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MelanieM

Schreibregeln brechen

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Sorry, aber um noch mal zum Koontz-Wetter-Beispiel zurückzukommen … diese Atmosphäre, die der Autor hier für uns (die Leser) spürbar macht … WIE erschafft er diese Stimmung, obwohl er doch - oberflächlich betrachtet - hier gegen so manche andere "Regel" auch noch verstößt? Schließlich geht es hier ja nicht nur um die Auswahl und Aneinanderreihung von ein paar Worten, sondern um viel mehr …

 

Und nun noch eine Frage: Wieso wirkt das zweite, durchaus gelungene Wetterbeispiel doch eher "passiv", das Koontz-Beispiel hingegen eher "aktiv"?

 

Liebe Grüße

Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Sorry, aber um noch mal zum Koontz-Wetter-Beispiel zurückzukommen … diese Atmosphäre, die der Autor hier für uns (die Leser) spürbar macht … WIE erschafft er diese Stimmung, obwohl er doch - oberflächlich betrachtet - hier gegen so manche andere "Regel" auch noch verstößt? Schließlich geht es hier ja nicht nur um die Auswahl und Aneinanderreihung von ein paar Worten, sondern um viel mehr …

 

Liebe Grüße

Ramona

 

Er setzt eine Person in direkten Zusammenhang mit dem Wetter. Ungewöhnliches Naturereignis <-> ungewöhnliche Person, die da geboren wird. Etwas, an das sich viele lange erinnern werden - Vorgriff auf etwas, das wir noch nicht wissen = Spannung.

Dann zoomt er herunter (von dicken Flocken zu feinen Flocken zu Sand am Fenster) auf die Person, die fröstelt - aber nicht wegen des Wetters, sondern weil irgendwas nicht mit ihm stimmt: Sein Herz und sein Verstand sind "erkaltet".

Er schreibt sinnlich erlebbar.

Koontz wirft mehrere Fragen auf (Was hat die Geburt mit diesem Mann zu tun? Wie wird der Sturm verlaufen? Wie wird die Person sein, die geboren wurde? usw.), wirft seinen Köder aus, ich habe ihn geschluckt.

 

Beste Grüße

Martin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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Hallo Martin,

 

danke, dass du deinen Text eingestellt hast! Da haben wir eine Vergleichsmöglichkeit.

 

Der letzte Satz ist der beste: "Der kleine Bernulf aber schlich sich aus dem Haus, lief der Wolkenwand entgegen, die schwarz und drohend auf ihn zuraste. Wenn die ersten Blitze zuckten, lachte er, hüpfte im Kreis herum und warf mit Steinen."

 

Damit würde ich beginnen.

 

In der Passage davor bin ich verloren, ich habe keinen Faden, an dem ich mich festhalten kann: Um wen geht es? Um welche Gegend geht es? Welches Thema ist das entscheidene? Erst denke ich: Ah der Bauer, dann ah, die Krieger, dann Norden, dann Süden, wo denn jetzt? Wer ist wichtig?

 

Bei deinem letzten Satz weiß ich, es geht um einen ungewöhnlichen Jungen, der keine Angst hat und der ungewöhnliche Dinge tut. Ich will wissen, warum er so ist, und wie es mit ihm weitergeht.

 

Im anderen Text, weiß ich, es geht um Laura und ein besonderes Ereignis mit ihr. Dann wird Atmosphäre erzeugt, in die ich eintauchen kann. Und dann erfahre ich, dass der Mann ein Problem hat. Ah, ich will wissen welches, und wie es mit Laura zusammenhängt. So ist der erste Köder mit dem zweiten verknüpft.

 

"Dein" extremes Wetter ist ansich auch sehr interessant, müsste vielleicht mehr fokussiert werden, und auf einen Punkt hinlaufen.

 

Das sind meine Gedanken dazu :)

 

Grüße

Elke

Romane:  http://weigel-elke.net/      Sachbücher/Psychotherapie: https://weigel-elke.de/

Instagram: https://www.instagram.com/elke_weigel_psychologin/

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Ja, ich denke auch, der Unterschied liegt in den Personen. Beim Koontz sind es zwei - diejenige, die geboren wird und diejenige, die ins kalte Wetter hinaus muss. Darin besteht aber auch eine unbewusste Verbindung - geboren werden bedeutet ja auch, in die Kälte hinaus zu müssen. Insofern könnte das Wetter neben der Atmosphäre auch eine Parabel sein.

 

Bei deinem Beispiel, Martin, werde ich neugierig, als ich den sächsischen Halbfreien entdecke - er verkauft das Gefundene. Der zweite Absatz ist für sich auch interessant, aber durch den abrupten Wechsel liegt eine kurze Irritation vor. Dann kommt wieder etwas Interessantes - aber wieder ein Schwenk. Derartige Schwenks können gute stilistische Mittel sein, aber bei einem historischen Roman hegen viele Leser die Erwartungshaltung, etwas mehr von dem Ambiente zu erfahren. Es wird angerissen - ist interessant - und dann wird der spannende Brocken weggerissen.

Die Frage ist, wird der kleine Bernulf auch wieder weggerissen? Oder ist das der Name des Halbfreien?

 

Ich hätte weitergelesen, mir gefiel dieser Anfang. Aber auch ich hätte gern etwas mehr von dem geheimnisvollen Ambiente gespürt - ich fand es etwas kurz und fühlte mich ein wenig so wie jemand, dem die Geschichte immer wieder vor der Nase weggezogen wird, ehe man sich darauf einlassen kann. Man läuft hinterher wie der Esel hinter der Möhre am Stock. Die Frage ist nur, wie lange noch ;-)

 

Gruß, Melanie

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Ich muss gestehen, dass ich mich vermutlich (und unverbesserlich) zu den "Stufe 1 Autoren" zählen muss. Wenn ich Regeln befolge, dann wohl eher aus Zufall denn gewollt.

Aber ich FÜHLE einen Text.

Und jetzt zu deinem Textbeispiel, Martin, im Vergleich zu Koontz:

Du hast den Unterschied selbst bereits benannt

 

 

Dann zoomt er herunter (von dicken Flocken zu feinen Flocken zu Sand am Fenster) auf die Person, die fröstelt - aber nicht wegen des Wetters, sondern weil irgendwas nicht mit ihm stimmt: Sein Herz und sein Verstand sind "erkaltet".

 

 

Dein Text treibt mich wie ein vom Wind getriebenes Blatt kreuz und quer durch die Landschaft. Das Bild, das entsteht, empfinde ich als interessant, es macht mich neugierig. Aber es ist diffus, zusammengesetzt aus vielen kleinen einzelnen Bildern und Begebenheiten. Mir fehlt die Ahnung, worum es geht oder um wen es geht.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, was ich meine.

 

LG Yvonne.

Neu: "Rosenwein und Apfeltarte" Roman, Juni 2018

http://www.yvonnes-romanwelten.de

Mit wem das Pferd nie durchgeht, der reitet einen hölzernen Gaul (Friedrich Hebbel)

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Exakt. Koontz mäandert nicht. Jeder Satz, jede Information hat einen Zweck, einen Sinn, ein Ziel (fast wie in einem knappen Zeitungsartikel). Und dabei werden all diese Informationen stilistisch auch noch (scheinbar) einfach verpackt.

 

Ich hab' vor Jahren mal eine Anekdote gelesen, die vom damaligen Hauptübersetzer der Koontz-Romane stammt. Als der deutsche Verlag ihm das Übersetzen der Koontz-Stoffe anbot, dachte sich der Übersetzer nach einem Blick auf die ersten Kapitel: Klasse! Leicht verdientes Geld! Das geht ruck zuck!

 

Dann berichtete der Übersetzer, dass (sinnbildlich gesprochen) nach einigen Wochen Übersetzungsarbeit in seinem Teppich ein tiefer Graben entstanden sei … und zwar von seinem Schreibtisch zum Bücherregal mit all seinen Amerikanisch-Deutschen Wörterbüchern … Aufgrund der scheinbaren Schlichtheit des Stils war ihm zu Beginn nicht aufgefallen, wie komplex Koontz wirklich satztechnisch schreibt - und mit was für einem unglaublichen Wortschatz.

 

Der Übersetzer war vermutlich schon eher ein Stufe-3-Übersetzer. Aber selbst er hatte den Text unterschätzt.

 

Liebe Grüße

Ramona

 

P. S. Wenn ich mich recht entsinne, war der Übersetzer der Sciencefiction-Autor Uwe Anton.

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Das Koontz Beispiel fängt natürlich ein bisschen mit einem Klischee-Bild an, nach dem Motto: "On a dark and stormy night ...". Darüber haben sich ja schon die Peanuts lustig gemacht.

 

Wenn man allerdings die ganze Passage betrachtet finde ich Folgendes daran gut:

 

1. Es ist einfach gut geschrieben.

2. Er bleibt die ganze Zeit beim Wetter, lenkt nicht ab, und zwar auf eindrucksvolle Weise. (Beim zweiten Beispiel dagegen verzettelt sich der Autor mit sprunghaften Einschüben, sodass man dauernd wieder abgelenkt wird.)

3. Das Wetter wird dramatisiert, wobei die genauen Details für Spannung sorgen, denn dadurch erwartet man, dass gleich Schlimmes passiert. ("Um 11:56 prüfte er seinen Colt, ob alle Kammern Patronen enthielten. Dann hielt er die Hand hoch, um zu sehen, ob sie zitterte. Er atmete noch einmal tief durch und marschierte auf die Mainstreet hinaus, vor dem Saloon, wo er eine Verabredung hatte.") ;D

4. Nach der Beschreibung dieses heraufziehenden Blizzards, von dem man inzwischen nichts Gutes erwartet, wird eine Figur vorgestellt. Er trinkt Whiskey, um sich warm zu halten. Aber mit dieser Figur wird gleich einen neue Frage aufgeworfen. Mit dem ist was ...

 

Also hier springt der Motor der Geschichte schon mächtig an. Deshalb ist die sogenannte Regel, man fange nicht mit Wetter an, natürlich völlig unsinnig. Man könnte höchstens sagen, fange nicht mit langweiligen Wetterbeschreibungen an. Beziehungsweise, fange am besten überhaupt nicht langweilig an, Wetter oder nicht. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Wobei ich Martins Anfang auch nicht langweilig, sondern interessant finde. Aber durch das Hin und Her wird es dem Leser unnötig schwer gemacht, sich von der Geschichte einsaugen zu lassen.

 

Gruß, Melanie

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Man könnte höchstens sagen' date=' fange nicht mit langweiligen Wetterbeschreibungen an. Beziehungsweise, fange am besten überhaupt nicht langweilig an, Wetter oder nicht.  :)[/quote']

:D

 

… und das sagt uns, dass Grundregeln an sich gut sind, aber sie sind nicht in Stein gemeißelt.

 

Liebe Grüße

Ramona

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Wobei ich Martins Anfang auch nicht langweilig, sondern interessant finde. Aber durch das Hin und Her wird es dem Leser unnötig schwer gemacht, sich von der Geschichte einsaugen zu lassen.

 

Gruß, Melanie

Martin hat eine richtig gute Schreibe, gar keine Frage. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, er arbeitet sein Beispiel entsprechend um, dann zieht dieser Storyanfang den Leser so richtig rein. (Beginne früher mit dem Kind, beziehe es mehr ein, Martin! :-) )

 

Liebe Grüße

Ramona

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Ich habe übrigens auch noch einen Wetter-Anfang - ist mir gerade so aufgefallen - den ich bei meinem zweiten HR verwendet habe.

 

Was sagt ihr dazu?

 

---------------------

Ein letztes Mal flackerte das Signalfeuer auf der Fehmarner Seite der Bucht, dann verlosch sein Licht, und die Morgenröte vertrieb die Dunkelheit. Nichts erinnerte mehr an die aufgepeitschten Wellen der vergangenen Nacht.

Arne liebte die Tage nach dem Sturm, wenn das Meer wieder klar war und der Geruch von Seetang die Luft erfüllte. Ein guter Tag, um die Netze auszuwerfen.

Sein Boot lag am Strand, unmittelbar hinter den Dünen. Dort hatte es bislang jedem Unwetter getrotzt. Auch an diesem Morgen wartete es auf ihn, unversehrt und bereit, ihn hinauszutragen.

Eine dunkle Planke dümpelte zwischen dem Schlick. Arne stutzte. Dann sah er den leblosen Körper, der mit den Beinen noch halb im Wasser lag. Er rannte los, Muschelschalen und Sand knirschten unter seinen Stiefeln. Überall waren Trümmer an den Strand gespült worden. Neben einem zerbrochenen Fass nahe der Sandbank trieben weitere Körper, alle mit dem Gesicht nach unten.

 

--------------

 

Gruß, Melanie

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Vielen Dank für die sehr!!! interessanten Rückmeldungen. :s20

 

Ihr habt Recht: Ich nenne, die Person, um die es geht erst relativ spät, allerdings bleibe ich, sobald Bernulf erscheint, bei ihm und erzähle, was ihm in dem Gewitter widerfährt, insofern wird die Möhre ab dem Punkt nicht mehr weitergezerrt.

 

@Ramona

Danke!  :s18 Und ja: ich werde mit Bernulf anfangen, mal schauen, wie sich das anfühlt.

 

... und die ganze Sache noch etwas fokussieren, ist etwas Over The Top erzählt.

 

@Yvonne

Tatsächlich war das meine Vorstellung: Die LeserInnen erstmal ein wenig durch die Luft fegen lassen - ist aber wohl zuviel.

 

 

@Melanie

Sehr schön, der Anfang. Ganz klar ein fetter Hook, nach den paar Sätzen bin ich in der Geschichte. Eine Frage: Wann spielt die Geschichte? Das Fass lässt an vergangenen Zeiten denken ...

 

Beste Grüße

Martin

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Ich habe übrigens auch noch einen Wetter-Anfang - ist mir gerade so aufgefallen - den ich bei meinem zweiten HR verwendet habe.

 

Was sagt ihr dazu?

 

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Ein letztes Mal flackerte das Signalfeuer auf der Fehmarner Seite der Bucht, dann verlosch sein Licht, und die Morgenröte vertrieb die Dunkelheit. Nichts erinnerte mehr an die aufgepeitschten Wellen der vergangenen Nacht.

Arne liebte die Tage nach dem Sturm, wenn das Meer wieder klar war und der Geruch von Seetang die Luft erfüllte. Ein guter Tag, um die Netze auszuwerfen.

Sein Boot lag am Strand, unmittelbar hinter den Dünen. Dort hatte es bislang jedem Unwetter getrotzt. Auch an diesem Morgen wartete es auf ihn, unversehrt und bereit, ihn hinauszutragen.

Eine dunkle Planke dümpelte zwischen dem Schlick. Arne stutzte. Dann sah er den leblosen Körper, der mit den Beinen noch halb im Wasser lag. Er rannte los, Muschelschalen und Sand knirschten unter seinen Stiefeln. Überall waren Trümmer an den Strand gespült worden. Neben einem zerbrochenen Fass nahe der Sandbank trieben weitere Körper, alle mit dem Gesicht nach unten.

 

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Gruß, Melanie

 

Sehr schön und stimmungsvoll. Es lebt, würde ich sagen. :-)

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"Heiße Luft flirrte über den Ländern - von den Alpen bis zur Elbe, vom Atlantik bis an die Ostsee. Seit Wochen brannte die Sonne erbarmungslos vom Himmel, kein Tropfen Regen war gefallen, Seen und Flüsse schrumpften, die kleineren trockneten aus, gaben ihre Geheimnisse preis. Hier das Skelett eines Bären; da die Rüstung eines Ritters, der gestrauchelt war und ertrunken, in einem Tümpel, der nicht tiefer war, als ein Kurzschwert lang. Der Finder, ein sächsischer Halbfreier, dankte den Göttern, verkaufte alles und erwarb dafür Land und Hof, zwei Ochsen, drei Sklaven und seinen Aufstieg zum freien Bauern.

 

In der Nähe der Eresburg, da, wo die Diemel zwei große Haken schlägt, gab der Ata-See ein Boot mit fünf Skeletten frei. Niemand wusste etwas damit anzufangen, also befragten Bauern die Schamanen, was das wohl bedeuten könne, die aber schwiegen entsetzt.  

 

Die Moore fielen so trocken, dass man sie an vielen Stellen ohne Gefahr durchqueren konnte. Nur wenige Opfer forderte es in dieser Zeit und mancher Verurteilte musste weit geführt werden, damit seine Henker eine geeignete Stelle für seine Hinrichtung finden konnten.

 

Wie im Herbst kleideten sich die endlosen Eichenwälder im Norden. Von der Ruhr zogen sie sich über Hunderte Kilometer dahin, nur durchbrochen von Flüssen und den Behausungen der Menschen, aufgehalten von den Meeren im Osten und Westen und den Gebirgs-zügen und dem Eis im hohen Norden. Von da rollte kalte, feuchte Luft in den Süden, stürmte an gegen das heiße Bollwerk wie Krieger gegen den Feind. Und so, wie von den Schwertern die Funken stoben, wenn sie im Blutrausch aufeinander hieben, so schlugen die Blitze aus dem Himmel.

 

Die meisten Menschen fielen auf die Knie, beschworen die Götter sie zu verschonen, brachten Odin Opfer und Thonaer, dass er sein Feuer nicht auf ihr Dach schleudere.

 

Der kleine Bernulf aber schlich sich aus dem Haus, lief der Wolkenwand entgegen, die schwarz und drohend auf ihn zuraste. Wenn die ersten Blitze zuckten, lachte er, hüpfte im Kreis herum und warf mit Steinen."

 

Beste Grüße

Martin

 

 

Hi Martin,

 

du hast ne schöne Sprache. Man spürt, dass du mit Liebe beim Schreiben bist. Ich denke zwar, dass solche Anfänge durchaus ihre Berechtigung haben und es garantiert viele erfolgreiche Romane gibt, die so beginnen - aber sie funktionieren für mich nicht besonders gut, da ich nicht mitfiebern kann. An anderer Stelle der Geschichte wäre sie vielleicht wunderbar, weil sie das Tempo drosselt. Aber so ist es einfach nur ein handlungsarmer Beginn - reine Impressionen. Ab Bernulf geht es erst los, aber davor verlierst du mich eigentlich schon ...

 

Beste Grüße

Stefan

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Waren es Absätze mit mehreren Sätzen?

 

 

Unterschiedlich. Mal waren es komplette Absätze, mal auch nur zwei Worte. Das Interessante aber war, wenn ich mich richtig erinnere, dass der neu zusammengesetzte Text gar nicht so völlig unverständlich war.

 

VG Helmut

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@ Quidam,

 

bevor ich den Text nochmal anbiete, werde ich den Anfang umschreiben. Die Romane, die ich bisher erfolgreich untergebracht habe, starten alle mit dem Protagonisten, egal ob Wetter oder nicht und sind alles andere als handlungsarm.

 

Einen handlungsarmen Anfang vermeiden! Eigentlich eine Binsenweisheit für Spannungsliteratur.

 

 

Beste Grüße

Martin

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Sein Boot lag am Strand, unmittelbar hinter den Dünen. Dort hatte es bislang jedem Unwetter getrotzt. Auch an diesem Morgen wartete es auf ihn, unversehrt und bereit, ihn hinauszutragen.

Das hier stört mich trotz aller Stimmung, das klingt nach Pferd und nicht nach Boot. Da ist mir der Gegenstand zu sehr personalisiert. Gruß, Barbara

Jedenfalls bleibt die Tatsache, dass es im Leben nicht darum geht, Menschen richtig zu verstehen. Leben heißt, die anderen misszuverstehen ... Daran merken wir, dass wir am Leben sind: wir irren uns. (Philip Roth)

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Sein Boot lag am Strand' date=' unmittelbar hinter den Dünen. Dort hatte es bislang jedem Unwetter getrotzt. Auch an diesem Morgen wartete es auf ihn, unversehrt und bereit, ihn hinauszutragen. [/quote']

Das hier stört mich trotz aller Stimmung, das klingt nach Pferd und nicht nach Boot. Da ist mir der Gegenstand zu sehr personalisiert. Gruß, Barbara

 

So sind sie, die Heiligenhafener Fischer des Jahres 1428 ;) - ich denke, das ist Geschmackssache.

 

Gruß, Melanie

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Martins Text sollte meiner Meinung nach einfach gekürzt werden, um nicht davon abzulenken, dass das Wetter Vorbote dramatischer Ereignisse ist (stelle ich mir vor). Ich glaube, dann wird es dramatischer und einheitlicher. Ich erlaube mir einfach mal das wegzukürzen, was ich für nicht relevant halte:

 

"Heiße Luft flirrte über den Ländern. Seit Wochen brannte die Sonne vom Himmel, kein Tropfen Regen war gefallen, Flüsse und Seen schrumpften, die kleineren trockneten aus, gaben ihre Geheimnisse preis. Hier das Skelett eines Bären, da die Rüstung eines Ritters, der gestrauchelt und ertrunken war. In der Nähe der Eresburg, wo die Diemel zwei große Haken schlägt, gab der Ata-See ein Boot mit fünf Skeletten frei. Niemand konnte sagen, wer da gestorben war. Die Moore fielen so trocken, dass man sie an vielen Stellen ohne Gefahr durchqueren konnte.

 

Dann rollte aus dem Norden kalte, feuchte Luft heran, stürmte gegen das heiße Bollwerk an wie eine Kriegerschar gegen den Feind. Und wie von Schwertern Funken stieben, schlugen jetzt Blitze aus dem Himmel. Die Menschen fielen auf die Knie, beschworen ihre Götter, sie zu verschonen, brachten Odin Opfer und Thonaer, dass er sein Feuer nicht auf ihr Dach schleudere.

 

Der kleine Bernulf aber schlich sich aus dem Haus, lief der Wolkenwand entgegen, die schwarz und drohend auf ihn zuraste. Als die ersten Blitze zuckten, lachte er, hüpfte im Kreis herum und warf mit Steinen."

 

Ansonsten finde ich es gut, wenn das Wetter benutzt wird, um dramatisches Geschehen wiederzuspiegeln.

 

Bei Melanie ist es eher umgekehrt. Eine schöne, ruhige Landschaft, die sich plötzlich verwandelt und eine Tragödie preisgibt. Das ist gut gelungen, finde ich, besonders da bei der Landschaft nur kurz verweilt wird.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich habe übrigens auch noch einen Wetter-Anfang - ist mir gerade so aufgefallen - den ich bei meinem zweiten HR verwendet habe.

 

Was sagt ihr dazu?

 

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Ein letztes Mal flackerte das Signalfeuer auf der Fehmarner Seite der Bucht, dann verlosch sein Licht, und die Morgenröte vertrieb die Dunkelheit. Nichts erinnerte mehr an die aufgepeitschten Wellen der vergangenen Nacht.

Arne liebte die Tage nach dem Sturm, wenn das Meer wieder klar war und der Geruch von Seetang die Luft erfüllte. Ein guter Tag, um die Netze auszuwerfen.

Sein Boot lag am Strand, unmittelbar hinter den Dünen. Dort hatte es bislang jedem Unwetter getrotzt. Auch an diesem Morgen wartete es auf ihn, unversehrt und bereit, ihn hinauszutragen.

Eine dunkle Planke dümpelte zwischen dem Schlick. Arne stutzte. Dann sah er den leblosen Körper, der mit den Beinen noch halb im Wasser lag. Er rannte los, Muschelschalen und Sand knirschten unter seinen Stiefeln. Überall waren Trümmer an den Strand gespült worden. Neben einem zerbrochenen Fass nahe der Sandbank trieben weitere Körper, alle mit dem Gesicht nach unten.

 

--------------

 

Gruß, Melanie

 

Hi Melanie,

 

finde den Anfang total gut! Lediglich der erste Satz hatte für mich beim Lesen irgendwie Stolperer drin, was vermutlich an den beiden Kommata liegt.

 

=======================

 

Original: "Ein letztes Mal flackerte das Signalfeuer auf der Fehmarner Seite der Bucht, dann verlosch sein Licht, und die Morgenröte vertrieb die Dunkelheit."

 

Vorschlag: "Ein letztes Mal flackerte das Signalfeuer auf der Fehmarner Seite der Bucht, bevor sein Licht verlosch und die Morgenröte die Dunkelheit vertrieb."

 

(Wobei man das "sein Licht" eventuell auch durch "es" ersetzen könnte, da ein Signalfeuer eh Licht hat.)

 

=======================

 

Ansonsten hätte mich dieser Roman-Wetteranfang als Leser voll in die Geschichte hineingezogen. Das mit dem Satz ist vermutlich aber auch Geschmackssache. Liegt vielleicht auch an einem gewissen "angelsächsischen" Einfluss bei mir.

 

Liebe Grüße

Ramona

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Vielen Dank!

 

Der Roman ist übrigens schon im letzten Jahr erschienen, ist der Beginn des Prologs von "Schicksalsstürme", der 1428 in Heiligenhafen spielt.

 

Gruß, Melanie

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Koontz beschreibt EIN Wetter an EINEM Ort. Und er personalisiert es, er lässt es erleben.

 

Martin, du beschreibst viele Orte und deshalb verliert es an Wirkung.

 

Koontz beschreibt eine Person, Martin du mehrere, von denen man zuerst glaubt, sie seien wichtig, dann schwenkst du wieder auf andere und ich bin verwirrt: Was sollte das mit diesen Personen, die sind offenbar nicht wichtig?

 

Und weil es soviele sind, entsteht auch kein Bild. Wenn du einen See, der austrocknet, schilderst und dann den Jungen der in die Gewitterwand hineinläuft, würde es nicht so allgemein klingen, sondern ein Bild wecken. Nur eins. Nicht "Flüsse und Seen schrumpften" sondern: "Die Ruhr war nur noch ein schlammiges Rinnsal ..."

 

Und Koontz fängt nicht mit dem Wetter an. Ich glaube, das ist auch für die Wirkung wichtig.

 

Das Wetter birgt aber trotz Koontz gutem Beispiel eine große Gefahr. Ich habe zwei Lektorinnen erlebt, die sich darüber lustig machten, dass jedes zweite Manuskript mit dem Wetter anfängt. Vermutlich läuten bei vielen Lektoren bei Wetter alle Alarmglocken auf.

 

Wie wäre es, wenn du mit dem Junge anfängst und dann erst Wetter?

 

Der kleine Bernulf lief der Wolkenwand entgegen, die schwarz und drohend auf ihn zuraste.

Sie rollte aus dem Norden heran, kalt und nass, verjagte die Sommerhitze wie eine Kriegerschar den Feind. Und wie von Schwertern Funken stieben, schlugen jetzt Blitze aus dem Himmel.

Wochenlang war kein Tropfen Regen gefallen, die Ruhr nur noch ein Rinnsal und der Atasee ausgetrocknet. Ein Boot mit fünf Skeletten lag auf seinem Grund. Niemand konnte sagen, wer da gestorben war.

Seine Eltern würden Odin Opfer darbringem und zu Thonaer beten, dass er sein Feuer nicht auf ihr Dach schleudere.

Doch Bernulf hatte keine Angst.

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Also, mir persönlich wäre wohler, wenn man hier nicht die Texte von Forumsteilnehmern gereicht bekäme. Textkritik findet ja woanders und nicht umsonst im nicht öffentlichen Teil statt. Und es finden sich bestimmt genug Beispiele, an denen man klären kann, wie sinnvoll – oder -los – es ist, mit dem Wetter einzusteigen.

 

Um mit gutem Beispiel voranzugehen. Hier der Romananfang von Alison Luries "Ein ganz privater kleiner Krieg" (sehr gut verkaufter Roman, die Autorin ist Trägerin des Pulitzerpreises):

 

20. März. Ein kalter Frühlingsmorgen. Es hat in der Nacht geregnet, die Schneekruste auf dem Rasen vor dem Haus ist durchlöchert und alles ist nass und glitzert: der feinkörnige Kies der Einfahrt, das Eis in der Rinne daneben, die kahlen Ulmenzweige vor dem Badezimmerfenster. Die Sonne scheint seitlich auf das Haus, strahlend, ungerührt. Als Erica Tate zum Frühstückmachen hinunterkommt und durch das Küchenfenster blickt, spürt sie ihr Gefühlsbarometer, das in der letzten Zeit einen ungewöhnlichen Tiefstand hatte, um einige Grade steigen.

 

Warum ich diesen Einstieg gelungen finde:

 

1. Wir werden über Zeit  – Jahres- und Tageszeit – informiert. So steht der Text vom ersten Satz an in einem zeitlich (wie lokal) verortbaren Rahmen. Das erlaubt, so wie es hier gemacht ist,

 

2. einen unmittelbaren Einstieg in die Szene. Also keine Weitschweiferei, sondern über das Wetter kommen wir gleich an die Hauptfigur, deren Stimmung nicht direkt, sondern über den Blick nach draußen, deutlich wird. Und das

 

3. als Metapher: Denn das Wetter vorher stand nicht einfach so da, sondern leitet über zum "Gefühlsbarometer". Auf dieser Ebene:

 

4. sprachlich nämlich, zeigt die Autorin ganz nebenbei, wie visuell sie schreiben kann. Der "feinkörnige Kies", der "durchlöcherte Rasen" – ich seh die Szenerie. Nicht ins Letzte ausgepinselt, aber mit erfrischend unverbrauchtem Vokabular.

 

Wer so viel erreicht mit einer Wetterszene, der soll sie doch bitte schreiben. Würde ich sagen.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Ein letztes Mal flackerte das Signalfeuer auf der Fehmarner Seite der Bucht, dann verlosch sein Licht, und die Morgenröte vertrieb die Dunkelheit. Nichts erinnerte mehr an die aufgepeitschten Wellen der vergangenen Nacht.

Arne liebte die Tage nach dem Sturm, wenn das Meer wieder klar war und der Geruch von Seetang die Luft erfüllte. Ein guter Tag, um die Netze auszuwerfen.

Melanie, dein Anfang ist gut - aber du fängst eigentlich nicht mit dem Wetter an. Sondern im ersten Absatz mit dem Signalfeuer und im zweiten mit Arne. Das Wetter ist Hintergrund, aber nicht Hauptsache.

 

Das ist keine Kritik an deinem guten Anfang - aber ein Hinweis darauf, dass man Wetter als Hintergrund verwenden kann, um Stimmung einzufangen.

 

Grüße, Hans Peter

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