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Eva

Was ist Kitsch?

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Hallo Marco,

 

aber dann wäre dieser Thread nach 3 postings vorbei gewesen

Wär das so schlimm gewesen?  :s22

 

Nein, aber Tatsache ist, Lexikonbeiträge helfen nicht zwangsläufig weiter. Johnny hat doch mal wieder das Synonymwörterbuch bemüht, wo Kitsch als Geschmacklosigkeit bezeichnet wird.

 

Auch die Wikipedia wurde zitiert, da hieß es dann ein 'zumeist abwertend gebrauchter Wahrnehmungsbegriff'.

 

Und ich selbst hab ein Wörterbuch zitiert, da wurds als 'Fruchtstein' bezeichnet.

 

Für das Beispiel mit der Schokolade wäre das in etwa so hilfreich, wie ein Lexikoneintrag: "Eine Süßigkeit", zumal auch hier wieder mit wertenden Begriffen umgegangen wurde, aber die Lexikas offenkundig keine 'Zutatenliste' für Kitsch haben.

 

Ich dachte, man hätte den Thread dazu nutzen können, raus zu finden, oder dem näher zu kommen, woraus Kitsch gemacht ist. Darum hatte ich zu Beginn auch einen, wie ich finde, ganz netten Aufsatz angeführt, der ja leider *hüstel* komplett ignoriert wurde!  ;D

 

Ich gebe zu, er ist ein wenig unglücklich formuliert, hat aber schöne Ansätze:

 

Semiotisch ist noch immer nicht hinreichend bestimmt, was sich als ,Kitsch’ beschreiben lassen soll. Als Merkmale werden in der Regel die völlige Anpassung an den kleinbürgerlichen Publikumsgeschmack geltend gemacht, die bruchlose Realisierung ästhetisch-kultureller Schemata (,rote Rosen’, ‚strömender Regen’) und die entsprechend leichte Eingängigkeit, Unechtheit, fehlende Originalität und Authentizität, das Sentimentale, Süßliche und Aufgesetzte, die synästhetische Kumulation der ästhetischen Mittel;[...] Leichter als beim literarischen Text ist der Begriff ,Kitsch’ in der gegenständlichen ästhetischen Kultur zur Hand, weil hier die Evidenz des Anschaulichen größer ist. Der Kitsch sucht die affektive Wirkung und Überzeugung um jeden Preis; er ist darum rhetorisch.

 

Zwar findet sich das alles schließlich auch in diesem Thread, ist aber irgendwie etwas untergegangen.

Und das Problem mit der 'subjektiven' Bewertung ist halt: Erst wird hier von eingen Leuten eine Liste von Merkmalen für Kitsch aufgestellt, und dann wird von anderer Stelle gesagt: "Nee, ich mag das, das ist kein Kitsch!" und die Diskussion rutscht wieder ins subjektive ab.

 

Darum gehts mir...

Eine Liste mit Merkmalen ist ein schöner Anfang und sollte weiter ausgeführt werden, anstatt mit dem Hinweis: "Sowas stört mich nicht, ist also kein Kitsch", negiert zu werden.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Für mich bleibt bei der Suche nach einer Definition von Kitsch die Tatsache, dass es im wirklichen Leben tatsächlich Momente vollendeter Harmonie gibt. Und es scheint mir politisch nicht korrekt, diese beim Schreiben zu erwähnen

 

Das ist allerdings ein interessanter Ansatz. Aber ich glaube, selbst die eifrigsten Gegner des Kitsches legen das in der Praxis auch nicht so radikal aus. Das verhält sich ähnlich wie mit der "Trivialität": Das ein oder andere triviale Moment muss in jedem Buch zu finden sein, damit es überhaupt lesbar bleibt - aber das Buch insgesamt empfindet man nur dann als "zu trivial", wenn die trivialen Momente allzu sehr überwiegen.

Es gibt im Leben sicher ungebrochene Momente, zumindest Momente, wo man keine Brüche mehr empfindet. Ich glaube durchaus, diese Momente kann man hervorragend auch in der Literatur beschreiben - und da hilft es auch, sie erfrischender und weniger "klischeehaft" wirken zu lassen, indem man sie nicht auf abgegriffene Weise ausdrückt.

Wenn man es genau betrachtet, sind diese Momente für sich genommen - so sie in der Literatur auftauchen - nicht weniger kitschig; aber selbst der größte Kitsch-Gegner wird sie wohl nur dann als störend empfunden, wenn sie nicht durch das Umfeld wieder relativiert werden. Marco hat ja schon Fälle genannt, wo "kitschige Momente" erzählerisch sinnvoll sein können. Als gründsätzlich politisch unkorrekt würde ich sie daher nicht ansehen.

Kitsch, der einmal dargestellt und im Kontext dann wieder relativiert wird, geht vermutlich auch beim verbissensten Hochliteraten durch ;) Störend wirkt er nur dann, wenn er sich häufiger aufdrängt - und wo man da die Grenze zieht, ich denke, dass hängt dann wirklich vom persönlichen Geschmack ab. Manchmal vielleicht auch nur von der Tagesstimmung.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Eva, ein schneller Versuch am frühen Morgen:

 

Sie umarmten sich. Sina spürte, wie ihr Kloß im Hals noch größer wurde. "Ich werde dich vermissen" murmelte sie in seine Schulter. "Ich dich auch, Kleines." Als sie endlich im Taxi saß und sich umdrehte, hoffte sie inständig, er würde ihre Tränen nicht bemerken.

KITSCH!

 

Er nahm sie in den Arm, sie war einen ganzen Kopf kleiner als er. "Eigentlich bin ich ja froh, dich los zu sein" murmelte er in ihr Haar. Sie hob eine Augenbraue. "'Ferien vom du' mal dringend nötig, was?" "Ganz genau". Sie versuchte, ihm vors Schienbein zu treten, aber er hielt sie so fest im Arm, dass sie sich kaum bewegen konnte. "Na, dann ruf ich wohl besser auch nicht an, was?" sagte sie, als sie ins Taxi stieg. Er lachte. "Bitte nicht. Es sei denn, du liebst es, andere zu quälen." "Mais oui!" Sie grinste ihn immer noch frech an, als das Taxi bereits losfuhr.

KEIN KITSCH (oder? ;D)

 

Ich grabe das mal als Beispiel heraus, um was zu zeigen, hoffentlich nicht gegen deinen Willen, Judith.

 

Nehmen wir mal das erste Beispiel. Kitschig, ok. Aber was wäre wenn die nächsten Sätze wären:

Als das Taxi außer Sicht war, fuhr er mit seiner Hand in die Gesäßtasse seiner Jeans. Brieftasche und Kondome. Heute abend war er seit Jahren zum ersten Mal wieder Single.

 

Da hätten wir einen Bruch, der das ganze sofort von einer Taschentuchgeschichte zu einer Geschichte bringt, die sicherlich sehr viel hergeben würde und bei denen es manchen in den Fingerspitzen kribbeln würde, sie zu erzählen, und die manche reizen würde, sie zu lesen.

 

Einen Bruch bei der zweiten Version zu erzeugen, wäre da schon wesentlich schwerer. Außerdem ist es eben nicht völlig deckungsgleich, weil man an der zweiten Textversion dann viele Dinge unterschwellig mitbekommt. Man tippt darauf, dass beide mindestens Mitte Zwanzig sind, dass sie über ein relativ hohes Bildungsniveau verfügen, dass sie eine dynamische Beziehung führen, deren Kraft aus einer Art Hassliebe gespeist wird und der Frau unterstelle ich sofort, dass sie diese schreckliche New-Age-Ader hat (Ferien vom Du, also wirklich

:-X) Also da schwingt vieles mit.

 

Zu etwas anderem, das in Richtung Kitsch vs. Klischee geht: auch wenn es wieder im Filmbereich angesiedelt ist, aber es passt gerade sehr gut (sorry, Jan).

Nehmen wir mal die Charaktere von unser aller Lieblingsfilm American Beauty.

Der Vater ist die personifizierte Midlife-crisis.

Die Mutter ist eine wäre-gern-Frau. Sie wäre gern hübscher als sie ist, klüger als sie ist und erfolgreicher als sie ist, aber weil sie das alles nicht ist, hat sie einen Putzfimmel und ist ein Kontrollfreak und schläft mit:

Dem Vorstadtcasonava, der scheinbar erfolgreich ist und mit ihr nur schläft, weil sie in ihm das sieht, was er gern wäre.

Dann hätten wir noch die unverstandene, ängstliche, haßerfüllte Teenagetochter.

Den schwulen Ex-Militär, der sich das nicht eingestehen will und deshalb seine Frau in eine verwelkte Pflanze verwandelt hat.

Dann noch das schwule, gutaussehende, liberale Yuppie- Pärchen in der Nachbarschaft.

 

Im Prinzip alles Stereotypen. Das wird noch gemischt mit zwei Nicht-Stereotypen: der Schönheitskönigin, die viel unschuldiger ist als sie tut, und dem nebulösen Eigenbrötler, der in seiner Freizeit Drogen verkauft und philosophiert.

 

Warum ist denn dieser Film nun, der nur aus Klischeefiguren besteht, kein Kitsch? Weil jeder einzelne Charakter eben einen Bruch in sich trägt. Bei jedem sieht man den "Riss durch die Schöpfung" (Toller Begriff im Übrigen, ich glaub nichts wurde von der Moderne so oft behandelt wie das). Genau wie eben die Rose, die dem Film den Namen gibt, auch Dornen hat.

 

Mit dem ganzen Klischeekram sollte man aufpassen. Es ist doch langsam so wie beim Boxen, wo es soviele Gewichtsklassen und Verbände gibt, das jeder irgendwo Meister wäre. Jede Figur passt auch in ein Klischee. Man stelle sich vor man wolle über einen Polizisten oder noch schlimmer über einen Privatdedektiv schreiben und kein einziges Klischee bemühen. Da muss man schon - wie es ja auch bereits getan wurde- eine schwangere Vorstadtpolizisitin nehmen, um in kein Klischee zu tappen. Ich frag mich, ob geschiedene Alkoholiker als Polizisten bei den Lektoren sofort dazu führen, dass das Manuskript in die Ecke gefeuert wird. ;)

 

Weihnachtliche Grüße

Peter

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Ich halte Kitsch für, in fließenden Grenzen, absolut objektiv messbar, subektiv ist alleine die Bewertung des Kitsches.

 

Wirklich objektiv messbar ist er wohl nicht. Ich denke, die hier ja durchaus erfolgten Bemühungen um eine formale Definition von Kitsch mitsamt der am Ende erreichten, doch recht großen Übereinstimmung geben ziemlich gut wieder, inwieweit Kitsch objektivierbar ist:

Mit dem, was landläufig als Kitsch bezeichnet wird, lassen sich verschiedene objektivierbare Merkmale verknüpfen. Je nachdem, welche dieser Merkmale untersucht, wird man in Einzelfällen zu geringfügigen anderen Ergebnissen kommen - trotzdem gibt es einen gewissen "Kern" von Objekten, die man recht konsensfähig als "Kitsch" bezeichnen kann; umgeben von einem Grenzbereich, dessen Inhalte man je nach Perspektive anders beurteilen kann.

Ich halte Kitsch also nicht wirklich für "objektiv messerbar", aber durchaus für "beschränkt objektivierbar".

 

und das Wort ist nunmal, trotz anderslautender Meinung, weder negativ, noch positiv, sondern ganz wertfrei konnotiert und objektiv!

 

Ich halte es für sinnvoll, den Begriff auf möglichst sachliche Kategorien zu reduzieren und ihn auch so zu verwenden. Aber dass der Begriff alltagssprachlich eben auch nicht wertfrei verwendet wird und durchaus eine entsprechende Konnotation mitbringt, kann man eben auch nicht abstreiten.

Aus dieser negativen Besetzung allerdings zu dem Schluss kommen, dass man das "böse Wort" gar nicht verwenden sollte, dem möchte ich mich nicht anschließen. Das klingt mir ein wenig zu sehr nach dem Unsinn der Political Correctness. Von einer solchen Kreuzung gehen nur noch drei Wege ab, die ich allesamt für unakzeptabel bis unglücklich halte:

Entweder der Weg der Denkverbote, wenn man aus dem Verzicht auf das Wort auch das völlige Schweigen über die Sache ableitet. Oder die Flucht in die Fachsprache - wenn man ein neues, nicht negativ besetztes Wort erfindet, dass dann aber nur noch für einen kleinen Kreis Eingeweihter verständlich ist. Denn Tatsache ist doch, dass man hier tatsächlich über die Merkmale dessen redet, was häufig als "Kitsch" bezeichnet wird - warum sollte man das durch Kunstworte vernebeln und möglichst unverständlich ausdrücken? Und der dritte Weg wäre, für Kitsch ein neues, neutrales Synonym zu prägen - dass dann aber, sobald es in einen gemeinsprachlichen Diskurs eintritt, doch nur "vergiftet" und negativ besetzt wird, weil es letztendlich die Konnotationen des Ursprungswortes mit übernimmt.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Îch glaube, Kitsch und Klischee liegen in der Literatur ziemlich nahe beieinander

 

Irgend jemand (PeterD.?) hat gesagt:

Ich möchte die These in den Raum stellen, dass "Kitschiges" in der Regel eine bestimmte (meist harmonisch empfundene) Sehnsucht befriedigt. Wer diese Sehnsucht grundsätzlich nicht empfindet, oder sie durch die entsprechenden Objekte als nicht angesprochen empfindet, der wird es "kitschig" einstufen.

Das sagt aber auf einer objektiven Ebene weniger etwas über den Gegenstand aus als über den Betrachter.

 

Ich stelle mal die These auf, daß Kitsch dann entsteht, wenn man einen Gegenstand oder einen Text absolut auf sich selbst reduziert. Wenn alles nur noch gefällige Form ist und der Sinn dahinter verlorengeht. In der Kunst zB kann man das ganz gut an chinesischen Porzellan- und sonstigen Viechern sehen. Für die Chinesen liegt (oder zumindest lag) dahinter ein jahrtausendealtes Verständnis, und Tiere wie Katze, Schwein, Ziege oder Drache haben eine ganz festgelegte Bedeutung im chinesischen Horoskop. Ein westlicher Betrachter dagegen guckt sich so ein Viech an und denkt: Kitsch. Weil er nur die Form sieht, nicht aber das, was dahintersteckt.

 

In der Literatur ist es für mich schwerer mit Beispielen zu belegen. Ein kitschiger Fantasyroman ist einer, in dem die Heldin am Ende durch ihre Liebesfähigkeit nicht nur den bösen Unhold besiegt, sondern auch gleich noch das Land rettet und den verzauberten Prinzen erlöst. Eigentlich hatte das alles mal eine Bedeutung, aber jetzt ist es meistens nur noch auf bloße Plakativität beschränkt. Der Text selbst ist das Ziel.

 

In dem Moment, wo ich also Geschichten nicht mehr hinterfragen kann, weil sie außer den bloßen Worten nichts vermitteln, ist es für mich Kitsch. Ob das für andere Genres auch gilt, weiß ich nicht, ist mir im Moment auch egal, weil ich gerade einen Panikanfall habe, weil ich an rosa glitzernde Einhörner denke. *GRAUS* ;D

Meine Homepage

 

Rabenzeit 1 gibt's als E-book und gedruckt bei Amazon. :)

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Kitsch und Klischee liegen nah beinander? Ja, finde ich auch.

Nehmen wir den Arztroman. Der Klischeearzt aus Leidenschaft, der gerne mal die neue Schwester begafft, während die alte biestige Oberschwester alles mißgünstig beobachtet, der Kollege aus der Chirugie mit dem heimlichen Alk-Problem - das alles bezeichne ich als plumpe Klischeeanhäufung.

 

Kitschig wird es dann auch noch, wenn die Dialoge trivial sind, worauf man sich meist verlassen kann. Sind die Dialoge aber frech und spritzig und das Ganze erinnert eher an die TV-Serie MASH, ist es egal, dass sämtliche Ärzteklischees benutzt wurden. Wir amüsieren uns.

Ins Kitschige abzurutschen ist auch nicht so ganz leicht, versucht man es absichtlich. Irgendwann wird einem beim Schreiben übel und man nimmt zu, von all dem Honig. Ich finde es verdammt schwer einen durchgehend kitschigen Roman zu schreiben. Hut ab vor dem, der das kann! Okay, aber das gehört jetzt nicht hierher, sorry.

 

Woraus Kitsch gemacht ist, wollte Marco gern wissen. Ich biete an: Aus Stereotypen und stereotypen Ereignissen.

Aber Marco, dein Zitat dazu klingt auch sehr interessant.

 

LG

Joy

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Hallo,

 

mit Definitionen kann ich nicht dienen - das könnt Ihr besser, ich bin wie bereits erwähnt nicht so theoretisch veranlagt.

Ich hab´s mehr mit Kochrezepten: meine Schwiegermutter sagt immer, an jedes pikante Gericht gehört eine Prise Zucker, an jede Süßspeise eine Prise Salz.

 

In Gedanken schon beim Weihnachtsessen

Uschi

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"Gschmacksach. hat de Aff' gesacht und in de Seif gebisse!"

 

So ist es mit allem, was Menschen zu Debatten über Kultur und Kitsch anregt.

 

Deshalb sind mir angebliche Klischees erst einmal Wurst. Denn für den einen mag der fette Würstchenverkäüfer mit der Speckschürze Klischee sein, für den anderen ist der geliebte Papa und Knuddelbär.

 

Und noch ein Sinnspruch: "Allen Menschen recht getan ist eine Kunst die keiner kann"

 

Womit dann wieder Spruch 1 in Kraft tritt.

 

Von Allgemeinplätzen befreite, späte Grüße

 

Anja

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