Autoren zu bitten, ihren Roman zu erklären. Anders ist es, sie nach den Hintergründen ihres Buches zu fragen.

 

Bei den besten Autoren gibt es jenseits der Kontrolle, die sie mehr oder weniger über das von ihnen Geschriebene fraglos haben, etwas Unkontrolliertes, das ihnen entgeht, von dem sie vielleicht gar nicht wissen und das - meiner Meinung nach - nicht selten die eigentliche Qualität ihres Buches ausmacht, oder zumindest einen großen Teil seiner Kraft und Wirkung.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Du nimmst als Autor ja viel wahr, dessen Hintergrund du nicht weißt und nicht verstehst. Aber wenn du das Wahrgenomme in einen Roman übernimmst, übernimmst du auch diese Dinge.

 

Ich habe mal eine kurze Geschichte über Mann geschrieben, der von einem Termin zum nächsten hoppte. Eine befreundete Psychologin kommentierte: "Der ist bei seiner Frau impotent". Darüber hatte ich mir gar nicht den Kopf zerbrochen. Und was soll ich sagen, einige Jahre später erfuhr ich: Der Mann, aus dem ich die Figur entwickelt hatte, war tatsächlich ...

 

Ich denke, die Handlung ist sicher den meisten Autoren bewußt, aber die Hintergründe, manches aus der Psychologie der Figuren, vieles an einem Roman (oder anderem Kunstwerk) ist eben unbewußt. Das, was zwischen den Zeilen steht, ist oft wichtiger als das, was der Autor schreibt. Und ihm nicht immer bewußt.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Ich glaube, dass wir uns nicht bewusst sind, welche Untertöne und Zwischentöne in unser Schreiben einfließen. Und das kein Romanautor seinen Roman erklären kann, wenn er das könnte, wäre es - Vorsicht spitze These :-) - ein schlechter Roman.

 

Ich sehe das anders - ein Autor, der sich viele Gedanken über sein Werk gemacht hat und handwerklich grandios ist, wird auch seinen Roman erklären können.

 

Ich kontere sonst mal mit einer spitzen Gegenthese ;):

Wenn wir einen Schimpansen an eine PC-Tastatur setzen und dabei Wortsalat herauskommt, den wir als Dadaismus verkaufen könnten, ohne den Literaturwissenschaftlern zu sagen, wer der Autor ist, werden die garantiert die genialsten Dinge da rein interpretieren - aber der Affe kann seinen "Roman" nicht erklären.

 

Die Vielschichtigkeit eines Romans liegt also im Auge des Betrachters. Ein Autor kann seinen Roman erklären - aber dennoch können andere Leute aus einem anderen Blickwinkel etwas anderes wahrnehmen - weil Kunst und das geschriebene Wort sich immer im Kopf des Gegenübers voll entfalten. Die Kunst lebt vom Betrachter und von dem, was er darin sehen möchte.

 

Gruß, Melanie

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Bei den besten Autoren gibt es jenseits der Kontrolle, die sie mehr oder weniger über das von ihnen Geschriebene fraglos haben, etwas Unkontrolliertes, das ihnen entgeht, von dem sie vielleicht gar nicht wissen und das - meiner Meinung nach - nicht selten die eigentliche Qualität ihres Buches ausmacht, oder zumindest einen großen Teil seiner Kraft und Wirkung.

 

Gerade bei Autoren, die "wahrnehmbar kalkuliert", wie Angelika das fuer mich sehr treffend formuliert hat, schreiben, gefaellt es mir, das zu bemerken, das Moment, an dem der Roman ueber sich hinausweist. (An "Holzfaellen" haetten wir das auch gut - und vermutlich sehr kontrovers - diskutieren koennen, faellt mir gerade auf.)

 

Es gibt in der alten Leserunde zu Visby ein paar Antworten von Barbara, die Elemente enthalten, die ich meine, z.B. Planungsansaetze, bei denen sich erst waehrend des Schreibens (oder auch erst hinterher) zeigt, warum sie zusammengehoerten und erst, wenn sie zusammenfinden, was aus ihrer Verschmelzung wird oder werden koennte.

Nicht erklaeren koennen heisst fuer mich vor allem: Nicht rechtfertigen, nicht begruenden, nicht Absicht deklarieren, nicht durch Herausstellung des Kalkulierten ad absolutum das gesamte uebrige Potential abwuergen.

 

Herzlich,

Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Die Vielschichtigkeit eines Romans liegt also im Auge des Betrachters. Ein Autor kann seinen Roman erklären - aber dennoch können andere Leute aus einem anderen Blickwinkel etwas anderes wahrnehmen - weil Kunst und das geschriebene Wort sich immer im Kopf des Gegenübers voll entfalten. Die Kunst lebt vom Betrachter und von dem, was er darin sehen möchte.

Melanie, das ist doch das, was Jueb und andere sagen: Dass Leser in Romanen (jedenfalls in den guten) Dinge entdecken, die dem Autor nicht bewußt waren. Ob zu Recht oder Unrecht, darüber zu diskutieren ist müssig. Wenn eine Gruppe von Lesern zu einem Roman Assoziationen haben, dann mag das gewollt oder nicht gewollt sein: Es findet jedenfalls statt.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Nein - für mich ist es etwas anderes, ob ich einen Roman erklären kann, oder ob andere etwas anderes darin sehen.

In meinen Augen hat ein guter Autor eine Intention und eine Absicht - meine persönliche Meinung - und genau das unterscheidet ihn von dem Schimpansen, der auf der Tastatur rumhackt.

 

Ihm den Plan, die Idee und die Intention, die er auch erklären kann, abzusprechen, bedeutet, den Autor zum experimentierenden Schimpansen zu machen.

 

Unabhängig davon gibt es aber die Vielschichtigkeit, in der das Unbewusste von Autor und Betrachter einfließt.

 

Gruß, Melanie

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Bei den besten Autoren gibt es jenseits der Kontrolle, die sie mehr oder weniger über das von ihnen Geschriebene fraglos haben, etwas Unkontrolliertes, das ihnen entgeht, von dem sie vielleicht gar nicht wissen und das - meiner Meinung nach - nicht selten die eigentliche Qualität ihres Buches ausmacht, oder zumindest einen großen Teil seiner Kraft und Wirkung.

 

Gerade bei Autoren, die "wahrnehmbar kalkuliert", wie Angelika das fuer mich sehr treffend formuliert hat, schreiben, gefaellt es mir, das zu bemerken, das Moment, an dem der Roman ueber sich hinausweist. (An "Holzfaellen" haetten wir das auch gut - und vermutlich sehr kontrovers - diskutieren koennen, faellt mir gerade auf.)

 

Herzlich,

Charlie

 

Ja, genau das meine ich. Visby hat es ebenfalls, und einige Romane, die uns - auf gute Weise, möchte ich sagen, "schwer" im Magen liegen.

 

LG

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich könnte meine Romane nicht erklären. Ich könnte viel darüber sagen, was die Motive und Absichten sind bzw. waren, welche Themen es gibt, wie ich die Hintergründe der Figuren angelegt habe und auf was bzw. wen sie sich beziehen, ich könnte über Offensichtliches sprechen wie Handlungsabläufe und Interaktion usw. usf., aber wenn jemand den Finger auf eine beliebige Passage legte und fragte: Warum genau das?, Warum hast Du das so und nicht anders gemacht?, müsste ich in vielen Fällen eine präzise Antwort sehr wahrscheinlich schuldig bleiben. Es ist so, weil es sich beim Schreiben richtig anfühlte. Weil ich mich auf Situation, Figuren, Szenario usw. eingelassen habe, ohne Kopfschere, einen Ausdruck der wichtigsten Grammatikregeln vor Augen oder einen Sol Stein unter dem Gesäß. Klar, es gibt immer auch Abschnitte, die eher spielerisch entstanden sind, aus Formulierungsideen, fast ein bisschen abgehoben, aber meistens ist der Prozess ein sehr direkter, ohne irgendwelche filternden Mechanismen, Kalkül oder gar Manipulationsgedanken. Jedenfalls nicht aktiv. Gut möglich, dass ich den Ablauf auch einfach nicht mehr im Blick habe, sogar ignoriere, wie beim Zehnfingerblindschreiben, das plötzlich hakt, wenn man sich darauf zu konzentrieren versucht, welcher Finger jetzt genau welche Taste betätigt.

 

Vielleicht schreibe ich dadurch schlechter als ich könnte, vielleicht aber auch besser als bei aktivierter Wort-für-Wort-Wahrnehmung nebst kognitiv-antzipierender Reflexionsanalyse.

 

Was alles nicht heißt, dass ich nicht überarbeite und feinschleife. Aber dann auf einer anderen Ebene. Fast schon als Leser.

 

Herzlich,

Tom

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