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MelanieM

Schreibregeln brechen

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Ich mache mal - abgeleitet aus dem Thema zur wörtlichen Rede im Handwerk - einen neuen Thread auf.

 

Ich habe dort ja die (anscheinend als provokant wahrgenommene) Theorie aufgestellt, dass Autoren drei Entwicklungsstufen durchmachen.

 

Stufe 1: Autor hat noch nie was über Handwerk und Regeln gehört und schreibt munter drauflos, wie es ihm in den Sinn kommt. Dabei tauchen dann solche o.a. Stilbrüche und NoGos auf.

 

Stufe 2: Autor weiß, dass es Regeln gibt und beherrscht sie, aber er richtet sich sklavisch danach und hat plötzlich auch beim Lesen einen Tunnelblick, der nur noch darauf aus ist, darauf zu achten, ob die anderen Autoren sich auch an die Regeln halten.

 

Stufe 3: Autor kennt die Regeln, hält sich im Allgemeinen auch daran, aber er weiß ganz genau, wann und wie er sie brechen kann, um noch mehr aus seinem Text herauszuholen. Man wird deshalb nicht aus dem Lesefluss gerissen, sondern bemerkt es meist gar nicht, wenn man sich auf den Text einlässt, außer, man ist ein besonders hartnäckiges Exemplar von Autor der Stufe 2, der nur noch mit Tunnelblick liest und nicht mehr genießt

 

Ich habe diese Beobachtung tatsächlich in mehreren Foren, in denen sich Autoren in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung tummeln, gemacht.

 

Ein Aha-Erlebnis zu dem Thema hatte ich bei einem Workshop mit unserer Lisa, ich glaube, es war 2009 in Oberursel. Es ging um stilistische Mittel und einfach darum, sich von den bisherigen Regeln, die für mich damals noch in Stein gemeißelt erschienen, zu trennen, sondern dem Text seine eigene Erzählsprache zuzugestehen.

 

Und das habe ich dann probiert - zunächst im Kleinen - aber die Wirkung war verblüffend. So habe ich z.B. bei meinem ersten historischen Roman etwas getan, für das mich Deutschlehrer gesteinigt hätten - ich habe die Tempora im Erzählfluss gemischt. Immer, wenn eine Figur einen Flashback hatte, von der Vergangenheit in die Gegenwart gewechselt. Und es hat dem Text viel gebracht.

 

Ich finde es ist eine spannende Erfahrung, wenn man sich von diesem "Was darf man, was ist korrekt" auch mal befreit und experimentiert - im Sinne der Ausdruckskraft und der Textverbesserung. Ich würde das gern mal diskutieren - welche Erfahrungen habt ihr mit "scheinbaren Regelbrüchen" gemacht? Wo hat es dem Text genützt? Wo seid ihr an eure Grenzen gekommen?

 

Gruß, Melanie

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Oh, Melanie, deine Theorie ist mehr nur eine Theorie. Das ist empirisch gefundene Wahrheit, die auch unter Laborbedingungen wiederholt werden kann und die ich sofort und bedenkenlos unterschreibe. ;D

 

Da ich mich in diesem Forum oft als Regelbrecher fühle, habe ich gleich nach Beispielen gekramt, aber das hat sich gar nicht als so einfach erwiesen. Denn: Was ist eigentlich eine Schreibregel? Wer stellt sie auf? Der Duden? Der Deutschlehrer? Die Verlage? Schreibratgeber? Andere Autoritäten? Der Leser, indem er nicht der Regel entsprechende Texte nicht kauft?

Sind viele Regeln vielleicht gar keine Regeln sondern lediglich Irrwege irgendwelcher Literaturtheoretiker? Viele Diskussionen (nicht nur hier in diesem Forum) erinnern mich tatsächlich an die wissenschaftlichen Dispute früherer Jahrhunderte, wo man sich einig war, dass nichts fliegen könne, das schwerer sei als Luft. - Dabei hätte ein Blick auf die Vögel und Insekten ausgereicht, um Klarheit zu haben.

 

Ja, doch, mir beginnen Beispiele einzufallen. Ich sammele noch ein wenig, wenn's recht ist.

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Entschuldigt, Leute, aber ich verstehe überhaupt nicht diese Fixierung auf Schreibregeln oder deren Brüche.

 

Es gibt Grammatikregeln, aber keine Schreibregeln. Jeder kann schreiben, wie er möchte. Es gibt von verschiedenen Seiten höchstens Empfehlungen, was besser ist oder als besser empfunden wird, aber Regeln kann man das nicht nennen. Und die ändern sich auch mit dem Zeitgeschmack.

 

Deshalb kann ich auch nicht ausmachen, wieso ein Autor besser sein soll, weil er irgendwelche selbstauferlegten "Regeln" (die keine sind) bricht. Was ist das für eine seltsame Logik?

 

Also ich kann diesen Kriterien einer Autorenbewertung nichts abgewinnen. Höchstens müsste ich mich selbst in die Stufe 1 einordnen, denn ich kenne keine Regeln (siehe oben) und schreibe, wie mir der Schnabel (sorry) gewachsen ist. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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@Ulf

 

Ich meine damit vor allem das, was in den üblichen Schreibratgebern gelehrt wird. Für einen Anfänger ist das gut und sinnvoll, um überhaupt erst einmal ein Gefühl zu bekommen. Viele talentierte Anfänger machen vieles auch instinktiv richtig, aber manche Fehler - eben z.B. immer mit "sagte er" (oder deutlich ungeschickteren Inquits) die wörtliche Rede zu beenden - ob es nötig ist oder nicht - tauchen eben bei Leuten, die sich erst neu mit dem Schreiben befassen, häufiger auf.

 

Dann gibt es ja die Regeln, keine oder wenig Adjektive zu verwenden. Es gibt zahlreiche Regeln aus Schreibratgebern. Ursprünglich sind die auch alle gut und hilfreich - aber ich finde es interessanter, welche Erfahrungen damit gemacht wurden, welche Auswirkungen es auf einen Text hat, wenn man bestimmte Konventionen mit einer Intention dahinter bricht.

 

Wenn dich das Thema nicht interessiert, musst du ja nicht mitdiskutieren.

 

Gruß, Melanie

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Mir sind übrigens noch ein paar Beispiele eingefallen, um zu verdeutlichen, was ich eigentlich meine.

 

Z.B. die Regel, Perspektivwechsel durch Absatz anzukündigen und sie nicht im Satz zu wechseln. Ist natürlich korrekt - eine wild wechselnde Perspektive kann nervig sein.

 

Ist sie aber sauber getrennt - Stichwort "schwebende Perspektive", die wir hier auch schon diskutiert haben - wird sie plötzlich zu einem ganz eigenen Stilmittel, das wiederum korrekt ist, aber natürlich ein gewisses Fingerspitzengefühl braucht, um die Marker für den Wechsel richtig zu setzen.

 

Oder die "Regel", man sollte nicht mit Rückblenden beginnen - auch dafür gibt es Ausnahmen und Beispiele, warum es gerade jetzt notwendig war, um die Aussage, die getroffen werden sollte, so und nicht anders zu treffen.

 

Allerdings muss das dann natürlich auch handwerklich gut eingebaut sein.

 

Gruß, Melanie

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Wenn dich das Thema nicht interessiert, musst du ja nicht mitdiskutieren.

 

Gruß, Melanie

 

Nein, das muss er natürlich nicht. Aber er darf. Und er sollte doch bitte auch eine Meinung in einem Thread äußern können, die sich mit Deiner nicht deckt. Oder ist das zuviel verlangt?

 

VG Helmut

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Wenn dich das Thema nicht interessiert, musst du ja nicht mitdiskutieren.

 

Gruß, Melanie

 

Nein, das muss er natürlich nicht. Aber er darf. Und er sollte doch bitte auch eine Meinung in einem Thread äußern können, die sich mit Deiner nicht deckt. Oder ist das zuviel verlangt?

 

VG Helmut

 

 

Sorry, wenn der von dir zitierte Satz jetzt so rüberkam, als würde ich irgendjemanden von der Diskussion ausschließen wollen. Das war keineswegs meine Intention. Auf mich wirkte das Posting von Ulf gestern abend allerdings so, als sei eine derartige Diskussion ohnehin überflüssig.

 

Und ich wollte einfach verhindern, dass über den Sinn/Unsinn des Diskussionsthemas diskutiert wird, sondern lieber über den Inhalt des Themas.

 

Das ist alles - hätte wohl doch einen Smilie setzen sollen :)

 

Gruß, Melanie

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Sorry, wenn der von dir zitierte Satz jetzt so rüberkam, als würde ich irgendjemanden von der Diskussion ausschließen wollen. Das war keineswegs meine Intention.

 

Gruß, Melanie

 

Missverständnis bereinigt und aus Erinnerung gelöscht, danke. ;)

Ich habe mal eine Reportage über William S. Burroughs gelesen, in dem berichtet wurde, dass er ein Kapitel schrieb, dann in Dutzende Schnipsel zerschnitt und

zufällig wieder zusammensetzte. So wollte er die Verwirrung und den inneren Monolog seines Protagonisten verdeutlichen.

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Das ist interessant. Wobei bei dieser Vorgehensweise sicher auch die Länge der Schnipsel wichtig ist, wenn sie später nach dem Zufallsprinzip wieder zusammengesetzt werden. Waren es Absätze mit mehreren Sätzen?

 

Ich denke, bei einem solchen Vorgehen macht es die Dosis - so dass die Leser noch in der Lage sind, sich selbst einen roten Faden gemeinsam mit dem Protagonisten zu suchen und ihm zu folgen.

 

Gruß, Melanie

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Einen Protagonisten und einen roten Faden in William S. Burroughs Werken zu suchen, die in der "cut-up" Technik editiert wurden, ist sicher ein abenteuerliches Unterfangen, das dem der Suche nach Yage in nichts nachsteht.

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Entschuldigt, Leute, aber ich verstehe überhaupt nicht diese Fixierung auf Schreibregeln oder deren Brüche.

 

Es gibt Grammatikregeln, aber keine Schreibregeln. Jeder kann schreiben, wie er möchte. Es gibt von verschiedenen Seiten höchstens Empfehlungen, was besser ist oder als besser empfunden wird, aber Regeln kann man das nicht nennen. Und die ändern sich auch mit dem Zeitgeschmack.

 

Deshalb kann ich auch nicht ausmachen, wieso ein Autor besser sein soll, weil er irgendwelche selbstauferlegten "Regeln" (die keine sind) bricht. Was ist das für eine seltsame Logik?

 

Also ich kann diesen Kriterien einer Autorenbewertung nichts abgewinnen. Höchstens müsste ich mich selbst in die Stufe 1 einordnen, denn ich kenne keine Regeln (siehe oben) und schreibe, wie mir der Schnabel (sorry) gewachsen ist. :)

 

Lieber Ulf,

 

es gibt Grammatik, die ist relativ einfach zu lernen und anzuwenden.

Und dann gibt es die (ungeschriebenen) Schreibregeln, die von Verlagen, Kritiker, Leserinnen und Kollegen aufgestellt werden.

Beispiel: "Am Romananfang darf um Gotteswillen keine Wettersituation stehen! Ich darf das Wort "sagen" nicht so oft verwenden. Dopplungen sind Sünde! Synonyme sind Sünde." Zitate von Verlagen/Agenturen.

 

Vielleicht kann man dem Begriff mit "Schreibmoral", "Schreibethik", "Schreibschere" oder "Schreibästhetik" näher kommen?

 

Die Drei Kategorien halte ich für zu kurz gegriffen, denn ich glaube, dass es da ganz viele Schattierungen gibt, aber als Zuspitzung für das Thema ist es gut geeignet.

 

Ich habe daher einfach mal versucht, mich irgendwo einzuordnen, und habe durchaus die drei "Phasen" wiedererkennen können. Sehr spannend!

 

Beste Grüße

 

Martin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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Die Drei Kategorien halte ich für zu kurz gegriffen, denn ich glaube, dass es da ganz viele Schattierungen gibt, aber als Zuspitzung für das Thema ist es gut geeignet.

 

Dem kann ich mich nur anschließen. Gut kann man es mit Fussballern vergleichen. Profiliga. Sind deshalb alle gleich gut? Der eine hat Defizite im Stellungsspiel, der andere beim Kopfball. Klar hat der Profi sicher ein besseres Kopfballspiel, als das Kopfballungeheuer aus der 7.Liga, aber im Vergleich zu anderen Profis ist es sehr schwach.

 

Mit Autoren ist es doch nicht anders. Der eine Profi schreibt Dialoge zum Niederknien, hat aber Defizite beim Plot oder den Charakterisierungen. Es gibt selten (keinen?) Profis, die wirklich alle 'Regeln' kennen und können und sie dann auch noch nach Lust und Laune brechen können. Ab und an findet sich eben auch ein Profi der sogenannten Stufe 3 auf Stufe 2 oder gar 1.

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Lieber Ulf,

 

es gibt Grammatik, die ist relativ einfach zu lernen und anzuwenden.

Und dann gibt es die (ungeschriebenen) Schreibregeln, die von Verlagen, Kritiker, Leserinnen und Kollegen aufgestellt werden.

 

 

Ich störe mich nicht am Thema an sich, wenn es darum geht, Konventionelles zu durchbrechen, das einem von vielen Seiten geraten wird. Das finde ich sogar interessant.

 

Mich haben nur zwei Dinge gestört.

 

Einmal: solche Empfehlungen als Regeln zu bezeichnen. Denn gerade wir Deutsche lieben ja Regeln und Disziplin, nicht wahr? Was dazu führt, das viele Anfängerautoren sich möglicherweise davon einschüchtern lassen. Denn beim Schreiben wie beim Malen oder anderen Ausdrucksmöglichkeiten kommt es am Ende immer auf die Wirkung an, und nicht, ob man "Regeln" befolgt hat. Und Schreib-"empfehlungen" wollen nichts anderes als beraten, wie man eine gute Wirkung beim Leser erreichen kann. Wobei man sich darüber klar sein muss, dass viele Wege nach Rom führen. Am Ende zählt, was hinten rauskommt.

 

Das zweite, was mich gestört hat, ist die Behauptung, die Qualität des Autors ließe sich an seinem Umgang mit solchen "Regeln" abmessen. Das halte ich, ehrlich gesagt, für eine abartige Theorie, die aber auch gar nichts mit der Qualität eines Textes zu tun hat.

 

Wenn wir uns allerdings über gängige Empfehlungen von Schreibwerkstätten, Verlagen und anderen unterhalten wollen und inwieweit man sich daran halten sollte oder nicht und warum, da diskutiere ich natürlich gern mit. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ulf, ich wollte keineswegs sagen, dass die Qualität eines Autors damit zu tun hat, ob er sich an Regeln hält oder nicht. Oder nennen wir es meinetwegen auch "Übereinkünfte".

 

Ich persönlich glaube, diese "Regeln" (die in manchen Foren - nicht hier - übrigens tatsächlich mit einer nahezu inquisitorischen Vehemenz eingefordert werden) sind deshalb aufgestellt worden, weil sie das Erlernen des Handwerks vereinfachen. Man braucht eine Richtschnur. Anhand von guten Texten haben einige Menschen analysiert, was diese Texte von weniger guten Texten unterschied. Und dann haben sie daraus ihre "NoGos" gemacht und dies in Form von Regeln, wie man sie in Schreibratgebern findet, publiziert.

 

Prinzipiell ist das erstmal hilfreich. Und es gibt genügend gute Autoren, die sich an diese Regeln halten - einfach, weil sie es wollen. Sie könnten sie durchaus brechen, aber sie wollen es nicht. Das ist in Ordnung.

 

Und dann gibt es Leute, die erzählen eine Geschichte. Einfach drauflos. Die scheren sich um keine Regeln und haben das instinktive Gespür für das Richtige. Das ist auch völlig in Ordnung und dabei kommen tolle Bücher raus.

 

Es gibt aber auch Leute, die erfinden tolle Geschichten, aber sie haben Probleme damit, diese Geschichten dann spannend zu erzählen. Denen kann das Handwerk helfen. Und als Anfänger neigt man m.E. dazu, sich strenger an "Regeln" zu halten. Mit wachsender Routine variiert man. Das ist beim Malen, Schreiben, Töpfern, Stricken - überall das Gleiche. Selbst bei der Arbeit mit dem PC - wenn der Anfänger improvisiert, stürzt das System vermutlich ab, wenn der Profi es macht, kann er damit u.U. noch retten, was zu retten ist.

 

Ich denke einfach, die Experimentierfreude ist das Wichtigste - die sollte man sich nicht im Kopf beschneiden lassen. Denn oft genug entstehen daraus wieder neue "Regeln" - weil andere sehen: "Hey, das ist klasse, so funktioniert das viel besser."

 

Und das finde ich eben ein spannendes Thema - wie kann man - gerade dadurch, dass man sich nicht an die allgemeinen Übereinkünfte hält, sondern die Erwartungen/Regeln/Übereinkünfte bricht, tatsächlich eine Verbesserung erreichen.

Oder passiert das Gegenteil? Will man etwas ganz anders ausdrücken, stellt dann aber fest, dass man doch lieber beim Alten bleiben sollte, weil man damit sein Anliegen besser ausdrücken kann?

 

Das war für mich z.B. der Grund, mich in einem Roman nach einigem Experimentieren/Überlegen gegen die schwebende Perspektive zu entscheiden, obwohl ich das Konzpet prinzipiell klasse finde.

 

Gruß, Melanie

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Ich denke einfach, die Experimentierfreude ist das Wichtigste - die sollte man sich nicht im Kopf beschneiden lassen.

 

Da bin ich völlig einverstanden mit dir. Dazu gehören auch ungewöhnlich konstruierte Plots oder Romanstrukturen.

 

Aber anders sein allein macht keine guten Roman aus. Es muss auch beim Leser ankommen. Und da schadet es nicht, sich gewissen Ratschlägen nicht zu verschließen. Denn manche Dinge funktionieren einfach nicht, andere dafür besser.

 

Das Wort "funktionieren" finde ich hier eigentlich besser. Erreicht ein Stilmittel die gewollte Wirkung oder nicht.

 

Sol Stein redet zum Beispiel über Romananfänge als "den Motor starten". Funktionieren die ersten Sätze in diese Richtung oder nicht. Wird der Leser reingezogen, entwickelt die Story schon in den ersten Sätzen eine Dynamik, der man sich schwer entziehen kann. Das ist die Frage.  :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Genau Ulf, darauf möchte ich eigentlich hinaus - funktioniert etwas? Und wenn ja, warum? Oder warum nicht?

Vermutlich haben sie die "Regeln" aus dem herauskristallisiert, was am leichtesten funktioniert und den gewünschten Effekt bringt. Also ist die Frage, wie man das Handwerk ansetzt, damit etwas, was scheinbar all dem widerspricht, funktioniert.

 

Gruß, Melanie

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Hm, vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang dann auch weniger von "Regeln/Übereinkünften" des Schreibhandwerks reden, sondern vielmehr von "Techniken", die gute oder herausragende Autoren nutzen, um aus ihrer Idee, ihrem Text, das Beste herauszuholen.

 

Liebe Grüße

Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Hm, vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang dann auch weniger von "Regeln/Übereinkünften" des Schreibhandwerks reden, sondern vielmehr von "Techniken", die gute oder herausragende Autoren nutzen, um aus ihrer Idee, ihrem Text, das Beste herauszuholen.

 

Liebe Grüße

Ramona

Das wäre mir auch lieber. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich mache mal - abgeleitet aus dem Thema zur wörtlichen Rede im Handwerk - einen neuen Thread auf.

 

Ich habe dort ja die (anscheinend als provokant wahrgenommene) Theorie aufgestellt, dass Autoren drei Entwicklungsstufen durchmachen.

 

Stufe 1: Autor hat noch nie was über Handwerk und Regeln gehört und schreibt munter drauflos, wie es ihm in den Sinn kommt. Dabei tauchen dann solche o.a. Stilbrüche und NoGos auf.

 

Stufe 2: Autor weiß, dass es Regeln gibt und beherrscht sie, aber er richtet sich sklavisch danach und hat plötzlich auch beim Lesen einen Tunnelblick, der nur noch darauf aus ist, darauf zu achten, ob die anderen Autoren sich auch an die Regeln halten.

 

Stufe 3: Autor kennt die Regeln, hält sich im Allgemeinen auch daran, aber er weiß ganz genau, wann und wie er sie brechen kann, um noch mehr aus seinem Text herauszuholen. Man wird deshalb nicht aus dem Lesefluss gerissen, sondern bemerkt es meist gar nicht, wenn man sich auf den Text einlässt, außer, man ist ein besonders hartnäckiges Exemplar von Autor der Stufe 2, der nur noch mit Tunnelblick liest und nicht mehr genießt

Das ist keine provokante Theorie, das ist allgemeine Erfahrung der meisten, die sich mit Kursen, Lektoraten, Coaching etc. befassen.

 

Amerikanische Schreiblehrer sagen: Erst muss man den Leuten die Regeln beibringen, dann, sie wieder zu vergessen.

 

Vielleicht sollte man besser von "Faustregeln" oder "Empfehlungen" sprechen, um zu betonen, dass es nichts in Stein gemeisseltes ist. Und natürlich helfen sie, einigermaßen lesbare Geschichten zu schreiben, aber die Qualität einer Geschichte lässt sich nicht daran ablesen, ob alle Schreib-Faustregeln beachtet wurden.

 

Das gilt übrigens auch für Grammatikregeln. Man sollte sie kennen, aber manchmal gibt es gute Gründe, sich nicht daran zu halten. Grammatikalisch korrekt ausformulierte Sätze können einen Dialog zum Beispiel sehr steif wirken lassen.

 

Ich reagiere sehr allergisch auf Rückblenden am Anfang einer Geschichte. Meist verleiten sie den Autor dazu, ausführliche Infodumps an den Leser zu bringen und wenn mir jemand einen Text zuschickt, der am Anfang mit einer großen Rückblende glänzt, streiche ich die entweder ganz oder kürze massiv. Aber ich habe auch schon einen Text (von einer Vierzehnjährigen!) erhalten, die die Rückblenden so gekonnt und immer nur Blitzlichtartig kurz einsetzte, dass ich nur sagen konnte: Toll gemacht.

 

Eins allerdings ist mir noch aufgefallen: Früher wurde sehr oft argumentiert: Schreibregeln bringen gleichförmige Texte hervor und knebeln die Kreativität der Autoren. Seit einigen Jahren beobachte ich das Gegenteil, da wird sehr gerne die Qualität von Texten daran gemessen, ob sie den Regeln entsprechen. Ähnliches beobachte ich auch anderswo. Treten wir in ein Zeitalter ein, in der Regeln und Gesetze wieder das A und O des Lebens sind?

 

Ich persönlich bin zu der Ansicht gekommen, dass diese Faustregeln vor allem dort nützlich sind, wo etwas nicht funktioniert. Wenn ein Text Langeweile verbreitet, ist es Zeit den Werkzeugkasten mit den Regeln auszupacken und zu prüfen, woraus die Langeweile entsteht und wie man sie beheben kann. Packt der Text dagegen, interessiert es überhaupt nicht, ob und welche Regeln er beachtet oder mißachtet.

 

So, das war jetzt sehr philosophisch und meine persönliche Meinung zum Thema.

 

Grüße an alle, Hans Peter

 

Edit: Zu dem Problem wußte schon das neue Testament was zu sagen: Die Regeln sind für die Menschen da, nicht die Menschen für die Regeln.

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Dann sollten wir eher von Grundlagen des Schreibhandwerks sprechen, die für den noch unerfahrenen Schreiblehrling wichtig sind. Beherrscht der Schreiblehrling diese Grundlagen halbwegs, geht's zur Technik über, aus der dann sogar eine Kunst werden kann.

 

Liebe Grüße

Ramona

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Eigentlich dachte ich an die Diskussion konkreter Beispiele, in denen der scheinbare "Regelbruch" sichtbar wird. Entweder eigene Erfahrungen oder Beispiele aus der Literatur.

 

Gruß, Melanie

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Leider habe ich keinen Leseproben-Link (weder bei Amazon noch

sonstwo) gefunden, weswegen ich die entsprechende Textpassage

zur Veranschaulichung nun einfach mal rasch abgetippt habe.

Sollte es urheberrechtlich problematisch sein, bitte ich die Moderatoren

dieses Posting wieder zu löschen. Danke.

 

Folgende Grundregel würde ich nun gerne anbieten bzw. zur Diskussion stellen:

"Fange niemals eine Geschichte mit dem Wetter an!"

 

Und hier nun das Beispiel eines Profi-Autors, der diese Grundregel "gebrochen" hat.

 

===========================

 

Eine Kerze im Wind

 

1

 

In der Nacht, in der Laura Shane geboren wurde, wütete

ein Schneesturm, und das Wetter war überhaupt so eigenartig,

dass die Menschen sich noch jahrelang daran erinnerten.

 

Der 12. Januar 1955, ein Mittwoch, war grau, düster und eisig.

In der Abenddämmerung wirbelten aus der tiefhängenden

Wolkendecke große, weiche Flocken herab, und die Einwohner

von Denver machten sich auf einen Blizzard aus den Rocky Mountains

gefasst. Etwa ab 22 Uhr blies ein eiskalter Sturm von Westen her,

heulte von den Gebirgspässen herunter und tobte über die zerklüfteten,

bewaldeten Bergflanken. Die Schneeflocken wurden kleiner, bis sie

fein waren wie Sandkörner - und es klang wie das Reiben von

Schmirgelkörnern, als der Wind sie gegen die Fenster von

Dr. Paul Markwells mit Bücherregalen verstelltem Arbeitszimmer trieb.

 

Markwell hockte zusammengesunken in einem Schreibtischsessel und

trank Scotch, um sich warm zu halten. Das beständige Frösteln, das ihm

zusetzte, war jedoch nicht auf das Winterwetter, sondern auf eine

innerliche Erkaltung von Herz und Verstand zurückzuführen …

 

(Dean Koontz, "Der Schutzengel")

 

===============================================

 

Liebe Grüße

Ramona

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Und es funktioniert - ich bin sofort gefesselt, weil hier Informationen gegeben werden, von denen man noch nicht weiß, ob sie wichtig werden oder nicht - zudem entsteht eine Atmosphäre, die man m.E. nachvollziehen kann - es wird nicht einfach nur vom stürmischen Wind oder Schneeregen gesprochen, sondern es ist fast wie der Wetterbericht mit genauen Daten und Zahlen. Das vermittelt mir beim Lesen mehr als bloßes Wetter - ich bekomme gleich eine Vorstellung davon, in welcher Gegend es spielt, die durch so Kleinigkeiten, von wo aus der Sturm wohin zieht, geschickt beschrieben wird.

 

Wie geht es den anderen mit diesem Abschnitt? Was fasziniert euch besonders? Oder gibt es wen, den es langweilt? Wenn ja, warum?

 

Gruß, Melanie

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Noch ein kleiner Hinweis für die weitere Diskussion: Die zentrale Romanfigur, die Protagonistin, wird direkt im ersten Satz genannt.

 

Liebe Grüße

Ramona

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Der Anfang gefällt mir sehr gut: Atmosphäre, Spannung, ich mache mir einen heißen Tee mit Rum, um dem Sturm zu trotzen und setze mich in meinen Ohrensessel.

 

Was haltet ihr hiervon, das ist der Wetter-Anfang, weswegen das Manuskript mal abgelehnt wurde, bis heute habe ich es nicht verkauft. (Vielleicht ist es ja auch einfach doof geschrieben. http://smilies.montsegur.de/01.gif) Ist ein bisschen länger ...

 

"Heiße Luft flirrte über den Ländern - von den Alpen bis zur Elbe, vom Atlantik bis an die Ostsee. Seit Wochen brannte die Sonne erbarmungslos vom Himmel, kein Tropfen Regen war gefallen, Seen und Flüsse schrumpften, die kleineren trockneten aus, gaben ihre Geheimnisse preis. Hier das Skelett eines Bären; da die Rüstung eines Ritters, der gestrauchelt war und ertrunken, in einem Tümpel, der nicht tiefer war, als ein Kurzschwert lang. Der Finder, ein sächsischer Halbfreier, dankte den Göttern, verkaufte alles und erwarb dafür Land und Hof, zwei Ochsen, drei Sklaven und seinen Aufstieg zum freien Bauern.

 

In der Nähe der Eresburg, da, wo die Diemel zwei große Haken schlägt, gab der Ata-See ein Boot mit fünf Skeletten frei. Niemand wusste etwas damit anzufangen, also befragten Bauern die Schamanen, was das wohl bedeuten könne, die aber schwiegen entsetzt.  

 

Die Moore fielen so trocken, dass man sie an vielen Stellen ohne Gefahr durchqueren konnte. Nur wenige Opfer forderte es in dieser Zeit und mancher Verurteilte musste weit geführt werden, damit seine Henker eine geeignete Stelle für seine Hinrichtung finden konnten.

 

Wie im Herbst kleideten sich die endlosen Eichenwälder im Norden. Von der Ruhr zogen sie sich über Hunderte Kilometer dahin, nur durchbrochen von Flüssen und den Behausungen der Menschen, aufgehalten von den Meeren im Osten und Westen und den Gebirgs-zügen und dem Eis im hohen Norden. Von da rollte kalte, feuchte Luft in den Süden, stürmte an gegen das heiße Bollwerk wie Krieger gegen den Feind. Und so, wie von den Schwertern die Funken stoben, wenn sie im Blutrausch aufeinander hieben, so schlugen die Blitze aus dem Himmel.

 

Die meisten Menschen fielen auf die Knie, beschworen die Götter sie zu verschonen, brachten Odin Opfer und Thonaer, dass er sein Feuer nicht auf ihr Dach schleudere.

 

Der kleine Bernulf aber schlich sich aus dem Haus, lief der Wolkenwand entgegen, die schwarz und drohend auf ihn zuraste. Wenn die ersten Blitze zuckten, lachte er, hüpfte im Kreis herum und warf mit Steinen."

 

Beste Grüße

Martin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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