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(MartinaC)

Tabus beim Schreiben?

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Nun sind ja doch noch ein paar echte Schreibtabus genannt worden. Super.

 

Jan schrieb: Sich lustig machen über Kranke und Behinderte! Früher war's die Religion - wehe, ein Autor hat es gewagt, darüber zu spötteln! Die Liste der Bücher, die wegen Blasphemie verboten oder verpönt waren, ist lang.  

Kratzt heute keinen mehr.

Stattdessen gibt es heute political correctness...

 

Das mit den Kranken und Behinderten habe ich tatsächlich in modernen Büchern nicht mehr veralbert gesehen. Ein echtes Tabu haben wir hier, denke ich. Es ist nicht nur geschmacklos, es ist sozusagen gesellschaftlich untersagt. Bricht man es, schickt  man sich selbst in die Versenkung. Ende der Karriere.

 

Das mit der political correctness an sich geht mir allerdings auf'n Zeiger. Das könnte leicht ausufern wie in den USA, wo man schon nur noch über das Wetter reden darf ohne anzuecken.

 

Vorlaute Grüße

Joy

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Das mit den Kranken und Behinderten habe ich tatsächlich in modernen Büchern nicht mehr veralbert gesehen. Ein echtes Tabu haben wir hier, denke ich. Es ist nicht nur geschmacklos, es ist sozusagen gesellschaftlich untersagt. Bricht man es, schickt  man sich selbst in die Versenkung. Ende der Karriere.

Hi Joy,

es ist ein Tabu, aber ob man bei dem Bruch dieses Tabus in der Versenkung verschwindet, wage ich zu bezweifeln. Es gibt doch kaum eine bessere Publicity als ein angefeindeter Tabubruch. Vor Jahren hat einmal einer einen Preis gewonnen mit einer Gedicht oder Kurzprosa "Ich ficke Säuglinge" oder so ähnlich. Alle sind drauf gesprungen und haben sich mächtig aufgeregt. Das wäre mit einen normalen Beitrag nicht erreichbar gewesen. Glücklicherweise ist dieser Autor jetzt dann wieder in der Versenkung verschwunden, in die er schon immer gehört hätte.

Ich würde die Tabu-Grenze etwas weiter ziehen. Herber Feuerstein hat einmal gesagt:

Auch die Behinderten haben ein Recht auf Verarschung.

So lange etwas allgemein gehalten wird, sehe ich so etwas als "erlaubten" Tabubruch an. Ich würde die Grenze wohl erst da ziehen, wo sich über das Leiden individueller Einzelpersonen lustig gemacht wird, zB über Petra Schürmanns Sprachlosigkeit nach dem Tod ihrer Tochter.

Gruß

Rabe

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Mein lieber Rabe, du sprechen mit gespaltener Zunge.

 

Das hier gibst du von dir:

 

es ist ein Tabu, aber ob man bei dem Bruch dieses Tabus in der Versenkung verschwindet, wage ich zu bezweifeln.

 

und dann das:

 

Glücklicherweise ist dieser Autor jetzt dann wieder in der Versenkung verschwunden, in die er schon immer gehört hätte.

 

Das sind mixed messages die ich nicht verstehe. :s03

 

Und das hier machte mich sprachlos:

 

zB über Petra Schürmanns Sprachlosigkeit nach dem Tod ihrer Tochter.

 

Was ihr so alles mitbekommt! Ist das wirklich passiert? An mir geht dieser Starklatsch immer vorbei, aber vielleicht ist es auch passiert als ich in Kanada war.

Right, über sowas sollte man keine Witze machen, fällt aber mehr unter das Label Geschmacklosigkeit als Tabu, if you ask me.

 

Grüße von hinterm Mond

Joy

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Aber dank Iris und Marco bin ich jetzt doch noch auf ein Tabu gestoßen worden: Sich lustig machen über Kranke und Behinderte!

 

 

Ich denke, da verwechselst du Definitionen: Es ist nicht tabu, sich über Behinderte lustig zu machen - es ist unfair; es widerspricht den Regeln sozialen Miteinanders. Auch meine Oma die Treppe runterzuschubsen ist kein Tabu - ein sozial denkender Mensch lässt es einfach. Passiert es doch, spricht man sehr wohl darüber und verschweigt es nicht.

 

Eigenartigerweise ist aber das Thema Behinderte und Sexualität ein wirkliches Tabu. Fran hat uns in den Textkritiken beispielhaft gezeigt, wie Tabubruch schriftstellerisch gelingen kann.

 

Gruß,

 

Tin

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Das Herbert Feuerstein Zitat bringt mich auf noch etwas!

 

Randgruppentabus können von einer Gruppe Menschen problemlos gebrochen werden: den Betroffenen.

 

Siehe "Was guckst du", die öffentliche Türkenverarsche, die mehr ein sich selbst den Spiegel vorhalten ist.

 

Genau das dürfen dann natürlich auch Rollstuhlfahrer machen.

 

In Kanada reißen Indianer Indianerwitze im Radio. Die dürfen das. Aber NUR die!

 

Wenn es um Randgruppendiffamierung geht also immer drauf achten ob man selbst dazugehört, bevor man loslegt. ;)

 

LG

Joy

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Ich weiß nicht, inwieweit hier das Wort Tabu zutrifft, aber wenn ich lese, wie eine Gruppe böswillig verarscht oder verleumdet wird  - und zwar nicht von einem fehlerhaft handelnden Protagonisten, der später geläutert wird oder ein böses Ende nimmt  ;) - sondern kontinuierlich von dem Autor, dann rollen sich mir die Fußnägel hoch.

Ob es nun um Ausländer geht, Behinderte, "Dumme", Übergewichtige oder Frauen - wenn keine Ironie erkennbar ist, möchte ich das nicht lesen.

Bei Religion bin ich mir da auch nicht sicher. Wenn die Institution Kirche hochgenommen wird, klar - ob heuchlerischer Priester oder dunkle Geheimnisse des Papstes, auch ich lese so was mal gerne, und Dan Brown hat zeigt, dass hier so gut wie kein Tabu mehr existiert. Aber wenn gläubige Menschen verachtet und als dumm hingestellt werden, finde ich das ebenfalls kritisch. Andererseits, ein böses ironisches Buch über die Freikirchen in den USA würde ich mir gerne zu Gemüte führen. Es kommt eben immer auf den Tonfall und den Grad der Ironie an.        

Liebe Grüße

Chrissi

Bei Droemer Knaur im März 2012:  Mondherz &&Meine neue Website

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Hallo Chrissi,

 

nein, ich denke das sind keine Tabus. Es ist politisch nicht korrekt, darf aber durchaus gemacht werden.

Das mit den Behinderten, über die sich eindeutig der Autor selbst lustig macht, das würde ich als Tabu bezeichnen.

Genau wie Nazi Bezüge nicht nur verboten, sondern eben auch tabu sind.

 

Und dann gibt es bestimmte Dinge, die kein Mensch lesen will und denen wir unser freiwilliges Tabu auferlegen, wie Spinner so schön sagte, die sich schwer als Liste zusammenfassen lassen.

 

Als Fazit dieses Threads, bevor ich mich dann auch "unter" den Weihnachtsbaum begebe, stelle ich beruhigt fest, dass mir keiner überzeugt entgegen rief "über DAS darfst du auf KEINEN FALL schreiben!". Das beruhigt meine Nerven. Noch sind wir ein schriftstellerisch freies Land und keiner will mehr Bücher verbrannt sehen. Wie schön. In diesem Sinne: frohe Weihnachten allerseits!

 

Lamettabehangene Grüße

Joy

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Mein lieber Rabe, du sprechen mit gespaltener Zunge.

 

Das hier gibst du von dir:

 

es ist ein Tabu, aber ob man bei dem Bruch dieses Tabus in der Versenkung verschwindet, wage ich zu bezweifeln.

 

und dann das:

 

Glücklicherweise ist dieser Autor jetzt dann wieder in der Versenkung verschwunden, in die er schon immer gehört hätte.

 

Das sind mixed messages die ich nicht verstehe. :s03

Hi Joy,

er wäre wohl nie aus der Versenkung / Bedeutungslosigkeit für eine kurze Zeit rausgekommen, ohne dass der den Tabubruch "Säuglingsficken" begangen hätte.

 

"Tabubruch" kann ein Marketing-Trick sein. Und ich glaube sogar, dass es im Kunstbereich auch ein wesentlicher Grund für einen Tabubruch ist.

Wenn ich als Regisseur bekannt werden wollte, dann würde ich auf einem Feld bei Oberammergau "alternative" Festsíele machen, in der die heilige Maria nackt auftritt und mit einem Kreuzdildo hantiert. In meinem Kalender wäre wahrscheinlich nicht so viel Platz wie ich Einladungen zu Talkshows bekäme.

 

Erinnern wir uns an Jürgen W. Möllemann der zunächst einmal das Tabu behauptet hat, man dürfe in Deutschland keine Kritik an Israel aussprechen (was kein Tabu ist) um dann feste draufzuhauen. Der Schuss ging zwar nach hinten los, aber er war in den Medien und das ist wohl das Ziel von Politikern (und für Künstler auch nicht schädlich).

 

Ich hoffe, jetzt ist es verständlicher geworden, was ich gemeint habe.

Gruß

Rabe

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Das Problem ist für mich nur: Ich finde dieses Betroffenheitsgesäusel todlangweilig. Einen Jungen' date=' der [b']ohne Grund [/b] einen Rentner totschlägt, finde ich faszinierend.

Wenn du mir mit Betroffenheitsgesäusel kämst, würde ich dir das als Gutmenschengeschreibsel um die Ohren hauen. Aber die Episode sollte durchaus etwas mit der gesamten Geschichte zu tun haben. Wäre es das einzige Vorkommen des Jungen und/oder das Ereignis für den Rest der Geschichte bedeutungslos, würde ich dir das wegstreichen mit dem Hinweis, unmotivierte Skandalnudelei mache einen noch längst nicht zum enfant terrible. ;D

 

Na ja, ein paar andere Tabus finde ich auch noch, z.B. die Menstruation. Mit dem Motiv spielt ja zumindest 'das Schweigen der Lämmer', aber auszusprechen wagen sie es nicht.

Klar, im englischsprachigen Raum, speziell in den "angelsächsischen" Kernnationen Großbritannien (wie Capella schon ausführte), USA und Australien ist das noch ein Riesentabu -- ansonsten wird das Phänomen längst nicht so tabuisiert. Du findest es vorwiegend in den komischen Gattungen, aber auch in der Bildenden Kunst häufig thematisiert (Frida Kahlo, Niki de St.Phalle u.a.).

 

Auch habe ich noch nie von einem Kot essenden Kind gelesen, obwohl das eine sehr häufige psychosoziale Störung bei vernachlässigten/missbrauchten Kindern ist. Aber es schreibt (und liest) sich sicher angenehmer über aufgeritzte Arme und so etwas ... Vermute ich jedenfalls.

Beides habe ich schon gelesen -- allerdings kommen die aufgeritzten Arme im Mainstream häufiger vor, da man dort nahezu jede Rücksicht auf die Leser nimmt. Der Grusel wird hier nirgends von einem wirklich aktuellen Tabubruch begleitet, sondern von solchen, die vor 30, 40 Jahren mal einer waren und jetzt nur noch unsere Vorstellung von Spießertum als solchen ansehen würde.

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Hallo Rabe,

 

yo, thanks! :s04

 

Stimme dir zu. das mit den alternativen Festspielen hat beinahe meine Tastatur mit Sprühkaffee versaut. LOL!

Da fällt mir eine Folge von Sex and the City ein, in der ein Künstler Vaginen malt, als Tabubrecher der NY Kunstszene. Solche Verzweiflungsmaßnahmen geben aber immer nur einen kurzen Ruhm.

 

LG

Joy

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Da fällt mir eine Szene in einem Undergroundfilm ein' date=' den ich vor Jahrzehnten gesehen habe und die mich damals so verfolgt hat wie Iris es über den Film Hannibal schreibt:[/quote']

Moritz, das war Tin. ;) Ich habe Hannibal nie gesehen. Nicht wegen dieser Szene, sondern weil diese Art Thriller grundsätzlich nicht mein Ding ist. Nicht weil ich mich dabei zu sehr grusele, sondern weil sie mich bei allem Grusel unberührt lassen.

 

Ich bin eher anfällig für Filme von Robert Redford und Robert Zemeckis z.B. :D

 

Dramatische Grüße,

Iris :s17

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Hallo Rabe,

 

Du glaubst gar nicht, was ich schon an "innovativen" Theaterstücken gesehen habe ;D. Provokationen provozieren inzwischen kaum mehr, sondern das würde Dir noch eher mit einer Inszenierung gelingen, die ganz ordentlich die Geschichte erzählt, die der Autor, Librettist, Komponist geschrieben hat. Dieser Ansatz ist rar geworden, die einen würden es sich wünschen, für die anderen wärst Du damit der letzte reaktionäre Oberspießer, und DIE hättest Du vielleicht was von provoziert ;D.

 

Die meisten Regisseure stehen unter dem ungeheuren Druck, etwas machen zu müssen, was vor ihnen noch niemand gemacht hat. Sonst gelten sie als lahm und einfallslos.

 

Das war jetzt zwar völlig weg vom Thema, aber mußte ich aus meiner Berufspraxis mal anbringen :).

 

Grüße von

Anna, theatererprobt

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Hi Iris,

 

 

Aber die Episode sollte durchaus etwas mit der gesamten Geschichte zu tun haben. Wäre es das einzige Vorkommen des Jungen und/oder das Ereignis für den Rest der Geschichte bedeutungslos, würde ich dir das wegstreichen mit dem Hinweis, unmotivierte Skandalnudelei mache einen noch längst nicht zum enfant terrible. ;D

 

 

Auch dann sagt es doch noch etwas aus, über die Welt, in der der Roman spielt, und in der wir leben. Und wenn es eine KG ist, kann es auch ohne jeden Kontext in Ordnung sein ...

 

 

Beides habe ich schon gelesen -- allerdings kommen die aufgeritzten Arme im Mainstream häufiger vor,

 

 

Ich denke auch, da bewegt sich etwas, aber davon zu sprechen, dass das Tabu nicht mehr da wäre, geht IMO zu weit ... Ein Tabu erkennt man IMO ganz gut daran, dass es eine Menge Witze über das Thema gibt (es bietet sich sozusagen für Witze an, da eine Spannung dem Tabu inhärent ist), und dass die Erwähnung sofort heftigen Widerspruch oder gar einen Skandal heraufbeschwört.

 

Zudem wird es eben in der Literatur kaum angeschnitten, und zwar ohne Grund. Wäre doch eine witzige Situation in einem 'frechen Frauen Roman', wenn die Prota ihrer Freundin erzählt, wie sich dem Lover der Tamponfaden zwischen den Zähnen verklemmt hat, oder? ;D

 

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

 

 

Das ist IMO ein angemessener Umgang mit dem Thema :s17

 

Ich werde mich mal an den Tabubruch im Kochbuchbereich machen:

 

Kochbuch für Hunde, Katzen, Meerschweinchen und andere Haustiere.

 

Aus dem Inhalt:

 

- Was Fressen vor dem Essen?

- Ersticken in der Plastiktüte - ein Weg zu zartem Fleisch?

- Ausbluten im Badezimmer - Es muss kein Schweinkram werden

- Der richtige Zeitpunkt - Wann muss die Hündin zum Rüden, damit es zu Weihnachten Welpenbraten gibt?

 

Die Frage ist, wer würde das machen? Eichborn? 2001? Aber das müsste man wohl unter Verlagssuche diskutieren ... :s22

 

Festliche Grüße

 

HW

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Noch ein paar kurze Gedanken zum Thema, das ich sehr interessant finde:

Beim Surfen habe ich eben folgende Tabuthemen gefunden, die in westlichen Gesellschaften trotz angeblicher Tabufreiheit kursieren sollen:

Impotenz, psychische Krankheit, Exkremente, Inzest, Alter und Tod.

Auf die Literatur bezogen, ist alles, wie Marco ausführte, eine Sache der Darstellung.

Psychische Krankheit (Schizophrenie) fand ich bei Handkes "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter". Selbstmord kommt ebenfalls häufig vor. Beim Werther haben früher Eltern ihre Kinder reihenweise vom Unterricht abgemeldet. Impotenz und Exkremente habe ich noch nicht angetroffen-und Alter und Tod sind doch gesellschaftsfähig in der Literatur!

Diese Szene mit dem Gehirn löffelnden Menschen habe ich übrigens, nicht bei Hannibal, der war mir zu abschreckend, sondern bei einem Film über Dantes "Inferno" gesehen.

 

@HW: Wenn man es so witzig wie du formuliert, würde sich sicher ein Verlag dafür finden. Knallerüberschriften sind doch sowieso die Renner! :D

 

Weihnachtliche Grüße von Christa,

 

die sich jetzt vom Acker machen muss

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Auch dann sagt es doch noch etwas aus' date=' über die Welt, in der der Roman spielt, und in der wir leben.[/quote']

Glaubst du ernsthaft, man könne im Jahre 2005 oder 2006 damit noch ernsthaft provozieren?

Ich empfehle einen Spaziergang durch unsere Printmedienlandschaft. Provokation ist inzwischen eine "Normalhaltung", eine spießige Selbstbespiegelung und -bestätigung in einer selbsternannten "geistigen Elite". Selbst die BILD-Zeitung ergeht sich immer wieder in dem, was man noch immer für Provokation hält. Und die tun das, weil sie genau wissen, daß diese "Provokationen" inzwischen selbst schon integrer Bestandteil des heutigen Spießertums, ihrer Hauptzielgruppe, sind.

 

Ein Tabu erkennt man IMO ganz gut daran, dass es eine Menge Witze über das Thema gibt (es bietet sich sozusagen für Witze an, da eine Spannung dem Tabu inhärent ist), und dass die Erwähnung sofort heftigen Widerspruch oder gar einen Skandal heraufbeschwört.

Ist blondes Haar, eine ostfriesische Geburt oder Mantafahren etwa ein Tabu? ;D

Es mag gehäuft Zusammenhänge zwischen sozialen No-Gos und Witzen geben, aber der direkte Schluß vom einen aufs andere ist nicht statthaft.

 

Zudem wird es eben in der Literatur kaum angeschnitten, und zwar ohne Grund. Wäre doch eine witzige Situation in einem 'frechen Frauen Roman', wenn die Prota ihrer Freundin erzählt, wie sich dem Lover der Tamponfaden zwischen den Zähnen verklemmt hat, oder? ;D

Alles schon vorgekommen. Du list zu wenig von dem Zeug. ;D

 

Viel Spaß beim Entwickeln von neuen Rezepten für Hundekuchen, Katzenpfoten und Katzenzungen. Das wäre was für Tim Mälzer.

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Hallo Leute,

zum Bereich des Religiösen noch ein Wörtchen aus eigener Erfahrung. Vielleicht erinnern sich einige noch an meinen Versuch in den Textkritiken mit den "Menscheles", Teil eines Satirebuches, klitzekleine Geschichten, in denen Adam und Eva Menschele (zwei Alltagsfiguren) im 21. Jhdt. agieren und dementsprechend an allen möglichen zivilisationsbedingten Miseren leiden. Frech sind sie außerdem. Ich hatte damals gefragt: Darf man das, so mit religiösen Vorlagen spielen?

 

Die ziemlich einhellige Meinung hier im Forum: Man darf nicht (oder es ist nicht witzig), weil es etwas verschiedenen Menschen Heiliges antastet.

Ich sah also die "Menscheles" bereits in den Müll kippen und mich als Blasphemist, also hab ich weiter getestet.

 

Siehe da.. Menschen, die in diesen Religionen täglich mit dem "Heiligen" beschäftigt waren, nämlich beruflich oder sonstwie engagiert, lachten sich einen Ast ab. Und fingen dann an, noch härtere Witze zu reißen, bei denen dann mir die Ohren fast abfielen.

 

Und dann hab ich natürlich im Verlag gefragt. Wieder eine Überraschung. Die Menscheles schlugen ein... die hätten mir wohl keinen zweiten Vertrag gegeben, wenn ich sie gestrichen hätte. Ich muss nur ein paar Pointen spitzer feilen...

 

Ich hab dann gefragt, wie es zu dieser Diskrepanz kommt. Eindeutige Antwort: Bei unserer Zielgruppe dürfen wir das und die werden den Witz verstehen und nichts Blasphemisches daran finden.

 

Es wurde klar: Fundamentalisten aller Couleur lesen solche Bücher nicht. Und wenn es ein oder zwei doch tun und entsetzt aufschreien... so what. Haben sie keinen Sinn für Satire.

Die Aufschreie gegen Harry Potter zB waren Medienmache - so viel Macht hätten die betreffenden Religiösen ohne Medienverbreitung nie gehabt.

 

Also auch in diesem Bereich würde ich nicht die USA als Beispiel nehmen (und hoffentlich wird sie es nie)... die Tabus sind fließend. Es wäre ein Tabubruch, mit Dingen zu spielen, die wirklich eine heilige Bedeutung für religiöse Menschen haben, z.B. die Hostie, die Kaaba etc. Aber auch diese Tabus sind Mehrheitsabsprachen: Sich über einen lustig machen, der die Wintersonnenwende feiert, ist gesellschaftlich erlaubter als Tabubrüche zum Abendmahl. Gesellschaftsgruppen schützen ihren unkritisierten Erhalt und Mehrheiten durch Tabus...

 

Wenn man aber Hand anlegt an Texte, die zwar religiös Bedeutung haben, aber wissenschaftlich eindeutig belegt von Menschen einst ganz weltlich geschrieben wurden - dann bricht man nur das Tabu derer, die daran glauben, diese Texte seien nicht menschengemacht. Auch hier verstärkend das Phänomen: Wer damit arbeitet, darf eher die Tabus brechen als die Herde ganz unten, die daran glaubt. Schreiberische Tabubrüche im religiösen Bereich verkaufen sich z.B. unter denen, die Religion verbreiten, wie geschnitten Brot (Fundamentalisten aller Religionen mal ausgenommen, obwohl... wer weiß...)

 

Also frag ich mich ernsthaft, ob es da wirklich größere Tabus als bei anderen Themen gibt - oder ob uns nur die Tatsache, dass Hollywood das nicht darf, die Realität verschiebt? (Mel Brooks und Monty Python als filmische Ausnahmen)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Hallo Christa,

Beim Surfen habe ich eben folgende Tabuthemen gefunden, die in westlichen Gesellschaften trotz angeblicher Tabufreiheit kursieren sollen:

Impotenz, psychische Krankheit, Exkremente, Inzest, Alter und Tod.

Ich glaube, da müssen wir unterscheiden zwischen Literatur und der ganz alltäglichen Unterhaltung von Menschen! All diese Themen sind in der Literatur / Kunst längst keine Tabus mehr (in Sachen Exkremente empfehle ich modernes Theater). Auch in der Boulevardpresse nicht.

 

Das Tabu ist doch im Alltag eines. Der Fred geht nicht zu seinem Arbeitskollegen und sagt: Mannomann, war ich heute Nacht wieder impotent!" Und sein Kollege antwortet: "Was, nur heute Nacht?"

Deine Nachbarin erzählt ihrer Clique nicht, dass sie grade die schizoide Schwester besucht hat und wird nur mit Schwierigkeiten erkennen, dass ihre beste Freundin manisch-depressiv ist.

Wir machen jede Menge Witzchen über unsere Falten und das schlaffe Fleisch, aber hörst du in Gesprächen wirklich, wie das ist, wenn man nach langer Abstinenz mit 65 Verkehr hat?

 

Da haben wir wieder einen ganz neuen Aspekt: Tabubrüche in der Kunst können Aufklärung betreiben und Menschen befreien, mit Dingen umzugehen, die sie umtreiben! (Ich prophezeie mal für die nächsten Jahre, dass Sex im Buch nicht mehr nur unter Zwanzig- und Dreißigjährigen stattfinden wird!)

 

Schöne Grüße,

Petra

 

PS: Ich sollte jetzt eigenlich auch mal Urlaub vom Comp machen :s07

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Hi Iris,

 

 

Glaubst du ernsthaft, man könne im Jahre 2005 oder 2006 damit noch ernsthaft provozieren?

 

 

Ganz im Gegenteil Aber zeigen kann man das doch ruhig, oder? Und wenn ich es zeige, schreien welche, warum auch immer ...

 

 

Ist blondes Haar, eine ostfriesische Geburt oder Mantafahren etwa ein Tabu? ;D

Es mag gehäuft Zusammenhänge zwischen sozialen No-Gos und Witzen geben, aber der direkte Schluß vom einen aufs andere ist nicht statthaft.

 

 

Ach komm, auch wenn jeder Hund ein Tier ist, ist nicht jedes Tier ein Hund. Jeder kennt die (meist grottenschlechten) Witzchen über vermeintliche oder wirkliche Tabuthemen. Also, nicht jeder Witz thematisiert ein Tabu, aber jedes Tabu wird im Witz thematisiert.

 

 

Alles schon vorgekommen. Du list zu wenig von dem Zeug. ;D

 

 

Ich gelobe Besserung ... Wo ist denn jetzt das Smiley mit den hinterm Rücken gekreuzten Fingern ???

 

 

Gruß

 

HW

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(Ich prophezeie mal für die nächsten Jahre, dass Sex im Buch nicht mehr nur unter Zwanzig- und Dreißigjährigen stattfinden wird!)

 

Na das haben wir doch schon. Jetzt fällt mir natürlich weder Titel noch Autorin von einem Buch ein, das dafür ein gutes Beispiel ist. Eine Frau, die nicht mehr ganz die Jüngste ist, entledigt sich erst ihres Gatten, und dann, weils so leicht war, auch ein paar späteren Liebhabern, die alle nichts taugten. Das Ganze ist bitter sarkastisch und zum piepen geschrieben, und zeigt den Sex in diesem Alter nicht durch abstoßende Beschreibungen (keine Details) sondern nüchtern wie er nun mal ist.

Ja, ich denke das wird es in Zukunft öfter geben!

 

 

PS: Ich sollte jetzt eigenlich auch mal Urlaub vom Comp machen  :s07

 

Aber warum denn Petra. Macht doch so'n Spaß! :s04

 

LG

Joy

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Aber zeigen kann man das doch ruhig' date=' oder? Und wenn ich es zeige, schreien welche, warum auch immer ...[/quote']

Man rennt also mit einem Klumpen Scheiße in der Hand durch die Gegend und freut sich, wenn viele ruft "Hau ab! Das stinkt!" oder "Igitt!"?

Wen wundert 's? Scheiße stinkt nun mal. ;D

 

Ein Autor, der unmotiviert das enfant terrible spielt, hat bei mir als Autor schnell verschissen, weil er unmotiviert das enfant terrible spielt -- ohne eines zu sein. ;D

 

Also, nicht jeder Witz thematisiert ein Tabu, aber jedes Tabu wird im Witz thematisiert.

Toll, das wir jemanden in unserer Mitte haben, der auf alles die richtige Antwort weiß. ;D

 

Fröhliche Grüße aus dem Vorweihnachtstrubel,

Iris http://www.cosgan.de/images/smilie/verschiedene/a075.gif

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Hi Iris,

 

 

Man rennt also mit einem Klumpen Scheiße in der Hand durch die Gegend und freut sich, wenn viele ruft "Hau ab! Das stinkt!" oder "Igitt!"?

Wen wundert 's? Scheiße stinkt nun mal. ;D

 

 

Das versuche ich seit Jahren, meinem Hund zu erklären ....

 

Was ist denn mit der Schönheit der Gewalt? Mit der Choreografie eines Totschlags? Mit der Ästhetik des Leids? Da redet nur Stockhausen drüber, oder? Na ja, jetzt sowieso nicht mehr :-)

 

 

Gruß

 

HW

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Es gibt Menschen, die Säuglinge sexuell missbrauchen, das weiß doch jeder. Aber der Autor, der das explizit beschreibt, 'verschwindet in der Versenkung', wie es weiter oben heißt.

 

Er wird für den Tabubruch stigmatisisert, die Täter fahren weiter mit dem Bus, gehen ins Büro, schreiben Bücher und werden veröffentlicht.

 

Liebe Leute,

 

hier war ja heute morgen schon ganz schön was los, bin noch gar nicht mit dem Lesen nachgekommen.

Deshalb nur kurz:

Heinz-Werner, ich bin mir nicht sicher, ob dieser Autor stigmatisiert oder gar bestraft wurde. Wenn, dann hat er sich selbst stigmatisiert.

Natürlich hängt ihm das an - fällt dieser Namen kommt meist: ach, war das nicht der....

 

Aber daß er danach ein paar Jahre in der Versenkung verschwand (und dann einen Gedichtband veröffentlichte), hat wahrscheinlich weniger mit dem vermeintlichen Tabubruch zu tun (im Gegenteil, ich wette sogar drauf, die Verlage hätten sich um weitere Texte von ihm gerissen), sondern mit seinem Potential als Autor... mehr will ich nicht sagen :-X

 

Und jetzt muß ich den thread weiterlesen - was macht Ihr übrigens schon alle lamettabehangen unterm Weihnachtsbaum? Bißchen früh, oder?

 

Gruß

Jan, noch gänzlich unweihnachtlich

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Haha Jan,

ist das auch ein Tabu: dass es Menschen auf dem Erdball gibt, die kein Weihnachten feiern? :s21 Man tut so, als seien sie nicht da... es gibt sogar welche, die feiern aus lauter Verzweiflung mit... aber solche Weihnachtsgeschichten finde ich in den Buchhandlungen nie?

Weihnachtsfreie Grüße, 8)

Petra

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Hallo, Petra!

 

Stimmt, könnte man manchmal fast meinen.

 

Übrigens wunderte sich hier jemand, warum die Amerikaner neuerdings "Happy Holidays" sagen statt Merry Christmas... aber es ist tatsächlich etwas unpassend, einem amerikanischen Juden "Frohe Weihnachten" zu wünschen.

 

Ich geb zu, daß ich daran auch noch nie gedacht hatte und erst durch eine Diskussion in einem Blog draufgestoßen wurde.

 

Petra - wenn Du was lesen willst über Leute, die aus lauter Verzweiflung Weihnachten feiern, empfehle ich Heinrich Bölls absurde Weihnachtsgeschichte.

Wer kennt den Titel dieser Erzählung - er fällt mir partout nicht ein :-[

 

Gruß

Jan (und außerdem finde ich, es soll im Forum wieder schneien!)

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