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(Petra)

Antagonist - muss er oder muss er nicht?

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Liebe Leute,

neues Jahr, neue Plots. Hab mir mal kürzlich wieder so ein schlaues Schema durchgelesen, das hier irgendwo im Archiv hängt. Da steht auf der Hauptzutatenliste (must): Antagonist.

 

Da ich mir ja nie rechtzeitig Gedanken ums Handwerk mache, hab ich diesmal das Gefühl, einen Roman abgeliefert zu haben, in dem es keinen Antagonisten gibt. In meinem ersten Roman kann man noch heruminterpretieren, dass der Antagonist derjenige ist, der fast nie in Erscheinung tritt ;-) Und wieder fallen mir Plots ein... ohne...

 

Nun die naive Frage: wie viel Antagonist muss eigentlich sein? Oder verwendet man das Kerlchen ausschließlich in handlungsgetriebenen Romanen? Muss es immer eine Person sein? Ich stelle fest, dass es bei mir eher widrige Umstände sind, auch mal verkörpert in der ein oder anderen Nebenfigur.

An Konflikten mangelt es dennoch nicht...

 

Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, bin ich einfach mal neugierig. Wie haltet ihr es mit dem Antagonisten? Würde mich vor allem bei denen interessieren, die keinen reinen Konflikt / Kampf Gut gegen Böse schreiben, sondern eher psychologische Sachen.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Hallo, Petra.

 

Es gibt überhaupt keine Musts. Wenn Du eine Geschichte erzählen willst, die ohne physikalischen Gegenspieler auskommt, dann tu das einfach.

 

Übrigens ist der Antagonist häufig eben nicht als Person aufzufassen. Er kann auch im Protagonisten selbst stecken (klassischer Entwicklungsroman). Oder, wie Du selbst angedeutet hast, als Menge der widrigen Umstände gedeutet werden. Die "Standardkombi" Protagonist-Antagonist-Konflikt-Konklusion gilt eher für Gebrauchsliteratur á la Konsalik, Clancy und Konsorten.

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Es gibt überhaupt keine Musts.

Danke, Tom! Mehr ist dazu nun wirklich nicht zu sagen ... :s01

 

Diese Schematismen mögen zwar geeignet sein, um etwas zu analysieren oder zu beschreiben, als Bastelrezepte finde ich sie äußerst hinderlich -- "Malen nach Zahlen" ist nun mal nicht mein Ding. :s22

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Hey Petra!

 

Ich schreib ja grad meinen psychologischen Roman, auch ganz ohne Anta. Bzw., der Anta ist der Innere Schweinehund meines Protas.

Ich denke nicht, dass ein Antagonist unbedingt nötig ist, aber er kann a) die Sache erleichtern, und b) die Sache verfeinern.

 

zu a) Jeder Schreibratgeber rät zu einem Antagonisten, und aus alten Dramentheorien und Rhetoriken ist er auch nicht wegzudenken. Das böse Gegenstück zum Prota ist das, was der Gute besiegen muss.

Wenn man einen bösen Weltherrscher nimmt, der niedergerungen werden muss, erspart einem das die Arbeit, sich 'diffizilere' Konflikte auszudenken.

 

Weiterhin halte ich es für Genreabhängig. Einen Thriller oder einen Krimi ohne Antagonisten stelle ich mir langweilig vor.

 

zu b) Gestern lief im Fernsehen mal wieder der ganz wundervolle der Film "Amadeus". Der hat für mich persönlich den wohl besten Antagonisten, den man sich vorstellen kann:

Salieri erzählt die Geschichte von Mozart. Salieri ist Mozarts größter Fan, er ist der einzige, der das Genie des jungen Mannes versteht, ist der einzige wahre und echte Fan, den Mozart in der Geschichte überhaupt hat.

Trotzdem kann Salieri nicht damit leben, dass er, trotz seiner Studien, trotz seiner Arbeit, seiner Mühen, immer schlechter bleiben wird, als Mozart, von dem er sich immer besiegt fühlt.

Um Seelenfrieden zu finden, bleibt Salieri nichts anderes übrig, als Mozart zu vernichten, was ihm aber gleichzeitig das Herz bricht, weil er dadurch Mozarts wunderbare Musik verliert.

 

Diese Art von innerlich zerrissenem Antagonisten, ein Antagonist, der nicht nur den Protagonisten zerstört, sondern gleichzeitig auch sich selber, ich finde solche Geschichten immer ganz große Klasse und liebe so etwas.

 

Also, ja, manchmal kann ein Antagonist eine wunderbare Sache sein!  ;)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Och Mönsch, ihr zwei seid gemein.  :s16

Jetzt muss ich heut abend wieder dumm ins Bett gehen.  :s03

Schade, dass ihr mein Grienen nicht sehen könnt, das schon an den Ohren heraus kommt. Hier ist gerade knallartig eine Erleuchtung geschehen, mit der ich eine gewisse Mauer niederreißen werde...

 

http://www.kiki-net.de/smilies/froehlich/jubelfreu.gif-Grüße,

Petra

 

 

@Marco: Den Film habe ich auch zum dritten Mal genossen. Um solche Ideen kann man Kollegen beneiden...

Tja, bei mir ist der Anta auch versteckt. Heißt äußerlich "drohende Insolvenz" und innerlich ist es die Haltung der Prota, Profit in den Vordergrund zu stellen. Ich ecke mit solchen Konzepten dann immer mehr an, weil es ruft: "wo bleibt die Handlung?" Ich wehre mich dann gegen böse Finanzbeamte oder Schnorrer und lasse meine Prota lieber umdenken lernen.

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Hallo Petra,

 

Du hast nach denjenigen gefragt, die eher psychologische Romane schreiben. Dazu würde ich mich ganz eindeutig rechnen, wenn auch bis dato unveröffentlicht (aber mit der Absicht ...).

 

Die Frage nach dem Antagonisten habe ich mir selber auch schon oft gestellt, nämlich, weil er bei mir, genau wie bei Dir, als Person fehlt.

 

Ich will jetzt nicht wiederholen, was Tom, Iris und Marco bereits gesagt haben.

 

Bei Romanen, deren Schwerpunkt auf der seelischen Entwicklung der Figuren liegt, nehmen innere Konflikte die Stelle des "klassischen" Antagonisten ein.

Vor allem "psychologische" Romane (sollte man als Genre direkt einmal klar definieren :) ) leben ja davon, daß sich die Welt nicht klar in Gut und Böse, Richtig und Falsch aufteilen läßt.

 

Liebe Grüße

Anna

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Liebe Petra,

 

das ist ganz einfach. Ich habe deswegen keinen "äußeren" Antagonisten, weil die mir immer so geraten:

Hände zur Klaue verzerrt, Lachen "buahhahahaaa" (es hallt ungemein), böse Fratze, typischer Satz: "I will take over the world!"

 

Im Klartext, ich bekomme keine "äußeren" Antagonisten hin, die vielschichtig, klischeelos und spannend sind. Also lasse ich es. Meine Protagonisten haben genügend innere Konflikte (puh, zum Glück ;D).

 

An ihrem Entwicklungsroman bald weiterschreibend,

die Judith

 

PS. @Anna: Hmm, psychologischer Frauenroman? anspruchsvoller Psycho-Roman? frauischer Psychologenroman? ;D Jedenfalls ist alles besser, als in die "nur Frauenroman"-Ecke zu müssen. Passt jedenfalls gar nicht schlecht zu Deinen drei...

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www.judithwilms.com

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Hallo Judith,

 

ich hatte jetzt mehr das Genre allgemein gemeint, gar nicht im Hinblick auf meinen Text :).

Trotzdem lese ich das "anspruchsvoll" natürlich gerne!

Die "Frauen" sollte man vielleicht generell weglassen, sobald das Wort "Frau" auftaucht, wird ein Buch in eine bestimmte Ecke gestellt.

 

Bleibt die Frage: Was ist ein psychologischer Roman? Vorschlag: Ein Roman, der seinen Schwerpunkt auf psychologische Entwicklungen im Inneren einzelner Figuren sowie auf das Verhältnis mehrerer Figuren zueinander legt.

 

Aber das ist nur eine mögliche Definition.

Zumindest passen da Antagonisten im klassischen Sinne höchstens dann hinein, wenn ihre Gegenwart innere Entwicklungsprozesse bei der Hauptfigur initiiert.

 

Liebe Grüße

Anna

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Hallo zusammen,

gibt es denn das Verkaufsgenre "psychologischer Roman" nicht? Ich glaube, das mal gehört zu haben als Ergänzung zum Entwicklungsroman, genauso wie die Schublade "Problemroman" (worunter der Buchhandel wohl eher diese Melodramen amerikanischer Art versteht: Held verliert Bein durch Heldentat und wächst dank Familienliebe daran. Antagonist: Der Phantomschmerz).

 

Jedenfalls ist alles besser, als in die "nur Frauenroman"-Ecke zu müssen.

Judith, ich soll dich von meinen schmerzenden Zähnen herzlich grüßen.  :s21 Nein, keine Karies, die hab ich, weil ich ständig mit dem Kopf gegen Wände schlage...

All meine seltsamen Fragen in der letzten Zeit drehen sich nämlich eigentlich darum, wo ich am besten die Steigeisen einschlage, um den Leuten mit der Genrezwangsjacke zu entkommen, bevor sie mich ruhigstellen  :s06

 

@Anna:

Die "Frauen" sollte man vielleicht generell weglassen, sobald das Wort "Frau" auftaucht, wird ein Buch in eine bestimmte Ecke gestellt.

Und diese Ecke hat verdammt hohe, glatte Mauern...  :s16

 

Was ich so gehört habe, geht in deine Definitionsrichtung... Entwicklungsroman betrifft die psychologische Entwicklung einer Figur, theoretisch könntest du den im Monolog schreiben, in klassisches Genre. "Psychologischer Roman" ist eigentlich mal wieder nur ein Verkaufsgenre... da geht es mehr um äußere Einflüsse und um die Psychologie mehrerer Personen, die sich entwickeln oder auch nicht. Ich hab hier mal als Buchtipp Nikki French*** eingestellt, da weiß ich explizit, dass es als psychologischer Roman angepriesen wird.

 

Drei Schwestern werden durch die Beerdigung der Mutter zusammengezwungen. Im Roman geht es um das Beziehungsgeflecht der Schwestern, ihre seit Kindheit aufgebauten Konflikte und wie sie mit der Konfrontation jetzt umgehen. Das Raffinierte daran: Jede wird jeder irgendwann mal zum Antagonisten, aber auch zur positiven Kraft. Die Stärke der Erzählung liegt darin, zu zeigen, dass es den reinen Prota-Anta-Konflikt gar nicht gibt im Leben. Es geht um die sehr vielschichtigen Verflechtungen von Menschen, die sich gegenseitig beeinflussen, die aber auch von Lebensumständen beeinflusst werden. Es geht auch um Entscheidungsmöglichkeiten, wenn einem etwas "Antagonistisches" wiederfährt.

 

Ich halte das für sehr viel schwieriger zu schreiben als das bewährte Schwarz-Weiß-Muster (das ja selbst in guten Krimis durchbrochen wird, wenn ich da an manche Kotzbrocken von Kommissaren denke)

 

Zahnige Grüße  ;D

von der Frau hinter der Mauer ... mit dem Bergsteigerseil,

Petra

 

Korrektur***:

Der Roman ist von Nicci Gerrard, der weiblichen Hälfte des Duos Nicci French:

(Link ungültig)

Das HC wurde noch als Frauenroman verkauft, jetzt ist das Genre ganz anders ausgelobt, vor allem nach dem zweiten Buch.

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(Peter_Dobrovka)

Ich komme zu spät, alles Wesentliche ist schon gesagt worden.

 

Oder doch nicht? ;)

 

"Der Böse", den es zu besiegen gilt, damit alles gut wird, also der klassische Antagonist, ist ein Gewürz, von dem alle glauben, daß es in jedes Gericht gehört. Tut es aber gar nicht. Ich finde solche Geschichten inzwischen sogar ausgesprochen abgegriffen.

Viel interessanter ist, wie schon angesprochen, wenn der Prot. sein eigener größter Feind ist. Oder aber, wenn die ganze Welt ein Feind zu sein scheint, wie bei Kafka.

Was ich allerdings immer befürworte, ist eine Interaktion mit der Außenwelt. Ich kriege häufig genug Stories zu lesen, in denen der Prot. sich zuviel mit sich selbst beschäftigt, um sich selbst kreist, die Konflikte sich nur in seinem Inneren abspielen. DAS ist AUCH langweilig.

Konflikt ist aber nun einmal nicht gleich Antagonist.

 

Übrigens, was zu Mozart und Salieri: In meiner Auffassung ist Salieri der Prot. und Mozart der Antagonist (auch wenn er das gar nicht weiß). Das ergibt sich aus der Erzählperspektive, auch wenn Salieri den Bösen in der Geschichte gibt.

 

Interessant vielleicht zu erwähnen, daß in meinen Anderwelten-Chroniken ab und zu kurzzeitige Antagonisten auftauchen und sich abwechseln, aber die Story nicht dominieren; der Sieg über sie ist nie das Ziel (außer einmal), er bringt die Prots. immer nur ein kleines Stück weiter - manchmal wirft er sie aber auch zurück, d.h. der Prot. muß feststellen, daß er gerade etwas vernichtet hat, das er gebraucht hätte.

 

Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.

 

Problematisch ist allerdings, daß viele Lektoren und verwandte Berufsbilder solche goldenen Regeln bis ins Mark verinnerlicht haben.

 

Ich erlebe mit der Verfilmerei meiner Vampirnovelle auch gerade das Trauma des Plottens nach solchen Schreib-Regeln. Der Drehbuchschreiber ist der Meinung, daß da unbedingt ein starker Antagonist in die Story gehört und ist dabei, ein 08/15 Dingsbums aus meiner Geschichte zu stricken. Da er ein alter Hase im Geschäft ist, hat er leider den Produzenten auf seiner Seite, obwohl dieser ursprünglich deswegen das Projekt ins Leben rief, weil er meinte, es sei das Beste, das er je gelesen habe.

Was ich damit sagen will: Wenn der Verlag einen Antagonisten haben will, muß man ihm wohl leider einen liefern. Man sollte dabei immer noch froh sein, es selbst machen zu dürfen, denn es geht auch anders.

Läßt der Verlag einem freie Hand, dann ist das natürlich wunderbar.

 

Was diese Schreibratgeber angeht, so muß man sich dessen immer bewußt sein, daß sie dazu "gedacht" sind, aus schlechten Schreibern mittelmäßige zu machen. (Die exakten Motive lassen wir mal besser unanalysiert, hehe.) Die meisten Leute, die solche Ratgeber lesen, schreiben langweilige Scheiße hoch drei, und der Hinweis, einen Antagonisten einzubauen, ist fast immer eine deutliche Verbesserung. Macht oft aus krudem, wirren Zeug überhaupt erst eine Geschichte.

Man vergleiche das vielleicht mit Regeln für Aufsätze aus der Schule. Einleitung, Hauptteil, Schluß. Geeignet zur Strukturierung unstrukturierter Schülerhirne, aber für Profis dann doch nicht mehr die goldene Regel schelchthin.

 

Peter

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Dieser ganze Reißbrettschematismus funktioniert ja ohnehin nicht. ::)

 

"Antagonist" ist ebenso wie "Protagonist" ein Begriff aus der Dramentheorie.

"Protagonist" bezeichnet den Einzeldarsteller, der vorn auf der Bühne agiert (tanzt, singt und vorträgt) im Wechselgesang mit einem Chor. In dieser Form der Darstellung wird die Geschichte vorwiegend erzählend vorgetragen, d.h. sie findet nicht auf der Bühne statt, sondern wird dort erzählt.

 

"Antagonist" bezeichnet einen von mindestens zwei Einzeldarstellern, die miteinander interagieren bzw. konkurrierend ihre Versionen der Handlung vortragen (man denkt automatisch an den alten Rechtsspruch audiatur et altera pars).

Der Wechselgesang findet hierbei auch zwischen den beiden Darstellern, die Handlung wird zunehmend nicht mehr nur erzählt, sondern durch das Interagieren der beiden Darsteller vorgeführt; der Chor übernimmt dabei häufig eine Funktion als "Katalysator".

 

Diese beiden Formen werden zwar gerne als Entwicklung dargestellt, wofür es allerdings keine echte Veranlassung gibt -- aber das ist ein anderes Thema.

Die erste Form ist mehr "narrativ" (die Handlung wird im Wechselgesang zwischen Darsteller und Chor erzählt), die zweite mehr "szenisch", da die beiden Darsteller einen Konflikt auch auf der Bühne mimetisch darstellen können.

 

Eine moralische Belegung der Rollen von Protagonist und Antagonist ist in der europäischen Theatergeschichte seit der stoischen Tragödie Marke Seneca etabliert. Die stoische Philosophie predigt schließlich einen Gut-Böse-Gegensatz, und von da aus wandert dieses Denken schubweise ins christliche Denken ein.

Während das mittelalterliche Epos weder eine auffallende Religiosität noch einen Gut-Böse-Schematismus kennt (wir haben es mit lauter "mittleren Charakteren" zu tun, was dem Mittelalter heute häufig als besondere "mittelalterliche Naivität" ausgelegt wird), hat sich diese Gut-Böse-Verteilungen seit der starken Stoa-Rezeption in Reformation und Gegenreformation auf der Bühne un in der Literatur durchgesetzt.

 

Und wie schon bei Seneca macht sich auch hier das Problem bemerkbar, daß Figuren, die keine Berührungspunkte haben, weil sie an gegensätzlichen Polen zuhause sind, durch äußere Faktoren in einen Konflikte gebracht werden müssen, wobei zugleich keine Notwendigkeit mehr für eine innere Entwicklung der Figuren besteht: Der Gute ist gut, der Böse ist böse, und das Böse muß vernichtet werden, entweder indem der Gute triumphiert oder indem er sich opfert.

 

Da Moralvorstellungen sich ändern, werden immer die der vorigen Generation für überholt und veraltet gehalten, während die gegenwärtigen außerhab der Kritik stehen bzw. als richtig oder fortschrittlich gelten. Das kennzeichnet Trivialität.

 

So kommt es auch, daß immer wieder in der Geschichte der Dramaturgie der Antagonist Züge des Erneuerers, des Fortschrittlichen bekommt, sich die Rollen "moralisch" tw. verkehren, bevor sich dieses Modell dann als neues Gut-Böse-Paradigma etabliert.

 

Wobei diese Entwicklung immer wieder auf das Modell des "mittleren Charakters" zurückgreift -- allerdings ohne den Gut-Böse-Schematismus wirklich zu durchbrechen; daran wird immer nur ein bißchen heruminterpretiert, wie es gerade mehrheitsfähig ist.

 

Trotzdem: Ihrem Ursprung nach sind Protagonist und Antagonist nur zwei Namen für dieselben Sachverhalte: Beide stehen einzeln oder gemeinsam vorn auf der Bühne -- also Protagonisten --, und beide sind einander Antagonisten in dem Sinne, daß sie sich ergänzen und einander behindern.

 

Theoretische Grüße,

Iris :s17

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Bei mir hat es noch nie einen typischen Antagonisten gegeben und ich bin trotzdem erfolgreich.

Interessant ist es jedoch zu schauen, warum es denn überhaupt einen Antagonisten bedürfte.

M.E. ist er notwendig, um dem Helden das Leben schwer zu machen (Ziele werden nicht erreicht, Dinge erschwert, düstere Machenschaften getätigt.) Auf diese Weise entsteht Spannung bzw. wird ein dramaturgisch roter Faden gesponnen, man leidet mit dem Hauptprotagonisten, man "hechelt" mit ihm seinem Ziel nach, die Handlung wird vorangetrieben.

All das wiederum, finde ich, braucht ein guter Roman - nur kann man all das auch mit anderen Mitteln als DEM Protagonisten erreichen.

 

LG,

Julia

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Also wenn man nur EINEN Antagonisten hat, könnte das für einen "psychologischen" Roman relativ langweilig werden. Denn der sollte ja eigentlich ein Schattenwurf des Protagonisten sein und eben für alles stehen, gegen das der Protagonist zu Felde zieht und dann gerät so eine Figur schnell überladen(der kapitalistische, heuchelende, frauenfeindliche, total aufs äußerliche fixierte, oberflächliche Chef usw., man kennt das Bild und wer es nicht kennt: Verliebt in Berlin :) ). Deshalb bin ich da eher der Ansicht, dass mehrere Antagonisten verschiedene Eigenschaften repräsentieren. Klassisches Beispiel: "Draußen vor der Tür".

Mal aus der Hüfte geschossen:

Der Andere - Optimismus, Lebensmut, Lebbe geht weiter

Direktor: Heuchelei der Kunst

General: Kriegsgewinnler, ein sich Drücken vor der Verantwortung

usw. usf. gibt noch zwei, drei andere in dem Drama glaube ich.

Wenn der Antagonist die andere Hälfte des Protagonisten ist, hat der Roman wahrscheinlich etwas tagebuchartiges, essayistisches in vielen Fällen. Ich habe gerade selbst so was in der Mache und das ist eines der Hauptprobleme, in den wenigen reflektierenden Kapiteln, ohne "echte" Handlung.

Aber zu einem Konflikt gehören immer zwei, ob es nun Personen oder abstrakte Dinge sind, deshalb halte ich es geradezu für unmöglich einen Konflikt ohne Antagonisten zu schreiben, als Individuum muß dieser freilich nicht vorkommen, es sei denn man will Hollywood-Kopfkino schreiben, dann brauch man höchstwahrscheinlich einen oder mehrere, denn dort gehört das Bezwingen des Feindes unweigerlich zur Lösung des Konflikts. Töte den Drachen und du bekommst die Prinzessin. ;)

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Wie Iris schrub - das Konzept Protagonist vs. Antagonist entstammt klassischen Literaturformen. Der Antagonist symbolisiert die Kraft, deren Ziele sich niemals zugleich mit denjenigen des Protagonisten verwirklichen lassen. Beispiele hierfür sind Cowboy vs. Indianer, Superheld vs. Megaschurke, Killer vs. Kommissar. Der zentrale Konflikt wird zeitgleich mit dem Sieg des Protagonisten und der Ausschaltung/Überwindung des Antagonisten gelöst. Solche Handlungsmuster finden sich in Krimis und Thrillern, in Comics, Liebesromanen (der Nebenbuhler) und dergleichen mehr. Man könnte das als "einfach" gestrickt aburteilen, aber wohlfeil erzählt und intelligent aufgebaut funktioniert das immer noch - der Antagonist in "Der Herr der Ringe" heißt Sauron (der das Böse verkörpert, das zuweilen auch in den guten steckt), und es kostet mehrere tausend Seiten, ihn zu schlagen. Trotzdem wirkt es kurzweilig. Auf viele Menschen jedenfalls.

 

Ich weiß nicht genau, was mit "psychologischer Roman" gemeint ist, aber ich denke, daß die Rede davon ist, daß sich Konflikte innerpersonal abspielen, daß der Widersacher - wie schon erwähnt wurde - in einer Protagonistenfigur steckt. Die Konflitksituationen sind vielfältiger und feiner strukturiert, die Ziele der Figuren sind persönlicher (ein Kennzeichen von "Popliteratur" übrigens, wie ich irgendwo gelesen habe). Entscheidend scheint mir aber, um die Ausgangsfrage zu beantworten: Es braucht keinen (persönlichen) Antagonisten (oder eine Gruppe), um einen Konflikt zu formulieren und schließlich zu lösen. Entscheidender ist der Konflikt selbst. Und ein "Antagonist" im weitesten Sinne kann auch ein Tumor, ein Unfall, eine Sucht, mangelndes Selbstbewußtsein, eine Unfähigkeit (z.B. gut zu singen) und vieles andere sein. Was ich sagen will: Der Konflikt ist wichtig, ein klassisches Setting ist es nicht.

 

Aber auch das alles gilt nicht immer.

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Hallo, Petra u.a.,

 

nebenbei: ich habe den Amadeus-Film gestern das erste Mal gesehen und war total begeistert!

Besonders beeindruckt hat mich u.die Szene, in der eine Oper von Mozart zum Volkstheater herunterstilisiert wird. Und die perfide Art, mit der Salieri ihn schließlich umgebracht hat – so, wie ich es interpretiert habe, durch Treiben in den totalen Burnout., der ja tödlich sein kann. Das war, wie Marco ausgeführt hat, eine sehr spannende Sache.

 

Bei der Frage nach dem Antagonisten musste ich erstmal ziemlich nachdenken. Das, was ich gerade schreibe, ist, glaube ich, eine Art „historischer Entwicklungsroman“, in den auch Psychologisches einfließt. (Auch wenn es sowas genremäßig vielleicht nicht gibt*g*)Ich habe einen Protagonisten und mehrere Antagonisten, aber nicht, weil Frey das gesagt hat, sondern weil es bei dem Stoff einfach so sein muss.

 

Herzliche Grüße

Christa

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Ich hatte genau dieses Dilemma, dass ich mir Sorgen gemacht habe, weil es in meinen Roman keinen typischen "Gegenspieler" gibt. Und dann lese ich so einen Schreibratgeber, weil ich dachte "hey da kannst du bestimmt noch was lernen" und der sagt, man muss unbedingt einen Antagonisten haben, à la: "Jeder Held braucht einen Gegenspieler".

Das hat mich damals echt verunsichert. Schön zu lesen, dass es andere fundierte Meinungen gibt. :)

 

Okay, es gibt sicher Romane die leben von dem Konflikt: Held und sein Gegenspieler. Aber verallgemeinern kann man das wohl glücklicherweise nicht.

Der Gegenspieler muss ja nicht zwangsläufig eine Person sein, nicht wahr. Es kann die eigene Psyche sein, der eigene Körper, äußere Umstände....

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Der Drehbuchschreiber ist der Meinung' date=' daß da unbedingt ein starker Antagonist in die Story gehört und ist dabei, ein 08/15 Dingsbums aus meiner Geschichte zu stricken. Da er ein alter Hase im Geschäft ist, hat er leider den Produzenten auf seiner Seite, obwohl dieser ursprünglich deswegen das Projekt ins Leben rief, weil er meinte, es sei das Beste, das er je gelesen habe.[/quote']

 

In dem Beispiel kann ich das übrigens sogar verstehen. Hier wurde ja gesagt, dass ein Protagonist im Roman durchaus entbehrlich ist, weil man den "Gegenpart" auch in die "Innenwelt" oder auf die psychologische Ebene verschieben kann. Ein Film aber kennt nur die Außensicht. Das muss nicht heißen, dass man nicht auch das Innere sichtbar machen kann - aber es ist schwieriger, und es ist oft gerade der Unterschied zwischen Literatur und Film, dass man einem Konflikt auch eine konkrete Figur zuordnen muss, die ihn ausdrückt.

Da mag auch bei einer Geschichte, die als Text funktioniert hat, für den Film die ein oder andere gravierende Änderung nötig sein. Und weil Autoren das immer zuallerletzt bemerken, hat man die auch beim Filmemachen immer so ungern dabei :s22

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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(Peter_Dobrovka)

Der Film ist ein ganz wunderbares Medium, um Innenansichten darzustellen.

Immerhin, im Gegensatz zum Text wird man kaum je das Prinzip des Show don't Tell verletzen. Hehe.

 

Peter

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Ich weiß nicht genau, was mit "psychologischer Roman" gemeint ist, aber ich denke, daß die Rede davon ist, daß sich Konflikte innerpersonal abspielen, daß der Widersacher - wie schon erwähnt wurde - in einer Protagonistenfigur steckt. Die Konflitksituationen sind vielfältiger und feiner strukturiert, die Ziele der Figuren sind persönlicher ... Und ein "Antagonist" im weitesten Sinne kann auch ein Tumor, ein Unfall, eine Sucht, mangelndes Selbstbewußtsein, eine Unfähigkeit (z.B. gut zu singen) und vieles andere sein.

 

 

Dies ist so richtig, dass es mich schwindelig macht

:)

 

Endlich ein Autor, der versteht und in Worte fassen kann, wie fesselndes Schreiben theoretisch und praktisch (!) funktioniert. Gut, dass du da bist, Tom.

 

Gruß,

 

Tin

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Liebe Leute,

find ich gut, dass wir jetzt alle zusammen den Frey korrigiert haben ;-)

Wenn der Antagonist die andere Hälfte des Protagonisten ist' date=' hat der Roman wahrscheinlich etwas tagebuchartiges, essayistisches in vielen Fällen. Ich habe gerade selbst so was in der Mache und das ist eines der Hauptprobleme, in den wenigen reflektierenden Kapiteln, ohne "echte" Handlung.[/quote']

Zum Glück setzt du "echte" in Anführungsstriche! Dieses Gefühl, ein Roman müsse ständig Action bringen wie ein Thriller, kommt ja auch aus der Ratgeberecke und ist ein ganz trügerisches. "Innere" Handlung kann um so vieles reicher sein!

Wie ich erwähnte, ich lese gerade Toni Morrisons "Salomons Lied", und wenn ich da Handlung erzählen müsste, passiert im Moment nur, dass ein Junge eine Tante besucht, die er nicht besuchen soll und dass er Probleme mit dem Vater hat. Damit bin ich auf Seite 95. Was die Autorin aber zwischendurch an Episoden, Erinnerungen, Gefühlen beschreibt - das ist ein Feuerwerk.

Und sie macht was ganz Gemeines: Der Prota wird dem Anta sein Anta und umgekehrt...

 

Schöne Grüße,

Petra

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find ich gut, dass wir jetzt alle zusammen den Frey korrigiert haben ;-)

 

 

 

Interpretiert und individualisiert trifft's wohl eher :) Wer dumm genug ist zu glauben, er müsse einen handlungsgetriebenen Actionthriller nach amerikanischen Vorbild schreiben, nachdem er einen Schreibratgeber gelesen hat, ist selber schuld . Ich persönlich hole mir aus JEDER Art von Sekundärliteratur das, was mir gefällt und was zu meinem Stil passt und ihn womöglich bereichert. Schreibratgeber a la Frey empfehle ich denjenigen, die ein diffuses Talent ohne individuellen Plan haben mit dem langfristigen Ziel, sich in die Massenproduktion einzugliedern und Kohle zu machen. Ich sehe das ganz wertfrei :-)

 

Ob ich wohl mal auflisten sollte, welche Erkenntnisse ich aus Schreibratgebern gewonnen habe, obwohl es mir nie in den Sinn käme, einen Reißerroman zu schreiben? Das wäre ein Spaß in dieser Runde! :)

 

Gruß,

 

Tin ;)

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(Peter_Dobrovka)

Ob ich wohl mal auflisten sollte, welche Erkenntnisse ich aus Schreibratgebern gewonnen habe, obwohl es mir nie in den Sinn käme, einen Reißerroman zu schreiben? Das wäre ein Spaß in dieser Runde! :)

Das fände ich ganz und gar interessant.

Du weißt ja, wo der verwaiste Thread dazu ist ... ;)

 

Peter

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Hi zusammen,

 

da es hier schon so lustig zugeht: es gibt doch auch diese Schreibbücher - aus dem Papierkorb habe ich grad eine Liste des Autorenhaus Verlags gefischt - die kann ich gar nicht alle aufzählen. Einige heißen:

"Schreiben in Cafés", "Die Mitternachtskrankheit-warum Schriftsteller schreiben müssen", "Literarisches Schreiben-Starke Charaktere-originelle Ideen-überzeugende Handlung"-"Creative Writing in 200 genialen Lektionen".

 

Schreiben im Café tu ich selber, die Krankheit hab ich auch

und den Rest lass ich mal offen. ::)

Um generell Lust aufs (Roman-)Schreiben zu machen bei jemandem, der sich noch nicht sicher ist -O.K.,das hat Frey damals auch bei mir geschafft.

 

Ciao erstmal

Christa

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Zum Glück setzt du "echte" in Anführungsstriche! Dieses Gefühl, ein Roman müsse ständig Action bringen wie ein Thriller, kommt ja auch aus der Ratgeberecke und ist ein ganz trügerisches. "Innere" Handlung kann um so vieles reicher sein!

Wie ich erwähnte, ich lese gerade Toni Morrisons "Salomons Lied", und wenn ich da Handlung erzählen müsste, passiert im Moment nur, dass ein Junge eine Tante besucht, die er nicht besuchen soll und dass er Probleme mit dem Vater hat. Damit bin ich auf Seite 95. Was die Autorin aber zwischendurch an Episoden, Erinnerungen, Gefühlen beschreibt - das ist ein Feuerwerk.

 

Ja, natürlich, aber bei diesem "echt" in Anrufungszeichen sind wir ja genau bei dem Problem, ob man einen "echten" Antagonisten aus Fleisch und Blut braucht, oder nicht. Aber Episoden, Rückblenden sind in meiner Definition auch "echte" Handlungen, auch wenn sie auf einer anderen Zeitebene stattfinden, mit reflektierenden Kapiteln meinte ich wirklich Passagen, in denen nur Überlegungen und Gedanken gewälzt werden, die im luftleeren Raum spielen quasi.

Nebenbei bemerkt habe ich mir fest vorgenommen als nächstes einen handlungsgetriebenen Actionthriller zu schreiben, weil mir das episodenhafte Innenansichtszeug zum Hals raushängt und weil ich mich nicht dem Eindruck erwehren kann, dass es letztendlich nur für die Schublade ist und bei dem neuen Konzept stehe ich auch gerade vor der Frage, ob ich einen Hauptantagonisten bringe und wie stark ich ihn anlege, deshalb finde ich die Fragestellung, wie die vielen anderen, die du in letzter Zeit aufgeworfen hast, auch sehr interessant.

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