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MelanieM

Schreibregeln brechen

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Im Endeffekt ist es vermutlich Geschmackssache' date=' ob man sich an dem Unpräzisen reibt oder an den Dopplungen. Oder ob man sich von dem Eindruck gefangennehmen lässt.[/quote']

 

Ich denke, das ist ein wesentlicher Punkt - der persönliche Geschmack. Und ich denke, es ist bei der Bewertung eines Textes wichtig, sich bewusst zu machen, was der persönliche Geschmack ist und was andererseits tatsächliche Fehler sind.

 

In diesem Beispiel finde ich persönlich den Sprachrhythmus gekonnt. Wenn man ein Wort weglässt, kann das leicht den Rhythmus zerstören, deshalb müsste man beim Kürzen immer auf den ursprünglichen Rhythmus achten.

 

Für mich ist die Doppelung aus scharfen und weniger scharfen, aus präzisen und unpräzisen Worten auch eine Form des (vermutlich unbewusst gewählten) Rhythmusgefühls der Autorin.

 

Was den Geschmack angeht - wenn man es mit einem lackierten Auto vergleicht, so kann man z.B. bei einem pinkfarbenen Golf entsetzt den Kopf schütteln und sagen: "O Gott, wie grässlich wird das Auto durch die Farbe entstellt", aber man kann immer noch feststellen, ob der Lack fachmännisch von einer Lackiererei aufgetragen wurde, oder ob er mit Pinselstrichen, die womöglich noch Blasen und Nasen ziehen, lackiert wurde.

In beiden Fällen hat man ein pinkfarbenes Auto, das nicht jeder mag. Aber wenn es die Fachwerkstatt so lackiert hat, ist es zumindest handwerklich korrekt und falls das Auto auch noch Werbeträger für das Barbie-Museum ist, steckt ein anderer Sinn dahinter, als wenn ein gerade volljährig gewordener Barbie-Fan sein altes Auto von Hand aus einer Laune heraus selbst rosa lackiert hat.

 

Beides ist völlig okay, beides ist ein pinkfarbener Golf, aber beides hat unterschiedliche Ausführungen und Intentionen.

 

Deshalb denke ich, dass man - auch wenn man unterschiedlichen Geschmack hat - sehr wohl feststellen kann, ob das Handwerk auch bei Texten, die einem persönlich nicht gefallen, beherrscht wird.

 

Gruß, Melanie

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Zweige schürfen und trommeln … warum nicht das stärkere Verb nehmen, trommeln? Beide Verben behindern sich und jedes hat nur noch die halbe Wirkung.

Und laut polternde Steine – ein klarer Pleonasmus. Mich stört er.

 

 

Genauso empfinde ich das auch. Ich finde diese ganze Passage stark überzeichnet. Sollte das ganze Buch so sein, ich würde es nach drei Seiten ermattet weglegen. Es ist einfach zu viel. Und würde von den wirklich wichtigen Dingen ablenken.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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In diesem Beispiel finde ich persönlich den Sprachrhythmus gekonnt. Wenn man ein Wort weglässt, kann das leicht den Rhythmus zerstören, deshalb müsste man beim Kürzen immer auf den ursprünglichen Rhythmus achten.

 

Für mich ist die Doppelung aus scharfen und weniger scharfen, aus präzisen und unpräzisen Worten auch eine Form des (vermutlich unbewusst gewählten) Rhythmusgefühls der Autorin.

 

Ja, aber wie ist er denn überhaupt beschaffen, der Rhythmus? Vielleicht reden wir ja aneinander vorbei – aber für mich hat Rhythmus erst mal was mit Klang zu tun, und nichts mit Wortbedeutung.

 

Nicht, dass ein Prosatext unbedingt aus Jamben oder Trochäen bestehen muss, aber wenn es schon rhythmisch klingen soll, dann haut mich bei dem Textabschnitt in jedem Satz mindestens eine Silbe raus:

 

Hohe Gräser und ... hopperla ...die tiefhängenden Zweige von verwilderten Bäumen – gut, nochmal neu anfangen:

 

schürften und trommelten gegen ... oijoijoi ...die Karosserie, Steine polterten ... und wieder eine Silbe too much ...laut unter den Reifen.

 

Usw.

 

Nicht missverstehen bitte. Ich finde die Sprache nicht fürchterlich schlecht. Aber als Beispiel für gelungen gesetzte Adjektive überzeugt mich der Auszug nicht. Und welcher Rhythmus sich da wo versteckt hält, könnte ich schon gleich nicht sagen.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Vielleicht reden wir ja aneinander vorbei – aber für mich hat Rhythmus erst mal was mit Klang zu tun' date=' und nichts mit Wortbedeutung.[/quote']

 

 

Das stimmt, Rhythmus hat mit Klang zu tun. Wenn ich lese, höre ich quasi die Worte gesprochen im Ohr. Und der Satzrhythmus, in dem die geschriebenen Worte gesetzt werden, die ja Symbole für die Laute sind, die die Sprache ausmachen, wird für mich beim Lesen lebendig. Das hat z.T. mit der Länge der Worte zu tun, mit der Anordnung derselben, mit der Paarung. Und wenn dann etwas herausgebrochen wird, stimmt der innere Klang, der Rhythmus, nicht mehr.

 

Gruß, Melanie

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Nicht missverstehen bitte. Ich finde die Sprache nicht fürchterlich schlecht. Aber als Beispiel für gelungen gesetzte Adjektive überzeugt mich der Auszug nicht. Und welcher Rhythmus sich da wo versteckt hält' date=' könnte ich schon gleich nicht sagen.[/quote']

 

Ganz genauso habe ich das auch empfunden. Beim ersten Lesen dachte ich: viel zu pathetisch und holpernd! Beim zweiten und dritten: umständlich, übertrieben, es fließt nicht. Als einziges hat mich das Beispiel mit dem Schneegrieseln überzeugt, das Wetter betreffend.

 

Grüße

Christa

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Angelika, ich hatte ja vorher den Rhythmus erwähnt, weil ich denke, dass die Autorin dies im Original eventuell aus diesen Gründen gemacht haben könnte - Doppelungen haben ja oft solche Gründe - und dass der Übersetzer dies aufgenommen hat.  Dies nur,  um zu verdeutlichen, dass die Streichung von Verben oder Überflüssigem mMn den Text nicht unbedingt heller erstrahlen lässt. Mein Gefühl ist, dass hier eine Absicht dahintersteckte, wie immer man den tatsächlichen Rhythmus dieses Textes beurteilen mag.

 

Zum Geschmack: Ich denke, es gibt Beurteilungkriterien jenseits des Geschmacks, natürlich. (Sonst bräuchte sich ja auch niemand mit Germanistik zu beschäftigen, gell.) Aber für diesen Text müsste man (oder jedenfalls ich) wissen: Wo ist er einzuordnen? Will hier jemand - ins Musikalische übertragen - einen Popsong schreiben oder Jazz? Ist dies eine Autorin mit Erfahrung oder eine Anfängerin? etc

 

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Wirklich beurteilen, besonders was Klang und Rhythmus betrifft, lässt sich das nur im Original.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Sorry ich habe die meisten Postings jetzt nicht gelesen, aber ein paar Fragen stelle ich mir bei aller Regel:

Was haben die Autoren gemacht, als es noch kein Internet gab?

Was haben sie gemacht, ohne je einen Schreibratgeber gelesen zu haben?

 

Seit zwanzig Jahren fotografiere ich, seit zehn mehr oder weniger semiprofessionell. Ich bin seitdem in der Fotokommunity, die größte Plattform in Deutschland, vlt. sogar in Europa.

Anfangs wurden meine Fragen nach Technik, Schnitt, Bildgestaltung, Lichtverhältnissen etc. immer mit Regeln beantwortet, an die ich mich akribisch zu halten versucht habe. Kein Bild hat meinen Rechner verlassen, wenn es nicht den gewünschten Anforderungen entsprach.

Eines Tages stellte ich fest, dass mir diese Bilder zu langweilig wurden und ich begann diese Regeln zu brechen, mehr noch, ich habe sie nach und nach sogar auf die Schippe genommen und fotografiere seither so, wie ich es mag. Regeln hin oder her. Meine Lieblingsmotive entsprechen meistens nicht mehr diesen Regeln. Trotzdem werden sie gemocht, teilweise sogar sehr :)

 

Ich denke ernsthaft, dass die meisten Schreibregeln von anderen Autoren stammen, oder von Deutsch- und Grammatik-Assen, aber nicht von der Masse, nicht vom durchschnittlichen Leser :)

 

LG

Kirsten

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Ich denke ernsthaft, dass die meisten Schreibregeln von anderen Autoren stammen, oder von Deutsch- und Grammatik-Assen, aber nicht von der Masse, nicht vom durchschnittlichen Leser :)

 

Na, also ich denke schon auch, dass die meisten Regeln für den Bau eines Kleiderschranks von Schreinern stammen und nicht von der Masse der durchschnittlichen Möbelkäufer. Den Beitrag habe ich jetzt wirklich nicht verstanden.

 

Claudia, ich weiß schon, was du gemeint hast und stimm dir auch zu. Aber gerade wenn das Geheimnis eines gelungenen Rhythmus im englischen Originaltext verborgen liegt, dann werden wir uns natürlich schwer tun, ihn in der Übersetzungsfassung aufzuspüren. Insofern ist das ganze Textbeispiel als Diskussionsgrundlage schon bissel schwierig.

 

Schönen Wahlsonntag noch,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Sorry ich habe die meisten Postings jetzt nicht gelesen, aber ein paar Fragen stelle ich mir bei aller Regel:

Was haben die Autoren gemacht, als es noch kein Internet gab?

Was haben sie gemacht, ohne je einen Schreibratgeber gelesen zu haben?

 

Sie haben das gemacht, was angehende und überhaupt alle Autoren heutzutage hoffentlich auch noch machen: Sie haben gelesen, gelesen, gelesen. Romane. Und sich überlegt, wie die Autoren vorgegangen sind, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Natürlich haben sie sich auch mit anderen Autoren darüber gestritten, wie man es nun am besten macht.

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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@Angelika, wie ich gerade gesehen habe, fehlt natürlich ein wichtiger Teil in meinem Posting. Die Regeln in der Fotografie wurden von Fotografen gemacht. Ebenso denke ich, dass Schreibregeln von Autoren gemacht werden.

Ist es nun verständlich?

Jeder sollte so schreiben, wie er mag und kann. Egal was die Regeln der Schreibkunst dazu sagen. Entweder ist es gut genug für einen Verlag und die Leser, oder eben nicht.

Ich für meinen Teil bemühe mich schon einige Regeln einzuhalten, doch die meisten Gedanken mache ich mir zu meinen Figuren und der Geschichte, nicht darüber, ob es richtig oder falsch geschrieben ist.

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Sie haben das gemacht, was angehende und überhaupt alle Autoren heutzutage hoffentlich auch noch machen: Sie haben gelesen, gelesen, gelesen. Romane. Und sich überlegt, wie die Autoren vorgegangen sind, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Natürlich haben sie sich auch mit anderen Autoren darüber gestritten, wie man es nun am besten macht.

Irgenwie habe ich genau das außer Frage gestellt. Lesen denn nicht alle Autoren viel? Das habe ich immer angenommen.

 

LG

Kirsten

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Zum Thema "Schreibregeln" einer meiner liebsten Wolf Schneider Zitate:

 

Wenn es nicht von Goethe wäre - alle Welt würde es als schiefes Bild einstufen, als entgleiste Metapher (Katachrese), was Mephisto dem Schüler sagt:

 

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie

Und grün des Lebens goldner Baum

 

Dass der grüne Baum golden sei, ist von beflissenen Germanisten natürlich geistreich gerechtfertigt worden; hätte Goethe überdies die graue Theorie als gelblich und das lila Leben als rosa eingestuft - den Exegeten wäre auch dazu etwas eingefallen.

 

Für mich ist das deswegen ein gutes Beispiel, weil es eins verdeutlicht: Fesselt der Text, kann man es trotz Regelbrüchen zu Weltliteratur bringen  :)

 

Also ich halte es schon für wichtig die Regeln zu kennen. Es ist sicherlich ein Unterschied, ob ich einen "Regelbruch" betreibe, weil ich es nicht besser weiß, oder ob ich mich bewusst dafür entscheide, weil der Text dadurch gewinnt.

 

Ciao!

 

Alf.

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Also ich halte es schon für wichtig die Regeln zu kennen. Es ist sicherlich ein Unterschied' date=' ob ich einen "Regelbruch" betreibe, weil ich es nicht besser weiß, oder ob ich mich bewusst dafür entscheide, weil der Text dadurch gewinnt. [/quote']

 

Das ist genau der Punkt!

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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@Angelika, wie ich gerade gesehen habe, fehlt natürlich ein wichtiger Teil in meinem Posting. Die Regeln in der Fotografie wurden von Fotografen gemacht. Ebenso denke ich, dass Schreibregeln von Autoren gemacht werden.

Ist es nun verständlich?

Jeder sollte so schreiben, wie er mag und kann. Egal was die Regeln der Schreibkunst dazu sagen. Entweder ist es gut genug für einen Verlag und die Leser, oder eben nicht.

Ich für meinen Teil bemühe mich schon einige Regeln einzuhalten, doch die meisten Gedanken mache ich mir zu meinen Figuren und der Geschichte, nicht darüber, ob es richtig oder falsch geschrieben ist.

Nur mal kurz am Rande: Ich verstehe sehr gut, was du meinst, Kirsten.

 

Und ansonsten: Diese Übersetzung ist einfach nur ein grundsätzliches Text-Beispiel in Deutsch für den möglichen Umgang mit Worten (Adjektiven, Adverbien). GENAU SO könnte auch eine deutsche Autorin geschrieben haben. Nicht mehr und nicht weniger. Aus welcher Sprache der Text nun übersetzt worden ist, ist dabei völlig unerheblich.

 

Liebe Grüße

Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Ich will noch mal ein Textbeispiel einstellen, um zu zeigen, was in meinen Augen Rhythmus ist, was er bewirken kann und warum man um dessentwillen tatsächlich auch mal ein paar Deutschlehrerregeln in den Wind schreiben kann. Es stammt aus dem Roman "Das falsche Gewicht" von Joseph Roth. Die Szene zeigt ein Ehepaar in Depression:

 

Die Frau saß aufgerichtet in den Kissen in einem lila Nachtgewand. Der Morgen sickerte spärlich durch die Ritzen der Fensterläden. Die Frau erinnerte Eibenschütz an eine Tulpe, die während dieser ersten Frühlingsnacht in Zlotogrod zu welken begonnen hatte. "Regina", sagte Eibenschütz, "ich fürchte, ich hätte niemals die Kaserne verlassen sollen."

"Für mich sind drei Jahre Kaserne gerade genug", sagte die Frau, "lass mich jetzt schlafen!"

Sie fiel auch sofort in die Kissen zurück. Eibenschütz stieß einen Fensterladen auf und sah hinaus in die Straße. Aber auch der Morgen war welk. Welk war der Morgen. Sogar der Morgen war welk.

 

In diesem Auszug gibt es einen gerahmten Infinitiv, den wir heute so – zu welken begonnen hatte – nicht mehr schreiben würden. Alle anderen Sätze sind ein Genuss, finde ich. Von der Wortwahl – der Morgen sickerte spärlich ... – bis eben zum Rhythmus der letzten drei Sätze, und damit meine ich nicht nur Wohlklang, sondern den suggestiven Effekt auf den Leser. Dreimal wird das gleiche gesagt, dreimal mit fast den identischen Worten, nur im Satz wurde umgebaut. Aber wie dieses Welken jetzt immer größer und schwerer wird, das der Held fünf Zeilen vorher an seiner Frau bemerkt hat. Das schwingt doch wie eine Glocke hin und her. Du hattest Recht, sagt der Rhythmus der Worte. Und alles ist aussichtslos.

 

Für einen solchen Effekt darf man sich in meinen Augen gern darüber hinweg setzen, dass keine Wörter wiederholt werden sollen.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Ich kanns nicht lassen, ich zitiere hier eine meiner Lieblingsstellen auch noch mal:

 

North, into the eye of the wind, to where the sky far off was clear, as the cold blast, rising to a gale, drove back the darkness and the ruin of the clouds.

 

So it was that Gwaihir saw them with his keen, far-seeing eyes, as down the wild wind he came. And daring the great peril of the skies, he circled in the air.

Two small figures, forlorn, hand-in-hand upon a little hill, while the world shook under them, and gasped, and rivers of fire drew near.

But even as he espied them and came swooping down he saw them fall: worn out, or choked with fumes and heat, or stricken down by despair at the last, hiding their eyes from death.

And down came Gwaihir. And down swept Landroval and Meneldor the swift. And in a dream, not knowing what fate had befallen them, the wanderers were lifted up, and borne far away - out of the darkness and the fire.

 

Zu Deutsch, allen Regeln zum Trotz:

 

Aber während er noch sprach, um bis ganz zuletzt die Angst fernzuhalten, schweiften seine Augen nach Norden, nach Norden in das Auge des Windes, dorthin, wo der Himmel in der Ferne klar war, als die kalte Böe zu einem Sturm anschwoll und die Dunkelheit und die Überreste der Wolken zurücktrieb.

Und so sah Gwaihir sie mit seinen scharfen, weit sehenden Augen, als er mit dem wilden Wind heranbrauste, der großen Gefahr des Himmels trotzend, in der Luft kreiste"

Seite an Seite lagen sie; und herab stürzte sich Gwaihir, und herab kamen Landroval und Meneldor der Schnelle; und in einem Traum, nicht ahnend, welches Schicksal ihnen widerfuhr, wurden die Wanderer emporgehoben und davongetragen aus der Dunkelheit und dem Feuer.

 

Rhythmusliebend

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Es heißt ja auch nicht umsonst, dass ein guter Übersetzer eine Geschichte nicht einfach nur übersetzt, sondern sie in seiner eigenen Sprache neu erzählt. Deshalb sind - wenn ein schlechter Übersetzer am Werk ist - manche Übersetzungen grauenhaft, aber andersrum kann aus einem mittelmäßigen Werk etwas großartiges werden, wenn ein großartiger Übersetzer am Werk ist. Manchmal stellt sich da dann auch die Frage, warum manche Bücher in ihrer Heimat nur mittelmäßig liefen, aber als Übersetzungen Bestseller wurden. Ob das wohl nur an den Themen lag, oder vielleicht auch an der Grandiosität ihrer Übersetzer?

 

Gruß, Melanie

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und herab stürzte sich Gwaihir, und herab kamen Landroval und Meneldor der Schnelle; und in einem Traum, nicht ahnend, welches Schicksal ihnen widerfuhr, wurden die Wanderer emporgehoben und davongetragen aus der Dunkelheit und dem Feuer.

 

Ja. Wundervoll. Und herab ... und herab ... und in einem Traum ...

Diese Wiederholungen haben was Beschwörendes.

Das Englische hats außerdem gut mit seinen vielen einsilbigen Verben, das klingt nochmals besser. Aber da lässt sich nix machen, jede Sprache ist nun mal so, wie sie ist.

 

Aus "Herr der Ringe"?

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Herr der Ringe, Frodo ist gerade den Ring losgeworden.

 

Ich kriech an der Stelle immer Gänsehaut.  ;) Und möchte das auch so können.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Angelika, in dem Text, den du vorgestellt hast, höre ich gar keinen Rythmus. Ich sehe zwar gute Formulierungen, aber dieser Text spricht mich gar nicht an.

 

Während das Beispiel aus Tolkien für mich genau das hat. Da hbe ich offensichtlich einen anderen Geschmack.

 

Wenn eine Wortwiederholung (zb. Verben) wirkt, dann kann ich es akzeptieren, auch wenn ich veilleicht weiß, dass das ganz logisch betrachtet, nicht stimmig ist.

 

Und doppelte Verben, wenn gut gewählt, können sehr wirkungsvoll sein.

 

Grüße, Hans Peter

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Angelika' date=' in dem Text, den du vorgestellt hast, höre ich gar keinen Rythmus. Ich sehe zwar gute Formulierungen, aber dieser Text spricht mich gar nicht an.[/quote']

 

Wen welcher Text anspricht, dafür ist natürlich niemand zuständig.

Aber Hören – sollte es da gar keine Objektivität geben?

 

-  -    -      -   *      -    -     *     *      -     -   *    -     -    -   -    *     -   -    *  

Aber auch der Morgen war welk. Welk war der Morgen. Sogar der Morgen war welk.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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"Hohe Gräser und die tiefhängenden Zweige von verwilderten Bäumen

schürften und trommelten gegen die Karosserie, Steine polterten laut

unter den Reifen. Als der Wagen weiterrumpelte, schoss ein Schwarm

erschrockener Amseln explosionsartig aus dem Gehölz auf. Einen Augenblick

lang flatterten und wirbelten sie durch die Luft wie verkohlte Papierfetzen

im Sog von Flammen, dann waren sie verschwunden. Elizabeth blinzelte.

Die Fantasie konnte einem merkwürdige Streiche spielen … "

 

Wäre da nicht der letzte Satz, wären mir die Metaphern etwas zu viel. Aber dadurch, dass die Fantasie Elizabeth einen Streich spielt, geht es um verstärkte, verzerrte Wahrnehmungen - und die sind sehr plastisch und überhöht dargestellt. Insofern ist es für mich kein Bruch der Regel, sondern ein angewandtes Stilmittel.

 

Beste Grüße

Martin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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Wen welcher Text anspricht, dafür ist natürlich niemand zuständig.

Gottlob, sonst wäre der deutsche Buchmarkt nicht der zweitgrößte der Welt (zumindest war er das laut einer Studien aus 2009).

 

Aber Hören – sollte es da gar keine Objektivität geben?

 

-  -    -      -   *      -    -     *     *      -     -   *    -     -    -   -    *     -   -    *  

Aber auch der Morgen war welk. Welk war der Morgen. Sogar der Morgen war welk.

 

Angelika

 

Der Rhythmus deines ausgewählten Beispiels hat was, gar keine Frage. Auch spricht mich die Stimme des Autors, diese Distanziertheit, Melancholie, Resignation (zumindest empfinde ich es so in diesem Textauszug) bis zu einem gewissen Grad an. Und doch spricht mich die Feder eines Norman Mailer, eines John Steinbeck, eines Thomas Mann, Christoph Ransmayr oder Umberto Eco zig-mal mehr an.

 

Inhaltlich läuft mein Geist beim Lesen dieser Textpassage irgendwo und irgendwie halt auch ins Leere. Klar, es ist nur der Auszug aus einem größeren Ganzen. Dennoch baut sich für mich keine wirkliche Spannung auf (und damit meine ich jetzt keine Thriller-Spannung). Es ist mehr wie ein bedachtsames, rhythmisches Dahinplätschern. Nicht einmal das Wort "Kaserne" reißt mich aus diesem Dahinplätschern heraus.

 

Andreas Beispiel hingegen, spricht bei mir allemöglichen Sinne an. Dabei ist der Text für mich durchaus auch Poesie. Ebenso eröffnet mir der Textauszug als Leser eine unerforschte, wirklich verheißungsvolle Welt. Etliche Schlüsselreize lösen in mir regelrechte Flashs aus (und das obwohl ich keine Fantasy-Leserin bin).

 

So viel zum persönlichen Geschmack. Jetzt haben wir immerhin ein Autor-Stufe-3-Beispiel, das für den einen Leser mehr, für den anderen Leser weniger ansprechend funktioniert, selbst wenn die Leser schon über eine gewisse Leseerfahrung verfügen.

 

Liebe Grüße

Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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