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(Olga)

E und U: Ein Gespräch (The Tempest)

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Dennoch haben bestimmte Themen traditionell nix in E-Literatur verloren. Mord? => U. Wilder Westen? => U. Heutige Zeit, kein Mord, keine große Liebe? => vermutlich E. Und die meisten Leute halten "zeitgenössische Literatur" für E.

 

Daran sieht man aber mal wieder, wie schwierig diese Einteilung ist - und wie problematisch derartige Verallgemeinerungen sind.

 

Mord ist also immer U?

Und sobald kein Mord und keine große Liebe in unserer Zeit auftritt, ist es vermutlich E?

 

Ich möchte noch mal auf das zurückkommen, was ich weiter oben postete und das von Charlie aufgegriffen wurde.

 

Wenn wir versuchen, den Grenzbereich von E und U zu definieren, geraten wir immer in die Schwierigkeit, dass es keine eindeutigen Charakteristika gibt wie bei den übrigen Genres.

Nur weil ein Mord vorkommt, bedeutet es nicht, dass es ein Krimi ist. Es kann ein Krimi sein, aber es kann auch etwas anderes sein.

 

Wie ordnet man eine Erzählung ein, in der sich ein Mensch in einen Mistkäfer verwandelt?

Ist das Fantasy? Es hat ja übernatürliche Elemente, denn Menschen können sich nicht in Mistkäfer verwandeln.

Trotzdem würde keiner Kafkas Verwandlung als Fantasy einsortieren.

Die Frage ist, warum nicht?

Die Antwort hingegen lässt sich nicht so ohne weiteres verallgemeinern. Ich würde sagen, weil die Erzählung auf verschiedenen Ebenen funktioniert, die Verwandlung das Symbol ist, nicht die Quest, die aufgelöst werden muss.

 

Aber das ist nur eine Erklärung, eine Wahrnehmung.

 

In Bereichen, in denen viel interpretiert werden kann, weil dem Leser die Interpretationsfreiheit gelassen wird - und das ist in der Hochliteratur meistens der Fall - fällt es deshalb schwer, Grenzen zu ziehen. Weil man es - bedingt durch die Interpretationsfreiheit - so oder so sehen kann.

 

Und vielleicht ist das deshalb ein hilfreiches Instrument zur Beurteilung:

 

Wenn ich einen Roman lese, wie viel Interpretationsfreiheit habe ich noch, während das Kopfkino läuft?

Kann ich den Roman auch genießen, wenn ich nicht nachdenken möchte?

Kann ich hinterher darüber noch diskutieren oder nicht? Sind alle Fragen beantwortet, sobald ich den Roman gelesen habe, oder wirkt er nach?

 

Wenn ein Roman - ganz gleich welches andere Genre er noch bedient - nach dem eigentlichen Lesen nachwirkt, noch Fragen offen lässt, den Wunsch, darüber nachzudenken, zu interpretieren, zu verstehen, dann ist er m.E. eher ein Zwitter als ein reiner Genreroman. Vielleicht ist er dann auch E-Literatur.

 

Wenn ein Roman alles erklärt hat und uns vollständig zufrieden und gut unterhalten zurücklässt, hat er seinen Zweck auch erfüllt - dann war er ein verdammt guter Unterhaltungsroman.

 

Gruß, Melanie

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Ich habe auch den Eindruck, dass es hier in der Diskussion gerade etwas durcheinandergeht: einmal ist von Grenzen zwischen Genres die Rede, einmal vom Unterschied zwischen U und E. Was ich oben über die Schubladen in unseren Köpfen gesagt habe, bezog sich auf die Einteilung in U und E.

 

Ich selbst benutze oft "genre-gebundene Literatur" als synonym für "U-Literatur". Das passt aber nur dann, wenn man erstere nicht allein inhaltlich definiert, sondern auch über die Art ihrer (heutigen) Entstehung: dass Genre-Romane gewöhnlich bestimmten Handlungsmustern folgen z.B. - die Punkte, die ich in meinem letzten Posting ausgeführt habe.

 

Wenn man die unterschiedlichen Genres rein inhaltlich definiert - HR ist, was vor 1945 spielt; SF ist, was in der Zukunft spielt; Krimi ist, wo ein Mordfall eine wesentliche Rolle spielt - dann muss man natürlich ganz anders an die Frage herangehen, was mit U bzw. E gemeint ist. Dann fällt nämlich folgender Unterschied weg:

 

Wenn P.D. James über einen Mordfall schreibt, dann kommt ein völlig anderer Roman dabei heraus, als wenn Banville über Mörder schreibt. Oder Ian McEwan oder Margaret Atwood. Oder Dostojewski. Und aus meiner Sicht ist das eben nicht einfach eine Frage der Qualität. Evtl. nicht einmal in erster Linie. Sondern es ist eine Frage der erzählerischen Absichten. P.D. James hält sich (bis auf eine wenige Romane, die aus meiner Sicht auch keine Krimis sind) sehr konsequent an die Erzählmuster des klassischen Kriminalromans. D.h. in ihren Romanen wird im Wesentlichen ein Mord aufgeklärt. Alle weiteren Verstrickungen ordnen sich dem unter. Die anderen Autoren, die ich genannt habe, setzen in ihren Romanen andere Schwerpunkte - ich vermute, da könnten wir uns schnell einigen.

 

Vielleicht ist es beim HR anders. Das kann ich schwer beurteilen. Vielleicht ist dieses Genre tatsächlich offener. Gibt es denn HRs aus dem deutschsprachigen Raum, die etwa in den 10 letzten Jahren entstanden und in einem HR-Programm erscheinen sind und von denen ihr definitiv sagen würdet, dass sie zur E-Literatur zählen? (Das ist wirklich eine Wissenfrage und nicht als spitze Bemerkung gemeint, ich hoffe, es bekommt niemand in den falschen Hals.)

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(Nur nebenbei: Dass "Die Verwandlung" in Fantasy grundsaetzlich nicht eingeordnet wird, liegt schlicht daran, dass "Fantasy" eine moderne Genrebezeichnung ist. In "phantastische Literatur" oder "surreale Literatur" findet man diese Erzaehlung durchaus eingeordnet. Und da zu Recht. An einer inhaltlichen Zuordnung ist doch nichts Ehrenruehriges. Hochliteratur oder meiinetwegen auch "E" - ich muss dabei immer an die Signatur von Eva Baronsky denken - bedeutet NICHT genrefreie Literatur.)

 

Historische Romane, die zur Hochliteratur zaehlen und in den letzten zehn Jahren in D entstanden sind, kann ich problemlos nennen, obwohl ich, ehrlich gesagt, mich nach wie vor schwer tue mit in D entstandener Hochliteratur (wird aber bestaendig besser). Danieler Droeschers "Die Lichter des Georges Psalmanazar" waere ein Beispiel. Und falls jemand Lust hat, das zu lesen und mich zu widerlegen, haetten wir hier eine wundervolle Fortsetzung der Diskussion am Text. Da waere ich unheimlich gern dabei.

"Imperium" und "Die Vermessung der Welt" sind natuerlich ebenso zu nennen - und die dann auch noch mit Verkaufserfolg.

Was ein HR-Programm ist, weiss ich aber ehrlich gesagt nicht, weshalb ich womoeglich die Frage falsch beantwortet habe?

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ich glaube (!), was Barbara eventuell meint, ist Folgendes (bitte sofort korrigieren) - das hat Eva Baronsky mal sehr ueberzeugend (fand ich) formuliert und deshalb klau ich's mir (und hoffe, Eva segnet's im Nachhinein ab):

Eva nannte in einer Diskussion, die wir im alten Literaturbereich ueber das Problem mit den Begriffen ("E" sagt gar nix, "Hochliteratur" klingt arrogant usw.) hatten, das Schreiben, in dem sie ihr eigenes einordnet: "Freies Schreiben".

Dies begruendete sie folgendermassen:

"Ich frage mich dabei nicht zuerst: was will der historische Roman (resp. jedes andere Genre, nach Bedarf einsetzen), sondern: was will Evas Geschichte?"

 

Das ist - um es ein bisschen plakativ auf den Punkt zu bringen - fuer mich extrem brauchbar. Und es schliesst keineswegs aus, dass nachher das Ergebnis von denen, fuer die das eine Rolle spielt, in Genrekategorien eingeordnet wird.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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"Ich frage mich dabei nicht zuerst: was will der historische Roman (resp. jedes andere Genre, nach Bedarf einsetzen), sondern: was will Evas Geschichte?"

 

Das ist - um es ein bisschen plakativ auf den Punkt zu bringen - fuer mich extrem brauchbar. Und es schliesst keineswegs aus, dass nachher das Ergebnis von denen, fuer die das eine Rolle spielt, in Genrekategorien eingeordnet wird.

 

Das finde ich auch eine sehr hilfreiche Fragestellung - weil es nämlich von Allgemeinplätzen, die ohnehin jeder für sich selbst ein klein wenig anders definiert, wegführt. Und zwar hin zu der Geschichte.

Was will eine Geschichte?

Unterhalten?

Fragen aufwerfen?

Zum Nachdenken anregen?

Alles zusammen?

 

Und ich glaube einfach, je mehr diese Geschichte will - immer vorausgesetzt, dass es auch handwerklich und inhaltlich gelungen ist - umso mehr Ebenen bekommt sie und je mehr Ebenen sie hat, umso "größer" wird sie.

 

Sie ist dann vielschichtig, ein komplexes Gebäude.

Wenn man bei einer Metapher bleiben möchte - hier haben wir eine Villa mit verborgenen Zimmern, die erkundet werden wollen.

 

Im Gegensatz dazu ist der reine Unterhaltungsroman die Ferienwohnung am Strand.

 

Wenn wir aber eine Villa am Strand haben, haben wir die Mischung  ;)

 

Gruß, Melanie

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Ganz provokativ: Es gibt keine E- und U-Literatur, es gibt nur Genre und NICHT-Genre. Anders als bei E und U gibt es da keine Überschneidungen. Ein Werk ist entweder Genre oder es ist NICHT-Genre, aber niemals beides gleichzeitig. Die Begriffe Genre- und Nicht-Genre enthalten keine versteckten oder offenen Wertungen, wie E="ernsthafte", "anspruchsvolle", oder "richtige" Literatur (übrigens alles Adjektive, die ihr Olga und Barbara in dem Interview verwendet habt) und U="Unterhaltung", "unernst", "unwichtig".

 

Bei den meisten Werken wird es sowohl dem Buchhändler als auch dem Leser als auch dem Autor relativ leicht fallen, zu sagen, ob das /sein Werk Genreliteratur ist oder nicht.

 

Ich glaube, dass die Kategorisierungen E und U bzw der Genrebegriff nebeneinander her nicht existieren können. Genre / Nichtgenre sollte für mich die Unterscheidung E und U ersetzen.

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Mit "HR-Programm" meinte ich "derjenige Teil eines Verlagsprogramm, über dem HR steht". Das träfe auf "Vermessung der Welt" und "Imperium" nicht zu.

 

Und ja, was du von Eva zitierst, geht in die Richtung, die ich auch meine, Charlie. Wobei deine Ausführungen dazu, Melanie, meinem Verständnis nach schon wieder auf etwas anders abzielen:

 

Was will eine Geschichte?

Unterhalten?

Fragen aufwerfen?

Zum Nachdenken anregen?  

Alles zusammen?

Das sind Punkte, an denen man messen könnte, mit welchem (intellektuellen oder literarischen) "Anspruch" eine Geschichte geschrieben ist. Sicher auch wichtig. Aber aus meiner Sicht ein anderer Punkt.

 

Aber ich klinke mich jetzt für eine Weile aus der Diskussion aus, weil ich wg. der Gesundheit derzeit eigentlich gar nicht so viel am Computer sitzen dürfte.

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Ganz provokativ: Es gibt keine E- und U-Literatur, es gibt nur Genre und NICHT-Genre. Anders als bei E und U gibt es da keine Überschneidungen. Ein Werk ist entweder Genre oder es ist NICHT-Genre, aber niemals beides gleichzeitig. Die Begriffe Genre- und Nicht-Genre enthalten keine versteckten oder offenen Wertungen, wie E="ernsthafte", "anspruchsvolle", oder "richtige" Literatur (übrigens alles Adjektive, die ihr Olga und Barbara in dem Interview verwendet habt) und U="Unterhaltung", "unernst", "unwichtig".

 

Bei den meisten Werken wird es sowohl dem Buchhändler als auch dem Leser als auch dem Autor relativ leicht fallen, zu sagen, ob das /sein Werk Genreliteratur ist oder nicht.

 

Ich glaube, dass die Kategorisierungen E und U bzw der Genrebegriff nebeneinander her nicht existieren können. Genre / Nichtgenre sollte für mich die Unterscheidung E und U ersetzen.

Das fände ich gar nicht mal so schlecht. Denn literarisch ambitionierte Werke gibt es in fast allen Genres. Und E an sich ist kein Qualitätsmerkmal, auch wenn es oft so gebraucht wird.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ganz provokativ: Es gibt keine E- und U-Literatur, es gibt nur Genre und NICHT-Genre. Anders als bei E und U gibt es da keine Überschneidungen. Ein Werk ist entweder Genre oder es ist NICHT-Genre, aber niemals beides gleichzeitig. Die Begriffe Genre- und Nicht-Genre enthalten keine versteckten oder offenen Wertungen, wie E="ernsthafte", "anspruchsvolle", oder "richtige" Literatur (übrigens alles Adjektive, die ihr Olga und Barbara in dem Interview verwendet habt) und U="Unterhaltung", "unernst", "unwichtig".

 

Bei den meisten Werken wird es sowohl dem Buchhändler als auch dem Leser als auch dem Autor relativ leicht fallen, zu sagen, ob das /sein Werk Genreliteratur ist oder nicht.

 

Ich glaube, dass die Kategorisierungen E und U bzw der Genrebegriff nebeneinander her nicht existieren können. Genre / Nichtgenre sollte für mich die Unterscheidung E und U ersetzen.

Das fände ich gar nicht mal so schlecht. Denn literarisch ambitionierte Werke gibt es in fast allen Genres. Und E an sich ist kein Qualitätsmerkmal, auch wenn es oft so gebraucht wird.

 

Geht mir auch so. Diese Unterteilung klingt sehr praktikabel und lässt Wertungen erfreulicherweise hinter sich.

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Ganz provokativ: Es gibt keine E- und U-Literatur' date=' es gibt nur Genre und NICHT-Genre. [/quote']

 

So einfach ist es aber auch nicht, mMn. Es gibt beispielsweise literarische Krimis (oder literarische historische Romane, oder literarische Fantastik, oder ...). Nur wenn sie literarisch sind, hören sie ja nicht automatisch auf, Krimis zu sein.

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Olga und Barbara in ihrem Gespraech auch nicht, wenn ich es richtig verstehe - da ist sehr oft von Offenheit und Neugier die Rede.

Für mich sind die Unterscheidungen auch sehr fließend. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich heute einige Bücher ganz anders einordnen würde als vor einem oder zwei Jahren; mit der wachsenden Lese-Erfahrung hat sich meine Sicht darauf durchaus verändert - habe ich zumindest das Gefühl.

Grundsätzlich merke ich (für mich!) durchaus die Unterschiede. Als ich einmal ein bestimmtes stilistisches Mittel ausprobieren wollte, habe ich nach gelungenen Beispielen gesucht - und diese verstärkt in den Romanen gefunden, die in die E - oder EU - Kategorie fallen. Auch lesender Weise weiß ich durch die Unterschiede (die natürlich nur für mich gelten und keinen Anspruch auf die Allgemeingültigkeit haben) besser, wo ich fündig werde, wenn ich etwas Bestimmtes haben möchte - auch, wen ich fragen muss, wenn ich Buch-Tipps suche.

 

Liebe Grüße,

Olga

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Hallo zusammen,

 

ich glaube nicht, dass ein Begriffswechsel einen Unterschied macht. Denn die Wertungen von den früheren Begriffen werden über kurz oder lang auch auf die neuen Begriffe übertragen werden. Eine wirkliche Veränderung kann nur über die Veränderung der Perspektive entstehen. Damit meine ich aber nicht nur die Sichtweise auf Literatur, sondern vor allem die Sichtweise auf das eigene Schreiben.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Meine ganz persönliche Einteilung von "rein" U und "rein" E ist ganz einfach:

 

U - unterhaltsam ist ein Buch für mich dann, wenn es mich hieneinzieht, wenn die Erzählung mich nicht mehr loslässt und ich darin eintauche. Es ist, wie das fesselnde Erzählen am Lagerfeuer, wo man alles um sich herum vergisst. Die einzelnen Sätze, Wörter und Wendungen sind für sich alleingestellt nicht wichtig, das Ganze zählt, das Ganze muss wirken. Das ist für mich gutes U.

 

E - künstlerisch (mir fällt kein besseres Wort ein) ist ein Text für mich dann, wenn ich bewundernd davorstehe wie vor einem Gemälde, wenn die Wortmalerei, einzelne Fragmente für sich ganz besonders sind, herausgestellt und an die Wand gepinnt werden können, weil sie alleingestellt wirken. Gedichte sind mir hier die liebste Form, weil hier viel an einzelnen Worten gefeilt wird, da durch ihre Kürze jeder Buchstabe mehr Gewicht hat.

 

E hält mich auf Distanz, U zieht mich hinein.

E bekommt die meisten honorigen Preise, U die höheren Verkaufszahlen (so können die Autoren beider Seiten ihr Leben fristen).

E kann gut vertont werden (Songtexte, Hörbücher), lässt sich aber schwieriger verfilmen als U.

Je älter ein Buch ist, desto leichter tun sich viele damit, es nicht als U sondern als E einzustufen, so mein Gefühl.

 

Dass es viele sehr gute, sehr beliebte und erfolgreiche Bücher gibt, die aus beiden Bereichen schöpfen können, ist in meinen Augen etwas Wunderbares und Bereicherndes, es erlaubt E-geneigten Lesern Spannung zu genießen und U-geneigten Lesern neuen Reichtum der Sprache zu entdecken.

Derzeit in Schreibpause... mit immer wieder Versuchen, dieses Sumpfloch zu verlassen

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Ganz provokativ: Es gibt keine E- und U-Literatur' date=' es gibt nur Genre und NICHT-Genre. [/quote']

 

So einfach ist es aber auch nicht, mMn. Es gibt beispielsweise literarische Krimis (oder literarische historische Romane, oder literarische Fantastik, oder ...). Nur wenn sie literarisch sind, hören sie ja nicht automatisch auf, Krimis zu sein.

 

Das ist für mich nicht der Punkt, Olga. Ist Kehlmanns Vermessung der Welt Genreliteratur? Sind es die Bücher von Peter Prange? Ist Friedrich Ani Genre? Ist es Adler-Olsen? Ist Thomas Mann Genre? Ist es Ken Follett?

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Liebe Angelika, das ist eine sehr nette Definition. So positiv. :)

 

Bei U steht für mich auch das Erzählen im Vordergrund. Allerdings gibt es auch E-Werke, die das gut können. Besonders bei den älteren.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Euer Gespräch, Olga und Barbara, macht Spaß zu lesen! Klasse. Davon würde ich gern mehr lesen.

 

Für mich gibt es einen wesentlichen Unterscheidungspunkt der E-Literatur zur U-Literatur: Unterschwellig oder offenkundig öffnet mir Literatur, die mehr als "in sich" unterhaltend ist, den Blick für eine Entwicklung in der Gesellschaft.

 

Sonntagsgruß von

 

Martina

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Wir versuchen hier jetzt E und U zu definieren. Vielleicht kommen wir deshalb nicht weiter, weil es keine klaren Unterschiede gibt, sonder E und U sehr relative Begriffe sind?

 

je mehr Handlung, je mehr Gefühl, desto mehr U

 

Je mehr Sprache und Personenentwicklung, desto mehr E

 

Dann hätte man etliche Bücher, die "reine" E oder U sind - und ein breites Mittelfeld, das dazwischen liegt, die einen mehr zu U, die anderen mehr zu E tendieren.

 

Genre und Nichtgenre, Marcs Definition, halte ich auch für nicht schlecht, aber ist ebenfalls nur brauchbar, wenn man es relativ sieht. Friedrich Ani ist sicher Genre - aber ebenso sicher mit vielen E Anteilen.

 

Was die Verlage draufschreiben, ist noch eine ganz andere Sache. Natürlich wird auf Krachts Imperium nicht HR draufgedruckt, weil man Angst hat, dass es sonst das Feuilleton nicht mehr bespricht und literarische Leser vielleicht davor zurückschrecken könnten ;-).

 

Wobei noch zu fragen wäre, wo genau die Grenze zum historischen Roman liegt? 1932? Oder ist nur alles, was vor dem zwanzigsten Jahrhundert spielt, HR? Auch diese Grenze ist fließend.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

 

Edit: @Olga: Du hast recht, diese Grenzen ändern sich immer. Ich würde so manche Bücher auch heute anders einordnen als früher. In den Neunziger wäre jeder Literarisch Gebildete lieber gestorben, als Stephen King unter "E" einzuordnen. Heute sehen viele das ganz anders, da gehört es schon in Sparte "literarischer Horror" ;-) Die Grenzen sind einfach fließend, ändern sich auch immer wieder und deshalb scheitern wir mit dem Versuch einer klaren Definition immer wieder.

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Für mich gibt es einen wesentlichen Unterscheidungspunkt der E-Literatur zur U-Literatur: Unterschwellig oder offenkundig öffnet mir Literatur' date=' die mehr als "in sich" unterhaltend ist, den Blick für eine Entwicklung in der Gesellschaft.[/quote']

 

Oder einen Blick auf die Entwicklung in der Literatur. Darüber, dass Literaten (wie Maler oder Musiker) gerne auf die Strömung antworten, die vor ihnen war, kommt es nämlich erst – so sehe ich das – zu der immer wieder wahrgenommenen Gewichtung auf die Form. Ja, eine Virginia Woolf oder ein Döblin sind möglicherweise nicht in einem einzigen Schluck zu nehmen im Unterschied zum "Trapper Geierschnabel". Aber das heißt nicht, dass sie nur aus Form bestehen, die keine (zum Beispiel verfilmbare) Geschichte hat.

 

Deshalb könnte ich für mich auch das mit der Distanz nicht unterschreiben: Es gibt natürlich E-Literatur, die erklärtermaßen Distanz erzeugen will. Es gibt aber auch U, die es beim besten Willen nicht schafft, mich "reinzuziehen". Im Januar habe ich zu Recherchezwecken Liebesromane gelesen mit Titeln wie "Seine Küsse auf meiner Haut" oder "Er liebte mich im Wüstensand". Ich kann euch gar nicht sagen, wie schnell die mich auf Distanz hatten.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Deshalb könnte ich für mich auch das mit der Distanz nicht unterschreiben: Es gibt natürlich E-Literatur' date=' die erklärtermaßen Distanz erzeugen will. Es gibt aber auch U, die es beim besten Willen nicht schafft, mich "reinzuziehen". Im Januar habe ich zu Recherchezwecken Liebesromane gelesen mit Titeln wie "Seine Küsse auf meiner Haut" oder "Er liebte mich im Wüstensand". Ich kann euch gar nicht sagen, wie schnell die mich auf Distanz hatten.Angelika[/quote']

;-) Umgekehrt hatte ich vor einem Jahr Die Buddenbrooks angefangen zu lesen. Um Einzuschlafen und in der irrigen Meinung, die würden mich auf Distanz halten und wenn ich müde würde, könnte ich sie dann leicht weglegen. Ein folgenschwerer Irrtum, kann ich euch versichern.

 

Herzliche Grüße, Hans Peter

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Ich würde so manche Bücher auch heute anders einordnen als früher. In den Neunziger wäre jeder Literarisch Gebildete lieber gestorben, als Stephen King unter "E" einzuordnen. Heute sehen viele das ganz anders,

 

An Stephen King kommt schon deswegen kein Feuilleton mehr vorbei, weil er Klassiker der Unterhaltungsliteratur geschrieben hat. Mit E und U hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.

 

Viele Grüße,

 

Martina

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Für mich gibt es einen wesentlichen Unterscheidungspunkt der E-Literatur zur U-Literatur: Unterschwellig oder offenkundig öffnet mir Literatur, die mehr als "in sich" unterhaltend ist, den Blick für eine Entwicklung in der Gesellschaft.

 

Sonntagsgruß von

 

Martina

 

Das finde ich einen sehr hilfreichen Ansatz. Da könnte man weiter denken..

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich kann das mit der Distanz auch nicht unterschreiben, denn das ist meist mein Problem mit Unterhaltungsliteratur: Dass sie mich nicht hineinzieht, dass sie mir nichts erzaehlt, was mich interessiert, dass sie mir nicht das Gefuehl gibt, sie haette "irgendetwas mit mir zu tun".

Fuer mich ganz persoenlich hat Ulf unbedingt Recht, wenn er sagt, dass ich als privater Leser die Unterscheidungen im Grunde nicht brauche, denn ich habe mindestens fuenfundzwanzig Lesejahre lang bei der Auswahl ueberhaupt nicht darauf geachtet (inzwischen manchmal schon - aus Gruenden des Geizes mit der knapper werdenden Ressource Zeit). Dass die Buecher, die bei mir blieben, eher aus dem einen als aus dem anderen Topf stammten, habe ich meist erst hinterher festgestellt.

Ich bin und war immer ein Liebhaber des Narrativen, verfalle der Schoenheit von Sprache zumeist da am heftigsten, wo sie am vollkommensten ihren Zweck erfuellt, ich hab eine Schwaeche fuers Ueberlebensgrosse, fuer epischen Atem, fuer Pathos und fuer schoene Maenner. Ich bin eigentlich der geborene Konsument fuer Unterhaltungsliteratur, und ich bin obendrein noch ein gieriger Zeitnutzer, der eigentlich nichts - nicht einmal arbeiten - lange tut, wenn's ihn nicht unterhaelt.

Ich glaube trotzdem oder deshalb, ich haette Angelikas Liste fast (fast!) umgekehrt aufstellen koennen, besonders den ersten Punkt mit dem Lagerfeuer (es nervt nicht nur euch, dass mir dabei grundsaetzlich als erstes John Steinbeck einfaellt. Ich finde, Lagerfeuer sind zum John-Steinbeck-Lesen erfunden worden).

Und ich geb auch mal zu, dass ich vor etwa (?) zwanzig Jahren den Unterschied fuer mich mal so definiert habe: Literatur handelt vom Leben und Sterben. Wovon Unterhaltung handelt weiss ich nicht so richtig.

 

Ein bisschen geht's mir immer noch so, um ehrlich zu sein. Wenn ich auch immer mehr Buecher kennengelernt habe und kennenlerne, die da zum Glueck nicht reinpassen. Auch deutsche. Was mich sehr freut.

Mich interessiert in Hinblick auf Deutschland bei dem ganzen Thema noch extrem der historische Bruch, die abgewuergte Erzaehlfaehigkeit. Ich trau mich, das jetzt auch mal zu erwaehnen: Ich habe dieses Problem mit mir selber schon immer gehabt, dass ich die deutsche Literatur der Zwanziger und Dreissiger Jahre und die Exilliteratur so sehr liebe und mit der deutschen Literatur meiner eigenen Zeit so wenig anfangen kann, sondern mich da intensivst durchs Ausland fresse. Und immer wenn ich dann wieder so einen ganz genau fuer mich geschriebenen Roman (wie juengst Werfels "Musa Dagh", auf den Angelikas Liste ueberhaupt nicht zutrifft - der schreit: Verfilme mich!) entdecke, denke ich wieder so ungefaehr das gleiche: Diese aus den Naehten platzende Fuelle - warum ist denn davon nichts (soll heissen: fast nichts) uebrig?

In letzter Zeit denk ich das oefter mal nicht mehr, und beim Lesen des Gespraechs zwischen Olga und Barbara habe ich mich verbluefft dabei ertappt, dass ich den Optimismus teile. Nach wochenlanger Musa-Dagh-Besoffenheit, nach der ich normalerweise mich immer ein Weilchen zwischen bewaehrten Angelsachsen vergrabe, habe ich zwei neue deutsche Romane gelesen, weil gerade Weihnachten war und die hier lagen: Von Schirachs "Tabu" und Fleischhauers "Schweigend steht der Wald". Mich haben die ganz doll gefreut, weil die das machen, was Franz Werfel macht und was - dachte ich - in Deutschland nicht mehr geht: Ganz wild, ganz hemmungslos mischen, sich das aus beiden Kisten nehmen, was ihnen schmeckt, was ihnen passt, was ihnen frommt. Eine Geschichte erzaehlen, nach Evas Motto - so, wie die erzaehlt werden will. Der eine gehoert mehr in die eine, der andere mehr in die andere Kiste, aber das, was an beiden den groessten Spass macht, ist der Misch-Mut, die Unbefangenheit (die nichts, aber auch gar nichts Unueberlegtes hat!). Ich les mich jetzt erst mal ein bisschen weiter durch die Gegend, aber ich habe schon angefangen, mich zu fragen: Habe ich auf meiner Insel der Seligen etwa verschlafen, was inzwischen alles laengst wieder geht?

Das zu denken, freut mich.

Herzlich,

Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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Diese verschiedenen Versuche, U und E zu definieren - wohlgemerkt, in einem Autorenforum von Autoren vorgenommen - machen deutlich, warum die Diskussion immer wieder aneinander vorbeigleitet.

Jeder hat andere Vorstellungen davon.

Es ist nicht der hier schon so oft bemühte Vergleich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Es fängt schon damit an, dass wir uns nicht mal darüber einig sind, was überhaupt ein Apfel ist. Und wenn ich gar nicht weiß, was ein Apfel ist, kann ich nur Unterschiede zur Birne definieren. Aber das sind subjektive Unterschiede. Der Apfel ist runder. Tja, aber was ist mit runden Nashi-Birnen?

Der Apfel schmeckt anders. Tja, aber Birnen schmecken auch unterschiedlich.

 

Und das ist eben auch das, was ich sehr viel weiter vorn als Antwort auf Olgas Frage: "Welche E-Literatur kann man empfehlen" meinte - man geht von seinem Standpunkt aus. Und der ist bei jedem verschieden.

 

Für mich z.B. gibt es zwei Arten von E-Literatur. Da gibt es die, die ausschließlich mit der Sprache experimentiert, wo es nicht auf den Inhalt ankommt. Damit kann ich persönlich nichts anfangen.

 

Und dann gibt es die, die ernsthafte Themen zum Inhalt hat, die mir etwas zu sagen, zu vermitteln hat. Damit kann ich sehr viel anfangen, denn ich gehöre zu den Lesern, die von einem Autor erwarten, dass er ihnen irgendetwas zu sagen haben sollte, wenn er schreibt. Mir kommt es auf den Inhalt dessen an, den ich lese. Der darf ernst oder unterhaltsam oder beides sein. Der darf zum Nachdenken anregen oder einfach nur konsumierbar sein.

 

Wenn ich dann also nach E-Literatur fragen würde und mir jemand experimentelle Literatur ohne klaren Inhalt empfehlen würde, wäre ich enttäuscht.

Aber wenn mich jemand nach E-Literatur fragt und ich ihm ein Buch empfehle, das vom Inhalt her viele mehrschichtige, tiefgreifende Ebenen und Aussagen hat, wäre derjenige, der viel mehr auf rein experimentelle Sprachprojekte aus ist, enttäuscht.

 

Deshalb ist es so wichtig, klar zu definieren, was man meint. Und deshalb kann man mit den Schlagworten letztlich auch gar nicht so viel anfangen - weil die Missverständnisse trotzdem bleiben.

 

Das gilt übrigens auch für Genres.

Wenn jemand nach einem Thriller fragt, liebt der einige vielleicht blutige Thriller, während der andere intelligente Wirtschaftsthriller lesen möchte.

Im HR möchte der eine ein farbenprächtiges Historical, der andere eine reale Begebenheit mit realen Persönlichkeiten.

In der Fantasy sucht der eine nach High-Fantasy, der andere nach Urban-Fantasy (Wobei die Genres da schon deutlich weiter unterteilt sind, als der schwammige Begriff E-Literatur)

 

Man könnte diese Beispiele Dutzendfacht fortführen. Aber eines wird immer deutlicher: Wenn man nicht klar und deutlich sagt, worüber man spricht, es nicht für sich persönlich definiert, dann wird der Gegenüber mit seiner eigenen Definition des Schlagworts arbeiten. Und das kann etwas ganz anderes bedeuten. Und möglicherweise streiten zwei Leute, die den gleichen Geschmack haben, sich dann über völlig unsinnige Dinge - nur weil die Ausgangsbasis nicht eindeutig definiert wurde.

 

Gruß, Melanie

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Da Charlie vom Erzählen am Lagerfeuer schreibt, was mir eben auch am Herzen liegt, dieses gekonnte Geschichten Erzählen, mal ein kleiner Einschub zum Thema, der ganz amüsant ist. Am 6. Februar schreibt der Schriftsteller Andreas Schäfer in der ZEIT über Thomas Bernhard und wie sein Stil wie ein Virus auf viele andere, besonders junge Autoren gewirkt hat. Es sei, besonders in den 90ern, regelrecht zur Mode geworden.

 

"Für Jungdichter war Bernhard ein Segen, vor allem, wenn man schreiben wollte und keine Ahnung hatte, worüber. Als Erstes einmal passte Bernhards Grundsetting wunderbar zum Lebensgefühl eines Zwanzigjährigen. Ein Ich (ohnmächtig und größenwahnsinnig) wütet gegen die (nationalsozialistische, korrupte, dummkatholische, also durch und durch falsche) Welt. Das noch wesentlich Faszinierendere war: In Bernhard-Büchern stand sonst kaum was drin. Es gab nicht das, was wir unter Handlung verstehen, keine atmosphärischen Beschreibungen, null realistischen Budenzauber. Die Erregung selbst war ihr Gegenstand! Vor allem die späten Prosawerke Bernhards bestehen, wie der Literaturwissenschaftler Uwe Betz einmal treffend schrieb, nur noch aus einem "erzählerischen Gerüst", zusammengehalten von einem reduzierten "Minimal-Vokabular". Schreiben ohne Stoff, das ging also doch. Bernhard löste das verdammte Form-Inhalt-Problem. Er lieferte eine fix und fertige Schreibweise, die zur Nachahmung geradezu einlud. Man setzte sich hinein und sauste mit ihr wie in einem Bob die Seiten hinunter. Man erfand einfach einen Aufgewühlten, der monologisierend durch die Stadt lief, dann lief der Aufgewühlte monologisierend in die entgegengesetzte Richtung - fertig war der Roman."

 

Schreiben ohne Stoff. Das Gegenteil vom Erzählen am Lagerfeuer.  :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Gar nicht schlecht diese Analyse!

Allerdings war der Autor Bernhard selbst der Aufgewühlte, und das Aufgewühlt-sein musste von ihm nicht erfunden werden, was bei seinen (schlechten) Nachahmern wohl anders war. Insofern könnte man sagen, Bernhards Bücher haben sehr wohl einen Stoff oder Inhalt. Nämlich eine Haltung bzw. Wut (die im Fall von Bernhard, meine ich, auch biografisch gespeist war), die literarisch eine überzeugende Form fand und beim Leser auch als "authentisch" empfunden wurde und viele - ich denke zu recht - berührt bzw. getroffen hat.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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