Zum Inhalt springen
BarbaraS

Hauptfigur mit einem Geheimnis

Empfohlene Beiträge

@ Olga:

Der personale Erzähler bleibt, auch wenn er distanziert ist, ein personaler Erzähler und wird durch die Distanz nicht automatisch auktorial und allwissend.

 

Das natürlich nicht. Ich meinte nur: Die Distanz bedeutet nicht automatisch, dass man ihm das so ohne Weiteres abnimmt. Es geht viel eher um das Wissen und um das Warum, um seinen Bezug zu der Figur und zu dem Leser. Ob er jetzt nun distanziert ist oder nicht, ist noch keine Erklärung dafür, warum er etwas verschweigt, wenn er es eigentlich erwähnen sollte.

 

Leibe Grüße,

Olga

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wenn es ein eher distanzierter 3.-Person-Erzähler ist, finde ich es noch schwieriger, weil der traditionell einfach die Wahrheit verkörpert. Man müsste ihn also - wie du schon sagst - zu mehr machen als einer reinen Stimme. Zu einer Person, die ihre eigenen Motive hat. Die Frage wäre, ob man das ausdrücklich zeigen müsste oder ob so ein Erzähler auch funktioniert, wenn man beim Schreiben nur im Hinterkopf hat, dass er z.B. parteiisch ist. So habe ich Claudia und Olga auch verstanden. Knifflig, oder?

 

Ich gehe darauf noch einmal ein, zu allem anderen habt ihr bereits so erhellende Sachen gesagt (Lisa!), dass ich einfach nur staunend, aber trotzdem heftig zustimmend, also wild, nicken kann.

 

Der Erzähler mit eigenen Motiven, der  n i c h t  sichtbar ist, bestimmt meines Erachtens vor allem den Ton der Geschichte. Er hat einen eigenen Blick auf die Welt und die Figuren und seine eigenen Absichten. Deshalb "darf" er auch verschweigen oder ausplaudern (glaube ich), ohne dies zu begründen.

Ist seine Haltung diese: Jetzt habe ich diese Leutchen einmal in dieser Situation aufeinander losgelassen, in meinem Reagenzglas, mal schauen, was die jetzt machen!, wird er anders, vielleicht sich sprachlich die Hände reibend, erzählen, als wenn er seine Versuchspersonen mitfühlend betrachtet, oder innerhalb des Experiments bestimmte Interessen verfolgt und alles andere, auch Geheimnisse, ausspart. Dient es dem Experiment, darf er auch nah herangehen und mit der Figur verschmelzen, für kurze Zeit, bzw. so lange, wie es dienlich ist für seine Zwecke.

Interessant ist noch: hat er Erwartungen an sein Experiment? Vorurteile? Lässt er sich überraschen? Steuert er gar gegen das, was seine Leutchen da eigenmächtig tun? Glaubt er, alle Menschen seien sowieso schlecht/im Grunde gut/lächerlich/brauchten nur mal einen besseren Friseur/ etc

All das spielt beim unsichtbaren Erzähler für mich herein und beeinflusst vor allem den Ton, den Sound. (schon widder!)

 

 

Etwas anderes, was mir noch einfiel, eher zum unzuverlässigen Erzähler: Bei jedem Monodrama auf der Bühne muss die Person, die das Publikum 60-90 Minuten mit ihrer Geschichte fesseln will, im Grunde lügen, dass sich die Balken biegen (oder der Stoffbezug sich von den Theatersesseln rollt), zumindest muss sie ihre Geheimnisse verschleiern und dem Publikum erst eine andere Welt bzw eine intakte Fassade oder Persona präsentieren. Dann bröckelts. Gewaltisch. Und was dann alles zum Vorschein kommt ... mei!

Hier ist auch extremst wichtig, wem diese Person in dieser ja vollkommen künstlichen Situation das alles erzählt und was sie damit für sich gewinnen will.

Und man ist als Autor gezwungen mit diesen Geheimnissen zu jonglieren, also, in dem Moment, da sie etwas offenbart, sie schon wieder einen Schritt rückwärts machen zu lassen und zu überspielen, bzw das zu tun, was man evt "ausagieren" nennt,  so dass es nur bei einer Ahnung bleibt.

Hhhm. Ob das jetzt bei deinem speziellen  Thema hilft ...  :-X

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sehr interessant, was du da schreibst, Claudia. Ich habe nämlich schon länger das Gefühl, dass mir distanzierte Erzähler letztlich nicht liegen - obwohl ich Romane, die so geschrieben sind, oft sehr gern lese! - und mir darum auch nicht gelingen. In einem früheren Roman hatte ich eine Zeitlang einen, habe ihn dann aber auf "nah" umgearbeitet. Meine Erzähler mit deutlicher eigener Stimme waren bisher immer Ich-Erzähler.

 

Klar geworden ist mir das bei deinem Bild von einem Experiment:

 

Ist seine Haltung diese: Jetzt habe ich diese Leutchen einmal in dieser Situation aufeinander losgelassen, in meinem Reagenzglas, mal schauen, was die jetzt machen!, wird er anders, vielleicht sich sprachlich die Hände reibend, erzählen, als wenn er seine Versuchspersonen mitfühlend betrachtet, oder innerhalb des Experiments bestimmte Interessen verfolgt und alles andere, auch Geheimnisse, ausspart. Dient es dem Experiment, darf er auch nah herangehen und mit der Figur verschmelzen, für kurze Zeit, bzw. so lange, wie es dienlich ist für seine Zwecke.

Interessant ist noch: hat er Erwartungen an sein Experiment? Vorurteile? Lässt er sich überraschen? Steuert er gar gegen das, was seine Leutchen da eigenmächtig tun? Glaubt er, alle Menschen seien sowieso schlecht/im Grunde gut/lächerlich/brauchten nur mal einen besseren Friseur/ etc

All das spielt beim unsichtbaren Erzähler für mich herein und beeinflusst vor allem den Ton, den Sound. (schon widder!)

 

In diesem Bild steckt ja nicht nur viel Kluges über den Erzähler, sondern auch ein bestimmtes "mentales Modell" davon, was eine Geschichte ausmacht: Der Erzähler als Arrangeur (Regisseur?) mit einem bestimmten Skript im Kopf, und die Figuren als Akteure, die aus vorgegebenen Situationen etwas machen. Das finde ich sehr spannend, und ich habe ein sehr lebendiges Bild vor Augen, wie auf dem Weg ein Roman entsteht.

 

Für mich sind "meine" Erzähler aber nie die Arrangeure, die das Gesamtwerk im Blick haben, sondern sie melden sich immer als Anwälte einer bestimmten Figur. Diese Figur können sie auch dumm, irregeleitet, arrogant oder was auch immer finden. Sie sind trotzdem für sie zuständig, eben wie ein Anwalt, der seine Mandanten ja auch nicht lieben muss. Dieser Unterschied war mir vorher überhaupt nicht bewusst. Er würde aber erklären, warum ich mit distanzierten Erzählern so schlecht zurechtkomme.

 

Darüber muss ich erst mal nachdenken. Auf jeden Fall vielen Dank für deinen Beitrag! Ich glaube, ich bin gerade einen riesigen Schritt weitergekommen. (Z.B. stellt sich ja gleich die Frage: Wann lügt ein Anwalt?  ;) Wann verschweigt er etwas? Plaudert er jemals gegen den Willen seiner Figur etwas aus?)

 

Deine Ausführungen zum Monodrama finde ich auch spannend - ich glaube auch, da ist die Situation ganz ähnlich wie bei einer Ich-Erzählung mit unzuverlässigem Erzähler.

 

Liebe Grüße

 

Barbara

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sehr interessant, diese Diskussion!

 

Bitte korrigiert mich, wenn der folgende Gedanke nicht ordentlich zum Thema passt. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher:-)

 

Kafka verwendet häufig - besonders in seinen Romanen "Der Prozess" und "Das Schloss" - die personale Erzählpersperspektive, gleichwohl er da, meiner Erinnerung nach, nicht ganz konsequent verfährt. Was ich jedoch bestrickend finde, dass die Hauptfiguren geheimnisvoll bleiben, wesentliche Bruchstücke ihrer Persönlichkeit, ihres Charakters, ihre Motivationen und Ziele fehlen bis zum Schluss. Z. B. Warum will Herr K. ins Schloss? Das wird nie aufgeklärt. Und manch anderes die Person betreffend ebenfalls nicht. Aber der Leser nimmt das dem Erzähler bzw. Kafka nicht übel. Man folgt der Geschichte, niemals fragt man sich, warum bestimmte Aspekte einfach ausgespart oder nicht mitgeteilt werden. Trotzdem lernt man die Figur im Laufe des Romans "besser" kennen, aber eben irgendwie ziemlich unvollständig. Ich finde, dass bei Kafka nicht nur die Umgebung geheimnisvoll und seltsam ist, die Hauptfigur, die von Kafka dort hingeschickt wird, ist es eben auch, obwohl der Erzähler oft ganz nah an "Herr K." rangeht.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Vielleicht ist dieses Ganz-nah-ran-gehen das, was man tun muss, um etwas zu verbergen. Sozusagen so auf Details fokussieren, dass das "große Ganze" (von dem ja Aspekte verborgen bleiben sollen) ausblenden zu können.

 

Zum Beispiel könnte man gut schildern, wie jemand mit einem ihm fremden Schlüsselbund an einem Schloss hantiert, sich bemüht, leise zu sein, und innerlich ganz angespannt ist, es hinzukriegen, weil alles daran hängt, dass er jetzt dieses Schloss aufkriegt … Aber wozu? Das kann man, so lange diese Aktion andauert, unerwähnt lassen, weil er so mit den Schlüsseln beschäftigt ist, dass er selber nicht drandenkt. Und irgendwann, schwupps, kann man nachliefern: Er bricht ein. Oder aus. Oder was ganz anderes.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Nach einigem Nachdenken (spannende Fragen :)) habe ich als Literaturtipp noch Kate Morton "Die fernen Stunden". Die Autorin spielt gekonnt mit Erwartungen oder Stereotypen, die Leserinnen und Leser im Kopf haben - ähnlich wie Jeffrey Deaver.

Für mich liegt das Geheimnis in den FrageN, was erzähle ich, was lasse ich bewusst außen vor, wo setze ich auf Stereotypen oder die Fähigkeit von Leserinnen und Lesern, Lücken zu füllen.

Achtung Spoiler ;): Bei Kate Morton ist es eine Liebesgeschichte, die nicht gelebt werden kann. Die ganze Zeit habe ich als Leserin gedacht, dass die Klassenschranken das Hindernis für die Erfüllung der großen Liebe sind ... es stellte sich heraus, dass die sexuelle Orientierung die Ehe verunmöglichte. Das Besondere an Kate Mortons Konstruktion ist für mich, dass alle Hinweise auch in diese Richtung gedeutet haben, zum Teil sogar echte Klischees verwendet wurden, aber ich dennoch stur geradeaus in Richtung: reiche Frau darf armen Jungen nicht lieben dachte ::).

Für mich liegt neben dem Ganz-nah-ran-gehen das Geheimnis auch im "in die Figur eintauchen" - die Frau, die in Mortons Geschichte eine Frau liebt, wird ja nicht die ganze Zeit darüber räsionieren, dass sie ihre Geliebte nicht heiraten kann, weil die Gesellschaft keine lesbische Ehe duldet, sondern sie denkt "nur": "Mist, ich kann den Menschen, den ich liebe, nicht heiraten" oder "Der Mensch, den ich liebe, wird jemand anderes heiraten" - wobei durch diesen Rückgriff auf "der Mensch" natürlich schon zwei Ebenen angelegt sind.

Liebe Grüße

Christiane

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Das sind ja noch einmal ganz tolle Beispiele - danke!

Wie schon erwähnt, bin ich im Moment gar nicht dabei, für mich die eine perfekte Erzählmethode zu planen. Mir geht es vor allem darum zu sammeln, was für Methoden es gibt und zu welchem Zweck sie benutzt werden können. Darum würde ich gern noch ein bisschen nachfragen:

 

Andreas, diese Methode, ganz nah an die Details zu gehen, kann ich mir sehr gut als Spannungselement z.B. in einem Krimi oder Thriller vorstellen. Jetzt frage ich mich natürlich, wie lange man diese Methode durchziehen könnte, bevor die Leser ungeduldig werden. Hast du da eigene Erfahrungen? Oder ein Lesebeispiel, wo jemand über eine lange Strecke so arbeitet? (Ich meine: Klar kann man das Geheimnis, ob der Mann nun ein- oder ausbricht oder was er da macht, auch längere Zeit wahren. Aber kann man bei dieser Perspektive bleiben und ständig neue Unklarheiten entstehen lassen, ohne dass es nervt?)

 

Christiane, bei deinem Lesetipp würde mich sehr interessieren, wie die Auflösung auf dich gewirkt hat. Hattest du nicht irgendwann das Gefühl, dass man dich an der Nase herumgeführt hat? Oder war es vergleichbar mit einem Krimi, wo es ja zur Verabredung dazugehört, dass der Autor den Leser an der Nase herumführt? (Ich kenne Kate Morton als Autorin leider gar nicht, daher diese sehr ahnungslosen Fragen.)

 

Jueb, Kafka finde ich als Beispiel sogar richtig klasse. Als wir das Thema in Berlin schon mal behandelt haben, hatte ich ständig im Hinterkopf, dass manche Autoren durchgängig sehr vieles über ihre Figuren im Dunkeln lassen - auch Dinge, die für die Handlung wichtig sind. Aber Kafka ist mir nicht eingefallen! Vermutlich ein gutes Beispiel für die Art von Erzähler, von der Claudia und Olga sprechen. Oder, ihr zwei?

 

Herzliche Grüße

 

Barbara

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Aber Kafka ist mir nicht eingefallen! Vermutlich ein gutes Beispiel für die Art von Erzähler, von der Claudia und Olga sprechen. Oder, ihr zwei?

Ja, auf jeden Fall.

Wobei es mich im Prozess wirklich nervös machte und auch frustrierte, dass ich nicht mehr erfuhr. Blöderweise ja durchaus im Sinn des Erfinders ... Und ich war auch noch ziemlich jung, als ich den Prozess und das Schloss gelesen habe, ich weiß nicht, wie dieser Erähler heute auf mich wirken würde. Das alles damals quasi unter einer Glocke einer OH MEIN GOTT-DAS IST KAFKA- Ehrfurcht.

 

Übrigens wollte ich selbst im meinem aktuellen "E"-Projekt mit einer Mischung aus Nähe und Distanz des Erzählers - in meinem Fall eine Erzählerin, von der ich eine genaue Vorstellung habe, die aber nicht als Person vorkommt - arbeiten.

Aber je weiter das Projekt gediehen ist, desto näher wollte sie an die beiden Perspektivfiguren heran ... (wobei ich das Gefühl habe, dass dies so stimmt und es vielleicht später noch einmal Gelegenheit zu dieser ironischen Distanz gibt, die ich mir wünsche)

 

Die Idee, dass der Erzähler auch der Anwalt der (Perspektiv)Figur ist, geht mir nicht aus dem Kopf ... Wie steht denn dieser Anwalt zu den anderen Figuren? Gegner seines Mandanten?

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Liebe Claudia,

 

ja, diese ironische Distanz ... Ich lese das durchaus gern (wenn auch nicht immer und von jedem), aber mir selbst liegt es irgendwie gar nicht. Jedenfalls war es bisher immer so: Auch wenn ich eine Geschichte mal distanzierter erzählend angefangen habe, kam mir das, was entstand, früher oder später zu dünn vor, und ich wollte näher heran. Dabei muss distanziertes Erzählen ja gar nicht "dünn" sein. Nur mir gelingt das Verdichten dabei irgendwie nicht.

 

Die Idee' date=' dass der Erzähler auch der Anwalt der (Perspektiv)Figur ist, geht mir nicht aus dem Kopf ... Wie steht denn dieser Anwalt zu den anderen Figuren? Gegner seines Mandanten? [/quote']

Gute Frage. Bei "Visby" ist der personale Erzähler tatsächlich völlig parteiisch, er beurteilt alle Personen und Situationen, wie seine Perspektivfigur sie beurteilt. Insofern ist er natürlich schlimmer als ein Anwalt, denn der müsste ja mindestens einen kühlen Kopf und einen Blick auf die juristischen Aspekte der Lage bewahren. ;-) einen unabhängigen Blickwinkel bewahren. Der Erzähler geht emotional voll mit, er ist genauso verstrickt wie die Figur, hat keinen größeren Überblick als sie. "Anwalt" ist er nur in dem Sinn, dass es als seine Aufgabe sieht, seiner Figur zu ihrem Recht zu verhelfen - innerhalb des Romans, dh. er ist dafür zuständig, dass sie so rüberkommt, wie sie "wirklich" ist. Ob er den anderen Figuren auch gerecht wird, ist ihm egal.

 

In Visby sind die beiden anderen Perspektiven durch Ich-Erzähler vertreten. In meinen zwei Krimis wird dagegen durchgehend personal erzählt, in wechselnden Perspektiven. Für mich war das letztlich immer der gleiche Erzähler - der zwischendurch halt die Seite wechselt, und dann auch einen etwas anderen Tonfall bekommt - aber so ein bisschen war er auch immer fürs große Ganze zuständig.

 

Das ist jetzt aber nur meine subjektive Art, damit umzugehen, ich will nicht behaupten, so müsste es sein!

 

Herzliche Grüße

 

Barbara

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

So, jetzt habe ich mich (nachdem mich ein defekter Router für ein paar Tage aus der Netzwelt geworfen hat) wieder auf Stand gebracht.

 

O.K., Andreas, ich glaube, ich habs verstanden, was du sagen wolltest zum Präsens in so einem Fall. Verwickelt. Ich glaube, das müsste ich auf Wirkung hin selber mit Bleistift und Papier ausprobieren.

 

Special thanks to Claudia wegen der Überlegungen zur Erzählstimme. Dazu ist mir noch Somerset Maugham eingefallen, der in Kurzgeschichten häufig erwähnt, ein wildfremder (oft Mitreisender) habe ihm die Geschichte erzählt, er selbst sei allerdings "unfähig" es in dessen Worten wiederzugeben, weshalb der Leser mit sich seinem Duktus zufrieden geben muss. Und dann kommt der unverkennbar sarkastische Maugham-Ton, dem sich entnehmen lässt, dass Maugham zufolge ein Friseurbesuch für die meisten Leute auf keinen Fall ausreicht. Ich mag diesen Tonfall sehr gern.

 

Lieber jueb - weißt du, was ich mir schon immer zu Kafka gedacht habe? Natürlich wirklich nur als subjektiver Eindruck zu lesen, bei Kafka weiß man ja nie ... : Die Figuren sind in höchster Not und kennen sich in dieser Lage nicht aus. Jeder andere wüsste vielleicht, was zu tun ist oder wenigstens, warum sie so handeln (oder so passiv sind) - sie selber nicht. Genau das kenne ich von mir: Wenn meine Freundin irgendwelchen Mist baut, weiß ich, wieso. Bei mir selber nie. Und das kann eine Zusatzqual sein. Deshalb sucht man sich ja auch oft Rat bei anderen, weil man selber so dicht an sich dran ist, dass die Optik verschwimmt. Wie gesagt - totally subjektiv, ohne Anspruch auf interpretatorische Objektivität.

 

Herzlich,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Liebe Barbara,

jetzt weiß ich ja, mit welchen Fragen ich dich in der Leserunde zu Visby löchern kann - und verschiebe die Fragen auch in diese Leserunde. Bei deinen Carla Rots erschien es mir aber auch, als wäre eine Spur dieses Anwalts im Erzähler vorhanden. Alle Figuren waren mir nahe, sehr nahe sogar, fein skizziert, wie sie sind, aber ich zumindest fühlte mich bemüßigt, Partei für mindestens zwei zu ergreifen - was evtl nicht am Erzähler liegt, sondern an mir (???)

 

Liebe Angelika,

YES, der S. Maugham. War ja brav und habe Entlegene Welten gelesen. Dies ist wirklich ein erstens distanzierter, zweitens unzuverlässiger und irgendwie doch verdammt beteiligter Erzähler. Der es immer irgendwie aus zweiter und sogar dritter Hand hat und nie selbst damit zu tun hat, es wurde ihm zugetragen, oft gibt es noch eine Geschichte in der Geschichte und doch frisst man ihm aus der Hand und ist als Leser ganz bei den Figuren. Wie macht er das bloß??

Gut, dass du ihn erwähnst, ist vielleicht für Barbara auch interessant!

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Christiane, bei deinem Lesetipp würde mich sehr interessieren, wie die Auflösung auf dich gewirkt hat. Hattest du nicht irgendwann das Gefühl, dass man dich an der Nase herumgeführt hat? Oder war es vergleichbar mit einem Krimi, wo es ja zur Verabredung dazugehört, dass der Autor den Leser an der Nase herumführt? (Ich kenne Kate Morton als Autorin leider gar nicht, daher diese sehr ahnungslosen Fragen.)

 

Liebe Barbara,

nö, ich habe mir eher vor den Kopf geschlagen und mich erschüttert gefragt, wie stereotyp ich denke :-[! Die Hinweise waren alle da, aber ich habe sie nicht gesehen oder besser - dann wirke ich nicht ganz so naiv - ich bin der Autorin auf den Leim gegangen, weil ich mich auf ausgefahrenen Denkpfaden bewegt habe.

An der Nase herumgeführt habe ich mich immer eher bei Agatha Christie gefühlt, wenn die Autorin keinerlei Hinweise gab und dann - schwupps - gab es eine abstruse Lösung.

Liebe Grüße

Christiane

 

PS: "Die fernen Stunden" hatten einige Längen, aber viele Aha-Effekte und einen tollen Bogen vom Anfangsgeheimnis bis zur Auflösung.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Danke für die Auskunft, Christiane! Dann scheint das in dem Roman ja gut gelöst zu sein.

 

Ja, und dir danke für den Hinweis auf W. Somerset Maugham, Angelika! Den werde ich mir auch anschauen. Im Moment lese ich mit sehr viel Freude Tirza.

 

jetzt weiß ich ja, mit welchen Fragen ich dich in der Leserunde zu Visby löchern kann - und verschiebe die Fragen auch in diese Leserunde.

Oh ja, lass uns in der Leserunde über Erzählstimmen diskutieren. Ich habe mir noch nie so viele Gedanken darüber machen müssen wie bei Visby und bin natürlich sehr gespannt, wie das Ergebnis bei euch ankommt.

 

Herzliche Grüße

 

Barbara

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Durch unsere Thematik sozusagen hellhörig (hell-lesend?!!), ist mir ein neues Beispiel untergekommen: Die Konfektmacherin.

 

Dabei erzählt jemand seinem Sohn von einer alten Geschichte - ohne dass wir erfahren, worum es genau geht. Wir erfahren nur, dass es irgendwas zwischen dieser Familie und einer anderen geht, und dass die beiden offenbar anderen Religionen angehören.

 

Jetzt ist dieser Sohn zwar nicht wirklich die Hauptfigur, trotzdem schwanke ich zwischen Spannung und Genervtsein, weil ich nicht mehr erfahre ... auch die weiteren Andeutungen sind wenige. Mal sehen, wie es weitergeht.

 

Grüße

Anni

Autorin | Ein  Buch schreiben

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die Konfektmacherin

Von Kirsten Schützhofer? Das wäre natürlich sehr praktisch, Anni, weil ich sie dann gleich fragen könnte, wie sie es gemacht hat ... Aber deine Beschreibung klingt eigentlich so, als würde auch in dem Fall ein Ich-Erzähler (also eine vollwertige Person) das Geheimnis wahren, nicht ein personaler Erzähler. oder doch?

 

Bei Ich-Erzählern finde ich das Problem nicht annähernd so schwierig.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die Konfektmacherin

Von Kirsten Schützhofer? Das wäre natürlich sehr praktisch, Anni, weil ich sie dann gleich fragen könnte, wie sie es gemacht hat ...

 

Du kennst sie? Dann bitte ausrichten, dass ich das Buch verschlinge. :-)

 

Aber deine Beschreibung klingt eigentlich so, als würde auch in dem Fall ein Ich-Erzähler (also eine vollwertige Person) das Geheimnis wahren, nicht ein personaler Erzähler. oder doch?

 

Bei Ich-Erzählern finde ich das Problem nicht annähernd so schwierig.

 

Es ist kein Ich-Erzähler, sondern ein personaler Erzähler ... und er ist eine wichtige Person, aber nicht Hauptfigur. Nach längerem "Hin und Her Denken" finde ich, es funktioniert. Auch wenn es für meinen Eindruck ein bisschen zu viel Geheimniskrämerei ist, wenn schon von einem Gespräch die Rede ist.

 

Doch es funktioniert auch insoweit, als man miträt, was denn nun die eine Familie der anderen gestohlen haben könnte ...

 

Liebe Grüße

Anni

Autorin | Ein  Buch schreiben

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sehr interessant!

Das schaue ich mir an.

Kirsten ist auch hier im Forum, ich hoffe also, sie liest mit!

 

Herzliche Sonntagsgrüße

 

Barbara

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...