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Angelika Jo

Holzfällen

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Nein, ich lese das so, dass dieses "Wald Hochwald Holzfällen" den Ich-Erzähler für einen Moment lang daran erinnert, dass es auf der Welt noch andere Dinge gibt als den Hass und die Liebe unter Künstlern. Für mich bilden diese Worte innerhalb des Textes das Hinweisschildchen: "Notausgang". Was der Ich-Erzähler beim Burgschauspieler würdigt, ist daher auch nicht irgendeine philosophische Einsicht, sondern er erkennt dieses Gefühl wieder: Der will hier auch raus.

So habe ich es auch verstanden. Besonders, da das Wort auch als Titel verwendet wurde. Der Wald als momentaner Sehnsuchtsort.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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"Notausgang" finde ich auch gut. Aber ich fand auch, dass das vom Erzaehler wenigstens fluechtig als ein Moment erlebt wird, in dem sich mal jemand reduziert statt sich aufzublasen. (Obwohl das ein Aufblasen im Reduzieren ist, klar.)

Ausserdem hab ich, obwohl der Burgschauspieler das ja noch eigens erwaehnt, an einen Naturtrip gar nicht so gedacht, sondern mich mehr an das erinnert, was der Erzaehler viel frueher sich im Ohrensessel sagt: "ich lebe kein tatsaechliches, kein wirkliches, ich lebe und esistiere nur ein vorgespieltes, ich habe immer nur ein vorgespieltes Leben gehabt."

Das ist fuer mich uebrigens auch ein Erleben, das zur kuenstlerischen Existenz an und fuer sich gehoert, nicht zu einer konkreten Situation. Ich fand Holzfaellen eher wie Brotbacken, Pferdstriegeln, Unkrautrupfen, diese kurze Gier nach einem Leben, das griffig und eindeutig und ohne Spiel und Zweifel ist.

 

Ulf, ich finde nicht, dass du allein auf weiter Flur mit deiner Kritik bist - hoechstens mit ihrer Heftigkeit. Angelika geht auch recht kritisch mit dem Text um, findest du nicht?

Ich glaube nicht, dass dieser Text nicht mehr als eine konkret ausgerichtete Schmaehschrift ist, dazu scheint mir das aufgefahrene Geschuetz zu vielboedig und mit zu viel Rueckfeuerung versehen (so wie du's mit der Wuerde formuliert hast).

 

Herzliche Gruesse von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Hallo!

 

Ja, "Notausgang" scheint mir ebenfalls gut getroffen. Mir ging's auch so: ich halte den Burgschauspieler mit seiner Naturbeschwörung nicht unbedingt für glaubwürdig, doch unseren so monomanischen Erzähler hat das für einen Moment zumindest auf eine andere Spur gebracht.

 

Für mich hat das Aufrufen des Holzfällens usw. durchaus noch eine andere Bedeutungsebene. In der Natur gibt es wenigstens keine Menschen, es ist ein Ort jenseits des Gequassels, da ist dann auch niemand, den man verachten könnte. Und sollte nicht, wer die Gemeinschaft nicht erträgt, in solche Einöde oder ins Kloster, sprich Schweigeseminar :-) gehen?

 

Claudias wunderbare Ausführungen zum Seriellen, auch in der Musik, habe ich gerade nachgelesen. Und ich glaube, das ist etwas, was mir an der Form der Erzählung so gut gefällt. Formal liegt Stillstand und Bewegung in einem vor. Diesen Widerspruch in eine ästhetische Struktur zu bringen, finde ich toll. Während mich diese 3-Akt-Modelle manchmal nerven, oder anders gesagt, ich sie etwas einseitig finde, als müsse jede (gute) Geschichte so zielgerichtet voran gehen. Exposition - Konflikt - Lösung. These - Antithese - Synthese. So ist das Leben aber nicht automatisch.

 

LG

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich finde nämlich nicht, dass der Ich-Erzähler irgendwo zu Wahrhaftigkeit oder Authentizität vorstößt.

Absolut - er versinkt am Ende ganz in der Lüge, küsst die Auersberger, biedert sich an. Es gibt nur diesen einen Moment, als der Schauspieler zum Augenblicksphilosophen wird, dies empfinde ich genauso, wie Barbara es beschreibt:

 

Der einzige Moment, in dem so etwas wie Authentizität aufscheint, ist dieses "Wald. Hochwald. Holzfällen", und das kommt nicht von ihm, sondern vom Schauspieler. Er erkennt es nur, er erkennt es wieder.

 

Übrigens habe ich den Schauspieler auch nicht als authentisch gesehen, deswegen schrieb ich "authentisch" als ich ihn als wichtige Figur bezeichnet habe. Wenn er authentisch ist, dann ist's ein Versehen. Aber, wie Angelika schrieb, er ist der einzige, der für einen Moment die Maske fallen lässt. Wenn ich's recht bedenke, hat "Wald. Hochwald. Holzfällen" auch etwas sehr Hilfloses, ein hilfloser Versuch, dem Ungekünstelten (auch Unkünstlerischen?) wieder nahe zu kommen.

 

Ist ein wahrhaftiges Künstlertum überhaupt möglich? So könnte die Frage auch lauten. Wo weicht man der eigenen Wahrhaftigkeit/künstlerischen Kraft aus und geht einen bequemeren Weg? Joana tut es, der Auersberger tut es, die "Juniröcker" tut's auch, sie macht sich mit den Politikern gemein, die sie eben noch geschmäht hat usw. Der Erzähler tut es dauernd, er ist ungefestigt, dreht sich, windet sich, eben auch in der Sprache.

Deshalb spricht dies mich sehr an:

 

Vielleicht ist nicht das Streben nach Authentizität das eigentliche Thema, sondern die Trauer bzw. eben verzweiflung über den Verlust der eigenen Authentizität?

Herzlich

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Aber positiv geht er auch ran an die Frage vom wahrhaftigen Künstler. Damit beginnt die Qualspirale. Weil es als Forderung: "Mensch, sei wesentlich!" so wahnsinnig abstrakt ist. Anders gesagt und auf juebs "Bekenntnisse" hin: Ich zum Beispiel stelle eine solche Forderung nicht an mich. Weil ich für solche Dinge wie "Wahrhaftigkeit" erst mal einen Kontext haben möchte. Wem gegenüber soll ich wahrhaftig sein, bitte? Einem Feind? – Ich bin doch nicht blöd. Einem Freund? Für den brauche ich keinen Imperativ, dem kann ich doch ruhig alles sagen, was ansteht.

 

Mir selbst gegenüber. Dem, was ich für mich "meine künstlerische Kraft" nenne, ich hab keinen besseren Ausdruck dafür. In welchen Verkleidungen schicke ich die in die Arena? Was lasse ich zu, dass man ihr antut/was nicht? Sind mein Ego/meine Eitelkeit/mein Bedürfnis und die Notwendigkeit, von meiner Kunst zu leben, stärker als meine "künstlerische Kraft?"

 

Und das alles verquickt er noch mit einem zusätzlichen Anspruch an den Künstler. Denn dass man derart sauer auf gerade diese Leute ist und sie dauernd als Nicht-Künstler = Spießbürger demaskieren möchte, gibt es ja nur, wenn man eigentlich doch dran glauben möchte, dass dieser Berufsstand zu besonders hoher Moral prädestiniert ist.

Klar, hier sehen wir immer das Ziel oder den Anspruch, dass Kunst verändern soll, in Bernhards Zeit noch das Bestreben, mit Kunst "die Gesellschaft zu verändern", sehr platt ausgedrückt.

Aber ich kann es auch gut auf heutige Zeit beziehen, den Wunsch, dass so vieles, was man schreibt, harmlos sein und Bestehendes zementieren soll (in der U, hauptsächlich, jedoch nicht nur)

 

Da kann ich nur drauf sagen: Ist er nicht. Unter all den Schauspielern, Schriftstellern, Malern und Musikern, die ich im Leben kennen gelernt habe, war der Proporz an unangenehmen Zeitgenossen ungefähr so hoch wie bei den Lehrern, Immobilienmaklern und Kaminkehrern, denen ich außerdem begegnet bin.

Dass sie angenehmere oder moralisch bessere Zeitgenossen sein sollen, ich weiß nicht, ob er dies fordert. Nur dass sie ihre Kunst, ihre, verdammt, jetzt sag ichs wieder, Wahrhaftigkeit in der Kunst nicht verleugnen sollen, dies ist der moralische Anspruch - an dem alle scheitern.

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ich wuerde auch gern noch nach Textzitaten suchen (leider nicht mehr heute, fuercht' ich), die belegen, was Authentizitaet fuer den Erzaehler sein koennte.

Ja, fänd ich auch interessant!

 

Eure Überlegung zur Müdigkeit/Verzweiflung des Erzählers, der so gar nicht erregt scheint, finde ich auch sehr treffend. Der ist eigentlich jenseits der Erregung, aber es treibt ihn durch Wiens Innenstadt. Am Ende ist er erregt, so wie er durch die Straßen streift.

Von welcher Warte aus spricht der eigentlich? Wie lange ist das Ereignis her? Ich finde den Gebrauch der Tempi nämlich auch so interessant in dem Text!!

 

 

Für mich hat das Aufrufen des Holzfällens usw. durchaus noch eine andere Bedeutungsebene. In der Natur gibt es wenigstens keine Menschen, es ist ein Ort jenseits des Gequassels, da ist dann auch niemand, den man verachten könnte. Und sollte nicht, wer die Gemeinschaft nicht erträgt, in solche Einöde oder ins Kloster, sprich Schweigeseminar Smiley gehen?

JA! Wär mir nicht aufgefallen, bzw hab ich nicht drüber nachgedacht, aber auch das schwingt mit. Was ist der Künstler ohne Publikum?

 

Diesen Widerspruch in eine ästhetische Struktur zu bringen, finde ich toll. Während mich diese 3-Akt-Modelle manchmal nerven, oder anders gesagt, ich sie etwas einseitig finde, als müsse jede (gute) Geschichte so zielgerichtet voran gehen. Exposition - Konflikt - Lösung. These - Antithese - Synthese. So ist das Leben aber nicht automatisch.

OH JA! Und das ist es ja, was Literatur von z.B Film oder Theater unterscheidet! Deshalb empfinde ich das Drei-Akt-Modell in der Literatur zwar als ein geeignetes Hilfsmittel, manchmal aber auch als Falle, bzw. als Fessel.

Liebe Grüße

Claudia

 

Würde auch sehr sehr gern über Juebs These weiter diskutieren, vielleicht sogar mit Bezug auf den Text, denn sonst geht schnell Meinung gegen Meinung.

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Claudia, über dein allerletztes Posting mache ich mich nachher noch her, versprochen, da muss ich aber noch etwas nachdenken, ja.

 

Zu allem anderen, was bisher gesagt wurde: Ihr werdet lachen – ich bin ganz auf eurer Seite. Notausgang, von mir aus Kloster und raus aus dem reduzierten Leben – genau das meint er, das sehe ich wie ihr. Mir gehts aber um den Inhalt dieser drei Worte. Wenn einer "Holzfällen" sagt – das ist doch das Antiprogramm zum Verkopfdubidumm, das lässt sich doch nicht überhören. Eben, wie du sagst, Charlie:

 

Das ist fuer mich uebrigens auch ein Erleben' date=' das zur kuenstlerischen Existenz an und fuer sich gehoert, nicht zu einer konkreten Situation. Ich fand Holzfaellen eher wie Brotbacken, Pferdstriegeln, Unkrautrupfen, diese kurze Gier nach einem Leben, das griffig und eindeutig und ohne Spiel und Zweifel ist.[/quote']

 

Nix dagegen, wenn einer gern Pferde striegelt oder Unkraut rupft. Aber so unschuldig ist das nicht gemeint, sondern als die Erlösung von dem, was er sich mittels Denken und Dichten an Problemen zusammen getragen hat. Und da würde ich schon sagen: Wenn einer mit einem Gedanken nicht klar kommt in seinem Kopf, dann muss er sich den Gedanken anschauen und gegebenenfalls anfangen, umzudenken. Aber nicht den Kopf abschalten!

 

Versteht ihr, was ich meine?

 

Und noch zu Ulf: Nein, das glaube ich nicht, dass der Bernhard einfach ein paar Bosheiten gegen ihm missliebige Leute los werden wollte. Guck an, was das für ein dicker Teppich ist, den er gewebt hat, da kommt der Bolero drin vor und ein skandinavischer Dichter. Und mit Sicherheit der von Claudia zitierte Weltverbesserungsidealismus als Kunstprogramm. Du musst ihn ja nicht mögen – aber wahrzunehmen gibts schon viel in seiner Erzählung, würde ich sagen.

 

Angelika

 

P.S: Überschnitten, ich meinte dein vorletztes Posting, Claudia. Übrigens sind deine Möwen gerade hier aufgeflattert!

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Also, dies eine noch für heute Abend:

 

Aber positiv geht er auch ran an die Frage vom wahrhaftigen Künstler. Damit beginnt die Qualspirale. Weil es als Forderung: "Mensch' date=' sei wesentlich!" so wahnsinnig abstrakt ist. Anders gesagt und auf juebs "Bekenntnisse" hin: Ich zum Beispiel stelle eine solche Forderung nicht an mich. Weil ich für solche Dinge wie "Wahrhaftigkeit" erst mal einen Kontext haben möchte. Wem gegenüber soll ich wahrhaftig sein, bitte? Einem Feind? – Ich bin doch nicht blöd. Einem Freund? Für den brauche ich keinen Imperativ, dem kann ich doch ruhig alles sagen, was ansteht. [/quote']

 

Mir selbst gegenüber. Dem, was ich für mich "meine künstlerische Kraft" nenne, ich hab keinen besseren Ausdruck dafür. In welchen Verkleidungen schicke ich die in die Arena? Was lasse ich zu, dass man ihr antut/was nicht? Sind mein Ego/meine Eitelkeit/mein Bedürfnis und die Notwendigkeit, von meiner Kunst zu leben, stärker als meine "künstlerische Kraft?"

 

Mir selbst gegenüber, sagst du. Steht mir da aber in diesem "ich selbst" auf eine Person runtergekreuzt nicht auch wieder das Duo von Freund und Feind gegenüber? Wenn wir ein banales Beispiel konstruieren: Da will einer von mir, dass ich ein bescheuertes Loblied auf einen grässlichen Menschen dichte. Also, quasi der Feind lockt mit seinen Mitteln. Und ich machs, weil – welches weil kann es denn da nur geben? Ich meine, dass in solchen Fällen eine Güterabwägung ansteht: Loblied bescheuert – aber Loch im Geldbeutel noch schlimmer, also dicht ich drauf los. Oder Loblied bescheuert – aber Ego/Eitelkeit etc wird bedient. Hopperla: Will ich das? Was hätt ich denn dann überhaupt für ein Ego am Ende?

 

Oder nimm juebs Beispiel von ganz weit vorn: "Wie findest du mein neues Buch?", fragt ein Freund. Und man findet es nicht so doll – was tun? Doch, ich weiß, dass so was schwierig sein kann. Aber bevor ich ein moralisches Gebot aufstelle (an das sich letztlich niemand – das ist immer so mit der Moral – hält), würde ich wieder sagen: Güterabwägung. Wem ist geholfen, wenn ich jetzt fürchterlich ehrlich bin und dem anderen bricht das Herz? Oder, wenns ein wirklich schauerliches Ding ist – möchte ich dran schuld sein, wenn er sich hinsetzt und gleich wieder so was verfasst? Dann bin ich mir selber ein Freund, wenn ich dem Freund einer bin, würde ich sagen.

 

So was meine ich mit Kontext. Ich kann nicht einfach sagen: Yes, ich werde stets wahrhaftig sein als Mensch oder als Künstler. Sondern ich werde mich realistisch gesehen einmal so entscheiden, das andere Mal so. Je nachdem, was auf dem Spiel steht und wer es ist, der was von mir verlangt.

 

Host mi?

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Ich muss sagen, Leute, "Middlesex" ist schon eher meine Art von Buch. :)

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Lieber Ulf,

Middlesex ist einfach grandios.  Wollen wir auch darüber diskutieren?

Liebe Angelika,

Mir selbst gegenüber, sagst du. Steht mir da aber in diesem "ich selbst" auf eine Person runtergekreuzt nicht auch wieder das Duo von Freund und Feind gegenüber? Wenn wir ein banales Beispiel konstruieren: Da will einer von mir, dass ich ein bescheuertes Loblied auf einen grässlichen Menschen dichte. Also, quasi der Feind lockt mit seinen Mitteln. Und ich machs, weil – welches weil kann es denn da nur geben? Ich meine, dass in solchen Fällen eine Güterabwägung ansteht: Loblied bescheuert – aber Loch im Geldbeutel noch schlimmer, also dicht ich drauf los. Oder Loblied bescheuert – aber Ego/Eitelkeit etc wird bedient. Hopperla: Will ich das? Was hätt ich denn dann überhaupt für ein Ego am Ende?

 

Für mich sind das viel kleinere Schritte, etwas, das vielleicht unmerklich passiert. Loblied auf den grässlichen Menschen - niemals! Auch nicht, wenn besagtes Loch im Geldbeutel klafft. Aber Zugeständnisse machen, erst kleinere, dann vielleicht größere, wie immer die aussehen. Im Fall von Bernhard an diejenigen, die die Subventionen verteilen, das ist der "E"-Weg, und den kenne ich persönlich auch, wenn man aufmarschiert und für Zuschüsse vom Kulturamt kämpft. Wie authentisch ist man da? (Genauer werde ich mich dazu nicht äußern, und ich meine explizit nicht so etwas wie Stipendien etc)

Der U-Weg sind Zugeständnisse an Publikums/Verlagserwartungen. Oder hundert Leute, die bei Drehbüchern mitbestimmen (es gibt hier im öffentlichen Bereich einen solchen Thread, er ist erschreckend).

Es sind viele, viele kleine Schritte und es kann sein, dass irgendwann das, was ich künstlerische Kraft nenne, schwächelt.

Das Ego ist glücklicher, wenn es Erfolg hat, wenn ihm geschmeichelt wird, und ich (persönliche Meinung!) glaube, es kann weit besser sein, Kompromisse zu machen, als sich auf sein hehres Künstlertum zu berufen und verkannt zu bleiben (auch dafür gäb es parodiewürdige Beispiele).

 

So was meine ich mit Kontext. Ich kann nicht einfach sagen: Yes, ich werde stets wahrhaftig sein als Mensch oder als Künstler. Sondern ich werde mich realistisch gesehen einmal so entscheiden, das andere Mal so.

Das ist mit Sicherheit so, aber wir haben es hier mit einer gewollten Zuspitzung zu tun. Mit deformierten Künstlern oder mit deformierten Menschen. Und hier natürlich die Frage: Wer ist nicht deformiert, wer ist so naiv, an Wald, Hochwald, Holzfällen zu glauben? Noch nicht mal der Burgschauspieler, der Augenblicksphilosoph (ich liebe den Text allein schon für dieses Wort).

Er gibt einem einfach zu denken, der Bernhard, finde ich.

Künstlergrüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Mir gibt der Bernhard-Text auch immer noch zu denken. Er zementiert z. B. mein Misstrauen gegenüber Menschen, die den Begriff "Authentizität" allzu leichtfertig mit sich führen. Sollte es jemanden geben, der es ist, würde er das niemals von sich behaupten. Nur dann würde ich überhaupt in Erwägung ziehen, ihm für authentisch zu halten.

Ähnlich fragwürdig finde ich übrigens die Formulierung "zu sich selbst finden". Was ist das denn für ein "ich", das da zu sich selbst findet - das authentische Ich??!! etwa? Dass Bernhsrd solche scheinbaren Gewissheiten mit vom Tisch wischt, finde ich eine Qualität des Buches.

 

LG

Jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich bedanke mich jetzt schon mal für eure beiden statements, jueb und Claudia, bei denen ich Silbe für Silbe mitgehe (außer in einer Kleinigkeit – wie zu erwarten war ;) ). Antworten kann ich erst am Nachmittag, weil ich gleich außer Haus muss.

 

Bis dann also,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Mir gibt der Bernhard-Text auch immer noch zu denken. Er zementiert z. B. mein Misstrauen gegenüber Menschen, die den Begriff "Authentizität" allzu leichtfertig mit sich führen. Sollte es jemanden geben, der es ist, würde er das niemals von sich behaupten. Nur dann würde ich überhaupt in Erwägung ziehen, ihm für authentisch zu halten.

Ähnlich fragwürdig finde ich übrigens die Formulierung "zu sich selbst finden". Was ist das denn für ein "ich",  das da zu sich selbst findet - das authentische Ich??!! etwa? Dass Bernhsrd solche scheinbaren Gewissheiten mit vom Tisch wischt, finde ich eine Qualität des Buches.

 

LG

Jueb

Was soll mit "Authentizität" eigentlich gemeint sein? Es gibt keine absolute Wahrheit. Und schon gar nicht in der Kunst. Da ist doch immer der persönliche Filter zugange, die individuelle Verformung und Darstellung. Gerade das macht ja die Kunst interessant. Jeder Künstler gibt der "Wahrheit" eine andere Form und Interpretation. Reiner Realismus ist meist öde. Man könnte nie einen Dialog schreiben, wie Menschen wirklich reden. Das wäre viel zu banal und langweilig.

 

"Authentizität", wenn überhaupt, sollte als ein Gefühl im Betrachter entstehen. Ein Eindruck, hier wird etwas Wahres gesagt, gezeigt, gespielt. Im Grunde ist es nichts als die Wahrnehmung einer gelungenen Täuschung. Ich versuche in der Tat, Authentizität in meine Geschichten zu bringen. Dabei ist alles Fantasie, ich habe es mir ausgedacht, es ist gelogen, wenn man so will. Wenn es dem Leser aber real erscheint, ist mir die Täuschung gelungen.

 

Und mit "zu sich selbst finden" kann ich auch nichts anfangen. Wenn gemeint ist, seine eigene künstlerische Freiheit zu beanspruche und ihr Ausdruck zu verleihen, das ist natürlich eine andere Art der Authentizität. Die sollte man durchaus verteidigen. Aber, wir leben ja nicht im Vakuum. Wir sind auch darin von anderen abhängig. Denn wir wollen ja auch die Anerkennung haben. Völlig frei ist der Mensch nie. Kompromisse sind die Grundlage des Zusammenlebens. Wie weit kann man mit dem "Eigenen" vorstoßen, wo muss man Einschränkungen machen? :)

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[Wie weit kann man mit dem "Eigenen" vorstoßen' date= wo muss man Einschränkungen machen? :)[/quote]

 

Und wann gehen die Einschraenkungen so weit, dass man das Eigene nicht mehr erkennt?

 

Ich bemerke, dass ich mich seit dem Lesen von "Holzfaellen" aus dem Ohrensessel beobachtet fuehle.

 

Herzlich,

Charlie

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Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen den Faden verloren habe. Was Claudia über die künstlerische Kraft geschrieben hat, möchte ich einfach unterschreiben – auch die Sache mit dem E-Weg und dem U-Weg ins Verderben. ;-) Und was jueb über Lügen und Ehrlichkeit im sozialen Umgang schreibt, finde ich auch sehr wahr und auf den Punkt gebracht. Aber eigentlich sind das für mich zwei verschiedene Themen. Klar, bei Bernhard sind sie miteinander verknüpft: Die soziale Enge in der Wiener Künstlerszene und die damit verbundene Unehrlichkeit im Umgang raubt dem Ich-Erzähler die künstlerische Kraft und bewirkt, dass sämtliche anwesende Künstler "ihre" Kunst mehr oder weniger umfassend verraten haben. Trotzdem habe ich ein Problem damit, beides unter denselben Begriff "Authentizität" zu fassen. Und Faktentreue wäre wieder noch ein ganz anderes Thema.

 

Deine Einwände, Angelika, habe ich dagegen noch nicht ganz verstanden, fürchte ich. Für mich hat diese Wutrede in "Holzfällen" in allererster Linie mit Selbstschutz zu tun: Der Künstler versucht sich vor dem Verlust der eigenen künstlerischen Kraft zu schützen (und scheitert). Mit Moral hat es eher am Rande zu tun. Aber wie gesagt, ich fürchte, ich habe deinen Einwand noch gar nicht richtig verstanden.

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Aha. Dann muss ich mich vielleicht noch einmal erklären, Barbara.

 

Du sagst, der Künstler möchte seine künstlerische Kraft schützen. Glaub ich auch, dass das in "Holzfällen" gemeint ist. Aber ich bekomme an keiner einzigen Stelle in dem ganzen Text einen Inhalt zu dieser Kraft genannt. Er stellt nur gegenüber: Künstler und Pseudokünstler (z.B, p. 128 in meiner Ausgabe); ein tatsächliches und ein nur vorgespieltes Leben (p. 105), das "nur Künstlerische" vs "die Kunst" (p.90). Ja, was macht denn nun die Kunst aus gegenüber dem nur Künstlerischen, möchte ich da dauernd fragen. Wo hast du denn dein Kriterium, Erzähler? Beim Personal hat er klar getrennt: Sämtliche Anwesende auf dem Abendessen sind Pseudo. Wahre Kunst vertritt nur die tote Joanna. Wieso die? Keine Antwort, außer, dass sie sich momentan schlecht aus dem Ohrensessel beobachten lässt.

 

So bleibt für mich ein leerer Imperativ übrig: Sei wahrhaftig(er Künstler)! – Und solche Imperative haben für mich einen moralischen Gehalt. Moral besteht ja nicht nur aus Kant oder einer päpstlichen Enzyklika. Moralisch besetzt ist für mich ein Imperativ dann, wenn er sich abkoppelt aus einer konkreten Situation, aus der sich erklären ließe, warum es in Ordnung ist, so und nicht anders zu handeln. Einem einfach aufzudrücken: Sei gefälligst echt, wahrhaftig, authentisch – ich finde schon, dass das moralisch ist (und ich denke, es ist auch klar geworden, dass ich von moralischen Gesten nicht so recht überzeugt bin).

 

Kennt jemand das SZ-Magazin und den Dr. Dr. Erlinger? An den und seine Kolumne musste ich bei einigen Passagen in "Holzfällen" denken. Der Dr. Dr. E. ist Philosoph und beantwortet Fragen von SZ-Magazin-Lesern, die die Moral im Magen drückt. Um es gleich vorwegzunehmen: Kein einziger Schreiber da hat ein irgendwie praktisch geartetes Problem. Alle fühlen sich aber gedrängt ihr supersensibles moralisches Gewissen vorzuführen. Dann kommt etwa folgende Frage: Habe neulich eine 104jährige kennen gelernt, die mir erzählte, alles, was sie sich noch wünsche, sei ein rascher Tod. Beim Abschied habe ich ihr weitere schöne Jahre gewünscht. Hilfe! Huch! Habe ich mich jetzt schuldig gemacht? Versteht ihr, was ich mit Moral meine?

 

Der Mann im Ohrensessel, der über alle sein Urteil hat, beherrscht diese moralische Geste: "... aber ich nahm mich selbst noch viel mehr auseinander, verschonte mich nie, zerlegte mich selbst bei jeder Gelegenheit in alle Bestandteile ..." (p. 83). Und wo bitte ist die große Verfehlung?

 

Erst mal so viel, ich versuche morgen noch auf Claudia und jueb zu antworten und weiß natürlich jetzt auch nicht, ob ich verständlicher geworden bin. Oder am Ende auch völlig daneben liege ...?

 

Angelika

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Mal eine kurze Zwischenmeldung, wenn ihr erlaubt. Ich bin jetzt bei Seite 68 im Roman "Middlesex" und lese das Buch mir großem Vergnügen. Hier hat der Autor wirklich eine Geschichte zu erzählen, es ist elegant und wunderbar geschrieben mit vielen Passagen, die man ankreuzen möchte, so schön sind sie. Dabei spannend, nicht ohne Humor, trotz schrecklicher Ereignisse, die beschrieben werden.

 

Daneben ist "Holzfällen" für mich schwerfällig, klobig, irritierend mit den ständigen Wiederholungen und vor allem langweilig. Ein unangenehmer Stil, ein echter "Holzhacker", durch den man sich da kämpfen muss. Ich kann nichts darin finden, das mich anspricht. Auch keine Weisheiten oder Wahrheiten. Bernhards Ideen, Wahrheiten oder Sicht der Welt berühren mich nicht. Sie sind nicht meine. Ich kenne ihn natürlich nicht, aber vom Text zu schließen, kommt er als recht unangenehmer Zeitgenosse daher.

 

Nun ist das ja eine ganz andere Art von Buch, das ist mir schon klar. Aber da ich beide gerade hintereinander lese, ist der Unterschied schon eklatant. Und es tut mir leid, wenn ich da ein wenig emotional reagiere, aber "Holzfällen" aktiviert bei mir die falschen Knöpfe. :)

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Ulf, mir hat Middlesex auch sehr gefallen, und ich wuerde mich freuen, wenn wir es im Anschluss an Holzfaellen diskutieren wuerden. Und von mir aus auch Vergleiche ziehen, warum nicht?

Dann haette ich aber gern, dass wir uns darauf einigen, und hoffe, Du verstehst das. Ansonsten entsteht wieder diese Situation, wo wir in Bausch und Bogen und auf einer rein geschmacklichen Ebene ein Buch als "besser" als das andere darstellen, wobei sich eigentlich niemand richtig einlassen kann, weil er entweder das "bessere" Buch noch nicht gelesen hat oder aber zum Vergleich (gar bei zwei dermassen unterschiedlichen Texten) keine Kriterien an der Hand hat. "Gefaellt mir besser" ist ja keine Grundlage, die ein Gespraech zulaesst.

 

Bitte dies nicht als Korinthenka ... ein missverstehen. Ich haette dazu wirklich Lust.

(Dass ich "Holzfaellen" auch als sogar sehr elegant geschrieben, spannend und keineswegs humorfrei erlebt habe, dass ich die erzaehlten Ereignisse - auch bzw. vor allem die "inneren" - "schrecklich" fand und dass ich mir eine ganze Reihe von Passagen herausgeschrieben habe sowie dass trotzdem "Middlesex" das mich mehr anfassende Buch war, kann ich jetzt zwar noch anfuehren, aber wie gesagt, ich finde, das bringt nichts, wenn wir nicht am Text reden koennen.)

 

Einen froehlichen Freitag wuenscht Charlie

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Was Claudia über die künstlerische Kraft geschrieben hat, möchte ich einfach unterschreiben – auch die Sache mit dem E-Weg und dem U-Weg ins Verderben.

 

Der Künstler versucht sich vor dem Verlust der eigenen künstlerischen Kraft zu schützen (und scheitert). Mit Moral hat es eher am Rande zu tun.

 

Ich habe mal - ich hoffe, das ist in Ordnung - diese beiden Zitate von Barbara zusammengestellt.

Ich moechte das, was Claudia geschrieben hat, auch gern unterschreiben, obwohl ich nicht alles, was sie geschildert hat, aus eigener Erfahrung kenne (vieles aber aus zweiter Hand). Der Verlust der kuenstlerischen Kraft ist in meinen Augen fur Aussenstehende gekennzeichnet vom Verlust der Entwicklungsfaehigkeit, und das habe ich im Buch stark gespuert: Stillstand. Und die Ermuedung (mehr als Erregung) am Stillstand.

Ich wuerde ueber das Thema gern auch noch weiterreden, allerdings vielleicht in einem eigenen Thread im geschlossenen Bereich, damit es nicht zu weit von der Diskussion am Text wegfuehrt und damit die Moeglichkeit gegeben ist, eigene Erfahrungen zur Hand zu nehmen?

 

Zu Barbaras zweitem Zitat habe ich noch eine Frage. Der Erzaehler hat ja die eigene kuenstlerische Kraft verloren bzw. drangegeben, er ist also beim Versuch, sie zu schuetzen (wie intensiv hat er das eigentlich versucht, frage ich mich), gescheitert. Ich ueberlege, ob das mit Moral wirklich nur am Rand zu tun hat, oder ob es im Fall des Erzaehlers nicht mit dem Scheitern an der eigenen Moral einhergeht.

 

Herzlich,

Charlie

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AAber ich bekomme an keiner einzigen Stelle in dem ganzen Text einen Inhalt zu dieser Kraft genannt.

 

DAS finde ich sehr bemerkenswert.

Ist es nicht Ausdruck der Tatsache, dass diese Kraft bereits verloren, der Kuenstler also gescheitert ist (bzw. sich in dieses Scheitern ergeben hat - trotz "Erregung" - und einen weiteren Versuch nicht unternehmen wird)?

 

Herzlich,

Charlie

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Ulf' date=' mir hat Middlesex auch sehr gefallen, und ich wuerde mich freuen, wenn wir es im Anschluss an Holzfaellen diskutieren wuerden. Und von mir aus auch Vergleiche ziehen, warum nicht? [/quote']

Gerne. Warum nicht?

 

Dass man bei einer Diskussion spezifischer werden sollte als nur "Gefällt mir oder nicht" zu äußern, ist schon klar. Ich glaube, ich habe schon einiges Spezifisches über "Holzfällen" hier geschrieben. Trotzdem sollte man aber auch nicht auslassen, welche Wirkung insgesamt ein Buch bei einem selbst auslöst. Es sollte nicht alles nur mit dem Kopf und der Analyse spezifischer Sätze auf irgendeiner Seite betrachtet werden. Beim Lesen erfahren und erleben wir Literatur auch auf einer emotionalen Ebene, sie löst Gefühle in uns aus. Und das will der Autor ja auch durchaus erreichen. Dass Literatur nicht bei jedem von uns gleich ankommt, ist zu erwarten. Und vielleicht sind diese Rezeptionsunterschiede auch nicht uninteressant zu beleuchten. :)

 

Ich finde eines auch wichtig. Man sollte sich beim Lesen nicht vom Ruf oder vom ehrwürdigen Sockel, auf dem ein Autor stehen mag, beeinflussen lassen. Keine Angst vor großen Namen, so hoffe ich. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Der Erzaehler hat ja die eigene kuenstlerische Kraft verloren bzw. drangegeben, er ist also beim Versuch, sie zu schuetzen (wie intensiv hat er das eigentlich versucht, frage ich mich), gescheitert.

Wo hast du das gelesen, Charlie? Das scheint bei mir nicht angekommen zu sein. Er redet doch gar nicht über sein eigenes künstlerisches Schaffen.

 

Alle anderen dagegen haben in seinen Augen kläglich versagt. Auch die Joana beschreibt er nicht als authentische Künstlerin. Da beschuldigt er nur Wien. Die Stadt hat sie kaputt gemacht. Auch so eine Aussage, die ich nicht nachvollziehen kann. Sie hat sich nicht durchsetzen können, aber daran ist bei ihm Wien schuld. Man hat den Eindruck, für ihn ist sie das Opfer der Verlogenheit der Wiener Gesellschaft. Fast, als hätten die Anwesenden des künstlerischen Abendessens sie auf dem Gewissen.

 

Aber auch das bleibt in dem Buch undeutlich, wie so vieles. Man erfährt nie genau, was er den Auerbergers eigentlich vorwirft. Was genau haben sie ihm getan, außer, dass sie mal verbreitet haben, er hätte sie ausgenutzt. Hat er ja wahrscheinlich auch. Mein Eindruck ist, er hat von allen profitiert. Überhaupt kommt der Erzähler für mich als Charakter ziemlich schlecht weg. Nach all seiner Hasstirade, die sich ja nur im Kopf abspielt, küsst er der Gastgeberin am Ende die Stirn und sagt, wie schön es doch war. Also sind alle Lügner und Heuchler. Ist das die Botschaft, die er verbreiten will? ;D

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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[Trotzdem sollte man aber auch nicht auslassen' date= welche Wirkung insgesamt ein Buch bei einem selbst auslöst. Es sollte nicht alles nur mit dem Kopf und der Analyse spezifischer Sätze auf irgendeiner Seite betrachtet werden. Beim Lesen erfahren und erleben wir Literatur auch auf einer emotionalen Ebene, sie löst Gefühle in uns aus. [/quote]

 

Ulf, das wollte ich auch auf gar keinen Fall gesagt haben - das sehe ich nicht anders als du.

Gesagt haben wollte ich, dass mich das Warum AUCH interessieren wuerde.

 

Und eigentlich will ich euch ja nur alle nageln, damit wir hinterher weitermachen (und wie gesagt - mir hat Middlesex auch sehr gefallen). Ich kann dieses Gespraech gerade unheimlich gut gebrauchen, to say the least.

 

Herzlich, eilig,

Charlie (zu Deinem anderen Posting spaeter)

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Zu Barbaras zweitem Zitat habe ich noch eine Frage. Der Erzaehler hat ja die eigene kuenstlerische Kraft verloren bzw. drangegeben, er ist also beim Versuch, sie zu schuetzen (wie intensiv hat er das eigentlich versucht, frage ich mich), gescheitert. Ich ueberlege, ob das mit Moral wirklich nur am Rand zu tun hat, oder ob es im Fall des Erzaehlers nicht mit dem Scheitern an der eigenen Moral einhergeht.

Das ist ein sehr interessanter Gedanke, Charlie. Und ja, in dieser Hinsicht sehe ich auch die Moral in der Geschichte. Den Imparativ, wie Angelika es nennt. (Danke für die Erklärung, liebe Angelika, jetzt habe ich kapiert, was du meinst.) "Man soll stets und immerdar die Wahrheit sagen."

Und um das mal wieder auf den Text zu beiziehen: ist es nicht klasse, auf wie vielen Ebenen dieses "die Wahrheit sagen" oder eben nicht-sagen auftaucht? Beim Ich-Erzähler, bei der gehässigen Jeannie; beim Burgschauspieler; in dem Ibsen-Stück; immer wieder anders beleuchtet und anders gewertet. Schon das beweist für mich übrigens, dass der ich-Erzähler nicht einfach Bernhard ist. Aber da renne ich hier offene Türen ein ...

 

Die eigene künstlerische Kraft zu schützen, zu wahren und zu nähren – das ist für mich dagegen keine Frage der Moral. da sehe ich keinen Imperativ sondern nur ein persönliches lebensziel. oder Arbeitsziel. Oder was auch immer.

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Noch zu Middlesex, Ulf: Den Roman mit "Holzfällen" zu vergleichen ist für mich so, als würde man jemand fragen, ob er lieber Linseneintopf oder Tiramisu isst. Die einzig vernünftige Antwort ist doch: Wieso darf ich nicht beides? ;-)

 

Wobei ich ganz ganz ehrlich sagen muss, dass meine anfängliche Begeisterung über "Middlesex" ziemlich schnell in Langeweile umgeschlagen ist. Da wäre ich dann also nicht dabei.

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