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eva v.

let's talk about sex!

Empfohlene Beiträge

Hallo Tin,

 

zunächst einmal stimme ich dir zu, dass gerade was Liebesszenen angeht es natürlich immer auf das Genre und auch die Vorlieben der Autoren und Leser ankommt.

 

und vielleicht auch, weil der alte Sack neben ihnen schnarcht und sie sich gerne ein bisschen anregen lassen möchten – mit einer Sprache, die nicht überfordert, mit Bildern, von denen sie träumen, wenn die Realität schon so trocken ist.

 

Das halte ich für ein kleines Vorurteil. ;) Man kann auch einen agilen jungen Mann haben und trotzdem gerne so etwas lesen. Und nur weil man Liebesromane oder Romantic Suspense oder was auch immer liest, muss einen Sprache noch lange nicht überfordern. Und es muss auch nicht jeder der ach so drögen Realität entkommen wollen. Aber das nur mal am Rande.

 

Mit Erotik in der Weltliteratur hat das nichts zu tun. In diesen Romantic Suspense erfüllen Sexszenen einzig die Funktion, die Leserin anzuregen. Daran ist überhaupt nicht Verwerfliches.

 

Da stimme ich dir absolut zu.

 

Die Lust am Lesen verbindet sich mit der Lust an Sexualität, und diesen Leserinnen von oben herab zu raten, lasst euch scheiden und sucht euch einen einfühlsameren Partner, damit ihr das Zeug nicht mehr braucht – das steht niemandem von uns zu.

 

Stimmt.

 

Ich selbst würde mich stets an die Vorgabe halten. Falls es mir einfallen sollte, einen Romantic Suspense zu schreiben, käme es mir nicht in den Sinn, die Schmetterlinge flattern zu lassen oder meine Prota die Farbe des Sex' in den Ohren schmecken zu hören: Ich würde immer eine klare Sprache wählen und alles, was mich selbst als Erzählerin zum Lachen reizt, außen vor lassen.

 

Genau. :)

 

Das bedeutet leider auf Deutsch, dass ich auf Bezeichnungen für die Geschlechtsteile meistens verzichten würde.

 

Das ist natürlich schwierig so mitten im Gefecht. Wie würdest du es nennen - Dingsda? ;D Ich muss da immer an das eine Buch denken wo Dingsda 'steinerner Monolith' genannt wurde. Ich bin vor Lachen fast aus dem Sessel gefallen. Klar, dass ich diese monströse Etwas danach nicht mehr ernst nehmen konnte. :s22

 

Mit Erotik in Jugendromanen kenne ich mich nun gar nicht aus, aber ich denke, selbst da kann man durchaus schon etwas weiter gehen, denn wenn man sich die Jugend von heute mal anschaut, ist das sehr realistisch. Und gerade wenn deine Heldin schon 17 ist und nicht unerfahren, wäre jede zarte Andeutung unrealistisch.

 

Zum Glück saß ich bequem und fest. Meine Knie hätten mich in dem Augenblick nicht gehalten. Alles, was je ein Mensch in erotische Schmachtfetzen über die körperlichen Symptome der Erregung ergossen hatte, schwappte über mir zusammen und ließ mich nach Luft schnappen.

 

Meiner Meinung nach hört sich der letzte Satz viel zu geschwungen für eine 17-jährige an. Die würde es wahrscheinlich eher kurz, knapp und prägnant sagen.

 

 

Viele Grüße,

 

Michelle

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Hallo zusammen,

 

auf die Gefahr hin bescheuert zu sein. Ich habe ungefähr dreissig beschissene Sexszenen geschrieben, bis die erste brauchbare dabei war.

 

Angefangen habe ich mit verquastem Kitsch, bei

dem ich heute nur noch über meinen Stil lachen kann. Danach wurde es hart, einige Szenen für eine Geschichte über Mißbrauch, eine 20seitige Pornovariante, inzwischen geht es meist in eine andere Richtung- hatte da ja mal eine erotische Szene eingestellt, etwas derb mit Humor.

 

Reine Sexszenen finde ich furchtbar uninteressant. Weil sie für die Handlung nicht so interessant sind.

Deshalb versuche ich sie in die Handlung einzubinden. Also wenn ich ein altes Ehepaar hätte, könnte eine unerotische Liebesszene sehr viel aussagen:

"Sie machten ein Medley ihrer üblichen Lieblingsstellungen, sie nannte ihn Sexgott, während er auf den Wecker sah und bedauernd feststellte, daß sie noch ungefährt fünf Minuten brauchen würde, bis er seinen Roman weiterlesen konnte."

 

Auch interessant sind verklemmte Darstellungen von reinem Sex (aus der Erzählung: Unfall):

"Manchmal dröhnten wir uns so zu, bis wir einschliefen, wie ein Wurf junger Ratten. Schweiß an Schweiß, Körper an Körper. Zuerst war das nur einfach so ein Ding, wie bei einer Freundin zu übernachten, die ich nie hatte.

Vor Langweile kifften wir schwarze Afghanen, sprachen über die besetzten Häuser, über die Antifa. Und manchmal vögelten wir auch einfach. Aus Langeweile. Ein völlig verquerter Quickie unter Bierleichen, der Geruch nach Kotze in der Luft. Die Hosen rutschten nur etwas, ein pickliger Arsch reichte zum Himmel, hastige Bewegungen- und das wars schon."

Aus der gleichen Erzählung:

"Die anderen Punks klauten meinen ersten Walkman, wir schliefen in den U-Bahnstationen, schnieften Pep, gingen auf Demos. Und dann lag man zu zweit im Schlafsack, der Kopf schwer von den Joints, vom Pep oder dem Alkohol. Der Minirock wurde hochgeschoben, die zerrissene Strumpfhose, das Höschen runter, Gürtel wurde aufgehastet, stinkende Jeans auf, ein wenig Nahverkehr, dumme Gesichter hinter den Scheiben der vorbeifahrenden Bahnen. "

Und eine Vergewaltigungsszene aus dieser Erzählung:

"Scheiße zieht Scheiße an, Murphys Gesetz. Wir waren in einem der besetzten Häuser, stiegen über eine Leiter ein. Es roch nach Pisse und Ratten, die Vorräte waren nach Kästen für gute Tage eingeteilt, und nach Dosenpaletten für schlechte.

Die anderen verschwanden irgendwann, nur ich blieb. Weil ich anders sein wollte, besser, größer, älter. Aber das war ich nicht. Ich blieb. Da waren Mizzie und Mecka, zwei Kumpels aus Bayern. Wir soffen, kifften und lachten. Und dann lagen wir da in Schlafsäcken. Mecka kroch in meinen, wollte vögeln, ich aber nicht. Es war ihm egal, Mizzie egal, alles egal. Meine Schreie, mein Weinen. Die Kratzer in seinem Gesicht, meine Tränen. Dann riß das Bild, die Kleidung, ich auch. "

 

Ich schreibe aber auch längere Sexszenen, wenn ich damit etwas über die Situation zwischen den Figuren rauskramen kann und es dann deutlich machen kann. Wenn eine Person gerade ganz woanders ist, oder sich gezwungen fühlt Sex zu haben, oder während des Sexs über die Probleme des Alltags nachdenkt.

 

Sexszenen als Darstellung von Liebe schreibe ich inzwischen nicht mehr, weil ich nicht mehr so an Liebe glaube- und das Liebe besonders guten Sex macht. Liebe stelle ich meist anders dar.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Als Autor finde ich es verdammt schwer, eine Erotik- oder Sexszene zu beschreiben.  Ich habe es probiert, bin gescheitert und lasse seither ganz dezent die Schlafzimmertür zu fallen. Von daher "Hut ab!" an alle, die es können.

 

Als Konsument finde ich jegliche Szenen dieser Art strunzöde. Nicht aus Prüderie, eher weil sie in meinen Augen überflüssig sind. Ich brauche in einem Thriller keine, in einem Horror/Grusel - Roman eben so wenig, in einem Liebesroman auch nicht unbedingt. Solche Szenen blättere ich sofort vor.   :)

 

Gruß,

koldir

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Hi,

 

ich überlege jetzt schon die ganze Zeit, was in diesem Thread zu schreiben (den ich ausgesprochen interessant und spannend finde) und stelle fest, dass ich es noch schwieriger finde, darüber zu schreiben, wie man gute Sexszenen schreibt, als gute Sexszenen zu schreiben.

 

Bei mir gehen Sexszenen genauso wie erotische Szenen (was bei mir meist zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind) ganz stark von den Charakteren aus. Wenn ich zwei Charaktere habe, die in meinem Kopf gut ausgearbeitet und lebendig sind und die beiden sich anziehend finden (oder auch nur einer den anderen anziehend findet), dann denke ich ehrlich gesagt nicht mehr so bewusst über Formulierungen oder so nach. Dann lasse ich die einfach machen. Das kann je nach Charakterkonstellation völlig in Kitsch abrutschen oder sehr spröde bleiben, manchmal geht es auch über einen vorsichtigen Kuss nicht hinaus oder es führt doch zum Black bevor es spannend wird, weil es nicht zu den Charakteren passt, dass sie sich dabei beobachten lassen, nichtmal von mir.

 

Gruß,

Capella

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Mir geht es bei Büchern ähnlich wie mit Filmen:

 

Für gelungen halte ich sie, wenn der Autor bzw. Filmemacher es versteht, lediglich durch wenige Andeutungen eine erotische Stimmung zu erzeugen und die "letzte Konsequenz" nur im Kopf des Lesers/Betrachters stattfinden zu lassen. Da erlebt dann jeder die Szene, die ihn am meisten entzückt, entrückt - oder erdrückt :s04:s01:s11

 

LG Karin

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hallo,

 

ein paar von euch haben es ja klar auf den punkt gebracht: erotische szenen zu schreiben, ob mit oder ohne sex, ist furchtbar schwierig. für mich sind das immer die reinsten kreativitätshöllen.

 

dabei habe ich keine festen regeln (auf die ich ja sonst immer schwöre). klar ist nur, dass erotische oder sexuelle szenen ein großes dramatisches potenzial haben. nicht der akt an sich, sondern die art an sich. sexuelles verhalten und denken sagt ungeheuer viel über den menschlichen charakter aus, weil es absolut entblößend ist. hier bietet sich eine riesenchance, über eine breite gefühlspalette aller couleurs identifikation aufzubauen.

 

das ausleben von sexualität ist im weitesten sinne immer eine grenzerfahrung. deshalb ist es auch so schwierig, sich mit seinem protagonisten in eine entsprechende szene zu begeben. hier nähert man sich seiner figur auf die intimste nur denkbare art, und das kostet manchmal überwindung. und nicht nur das: obendrein ist es schwierig bis unmöglich, das ohne klischees, peinlichkeit und gebrauchsanweisungsmodus in worte zu kleiden.

 

ich empfinde diese szenen in meinen büchern oft als die diffizilsten und bin immer froh, wenn ich eine fertig habe  :s09.

 

in büchern, die ich selbst lese, brauche ich nicht unbedingt die explizit ausformulierte erotik, obwohl es manche romane gibt, bei denen ich sie wundervoll fand.

 

peter, du fragtest nach pornographischen literaten. für mich war und ist der paradehengst unter selbigen immer noch henry miller  :s18

 

lg,

eva v.

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Und nun, bevor der Thread kalt wird, noch meine Warte.

 

Ich finde, Bluomo hat auf einen sehr wichtigen Punkt hingewiesen, nämlich auf die Verbindung zu Liebe. Ich oute mich gerne als heimlicher Romantiker. Daher fallen mir Sexszenen auch außerordentlich schwer.

 

Warum für mich das das eine das andere ausschließt? Eine erotische Szene kann ich nur dann erotisch schildern, wenn zwischen den Protagonisten etwas "in der Luft" hängt, mehr als Freundschaft, ein Bangen, ein Fiebern, ein unsicheres Lächeln, ein Zauber, eben jene Romantik, das ist etwas Fragiles, das zwar natürlich in Körperlichkeiten münden kann (Ha! was für ein Freud'scher Schlüpfer), aber eben auf eine romantische, zarte, (über)sinnliche Art, die eine allzu detaillierte Beschreibung und wohlmöglich eine zu derbe Wortwahl ausschließt. Es ist so schon schwer genug, den Zauber zu beschreiben. Die Romantik steht in so einem Fall weit über der Profanität des sexuellen Aktes, und für den Außenstehenden kann er ja nicht anders als profan bleiben - es sei denn, natürlich, man schilderte ihn intensiv aus dem Gefühlsleben der Charaktere, aber dann erübigen sich bestimmte detaillierten Beobachtungen und klinischen oder derben Begriffe ebenfalls.

Dennoch kann eine solche Szene nicht nur romantisch sondern auch sexuell erregend sein. Sie erreicht das aber nur, wenn sich der Leser hineinversetzen kann, da sie nicht mit Plakatwänden voller Genitalien arbeitet.

 

Eine konkrete (vielleicht sogar pornografische anmutende, weil perfekt ausgeleuchtet und im Closeup dargestellte), Sexszene ist etwas ganz anderes. Sie muss meiner Meinung nach einen dramatischen Zweck innerhalb der Geschichte erfüllen, also einen Grund und eine Folge haben, ansonsten kommt sie mir lediglich effekterheischend und überflüssig vor.

 

Eine Sexszene, die weder von besonderen Gefühlen und Zärtlichkeit handelt (wie oben) oder die eine dramatische Funktion hat (zweites Beispiel), die also nur "en passant" eingeflochten wird, "weil die Leute halt auch mal Sex haben" oder "weil ich wenigstens zwei Sexszenen im Buch haben soll") sollte meiner Meinung nach mit einem roten X angesprüht und beim nächsten Rundgang vom Förster gerodet und zu Feuerholz verarbeitet werden ;)

 

Aber ich glaube, das alles hattet ihr auch schon gesagt - so oder so ähnlich, oder Teile davon :s09

 

Andreas

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(Peter_Dobrovka)

Zum Glück saß ich bequem und fest. Meine Knie hätten mich in dem Augenblick nicht gehalten. Alles, was je ein Mensch in erotische Schmachtfetzen über die körperlichen Symptome der Erregung ergossen hatte, schwappte über mir zusammen und ließ mich nach Luft schnappen.

Eine meiner Testleserinnen merkte hier sehr richtig an, dass dies viel zu abgebrüht klänge; seitdem arbeite ich daran.

Das klingt überhaupt nicht abgebrüht, wer erzählt denn solchen Kokolores? Ich finde es sehr sympathisch. Vielleicht ein wenig übertrieben, aber wenn die Prot. einen Hang zu Thetralik hat, paßt es wieder. ;D

 

Peter

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Was ich gar nicht weiß, ich oute mich als Unwissender: Gibt es eigentlich literarische Pornographie? Eigentlich müßte es die geben, allein schon deswegen, weil es nichts gibt, was es nicht gibt.

Peter

 

Hallo, Peter - sicher gibt es "literarische Pornographie"; Charlie und Eva haben ja schon den Namen genannt, der den meisten vermutlich dabei spontan in den Sinn kommt: Henry Miller.

 

Bei seinen und ähnlichen Büchern wurde ja "gerichtlich" festgestellt, daß es sich um Kunst und nicht um Schund handelt ;D

 

Anderer Name, der allgemein bekannt ist: de Sade.

 

Oder aus unserer Zeit: Charles Bukowski oder Philip Roth.

 

Allerdings merke ich, daß Deine scheinbar so einfach zu beantwortende Frage eine ganze Reihe "Nebenfragen" aufwirft.

 

Schnitzlers "Reigen" wurde 1900 wegen Pornografie verboten; 1920 der "Ulysses"  - ähnlich erging es einer ganzen Reihe anderer Bücher, die wir heute nicht einmal in die Nähe dieses Begriffs rücken würden. (Blechtrommel)

 

Dafür schreiben manche zeitgenössischen "Hochliteraten" in einer Sprache von solcher Drastik und Deutlichkeit, gelegentlich schon Brutalität, daß ihre Bücher noch vor wenigen Jahrzehnten nicht mal unterm Ladentisch verkauft worden wären .... aber kann man diese Texte noch pornografisch im eigentlichen Wortsinn nennen?

Eher nicht.

 

Gruß

Jan

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(Peter_Dobrovka)

Da Sexszenen, auch explizite, heutzutage ubiquitär sind, ist der Begriff der Pornographie für mich dann gegeben, wenn die Beschreibungen des Aktes den Text im Wesentlichen konstituieren. Also zweifellos auch eine quantitative Sache.

Ich kenne de Sade gut, den würde ich nur ungern eher in die Ecke von SM/Bondage als die von Pornographie rücken. Naja, der Name kommt nicht von ungefähr, hehe.

 

Ich bin übrigens auch ein Romantiker. Bisweilen auch ein Zyniker. Es heißt ja, Zyniker sind enttäuschte Romantiker.

 

Auf jeden Fall danke für die Namen, auch wenn ich einen Teufel tun werde, mir diese Bücher zu besorgen, hehehe.

 

Peter

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Hallo, Peter!

 

Vielleicht fällt ja jemand anderem ein Buch ein, auf das beides zutrifft: literarisch und pornografisch (außer den Miller-Romanen); ich würde Dir gern eins empfehlen, aber ich weiß spontan keins  :-/

 

Aber mal zwei Fragen an die Damen in der Runde:

könnt Ihr mit solchen (eher drastischen) Texten was anfangen (Miller, Bukowski) - oder ist Euch das zu derb?

 

Und was sagt Ihr zu Anais Nin, deren "Delta der Venus" als Klassiker und herausragendes Werk der erotischen Literatur gilt?

(Wird übrigens immer mal wieder Männern gern empfohlen, damit sie den Unterschied zwischen dem "männlichen" und "weiblichen" Blick lernen ;)

 

Gruß

Jan

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Hallo zusammen,

 

Prinzipiell gilt, denke ich: Je weniger man von etwas hat, desto mehr redet oder schreibt man drüber.

 

Immer wenn ich Hunger habe, denke, rede und schreibe ich über Sauerbraten, Bratkartoffeln und Eintopf. Wenn ich lange nicht am Wasser war, kann ich gut übers Meer schreiben, und beim Sex ist es vermutlich ähnlich.

 

Letztes Jahr um diese Zeit habe ich eine Auftragsarbeit geschrieben, die sexuellen Phantasien eines Menschen, den ich gar nicht kannte, in Kurzromanform gebracht, für dessen Freundin/Frau. Ich bekam erstens zwei Folgeaufträge (von den Partnern der besten Freundinnen der Beschenkten) und zweitens eine Mail von ihr, in der sie schrieb, was ihr gefallen hat, und was nicht so.

 

Seltsamerweise waren die Dinge, die ihr nicht so gut gefielen, diejenigen, bei denen ich mich strikt an die Vorlage gehalten hatte, und die anderen waren vom Auftraggeber 'angemäkelt' worden :-)

 

Am besten gefiel ihr übrigens die Stelle, wo ich den Sex eines Mannes mit dem nettesten Menschen der Welt schilderte, eine dreiseitige Masturbationsszene. Die hatte ihm gar nicht gefallen.

 

Ich selbst baue Sexszenen nur ein, wenn sie mir schildernswert erscheinen. Treffen, zusammen weg gehen und rammeln finde ich derart langweilig, dass ich gern darauf verzichte. Wenn er allerdings kurz vorher kneift, finde ich das erzählenswert.

 

Als Leser finde ich Sex bei den Autoren, die ich wirklich mag, fast immer gut. Schlink hat in seinem Vorleser tolle Sexszenen, Marten t'Haart , Zwagermann, Mulisch (man sollte echt nach Holland ziehen, wenns einem um Sex geht :-) ) aber auch Djian, Miller können das richtig gut.

 

Begeistern kann mich beschriebener Sex aber nur, wenn Fried ihn beschreibt.

 

Zum Beispiel in seinem 'Zwischenspiel':

 

Und wenn mein Zeigefinger / schon naß ist von dir / mir noch Zeit nehmen / und mit seiner Kuppe / auf deinen Bauch / ein Herz malen / ...

 

Weiter kriege ich es leider nicht hin, und das Buch liegt im Keller :s04

 

Lasst es euch dabei gut gehen

 

Heinz-Werner

 

PS: Wenn einer noch den Playboy von Dezember 1977 im Keller hat, mit Millers Shortstory "Der letzte Flug des alten Adlers"), soll er sich bitte melden ;D

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klar ist nur, dass erotische oder sexuelle szenen ein großes dramatisches potenzial haben. nicht der akt an sich, sondern die art an sich. sexuelles verhalten und denken sagt ungeheuer viel über den menschlichen charakter aus, weil es absolut entblößend ist. hier bietet sich eine riesenchance, über eine breite gefühlspalette aller couleurs identifikation aufzubauen.

 

 

Dem kann ich mich nur voll und ganz anschließen. Unter diesem Aspekt versuche auch ich, tätig zu werden.

 

Von vorneherein plane ich solche Szenen beim Plotten nicht ein. Das ist ein Teil, der sich beim Schreiben ergibt. Manchmal passt es gut zu den Charas, manchmal ist es besser, es außen vor zu lassen.

 

Die Schwierigkeiten vom Handwerk her sind ja bereits erläutert worden. Und auch die Tatsache, dass Leser glauben, man schreibt Erotikszenen immer aus der eigenen Erfahrung. Manchmal belustigt mich das, unter dem Motto "schön wär's", aber es ist ein anstrengender Weg, klar zu machen: ich schreibe Fiktion - warum sollte gerade der Teil nicht erfunden, sondern biographisch sein?

 

Vorallem bei Lesungen, die unter dem Motto "erotisch" laufen, gibt's immer grindige Typen, die glauben, sie allein könnten das Sexleben der Autorin in ungeahnte Höhen befördern. Einer hat mich im Anschluss an seine eindeutige Einladung  gefragt: "Würden Sie mich dann in Ihrer nächsten Geschichte vorkommen lassen?"

 

LG Fran

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Wie würdest du es nennen - Dingsda? ;D

 

Ich würde auf das Personalpronomen zurückgreifen. Man kennt ja die bevorzugten Stellen und kann davon ausgehen, dass der Leser im Bilde ist :)

 

Oder man macht es wie Miller und gibt ihm einen Namen ;) Seinen John Thursday stellt er uns so lange vor, bis es nicht mehr lustig ist, und dann darf er auch anregend in Aktion treten. Miller ist für mich übrigens das Beispiel für Weltliteratur, in dem Sex einzig die Funktion hat, den Autor fantasierend zu erschöpfen und den Leser teilhaben zu lassen. Mir gefällt's.

 

Aber das gefällt mir noch besser:

 

Und wenn mein Zeigefinger / schon naß ist von dir / mir noch Zeit nehmen / und mit seiner Kuppe / auf deinen Bauch / ein Herz malen / ...

 

Ich glaube aber, wir sollten glasklar einen Unterschied machen zwischen Romanen, die anregen wollen, und Romanen, in denen Sexualität als menschlicher Trieb so integriert ist wie Hunger. Bedürfnisse der Figuren müssen nicht geschildert werden, wenn sie keine Funktion in der Dramaturgie haben - wenn sie aber vom Autor aus Scham weggelassen werden, halte ich das für verschenktes Potential.

 

In Thomas' Beispiel gehört es auch unbedingt dazu:

 

Der Minirock wurde hochgeschoben, die zerrissene Strumpfhose, das Höschen runter, Gürtel wurde aufgehastet, stinkende Jeans auf, ein wenig Nahverkehr, dumme Gesichter hinter den Scheiben der vorbeifahrenden Bahnen

 

Als Parallelbeispiel dazu fällt mir ein Hungernder ein, der die heruntergefallen Brocken eines anderen auf dem Boden liegend in sich schlingt: Dies in einem Roman über menschliches Elend nicht zu beschreiben wäre eine verpasste Chance.

 

Anregende Sexszenen zu schreiben ist schwierig, aber wenn man einmal den Bogen raus hat, geht es recht leicht von der Hand. Und ich verstehe den Ärger derjenigen, die zwei Jahre in der Historie recherchieren, endlich ermattet, aber glücklich mit einem brillanten Werk an die Öffentlichkeit treten - und dann auf den Verkaufslisten von einem Buch überflügelt werden, dessen Verfasser sorglos freudvoll fantasiert.

 

Gruß,

 

Tin :)

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Aber mal zwei Fragen an die Damen in der Runde:

könnt Ihr mit solchen (eher drastischen) Texten was anfangen (Miller, Bukowski) - oder ist Euch das zu derb?

 

Und was sagt Ihr zu Anais Nin, deren "Delta der Venus" als Klassiker und herausragendes Werk der erotischen Literatur gilt?

(Wird übrigens immer mal wieder Männern gern empfohlen, damit sie den Unterschied zwischen dem "männlichen" und "weiblichen" Blick lernen ;)

 

Gruß

Jan

 

hallo jan,

 

miller und bukowski fand ich im vergleich zu anais nin tatsächlich ziemlich derb.

 

die von frauen inszenierte literarische erotik empfinde ich meist als authentischer und berührender.

 

lg,

eva v.

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Wie meinst du das? Entwickelst du dich (oder dein Leben) denn stets weiter' date=' wenn du Sex hattest? Also meins nicht. Warum sollte das dann meinen Figuren so gehen?[/quote']

Ich mag grundsätzlich keine Szenen lesen, die dramaturgisch und/oder narrativ keinen "Sinn" haben, die nichts über die Geschichte aussagen, sondern nur drin sind, weil der Autor und/oder Lektor meinen, "die Leser" wollten das.

Das ist für mich wie holprige Gedichte, in denen die Sprache "aus metrischen Gründen" und/oder umgekehrt das Metrum "aus inhaltlichen Gründen" vergewaltigt werden. Für Stümperei gibt es keine Entschuldigung. ;D

 

Stellt sich die Frage: Warum haben Menschen Sex?

In der Realität stellt sie sich so grundsätzlich. In einer geschichte stellt sich die Frage anders: Warum haben diese (beiden) Menschen jetzt und an dieser Stelle Sex? Was geschieht dabei mit ihnen? In wiefern verändert sich die Situation, d.h. entwickelt/n sich die Geschichte / die Figuren im Hinblick auf die Geschichte weiter?

 

Daß Menschen gelegentlich Sex haben, ist evident. Daß die Art, wie sie damit umgehen, wie sie sich verhalten, wie sie ihre(n) Partner(in) in diesem Zusammenhang behandeln, sie charakterisiert, ist völlig klar. Trotzdem ist es völlig unnötig, die Popperei auch noch unentwegt zu schildern. Wir wissen doch wie es geht! Viel kribbeliger ist doch das Drumrum, vorher, nachher, am Morgen danach etc. Und das läßt sich manchmal sogar viel eleganter in einem "Neben"satz (die sowieso perfekt geeignet sind, die wichtigsten Infos schleichend einfließen zu lassen) oder eine kleine Episode verpacken.

 

KLingt jetzt so, als wolle ich mich rühmen, aber ich nehme jetzt trotzdem mal ein Beispiel von mir :s18: In Die Schwerter des Tiberius gibt es am Ende von Kap.X eine Szene, wo sich Cinna und Sunja nach langen Differenzen versöhnen. Da lasse ich die eigentliche Schilderung nach der Hinführung und einer Andeutung ("Händchenhalten") einfach aus. Aber ich hänge etwas an; zunächst ein (klärendes) Gespräch, dann einen nächtlichen Ausflug in die Küche, wo sich (Essen & und Erotik ist eine unwiderstehliche Kombination) die Spannung neu aufbaut -- und dann breche ich die Situation, indem jemand hereinplatzt. Diese Wendung der Ereignisse führt dazu, daß sich für Sunja ein Verdacht, den sie schon vorher über die reinplatzende Person hatte, erhärtet (dramturgisch also ein Erkenntnisgewinn, der mit der eigentlichen Situation nichts zu tun hat, eine Überblendung von Storyline zu Storyline, eine Verflechtung -- neudeutsch "Braiding" :s02).

Auf diese Weise bekam die Situation dramaturgisch "Sinn". :)

 

Joy, die jetzt gleich mit "Cinna" ins Bett geht. :s13 Mal sehen ob der Sex haben durfte. ;)

Durfte er. Mehrmals. Aber das muß man ja nicht zwingend in extenso schildern. Auch Romanfiguren habe eine Privatsphäre. ;D

 

Liebe Grüße,

Iris :s17

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Gott, was liest du denn für fürchterliche Bücher? ;D

 

Ich lese gar keine fuerchterlichen Buecher. Nie. Nach dem ersten fuerchterlichen Satz hoere ich zu lesen auf.

 

(Ich habe aber eine Menge von mir als fuerchterlich empfundene Buecher uebersetzt.)

 

Zudem handelt es sich bei der von mir bemuehten Szene nicht um eine Liebesszene, sondern um eine Auspeitschung (na ja. Vielleicht widerspricht sich das ja nicht unbedingt fuer jeden, aber...).

 

Trotzdem hast Du sicher Recht. Unsere Geschmaecker stehen sich da diametral entgegen. Ich moechte bei einer Sexszene (die natuerlich nicht notwendigerweise eine Liebesszene ist) nicht mitfiebern.

Ich moechte sie glauben.

Ich moechte nicht an vom Autor nicht beabsichtigten Stellen lachen muessen.

Ich moechte die Funktion der Szene verstehen.

Sollte mir darueber hinaus noch was passieren, habe ich - meiner Einschaetzung nach - wohl das (rare) Werk eines Kuenstlers vor mir.

 

Viele Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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"der furchtbare Schmerz uebemannte ihn"' date=' "die Leidenschaft explodierte in ihrer Hoehlung", "hingerissen kuesste sie seinen maennlichen Brustkorb", "qualvoll hauchte die arme ihr Leben aus" und was dergleichen kramphafte Aufwuehlungs-Bemuehungen mehr sind.[/quote']

Gott, was liest du denn für fürchterliche Bücher? ;D

Das sind durchaus Formulierungen, die du inzwischen in nahezu jedem Belletristik-Schmöker findest. ;)

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Aber mal zwei Fragen an die Damen in der Runde:

könnt Ihr mit solchen (eher drastischen) Texten was anfangen (Miller, Bukowski) - oder ist Euch das zu derb?

 

 

Hallo Jan,

 

nein, zu derb würde ich die beiden keinesfalls bezeichnen, eher so wie Männer Erotik erleben und durch ihre Augen sehen - und da soll es ja - wenn man den Frauenzeitschriften Glauben schenken darf - doch einen Unterschied zu uns Frauen geben

:s22.

 

Schlimmer empfand ich die von Bukowski beschriebene im Hochprozentigen ersaufende Mitleidstour. :s09

 

LG

Kristin

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Hallo,

das ausleben von sexualität ist im weitesten sinne immer eine grenzerfahrung. deshalb ist es auch so schwierig, sich mit seinem protagonisten in eine entsprechende szene zu begeben. hier nähert man sich seiner figur auf die intimste nur denkbare art, und das kostet manchmal überwindung. und nicht nur das: obendrein ist es schwierig bis unmöglich, das ohne klischees, peinlichkeit und gebrauchsanweisungsmodus in worte zu kleiden.

Genau so sehe ich das auch. An dieser Stelle fallen die Hüllen, im übertragenen, wie im direkten Sinne. Hier kann der Autor nicht mehr mogeln; entweder schafft er es, beim Leser ein Gefühl aufzubauen oder die Szene wirkt abstoßend, weil er sich aus Prüderie die blumigsten Umschreibungen einfallen läßt oder ins andere, vulgäre, Extrem verfällt.

Ein Buch ist für mich auch eine Form von Öffentlichkeit und dort über Sex und Erotik zu reden ist nicht jedermanns Sache, vielleicht deshalb auch die Ablehnung gegenüber solchen Szenen von Einigen aus dem Forum.

 

@Tin, Jugendbuch: Ich bin der Meinung, dort gehört sehr wohl Erotik und Sex rein. Gerade die Zeit, in der man beginnt sich auf den Weg zu machen, das andere Geschlecht zu erkunden, alles zum ersten Mal erlebt, ist eine Zeit, die man nur ein einziges Mal erleben kann und die tausend Varianten hat. Keine vorgefertigten Schablonen, wie im Erwachsenenbereich; wenn's nach dem dritten Date nicht klappt, wird's wohl nie klappen. Eine Zeit, in der das schrecklichste Rauhbein aus der Gruppe einen knallroten Kopf bekommen und schüchtern werden kann, wenn ein Mädchen ins Spiel kommt. Widersprüche, die ich in einen Erwachsenenbuch nicht akzeptieren würde.  

 

Selber schreiben - beim ersten Durchlesen nach dem Schreiben solch einer Szene ist mir aufgefallen, sie passte nicht so recht in das gesamte Manuskript, obwohl die Stelle für diese Szene völlig richtig gewählt war. Es war genau das passiert, was im Zitat steht; ich war meinen Figuren so nahe gekommen, dass nicht sie gehandelt, sondern ich meine Erinnerungen aufgeschieben habe. Also, das ganze Kapitel nochmal von vorn und mit etwas mehr Abstand. ;)

 

Gehört für mich nicht in Sex- und Erotikszenen - Sex mit Tieren, SM, generationenübergreifender Altersunterschied zwischen den Partnern, Pädophile und andere sexuelle Abartigkeiten.

Vergewaltigung ist ein zweischneidiges Schwert, da kommt es wirklich darauf an, warum der Autor das so will.

 

Was noch überhaupt keiner angesprochen hat - Homosexualität. Kann heute über soetwas geschrieben werden oder gibt's da Ärger mit dem Verlag? Kann man als heterosexuell ausgerichteter Mensch glaubwürdig über diese sexuelle Ausrichtung schreiben?

 

Viele Grüße Dietmar

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(Ha! was für ein Freud'scher Schlüpfer)

Andreas, als ich dieses Wortspiel las, bin ich rücklings umgekippt und habe mich erstmal gekugelt vor Lachen!

 

Es ist so schon schwer genug, den Zauber zu beschreiben.

Es ist die Schere im Kopf: "Vorsicht! Trivial!" Stimmt meist sogar -- für sich genommen, können die Aussagen in einer solchen Szene äußerst trivial sein. Es kommt auf die erzählerische Struktur, den Erzählduktus, die "Stimme" und den Stil innerhalb der gesamten Szene an.

Wenn du eine Liebesgeschichte hast, die sich lange hinzieht (und du hast es geschafft, sie im Lektorat durchzusetzen http://www.cosgan.de/images/smilie/teufel/a010.gif), dann kannst du auf eine solche Szene nicht verzichten, weil in diesem Fall der Sex auch etwas Besonderes ist, die Erfüllung eines Versprechens -- wobei das durchaus auch mal in die berühmte Hose gehen oder mit "Anfangsschwierigkeiten" verbunden sein darf.

 

In zeitgenössischen Romanen ist Sex meist eine Banalität. Man poppt ja häufig schon am ersten Abend, viele Beziehungen kommen heute ohne Romantik, sogar ohne tiefere Gefühle, aber nicht ohne Sex aus. Insofern verarbeite ich es in zeitgenössischen Projekten, ohne ihm besondere Bedeutung beizumessen, meist in ein zwei Sätzen oder ga nur in einem Nebensatz oder einer Bemerkung. Schließlich wissen wir doch alle, wie es geht, oder? ;D

 

Eine konkrete (vielleicht sogar pornografische anmutende, weil perfekt ausgeleuchtet und im Closeup dargestellte), Sexszene ist etwas ganz anderes. Sie muss meiner Meinung nach einen dramatischen Zweck innerhalb der Geschichte erfüllen, also einen Grund und eine Folge haben, ansonsten kommt sie mir lediglich effekterheischend und überflüssig vor.

Ich hatte vor einiger Zeit einen Thriller in meiner Obhut, der jetzt bei mehreren großen Verlagen liegt. In diesem Thriller gibt es eine ausgesprochen explizite Sex-Szene, bei der ich richtig rote Ohren bekommen habe (was mir bei Miller, Djian, Houellebecq und Mulisch noch nicht passiert ist). Diese Szene ist in dieser Form dramaturgisch zwingend notwendig, da es sich um eine Verführung handelt -- und zwar nicht durch die Beteiligten, sondern durch eine weitere Person, die über paranormale mentale Fähigkeiten verfügt.

Ich habe die Szene mit dem Autor diskutiert, wir sind sie in der Tat Satz für Satz durchgegangen, es wurde hier gestrafft, da ausgebaut etc., bis das Ding unserer Ansicht nach perfekt saß. Hammerhaft, indexverdächtig, aber im Gesamtzusammenhang der geschichte zwingend erforderlich.

 

Ich bin mal gespannt, was im Lektorat damit passiert. Bei mir wurde ja die Diskussion über solche Stellen ja richtiggehend gemieden. ;)

 

Liebe Grüße,

Iris :s17

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Hallo Dietmar,

Was noch überhaupt keiner angesprochen hat - Homosexualität. Kann heute über soetwas geschrieben werden oder gibt's da Ärger mit dem Verlag? Kann man als heterosexuell ausgerichteter Mensch glaubwürdig über diese sexuelle Ausrichtung schreiben?

Deine letzte Frage beantworte ich mit einer Gegenfrage: Kann ein friedliebender Autor glaubwürdig über Morde schreiben? Kann ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht, Fantasy schreiben? Ein guter Autor sollte sehr viel mehr können als in seinem eigenen Leben - und wenn er etwas nicht kennt, kann er recherchieren.

Da bewegen wir uns wieder in dem Bereich: Ist alles, was ich von Autor X an Sex lese, auch selbst erlebt? Nein.

 

Antwort zur Hauptfrage: Ich glaube, auch hier kommt es auf das Genre an. Wenn es herkömmliche, bürgerliche Rollenspiele festigt, bist du sicher unfreier als in der Literatur. Aber die Grundfrage ist auch hier: Hat die Szene eine Funktion?

 

Schöne Grüße,

Petra

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Aber mal zwei Fragen an die Damen in der Runde:

könnt Ihr mit solchen (eher drastischen) Texten was anfangen (Miller, Bukowski) - oder ist Euch das zu derb?

Nöö, bloß gelegentlich ermüdend und längst nicht immer anregend. ;D

 

Und was sagt Ihr zu Anais Nin, deren "Delta der Venus" als Klassiker und herausragendes Werk der erotischen Literatur gilt?

Nehme ich gerne zur Hand, wenn ich innerhalb der "Schreibphase" in die Nähe einer solchen Situation gelange. Es muß dann im Manuskripte längst nicht explizit werden, aber wenn das Limbische System das richtige chemische Gleichgewicht hat, flutscht es besser. ;D

 

(Wird übrigens immer mal wieder Männern gern empfohlen, damit sie den Unterschied zwischen dem "männlichen" und "weiblichen" Blick lernen ;)

Was ich für ausgemachten Quark halte. Grundsätzlich. Der Auftraggeber und Adressat der Geschichten war ein Mann -- den sollte es anregen.

 

Meiner Erfahrung nach unterscheiden sich die Geschlechter gar nicht so sehr darin, was sie tatsächlich als anregend empfinden.

Pornographie in "Romanform" wird inzwischen ja auch vornehmlich für Frauen produziert, und dabei handelt es sich beileibe nicht um Blümchensex, da geht es richtig zur Sache. Ich hatte so ein Ding mal in Arbeit -- und muß zugeben, daß ich in diesen Tagen und darüber hinaus extrem lustlos war. Eine Überdosis an stereotyper, trivialer "Erotik" hat auf mich brechreizerregende Wirkung.

(Ich kenne übrigens auch Männer, die Pornographie widerlich finden; es gibt offenbar keinen genetischen Zwang, der Männer zu Pornokonsumenten macht.)

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Anregende Sexszenen zu schreiben ist schwierig' date=' aber wenn man einmal den Bogen raus hat, geht es recht leicht von der Hand.[/quote']

Klar, das ist ja auch eine handwerkliche Frage.

Und es erklärt auch, warum sich diese Szenen gleichen wie Eier aus Legebatterien -- vermutlich sollen sie das ja auch (keine Kritik, nur eine Feststellung!).

 

Und ich verstehe den Ärger derjenigen, die zwei Jahre in der Historie recherchieren, endlich ermattet, aber glücklich mit einem brillanten Werk an die Öffentlichkeit treten - und dann auf den Verkaufslisten von einem Buch überflügelt werden, dessen Verfasser sorglos freudvoll fantasiert.

Nee, darüber ärgere ich mich nicht, das ist einfach normal, und wenn 's mal anders kommt, ist extrem viel Glück im Spiel.

 

Was mich ärgert, ist der Druck, der verlagsseitig auf Autoren ausgeübt wird, ihre historischen Projekte zu trivialisieren, weil anachronistischer Scheißdreck nun mal das Erreichen des Break-even-points garantiere (m.A.n. zu garantieren scheint).

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Was noch überhaupt keiner angesprochen hat - Homosexualität. Kann heute über soetwas geschrieben werden oder gibt's da Ärger mit dem Verlag?

Das ist durchaus möglich, wenn du oder der entsprechende Verlag nicht gerade auf ein erzkonservatives Publikum abzielen. Du wärst vielleicht überrascht, aber in der erotisch/pornographischen U-Schiene, die auf (moderne) Frauen abzielt, ist schwuler Sex sogar ein großes Plus. ;D

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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