UlrikeS Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 Ich bekam gerade eine Kurzgeschichte lektoriert zurück. Es wurden unter anderem zahlreiche Absätze gestrichen, zum einen, um die Geschichte zu kürzen, damit sie in das Format der Zeitschrift passte. Zum anderen erklärte man mir auch: "Die Kurz-Absätze suggerierten schließlich eine Zugehörigkeit zum eher trivialen Sektor, während der Lang-Absatz den mündigen Leser voraussetzt." Diese Begründung ist mir völlig neu, und ich möchte gerne wissen, wie eure Schreib- bzw. Leseerfahrung dazu ist. Sagt die Absatzgestaltung etwas über die Klassifizierung des Textes aus? Bisher habe ich Absätze nach der Lesbarkeit gestaltet. Bei einer räumlichen Veränderung, beim Sprecherwechsel, aber auch, wenn ein narrativer Abschnitt endet und eine Aktion beginnt. Oft habe ich es aber auch rein aus Gefühl gemacht. LG Ulrike Ulrike Sosnitza Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Andrea S. Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 "Die Kurz-Absätze suggerierten schließlich eine Zugehörigkeit zum eher trivialen Sektor, während der Lang-Absatz den mündigen Leser voraussetzt." Huch? Absatzgestaltung ist ein Stilmittel. Wenn es bewusst und mit Sinn eingesetzt wird, ist alles legitim. Mit Mündigkeit hat das nichts zu tun. Gott, was für ein arroganter Unsinn. Andrea Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
MelanieM Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 Mit Mündigkeit hat das nichts zu tun. Gott, was für ein arroganter Unsinn. Das habe ich spontan auch gedacht, als ich diese "Begründung" gelesen habe ... Was ist da denn für ein seltsamer Lektor am Werk? Gruß, Melanie Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
(Peter_Dobrovka) Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 So ganz Unrecht hat der Lektor nicht. Kurze Absätze sind tatsächlich eher bei weniger anspruchsvoller Literatur anzutreffen, und der Grund ist bei der Konzentrationswilligkeit des Lesers zu suchen, die hier geringer ist. Mehr und kurze Absätze = mehr Pausen im Denkprozess. Monolithische Absätze über zuviele Zeilen wirken bewiesenermaßen abschreckend, und zwar bereits beim Ansehen der Seite, ohne eine einzige Zeile gelesen zu haben. Der Begriff der Mündigkeit ist hier allerdings tatsächlich fehl am Platz. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
MelanieM Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 So ganz Unrecht hat der Lektor nicht. Kurze Absätze sind tatsächlich eher bei weniger anspruchsvoller Literatur anzutreffen. Das kann man m.E. auch nicht verallgemeinern, weil man dann erstmal definieren müsste, was "anspruchsvollere" Literatur ist. Es gibt in der E-Literatur ja auch die gesamte Palette - von Bandwurmsätzen, die eine ganze Seite ausfüllen, bishin zu einem eher nüchternen Stil aus lauter Kurz-Sätzen - je nachdem, welche Absicht der Autor mit dem Stilmittel verfolgt hat. Gruß, Melanie Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
AndreasG Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 Es gibt in der E-Literatur ja auch die gesamte Palette - von Bandwurmsätzen' date=' die eine ganze Seite ausfüllen, bishin zu einem eher nüchternen Stil aus lauter Kurz-Sätzen - je nachdem, welche Absicht der Autor mit dem Stilmittel verfolgt hat.[/quote'] Dem kann ich nur zustimmen! Die erzählerische Absicht ist das Entscheidende. Absätze sind, genau wie Satzzeichen, Rhythmisierungsmittel innerhalb eines Textes. Willkürliche Absatzsetzung nach dem Motto: "Hier braucht der Leser mal eine Pause" zerhacken den Text nur und sorgen meines Erachtens für ein eher "asthamtisches" Gefühl beim Leser. Liebe Grüße Andreas "Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020; Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger" Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Christa Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 "Die Kurz-Absätze suggerierten schließlich eine Zugehörigkeit zum eher trivialen Sektor' date=' während der Lang-Absatz den mündigen Leser voraussetzt."[/quote'] Das trifft höchstens für die Bild-Zeitung zu, siehe hier: (Link ungültig) Da soll, einer Untersuchung zufolge, kein Satz mehr als 12 Wörter enthalten. Gutenberg hat angeblich die Bibel ohne alle Absätze drucken lassen, damit es billiger wird. Ansonsten stimme ich allem, was hier gesagt wird, zu. Meiner Erfahrung nach sagen Absätze überhaupt nichts über die Wertigkeit eines Textes aus. Christa Ostseekrimi Mörderische Förde https://tinyurl.com/yy5xgm9j :http://schreibteufelchen-christa.blogspot.com/ Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ulf Schiewe Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 Meiner Erfahrung nach sagen Absätze überhaupt nichts über die Wertigkeit eines Textes aus. Nicht über die Wertigkeit, aber über die Lesbarkeit. Möchte man dem Leser das Lesen erleichtern, sollte man allzu lange Absätze vermeiden. Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
AndreasE Geschrieben 29. April 2012 Teilen Geschrieben 29. April 2012 Hemingway verwendet auch kurze Absätze. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UlrikeS Geschrieben 29. April 2012 Autor Teilen Geschrieben 29. April 2012 Danke für eure Antworten. Ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass Absätze mehr sein sollen als ein stilistisches Mittel. Wobei ich mit Stil nicht die Unterteilung in angebliche E oder U-Literatur meine, sondern als persönliches Stilmittel. Eine langsame Beschreibung würde ich auch nicht in kurze Absätze packen, eine schnelle Action-Szene auf jeden Fall. Den Hinweis auf Hemingway merke ich mir Übrigens ist auch für mich jeder Leser mündig, egal ob Porno oder Adorno Ich lese, also bin ich. LG Ulrike Ulrike Sosnitza Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Eva Geschrieben 30. April 2012 Teilen Geschrieben 30. April 2012 Wie immer der Satz aus meiner Gebetsmühle: Form follows function. Wenn es einen guten Grund gibt, einen Absatz einzufügen, dann gehört ein Absatz dorthin. Wenn es einen guten Grund gibt, über weite Strecken ohne Absatz zu schreiben, dann ist auch das richtig und, vor allem, notwendig. Wobei ich persönlich die "Appetithäppchen-Darreichungsform für unangestrengte Leser" als guten Grund ebensowenig gelten ließe, wie ein sinnloses Vermeiden von Absätzen um der vermeintlichen "Wertigkeit" wegen, aber das mag Ansichtssache sein. Gruß Eva Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Alf Geschrieben 30. April 2012 Teilen Geschrieben 30. April 2012 Bei dem Thema ist mir sofort Stephen King eingefallen, der einen absatzreichen Text mal als "fluffig wie Softeis" (oder so) beschrieben hat. Ein Bild das mir sehr gefällt, das ich mir gemerkt habe, und das unterstreicht, was hier auch mehrmals gefallen ist: Autorenabsicht heiligt das Absatz-Stilmittel Und ich für meinen Teil mag Softeis Ciao! Alf. Die dunkle Seite der Phantastik Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ulf Schiewe Geschrieben 1. Mai 2012 Teilen Geschrieben 1. Mai 2012 Wörtliche Rede verlangt ja meist kurze Absätze. Ich zumindest mag keine langen Monologe meiner Figuren, eher ein Ping Pong Diskurs. Bei anderen Dingen, versuche ich eine gewisse logische oder inhaltliche Einheit in einem Absatz abzuhandeln. Manchmal gelingt das in drei oder vier Zeilen. Manchmal muss man etwas weiter ausholen. Dann künstlich diesen Inhalt zu unterbrechen, indem man zwei oder drei Absätze daraus macht, liest sich für mein Gefühl komisch, da ich immer noch von der gleichen Sache zu spreche. Andererseits mag ich keine zu langen Absätze. Zwanzig Zeilen etwa, viel mehr möchte ich dem Leser nicht zumuten. Da muss man sich dann kürzer fassen. Oder den besagten Inhalt an einer anderen Stelle ein zweites Mal angegehen, diesmal vielleicht unter einem anderen Gesichtspunkt, oder in Form einer inneren Diskussion, um es interessanter zu machen. Ich behandele das also flexibel, packe, was inhaltlich zusammengehört in einen Absatz, oder finde eine inhaltliche Trennung oder andere Sichtweise, um Bandwurmabsätze zu vermeiden. Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
hpr Geschrieben 2. Mai 2012 Teilen Geschrieben 2. Mai 2012 Zum anderen erklärte man mir auch: "Die Kurz-Absätze suggerierten schließlich eine Zugehörigkeit zum eher trivialen Sektor, während der Lang-Absatz den mündigen Leser voraussetzt." Diese Behauptung ist bei Möchtegern-Literaten sehr beliebt, die meinen, dass lange Absätze eben viel Denkarbeit verlangen und deshalb ihr Text offensichtlich mehr Gedankentiefe enthält als Hemingway, Dashiell Hammet, Wolfgang Borchert und andere Trivialliteraten Solche Leute sind auch davon überzeugt, dass lange Sätze literarisch seien, wohingegen kurze Sätze beweisen, dass es sich um geistlosen Trash handele. Die Absatzgestaltung ist ein wichtiges Mittel und ich bin im Zweifelsfall eher für kurze Absätze, aber letztendlich sagt die Absatzlänge nix aus. Es sei denn, sie ist mißlungen und zeigt, dass der Autor sich keine Gedanken über die Absatzgestaltung gemacht hat. Letzteres ist von Übel Grüße Hans Peter Klappentext, Pitch und anderes Getier Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
eva v. Geschrieben 2. Mai 2012 Teilen Geschrieben 2. Mai 2012 Hallo Ulrike, meinst du mit Absätzen eine Leerzeile? LG, eva v. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UlrikeS Geschrieben 2. Mai 2012 Autor Teilen Geschrieben 2. Mai 2012 Eigentlich mehr die normale Zeilenschaltung. Leerzeile setze ich selten, nur bei zeitlichen oder räumlichen Sprüngen. Ich bin in einer Antwort-Mail an den Mann kurz darauf eingegangen und meinte sinngemäß, dass meine Absatzgestaltung mein Stilmittel ist und ich bei Action-Szenen eben mehr Absätze machen, um ein Staccato, eine Atemlosigkeit zu erreichen. Und außerdem konnte ich mir nicht verkneifen, zu schreiben, dass ich alle Leser für mündig halte. Er ist in einer weiteren Mail nicht darauf eingangen. Jedenfalls bestärken mich eure Antworten darin, diese Äußerung nicht zu ernst zu nehmen und als individuelle Einstellung zu betrachten. Danke dafür LG Ulrike Ulrike Sosnitza Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...