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Angelika Jo

Satire, Ironie, Sarkasmus

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Kann es sein, dass der Zyniker zwar einerseits einen schlechten Leumund hat, weil er, um es mal etwas platt zu sagen, kein Menschenfreund ist, andererseits aber auch  heimlich manchmal bewundert wird, weil er quasi autonom, unabhängig vom Urteil der anderen ist, gewissermaßen über allen steht oder das zumindest von sich annimmt.

 

LG

jueb

 

Ich denke, der Zyniker hat vor der Welt resigniert, und der Zynismus ist sein Panzer - der Sarkast noch nicht.

Mir fällt dazu "Und täglich grüßt das Murmeltier" ein. Bill Murray, so einsam und abgekapselt, dass er sich jede abfällige Bemerkung leisten kann - denn er muss die Folgen nicht fürchten, er hat schon alles verloren.

In diesem Sinne, Jürgen, steht er autonom außen vor, "unabhängig vom Urteil der anderen", wie Du schreibst.

 

Er macht übrigens die Entwicklung vom Zyniker zum Menschen durch.

Spannender Thread, Angelika!

 

Schönen Abend,

 

Holger

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Ironie, Sarkasmus, Zynismus waren ja - Bettina hat es schon gesagt - ursprünglich Formen der antiken Rhetorik. Ist Ironie nicht sogar Teil von Sokrates' "Hebammenkunst" gewesen (seine Methode, den Schüler die "Wahrheit" durch ein methodisch geführtes Gespräch selbst finden zu lassen)? Müsste nachschauen...

 

Ja, genau. Ich fand den Ausdruck "Hebammenkunst" schon immer herrlich. Man stelle sich das vor: Eine unter rhetorischem Ächzen und erheblicher Mühsal in die Welt geborene Wahrheit! Köstlich.

 

Kann, um eine These aus einem anderen Thread aufzugreifen, Ironie mit Warmherzigkeit einher gehen? Mit Empathie?

(Ich glaube schon - aber am Beweis müsste ich noch arbeiten.)

 

Hm, einen Beweis für diese These habe ich leider auch nicht. Aber da ist defintiv etwas dran. Es könnte daran liegen, dass Ironiker (die feinen, nicht die bitteren) oft emfindsam sind, aber Distanz zu ihren eigenen Gefühlen suchen, sich selbst relativieren (im Sinne von durchaus auch kritischer Selbstreflektion), was besonders schön bei der Selbstironie zu sehen ist.

 

LG, Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Auf der Bühne ist es auch so: Mann, ätzender Witz, vernichtende Bemerkungen (auch über Frauen) = lustig, haha, der ist ja so witzig frauenfeindlich!

 

Frau, die das Gleiche tut = verbiesterte Zicke. (Sollte mal richtig etc ... wie die schon aussieht). Dass sich das so hält, ist beängstigend.

 

 

Ach, ich weiß nicht. Ist das so? Ich stehe ja auf die Spötterinnen und versuche jetzt herauszubekommen, ob zum Beispiel Juli Zeh und Karen Duve - beide kommerziell erfolgreich - zynisch, sarkastisch oder ironisch sind.

 

Hier mal zwei Zitate von Zeh und Duve.

 

"Alles zierte die Prinzessinnen, nasse Haare, rote Nasen und selbst die Staubschicht, die sich im Sportunterricht beim Sprung in die alte Sandgrube über alle Körper legte.

Weil sie daran gewöhnt waren, alles umsonst zu bekommen, besaßen diese menschlichen Rehkitze keinen Ehrgeiz. Männliche Mitschüler bemühten sich um sie, auch jene, zu denen eine Freundin mit Innenleben besser gepasst hätte."

aus: Spieltrieb von Juli Zeh

 

"Aber bis es so weit war, konnte ich ja Taxi fahren. Ich meldete mich auf eine Anzeige, in der nicht nur Taxifahrer, sondern ausdrücklich auch Taxifahrerinnen gesucht wurden. 1984 war es in Stellenanzeigen noch nicht üblich, jedem Beruf auch noch eine weibliche Endung anzufügen. Man tat es nur, wenn man andeuten wollte, dass man praktisch jeden nahm."

aus: Taxi von Karen Duve

 

Viele Grüße,

 

Martina

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O, ist da vieles und Interessantes dazu gekommen! Ich bedank mich!

 

 

Olga, jetzt ist mir auch einer eingefallen: Der Opa aus dem "Kleinen Lord". Ein alter, zynischer, ungerechter Mensch, den der süße Enkel schließlich weich wäscht (ich finde übrigens die Verfilmung mit diesem selbstbewusst ödipalen, quietschigen Verfechter der Demokratie ätzend).

 

Da erfüllt der kleine Lord doch die Funktion, die du bei den Frauenfiguren entdeckt hast, Claudia, ja? Der Gedanke war sehr gut und neu für mich!

 

Dass die Figur des Zynikers bewundert wird, jueb, glaube ich auch. Im Prinzip erfüllt der, dem alles egal ist, die Erfordernisse an Coolness, oder nicht? Es ist so, ich mag es nicht, finde solche Maßstäbe fürchterlich, aber nach den meinen richtet sich die Welt nun (verdammt noch) mal nicht.

 

Das mit dem Murmeltier stimmt auch, Holger. Auch diese Entwicklung vom unerträglichen Zyniker zum Menschen. Bei deinem Wort zur Resignation (Zyniker hat vor der Welt resiginiert, Sarkast noch nicht) müsste man vielleicht noch einen Zusatz anbringen. Resignation muss ja nicht automatisch zu Zynismus führen. Jemand kann gelassen bleiben dabei, ein anderer bringt sich um. Damit Zynismus entsteht, braucht es wohl noch etwas, eine besondere Charakterstimmung. Ich weiß noch nicht ganz: Ist es so was wie Festhalten wollen, dass man in einer hoffnungslosen Lage dennoch der Winner bleibt, wenigstens ideell? Durch Haltung und Einbildung?

 

Barbara, zu deinen beiden Fragen:

1. also, wenn jemand sich über Stotterer amüsiert etwa – ich weiß nicht, ob das automatisch unter Zynismus fällt. Es kann wahnsinnig dumm sein, herzenskalt. Aber gleichzeitig fällt mir ein, dass ich beim "Fisch namens Wanda" schreie vor Lachen, wenn der Ken zu stottern beginnt. Na ja, der Kerl hat ja noch mehr Eigenschaften, die Tierliebe ... oder ich bin herzenskalt  :s05 ? Vielleicht weiß jemand, warum ich über Ken lachen kann?

 

2. Ob Humphrey Bogart in "African Queen" ein Zyniker ist? Ich habe kürzlich erst das Buch wieder gelesen. Da kam er mir eher wie ein verlotterter, ausgesetzter Gescheiterter vor. Ein Untergebener von Haus aus, dem nur der Chef fehlt. Den stellt ihm dann die Missionarin.

 

Martina, über deine beiden Zitate musste ich auch nachdenken: Das erste finde ich köstlich und ja, ironisch: Das, was sonst hässlich macht, "zierte die Prinzessinnen". Man spürt deutlich, dass der Erzähler sich aber nicht täuschen lässt. Durch die Rede von anderen Mädchen, die ein Innenleben besitzen, desavouiert er ja – fein und implizit – die Prinzessinnen. Bei dem Zitat von Duve finde ich gar nichts Humoriges. Tomatoes auf eye. Wo soll es sein?

 

Und zu Bettinas griechischen Ausführungen: Ich finde es immer hilfreich, wenn man etymologisch hinabsteigt in den Brunnen der Vergangenheit. Aber über die Zeiten hin hat sich auch oft das Verständnis verändert. Der alte Kyniker und unser zeitgenössischer Zyniker brauchen je für sich ein Verständnis (Sloterdijk hat, glaub ich, auch mal unterschieden zwischen beiden). Übrigens auch regional verschieden. Chinesen verstehen manche unserer Witze nicht und lachen über etwas, was uns seltsam vorkommt.

 

Hab ich jetzt alle?

Ah ja, Ulf: Ja, das mit der Distanz stimmt. Aber es trifft auch auf alle drei zu, nicht wahr? Ich denke, da müsste man nochmal differenzieren.

 

Und die Antwort auf diese Frage

 

Kann, um eine These aus einem anderen Thread aufzugreifen, Ironie mit Warmherzigkeit einher gehen? Mit Empathie?

(Ich glaube schon - aber am Beweis müsste ich noch arbeiten.)

steht auch noch aus. War sie von dir, Holger?

 

Bis hierher erstmal von meiner Seite,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Martina, ich denke - streng genommen - ist keine der beiden Aussagen ironisch, es fehlt die paradoxe Konstellation. Ironisch wäre z.B., wenn die Prinzessin zum ersten Mal in ihrem Leben arbeitet, alles falsch macht und zu hören bekommt: Na, DAS hast du aber ganz, ganz toll gemacht!

Fletscht die Ironie ein wenig mehr die Zähne, so würde sie als Anrede "Prinzesschen" statt des nahen "Du" benutzen.

 

Sarkasmus könnte so klingen: Ließe es sich eventuell einrichten, dass Allerdurchlauchtigste sich das nächste Mal weniger dämlich anstellt?

 

Zynismus so: Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass silberlöffelige Prinzesschen wie du und deinesgleichen ganz formidabel blamable Gesellschaftsparasiten sind!

 

Beide Textstellen in „Spieltrieb“ und „Taxi“ sind sarkastisch, in unterschiedlich ausgeprägter Intensität. Bei Spieltrieb erkennt man einen ausgeprägteren Spott. Die Ausdrücke „menschliche Rehkitze“ und „Freundin MIT Innenleben“ sind komisch, aber auch abwertend. Wenn sich dieser Tonfall durch den ganzen Roman hindurch zieht und eine Geisteshaltung (im Gegensatz zu einer spezifisch auf diese Mädels gerichtete Wahrnehmung) des Erzählers zeigt, dann könnte es sich auch um Zynismus handeln. Dazu müsste man aber mehr Text kennen, Spieltrieb habe ich leider noch nicht gelesen.

 

Die Passage aus Taxi zeigt eine ganz sanfte Form des Sarkasmus. Ein Sarkasmus, der sich auf die Ich-Erzählerin selbst bezieht und schwarzhumorig daher kommt.

 

LG Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Bettina, da wäre ich jetzt sehr skeptisch. Ich glaube nicht, dass man Zynismus so ohne weiteres unter die Stilmittel einreihen kann. Das ist für mich eine Lebenshaltung. So sind die Figuren, die wir zeichnen. Ein sarkastisch geschriebener Text ist von Hause auch ironisch (wie gesagt, der Sarkasmus bezieht sich ironisch auf den Zynismus).

 

Aber gibt es einen zynisch geschriebenen Text?

 

Was denkt ihr?

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Olga, jetzt ist mir auch einer eingefallen: Der Opa aus dem "Kleinen Lord".

 

Aber das ist in meinen Augen ein Beispiel, in dem der Zynismus gerade nicht positiv besetzt wird.

 

Bei dem Zitat von Duve finde ich gar nichts Humoriges. Tomatoes auf eye. Wo soll es sein?

Die Gleichsetzung von Frauen mit "wir nehmen wirklich jeden". Während in unserer Zeit die Endung "in" meistens als Respekt betrachtet wird, ist es zu dieser Zeit anscheinend das genaue Gegenteil.

 

Liebe Grüße,

Olga

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Aber gibt es einen zynisch geschriebenen Text?

 

Was denkt ihr?

Ich glaube schon. Zum Beispiel, wenn der Ich-Erzähler seine zynische Sicht auf die Welt darstellt.

Oder?

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Dass die Figur des Zynikers bewundert wird, jueb, glaube ich auch. Im Prinzip erfüllt der, dem alles egal ist, die Erfordernisse an Coolness, oder nicht? (...)

 

Auch diese Entwicklung vom unerträglichen Zyniker zum Menschen. Bei deinem Wort zur Resignation (Zyniker hat vor der Welt resiginiert, Sarkast noch nicht) müsste man vielleicht noch einen Zusatz anbringen. Resignation muss ja nicht automatisch zu Zynismus führen. Jemand kann gelassen bleiben dabei, ein anderer bringt sich um. Damit Zynismus entsteht, braucht es wohl noch etwas, eine besondere Charakterstimmung. Ich weiß noch nicht ganz: Ist es so was wie Festhalten wollen, dass man in einer hoffnungslosen Lage dennoch der Winner bleibt, wenigstens ideell? Durch Haltung und Einbildung?

 

Ich denke, dass ist der entscheidende Punkt, warum der Zyniker eine gewisse Sympathie genießt. Er hat die Welt durchschaut (bzw. glaubt dies), ist völlig desillusioniert, aber er ist nicht passiv und depressiv. Er hat trotz allem eine Haltung dazu. Das gibt ihm diese gewisse "Coolness". Dem Zyniker unterstellt man, dass er mal Illusionen (= Ideale) hatte. Er ist gewissermaßen ein gefallener Held. Und deshalb ist er auch für Frauen als "Aufgabe" so interessant. Zumindest in Romanen! ;-)

 

1. also, wenn jemand sich über Stotterer amüsiert etwa – ich weiß nicht, ob das automatisch unter Zynismus fällt. Es kann wahnsinnig dumm sein, herzenskalt.

 

Dafür gibt es ein schönes deutsches Wort: Häme.

Nur wenn sie durch eine liebevollen Blick entschärft wird, wird sie genießbar.

 

Kann, um eine These aus einem anderen Thread aufzugreifen, Ironie mit Warmherzigkeit einher gehen? Mit Empathie?

(Ich glaube schon - aber am Beweis müsste ich noch arbeiten.)

 

Ich glaube, genau das setzt die Ironie von den anderen genannten Arten des Humors ab. Ironie hat ein positiv gefärbtes Verhältnis zu ihrem Gegenstand. Wo nicht, wird sie zu Sarkasmus.

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Olga, genau die Stelle, die du hervorhebst ("sie nehmen praktisch jeden" - selbst Frauen), ist für mich die amüsante. Angelika, hast du es wirklich überlesen, oder findest du es einfach nicht witzig? Wenn letzteres, dann zeigt sich einmal mehr, wie unterschiedlich Humor funktioniert. Ich habe an der Stelle laut gelacht. Durch den ganzen Roman zieht sich eine solch galgenhumorige Grundhaltung, eine depressive Sicht auf die Welt - "die Welt ist schlecht, und ich erst recht". An vielen Stellen bricht sie in solchen Spitzen hervor, die ich großartig finde.

Bei Juli Zeh hingegen ist die Erzählhaltung von einer großen Gefühlskälte geprägt, die immer wieder in Attacken gegen Personengruppen oder Verhältnisse zutage tritt. Das finde ich weniger amüsant als brillant und entlarvend.

Bettina, ja, ich denke nun auch, dass die gesamte Erzählhaltung bei Spieltrieb zynisch ist. Aber für mich nicht abstoßend, wie ich Zynismus hin und wieder empfinde (besonders bei einigen Kabarettisten, wie Angelika schon angesprochen hat), sondern fesselnd und erhellend.

 

Andreas, ja, "Häme" ist ein schönes Wort. Schon lange her, dass ich "Ein Fisch namens Wanda" gesehen habe, aber steht das Stottern von Ken nicht im Gegensatz zu seinen Bemühungen um Männlichkeit und Stärke? Ich glaube, das ist das Komische daran.

 

Viele Grüße

 

Martina

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Wenn letzteres' date=' dann zeigt sich einmal mehr, wie unterschiedlich Humor ist. Ich habe an der Stelle laut gelacht. [/quote']

Ich fand das 2. Zitat auch viel lustiger als das erste (das erste hat meinen Humorsinn eigentlich kaum angesprochen)

 

Was ich mich frage: Wohin sollte man den schwarzen Humor grundsätzlich einordnen?

 

Liebe Grüße,

Olga

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Guten Morgen,

 

sehr interessant, all das.

Zwei Ergänzungen zum Thema.

 

Einer meiner Lieblingsautorinnen, wenngleich nicht immer zu ertragen, ist Sibylle Berg - wenn die nicht zynisch ist - zum Beispiel die Ich-Erzählerin in "Der Mann schläft", aber sie hat auch etwas Zartes, Melancholisches im Ton, das die Unerbittlichkeit ihrer Haltung immer wieder aufweicht. Müsste mal einige Zitate heraussuchen.

 

Ich komme ja vom Journalismus bzw. Feuilleton, und da hat sich in den 80er, 90er Jahren ein bestimmter Schreibstil durchgesetzt, der sich fast durchgängig der Ironie bedient, bei Portraits, bei Essays, bei Kritiken... Später kam dieser Stil, wie ich finde auch zurecht, in Misskredit. Moniert wurde: wer alles mit Ironie überzieht, hat keine Haltung. Und ist das nicht ein Problem oder zumindest eine Gefahr beim ironischen Schreiben? Alles irgendwie amüsant, aber eben unverbindlich und damit auch zahnlos?

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Damit Zynismus entsteht' date=' braucht es wohl noch etwas, eine besondere Charakterstimmung. Ich weiß noch nicht ganz: Ist es so was wie Festhalten wollen, dass man in einer hoffnungslosen Lage dennoch der Winner bleibt, wenigstens ideell? Durch Haltung und Einbildung? [/quote']

 

Hallo Angelika,

 

den Punkt möchte ich noch mal aufgreifen, da mir dieser besonders interessant erscheint. Ich glaube, du hast völlig recht, dass nicht jeder zum Zyniker werden kann, ganz gleich, welche Fallen das Leben so aufstellt. Da braucht es eine besondere innere Disposition, vielleicht eben genau das Bewusstsein (oder zumindest die Meinung), dass man selbst über den Dingen steht, dass man eigentlich alles richtig gemacht hätte, aber das Leben/das Schicksal/Fortuna/der liebe Gott/der Golem hatte was dagegen.

 

Kann es aber sein, dass der Zyniker und der Sarkast eine grundsätzlich ähnliche, vielleicht sogar gleiche Wesensausprägung besitzen und der Unterschied nur der ist, dass der Zyniker verbittert ist, während der Typ mit den sarkastischen Zwischeneinwürfen noch Hoffnung hat, dass alles gut wird? Aber dass sie dennoch der gleiche Typ Mensch sind, nur an unterschiedlichen Lebenserfahrungspunkten?

 

Jedenfalls eine sehr spannende Diskussion, die sich hier entsponnen hat.

 

Viele Grüße

 

Thomas

"Man schreibt nicht, was man schreiben möchte, sondern was man zu schreiben befähigt ist."&&- Jorge Luis Borges -

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... dem Gedanken von Thomas - der Zyniker hat eine innere Disposition - möchte ich mich unbedingt anschließen, gerade bei Sibylle Berg scheint mir das der Fall zu sein. Schreibende Zyniker taugen auch nicht zum Happy-End, auch das ist bei Frau Berg nachzulesen....

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich komme ja vom Journalismus bzw. Feuilleton, und da hat sich in den 80er, 90er Jahren ein bestimmter Schreibstil durchgesetzt, der sich fast durchgängig der Ironie bedient, bei Portraits, bei Essays, bei Kritiken... Später kam dieser Stil, wie ich finde auch zurecht, in Misskredit. Moniert wurde: wer alles mit Ironie überzieht, hat keine Haltung. Und ist das nicht ein Problem oder zumindest eine Gefahr beim ironischen Schreiben? Alles irgendwie amüsant, aber eben unverbindlich und damit auch zahnlos?

 

 

Eine Haltung muss meiner Meinung nach dahinterstehen. Dazu kommt die Entscheidung: Besser, ich sehe das Komische darin, als melancholisch zu werden. Lieber lachen als trauern. Ironie ist für mich ein individueller Umgang mit den Verhältnissen nach außen hin, die ich innerlich verurteile.

 

ThomasM schrieb:

Kann es aber sein, dass der Zyniker und der Sarkast eine grundsätzlich ähnliche, vielleicht sogar gleiche Wesensausprägung besitzen und der Unterschied nur der ist, dass der Zyniker verbittert ist, während der Typ mit den sarkastischen Zwischeneinwürfen noch Hoffnung hat, dass alles gut wird? Aber dass sie dennoch der gleiche Typ Mensch sind, nur an unterschiedlichen Lebenserfahrungspunkten?

 

Das gefällt mir gut.

 

 

LG

 

Martina

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Ein vom Leben enttäuschter Held wird zu einem Zyniker. Genau diese Eigenschaften machen ihn aber zu einem ganz tollen Helden - und die Heldin bekommt ihre Chance' date=' ihn zu ändern/zu retten/zu heilen/[/quote']

Da fällt mir "African Queen" ein: Humphrey Bogart als der zynische Held und Katherine Hepburn als Heldin, die ihn rettet - oder lieg ich falsch?

Humphrey Bogart beginnt sehr oft als Zyniker in Filmen. Africa Queen kenne ich nicht, aber in "Casablanca" ist es sehr deutlich. Gilt übrigens auch für den Colonel Renault. Am Schluß sind sie dann sarkastisch ("Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen").

 

Grüße, Hans Peter

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Ich komme ja vom Journalismus bzw. Feuilleton' date=' und da hat sich in den 80er, 90er Jahren ein bestimmter Schreibstil durchgesetzt, der sich fast durchgängig der Ironie bedient, bei Portraits, bei Essays, bei Kritiken... Später kam dieser Stil, wie ich finde auch zurecht, in Misskredit. Moniert wurde: wer alles mit Ironie überzieht, hat keine Haltung. Und ist das nicht ein Problem oder zumindest eine Gefahr beim ironischen Schreiben?[/quote']

Ich denke, da ist weniger das Fehlen der Haltung ein Problem, sondern die immer gleiche Haltung. Man schreibt ironisch über etwas, beschreibt nur noch, dass es (natürlich) nichts taugt. Es ist schon die Haltung eines Zynikers: Verachtung für das, worüber man schreibt. Die vielen ironischen Artikel über Rezensionen im Internet, geschrieben nach dem immer gleichen Muster, sind ein Beispiel dafür.

 

Das ist oft keine Ironie mehr, sondern Zynismus. Ironie würde sich über ungelenke Rezensionen lustig machen, aber nicht über die, die diese Rezensionen geschrieben haben. Zynismus schreibt, dass die Rezensenten Dreck sind - aber sagt das nicht so, sondern lässt das unterschwellig unter der Ironie durchscheinen.

 

Deshalb ist Zynismus oft auch so vorhersehbar. Man muss nur den ersten Satz des Textes eines Zynikers lesen und weiß, wie es weitergeht.

 

Grüße, Hans Peter

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Bettina' date=' da wäre ich jetzt sehr skeptisch. Ich glaube nicht, dass man Zynismus so ohne weiteres unter die Stilmittel einreihen kann. Das ist für mich eine Lebenshaltung.[/quote']

Ich finde schon, dass es Zynismus auch als rhetorischen Schachzug gibt. Aus meiner lang verstrichenen Jugend habe ich noch sehr deutlich in Erinnerung, dass wir eine Zeitlang alle versucht haben, uns durch zynische Bemerkungen den Anschein von Weltwissen und Durchblickertum zu geben.

 

A sagt zu B (beides Jungs): Du, ich habe mich in eine ganz tolle Frau verliebt.

B sagt zu A: Und, hast du sie schon flach gelegt?

 

Da soll auch etwas abgewehrt werden - aber ich denke, eher der Verdacht, man könnte noch wie ein Kind an das Gute, Schöne, Wahre glauben. (Schließlich ist es noch nicht lange her, dass man ausgelacht wurde, weil man noch an den Weihnachtsmann glaubte.)

 

Ich habe oft den Eindruck, dass auch viele zynische Sprüche in den Medien so eine Absicherungsfunktion haben: Glaubt nur ja nicht, dieses schöne/tieftraurige/sonstwie "große" Ereignis hätte mich so ergriffen, dass meine angeborene Klugheit darunter leidet. ;-)

 

Spannendes Thema!

 

Barbara

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(Peter_Dobrovka)

Moin!

 

Hier wurde inzwischen viel Kluges, Interessantes und auch Lustiges gesagt, aber ich kann mich mit den Aussagen des Eröffnungspostings noch nicht so recht anfreunden.

 

Zunächst einmal finde ich klare Abgrenzungen der Begriffe voneinander gut, andererseits sind die Grenzen von laufenden Bedeutungsverschiebungen und Überlappungen durchzogen. Und vieles ist auch Interpretationssache, will sagen: einer objektiven Beurteilung nicht zugänglich.

 

Satire nicht, weil sie eine Textsorte ist, die sich kritisch gegen die Gesellschaft stellt. Die Gesellschaft. Nicht die Nachbarschaft oder die Kollegen, denen man es mal richtig zeigen will.

Damit stimme ich nicht überein. Die Satire ist zunächst einmal eine Kunstform, die nicht an Text gebunden ist, und die irgendeinen Zustand (meist Miss-Stand) überspitzt, verzerrt oder auch symbolisch darstellt, um ihn zu verhöhnen, auf ihn hinzuweisen oder sonstwie zu kritisieren. Der Nachbar kann sehr wohl Gegenstand einer Satire sein. Allerdings kommt eine Satire in einem Dialog praktisch nicht vor, da es keine Form der direkten interpersonellen Kommunikation ist. Eine Satire ist eine Geschichte, eine Zeichnung, ein Film.

Realsatire kann im Dialog vorkommen. Realsatire liegt dann vor, wenn eine reale Begebenheit vom Beobachter als Satire empfunden wird.

 

Ironie ist eine rhetorische Waffe in der Auseinandersetzung. Sie ist das Florett, kein Hammer. Von schlichteren Gemütern wird sie oft gar nicht wahrgenommen.

Sehe ich auch so, vielleicht sollte man aber neben der Bewertung noch anfügen, was Ironie eigentlich ist. Es ist die Formulierung eines Gedankens durch sein Gegenteil. Also z.B. jemanden loben, obwohl man in Wirklichkeit unzufrieden mit ihm ist, und das auf eine Weise, bei der die Bedeutungsumkehr auch ersichtlich ist, jedenfalls für die nicht schlichten Gemüter.

 

Ironie zeichnet sich aus durch Kürze. Wer ironisch redet, braucht nicht dreißig Sätze, sondern einen.

Wo steht das denn geschrieben? Ich glaube, du verwechselst das mit Lakonie.

 

Im Unterschied zu Ironie hat Zynismus einen unguten Ton.

Stop - und alles Weitere zum Zynismus auch stop.

Zynismus ist ein Begriff, der sich seit seiner Entstehung immer wieder verschoben hat. Hier fiel irgendwo die Anmerkung, dass es von Kynos (griech. Hund) stammt, was richtig ist, und bedeutet, dass man nicht nur bellt sondern auch zubeißt, was kompletter Unfug ist. Wer wissen will, wie es richtig ist, bitte einmal hier nachlesen: (Link ungültig)

Zynismus war und ist eine Geisteshaltung, keine rhetorische Figur. Momentan bedeutet er, dass jemand gesellschaftlich allgemein anerkannte Normen und Werte nicht anerkennt und auf Gefühle seiner Mitmenschen dabei keinerlei Rücksicht nimmt. Er kann sich dabei natürlich mit Stilmitteln von Ironie etc. ausdrücken, muss er aber gar nicht.

 

Sarkasmus ist am schwierigsten zu bestimmen, weil es so nahe am Zynismus liegt. Wenn er damit verwechselt wird, tritt ihm Empörung entgegen. In Wirklichkeit stellt sich der Sarkast ironisch zum Zynismus:

Dem stimme ich zur Hälfte zu. Sarkasmus ist nicht mehr und nicht weniger als beißender Spott. Keine direkte rhetorische Figur, sondern Effekt und Absicht werden hier bezeichnet. Der Sarkasmus dient dazu, bloßzustellen, zu verletzen, herabzuwürdigen. Er kann sich dazu des Stilmittels der Ironie bedienen. Er ist sozusagen das Florett der Beleidigung.

Ironie an und für sich ist wertneutral und kann durchaus auch nett gemeint sein.

 

Wenn sich verzweifelte Kurden auf einer deutschen Autobahn selber verbrennen und der "Titanic"-Karikaturist ein Schild malt, auf dem ein von Flammen umgebener Schnauzbart vor Stau warnt – dann sollte damit der deutsche Passant angegriffen werden, dem all so was gleichgültig ist. Der Titanic wurde damals vorgeworfen, sie würden sich über die Kurden lustig machen, sich also zynisch verhalten.

Zunächst einmal: Das ist ein Paradebeispiel für Satire. Und zwar in Bildform. Was für ein Satiremagazin ja nun nicht ungewöhnlich sein sollte, hehe.

Was das Bild beabsichtigt, auszudrücken, ist allerdings Interpretationssache. Bei der Titanic, welche die Grenzen der (hierzulande durchaus eingeschränkten) Meinungsfreiheit immer wieder bis zum Anschlag austestet, wäre ich da sehr zurückhaltend.

 

In diesem Zusammenhang erwähnt werden sollte vielleicht auch der Begriff "schwarzer Humor", der sehr in der Nähe der genannten Begrifflichkeiten liegt. Das Titanic-Schild zum Beispiel ist - ob man will oder nicht - lustig. Ironie wird meistens auch als lustig empfunden, und Sarkasmus ebenso (wenn man nicht gerade selbst die Zielscheibe ist). Wobei es relativ klar definiert ist, dass der schwarze Humor makabre und düstere Themen zum Ausgangspunkt hat.

 

Das ist sicher nicht erschöpfend erklärt, vielleicht sieht jemand die Dinge auch ganz anders. Mir wäre aber schon daran gelegen, dass Klarheit herrscht, wenn diese Begriffe gebraucht werden. In den stattgefundenen Auseinandersetzungen hatten sie meiner Ansicht nach überhaupt nichts verloren.

Das macht mich neugierig, ich werde mal die stattgefundenen Auseinandersetzungen nachlesen und mich dabei freuen, nicht an ihnen beteiligt gewesen zu sein.

Peter

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Das macht mich neugierig, ich werde mal die stattgefundenen Auseinandersetzungen nachlesen und mich dabei freuen, nicht an ihnen beteiligt gewesen zu sein.

 

Aber bitte nicht hier reintragen!

 

So viele Nachrichten, ich kann aber jetzt leider noch nicht antworten, gleich kommt meine Russisch-Lehrerin, ich hab noch keine Hausaufgabe gemacht und Angst, dass sie mich haut.

 

Wahrscheinlich melde ich also erst morgen wieder,

Angelika

 

P.S. Nur schnell noch zu Martina: Ja, ich hatte es komplett überlesen! Vielleicht kommt das von dem blaugeschlagenen Auge durch die Lehrerin. :s12

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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jueb: Und ist das nicht ein Problem oder zumindest eine Gefahr beim ironischen Schreiben? Alles irgendwie amüsant, aber eben unverbindlich und damit auch zahnlos?

Das z.B. stört mich an den ganzen Satire-Sendungen im TV: man lacht sich nur noch kaputt, und das war's dann. Es ändert nichts. Zum Thema zynisch schreiben: Hendryk Broder ist m.E. ein zynisch schreibender Journalist.

Jedenfalls bleibt die Tatsache, dass es im Leben nicht darum geht, Menschen richtig zu verstehen. Leben heißt, die anderen misszuverstehen ... Daran merken wir, dass wir am Leben sind: wir irren uns. (Philip Roth)

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Bettina' date=' da wäre ich jetzt sehr skeptisch. Ich glaube nicht, dass man Zynismus so ohne weiteres unter die Stilmittel einreihen kann. Das ist für mich eine Lebenshaltung. So sind die Figuren, die wir zeichnen. Ein sarkastisch geschriebener Text ist von Hause auch ironisch (wie gesagt, der Sarkasmus bezieht sich ironisch auf den Zynismus).[/quote']

 

Aber ja doch, Angelika. Zynismus zeigt sich meiner Meinung nach durch die desillusionierte Lebenshaltung, so hatte ich das in meinen vorherigen postings geschrieben. Bezog sich dein Kommentar auf die Prinzessinen Beispiele?

 

Ich finde es interessant, wie unterschiedlich wir die von Martina zitierten Textstellen interpretieren. Ironie wie gesagt, kann ich darin nicht erkennen, da der doppelte Boden fehlt. Ich sehe es so: Ironie sagt etwas und meint etwas anderes, daraus ergibt sich dann eine gewisse Komik. Was das Prinzessinenbeispiel betrifft, so kommt es bei dem Ausspruch: DAS hast du aber ganz toll gemacht, zum Ausdruck, wo doch offentsichtlich ist, dass sie eben nichts toll gemacht hat. Ironie ist auch, auf folgende Frage:

"Ist sie eine gute Autorin?"

mit

"Sie trägt exquisite Schuhe."

zu antworten.

 

Ironie versteckt den darunter liegenden Ärger, während der Zynismus eindeutig ist und den Ärger (auf das Gegenüber und die ganze Welt) ganz offen zeigt. Wenn das gemeinsame Bindeglied zwischen Ironie, Sarkasmus und Zynismus ein unterschiedlich stark ausgeprägter Spott ist, so unterscheiden sie sich durch unterschiedlich stark ausgeprägte Angriffs- und Abwertungslust.

 

LG, Bettina

" Winterschwestern" (AT)
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Damit Zynismus entsteht' date=' braucht es wohl noch etwas, eine besondere Charakterstimmung. Ich weiß noch nicht ganz: Ist es so was wie Festhalten wollen, dass man in einer hoffnungslosen Lage dennoch der Winner bleibt, wenigstens ideell? Durch Haltung und Einbildung? [/quote']

 

Hallo Angelika,

 

den Punkt möchte ich noch mal aufgreifen, da mir dieser besonders interessant erscheint. Ich glaube, du hast völlig recht, dass nicht jeder zum Zyniker werden kann, ganz gleich, welche Fallen das Leben so aufstellt. Da braucht es eine besondere innere Disposition, vielleicht eben genau das Bewusstsein (oder zumindest die Meinung), dass man selbst über den Dingen steht, dass man eigentlich alles richtig gemacht hätte, aber das Leben/das Schicksal/Fortuna/der liebe Gott/der Golem hatte was dagegen.

 

Kann es aber sein, dass der Zyniker und der Sarkast eine grundsätzlich ähnliche, vielleicht sogar gleiche Wesensausprägung besitzen und der Unterschied nur der ist, dass der Zyniker verbittert ist, während der Typ mit den sarkastischen Zwischeneinwürfen noch Hoffnung hat, dass alles gut wird? Aber dass sie dennoch der gleiche Typ Mensch sind, nur an unterschiedlichen Lebenserfahrungspunkten?

 

Ja, Thomas, das gefällt mir sehr gut. Der Zyniker ist in seiner Ich-Bezogenheit völlig unfähig, andere Werte anzuerkennen. Er alleine hat Recht und Schuld sind immer die Anderen. Insofern fehlt ihm die Empathiefähigkeit (der Begriff fiel ja bereits) und der Respekt vor anderen Menschen und deren Einstellung zu richtig und falsch.

 

LG, Bettina

" Winterschwestern" (AT)
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Das ist meiner Meinung nach grundsätzlich ein Problem bei Romanen, die eine Sympathie für eine Figur erreichen wollen. Ein Mann kann sich sehr, sehr vieles leisten - und in vielen Fällen muss er sich auch vieles leisen können, um überhaupt als ein interessanter Mann und nicht als ein Waschlappen wahrgenommen zu werden. Bei einer Frau dagegen reicht schon eine unpassende/spitze/sarkastische Bemerkung, damit sie in dieser Wahrnehmung unten durch wäre.

Das ist ein Umstand, der mir viel zu denken gibt.

 

Das ging mir gerade aktuell beim Lektorat zu meinem Wechseljahresroman so. Die Prota dort hat eine sehr spitze Zunge und lästert über ihre Mitmenschen und deren Schwächen munter ab. (Entspricht so in etwa meinem Naturell.) Da hat mir die liebe Lektorin aber alles, was über eine bestimmte Schwelle hinausging, rausgestrichen. Was ich einerseits Schade fand, weil das Ganze eben dadurch etwas "weichgespült" rüberkommt und gerade diese Bissigkeit, dieser pointierte Sarkasmus für mich so bemerkenswert war, aber andererseits hatte sie insofern Recht, dass sich sicher manche Leserin dabei angesprochen und beleidigt gefühlt hätte. Es ist eben nicht jeder so selbstbewusst, dass er in der Selbstbetrachtung auch über sich und seine Schwächen lachen kann, auch, wenn ihm jemand anders den Spiegel vorhält.

 

Interessante Thema auf jeden Fall.

 

LG Cornelia

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Mir fällt dazu "Und täglich grüßt das Murmeltier" ein. Bill Murray, so einsam und abgekapselt, dass er sich jede abfällige Bemerkung leisten kann - denn er muss die Folgen nicht fürchten, er hat schon alles verloren.

In diesem Sinne, Jürgen, steht er autonom außen vor, "unabhängig vom Urteil der anderen", wie Du schreibst.

 

Er macht übrigens die Entwicklung vom Zyniker zum Menschen durch.

 

Hab gestern Abend ein weiteres gutes Beispiel für einen Zyniker gesehen, vielleicht kennt das jemand: Woody Allans "Whatever works". Paradebeispiel, wie sich der alte Misanthrop durch die junge Frau zum Menschen wandelt. Und herrlich erfrischend seine Ansichten...

 

LG Cornelia

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