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ClaudiaB

Ende

Empfohlene Beiträge

Hallo,

vielleicht gibt es schon einen Thread dazu, aber auf die Schnelle habe ich nichts gefunden. Ich würde gerne einmal über die Enden von Romanen diskutieren-eher aus Neugier, da ich gerade damit beschäftigt bin. Gerade habe ich festgestellt, dass ich mich an die Schlüsse meiner Lieblingsbücher nicht erinnern kann, oder nur sehr vage, dafür aber umso besser an die Anfänge-seltsam. Wie geht es euch damit, als Leser/innen und Autoren/Autorinnen? Wann haltet ihr einen Schluss für gelungen/für misslungen? Gibt es Schlüsse, die euch enttäuschen und warum? Gibt es letzte Sätze, die euch begeistert haben? etc. Wie schwer oder leicht fällt euch das Ende eurer Geschichte?

Liebe Grüße

Claudia (man nennt mich auch "das Fragezeichen")

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Dear Frau Fragezeichen,

 

um mit dem Ende zu beginnen: Egal, ob mir das Ende schwer fällt (sehr oft) oder leichter (sehr selten) - richtig zufrieden bin ich fast nie. Als Rezipientin geht es mir genau so - auch von den schönsten Büchern, die ich kenne, hat mich das Ende fast immer enttäuscht. Spontan fällt mir jetzt das hier schon mal besprochene "Mrs. Craddock" von Somerset Maugham ein (wahrscheinlich deshalb, weil Maugham selbst mal geschrieben hat, dass viele seiner Leser sich über das Ende beschwert hätten). Ein Ende, das mich bis zum Heulen begeistert, hat Uwe Timms "Currywurst".

 

Warum die Currywurst, warum "Mrs. Craddock" nicht, dazu äußere ich mich noch, (ich muss gleich weg). Ich guck mir dazu auch noch speziell die Schlüsse in den Büchern aus dem Spezialregal an.

 

Kästner hatte übrigens was zum Ende (wenn ich mich recht erinnere):

 

Wenn zwei am End' sich kriegen, sprecht:

Ende gut - alles schlecht.

 

Es schwimmt der Held im eig'nen Blut?

Alles schlecht - Ende gut.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Kästner hatte übrigens was zum Ende (wenn ich mich recht erinnere):

 

Wenn zwei am End' sich kriegen, sprecht:

Ende gut - alles schlecht.

 

Es schwimmt der Held im eig'nen Blut?

Alles schlecht - Ende gut.

 

Dieser Ansicht war ich eine sehr lange Zeit auch, war aber - glücklicherweise - eines besseren belehrt. Unser Tom Finn hat einmal gesagt, dass ein gutes Happy End zu schreiben sehr schwer ist. Ich muss sagen, er hat recht.

 

Ich habe bis jetzt zwei absolute Happy Ends ohne Wenn und Aber geschrieben. Es waren die schwierigsten Enden überhaupt (an dem letzten habe eine Stunde lang über den letzten Satz gegrübelt, weil ich dieses "Hach wie schön"-Gefühl haben wollte, mir aber wenn schon kein Bad End, jedoch nur Happy Ends mit Einschränkungen einfielen), aber es waren die Enden, die meine Leser am meisten berührt und am stärksten in Erinnerung geblieben sind und auch mich restlos begeistern, so dass ich sie noch tausend Mal lesen könnte.

 

Den Helden im eigenen Blut schwimmen zu lassen ist keine große Herausforderung. Aber die Konflikte so zu lösen, dass sie eine gute Basis für ein Happy End bilden, den Leser ohne Kitsch und Schmalz zu berühren - das ist schwierig.

Aber soooo schön :)

 

Liebe Grüße,

Olga

(eine frisch gebackene Happy-End-Liebhaberin)

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Oh...danke für den Kästner!! Die Currywurst liegt auf meinem Tisch (passt auch prima zu meinen Pommes), ich schau gleich mal nach.

 

Aber die Konflikte so zu lösen, dass sie eine gute Basis für ein Happy End bilden, den Leser ohne Kitsch und Schmalz zu berühren - das ist schwierig.

Ja, Olga!! Du hast es geschafft-ich kämpfe noch...

 

Vielleicht ist die Tatsache, dass man mit Enden nie recht zufrieden ist (geht mir nämlich auch so) der Grund, warum ich mich an Enden so schlecht erinnere? Bei Filmen ist es anders...

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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@Claudia

Ich kämpfe auch noch, stecke in der letzten Überarbeitung. Es ist spannend zu sehen, was von meinen Experimenten letzendlich funktioniert hat und was nicht *g*

 

Liebe Grüße,

Olga

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Hallo,

 

ein wirklich interessantes Diskussionsthema. Ich selbst habe für mich die Feststellung gemacht, dass ich Enden bevorzuge, die zumindest Fragen und Alternativen offen lassen. Es muss nicht unbedingt ein offenes Ende sein (das kann gut, das kann aber auch ziemlich mies und einfallslos sein), aber es sollte zumindest mir als Leser die Möglichkeit einräumen, die Geschichte im Kopf weiterzuspinnen.

 

Ein furchtbares Ende hatte für mich der Herr der Ringe. Die Geschichte ist im Grunde zu Ende, und dann folgt eine meterlange Nachbetrachtung, in der so ziemlich jede Figur bis zum Sanktnimmerleinstag weitergesponnen wird. Es war ja ganz nett, wieder ins Auenland zurückzukehren, nach all dem Feuer von Mordor mit den hässlichen Ork-Fratzen, dem Drama, abgebissenen Fingern etc. war's ein wenig wie ein Nachhausekommen nach einer langen Reise, wenn man sich zunächst mal gemütlich im Garten in den Liegestuhl fläzt und den Bäumen im Wind zusieht, aber es war dennoch übertrieben breit ausgewälzt. Man kann ja zurückkehren in den eigenen Garten, aber ich muss dann nicht jeden einzelnen Grashalm darin betrachten.

 

Ein Buch bleibt mir vor allem dann in bester Erinnerung, wenn ich das Gefühl habe, dass es an der Geschichte mehr zu entdecken gibt als das, was in kleinen schwarzen Lettern auf das Papier gedruckt ist. Und ein gutes Ende bietet eben weitere Entdeckungsfahrten an, auch wenn es diese vielleicht nur vage andeutet.

 

Viele Grüße

 

Thomas

"Man schreibt nicht, was man schreiben möchte, sondern was man zu schreiben befähigt ist."&&- Jorge Luis Borges -

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Hallo!

 

Ich möchte mich Thomas anschließen, denn ich mag auch die Romanenden am liebsten, die noch genügend Dinge offen lassen. Die Hauptgeschichte, der Hauptkonflikt sollte aufgelöst werden, klar, aber was den Ausblick angeht, habe ich auch dieses Gefühl, dass ich gerne selbst ein bisschen weiterdenken möchte.

Bei meinen eigenen Romanen versuche ich das einzubauen, allerdings finde ich das Schreiben des Romanendes mindestens so schwierig wie das Schreiben des Anfangs. Meist geraten sie mir zu harmonisch, zuviel Friede, Freude, Eierkuchen. :) Ich finde es sehr schwierig, einen Roman zu einem positiven Ende zu führen, ohne es zu sanft und seicht auslaufen zu lassen.

 

Viele Grüße

Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Claudia Toman

Ich glaube, ob ein Ende Happy sein muss oder nicht, das ist auch genreabhängig. Ich habe zu meinen ersten zwei Enden total unterschiedliches Feedback gekriegt. Das erste ist genreuntypisch, weil "sie sich nicht kriegen" und beide sind auf den ersten Blick "alles nur geträumt" Enden, was mir viele Leser übel genommen haben. Aber ich habe in beide Hinweise und kleine Twists reingeschrieben, sodass die Leser, die das gecheckt haben, total begeistert waren, weil es eben erlaubt, weiterzudenken in Richtung: "Ha! Doch kein Traum!" Ich glaube, kein Ende wird immer alle Leser glücklich machen, die Hälfte schreit "ich will ein Happy End!", die andere Hälfte "Happy Ends sind kitschig!"

 

Ich zB fand das Ende von Herr der Ringe trotz allem Abschiedsschmerz auch irgendwie schön. Eben weil es zu Ende erzählt ist. Hätte es mit der Krönung geendet, wäre mir das irgendwie zu happy gewesen. Ich finde es gut, dass Tolkien zeigt, dass der Einfluss des Ringes auf alle weiterexistiert, auch wenn er zerstört ist. Dass es für die Ringträger kein happily ever after auf dieser Welt gibt und dass sogar das große Liebespaar irgendwann mit dem Problem der Sterblichkeit-Unsterblichkeit konfrontiert ist. Ich persönlich hätte wahrscheinlich fies mit einem Hinweis darauf geendet, dass der nächste Sauron schon am gedeihen ist, aber Tolkien war nicht fies, sondern einfach gründlich. Was nach so einem langen Weg legitim und befriedigend ist. Kennt jemand "Six Feet Under"? Da macht Alan Ball am Serienende etwas ähnliches, und das finde ich enorm gelungen. Figuren, die man über eine gewisse Zeit begleitet hat, dürfen auch ganz zu Ende erzählt werden, da wäre jedes offene Ende, das bei Einzelromanen oft ein hübscher Trick sein kann, unbefriedigend und gemein. Und Brutstätte für Fanfiction, von der ich - sorry an alle, die es mögen - überhaupt kein Fan bin. :-X

 

lg Claudia

"Widerspruch ist fast immer der Beginn einer Fährte." (Claudia Toman - Jagdzeit)

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Edit: Teils gelöscht, weil ich erst jetzt gesehen habe, dass wir im öffentlichen Bereich sind.

 

Was ich als Leser gar nicht mag, ist diese Mode, alle möglichen Handlungsfäden offen zu lassen. Das scheint immer so, als bräche der Text mittendrin ab. Der Folgeband schliesst dann nahtlos an, nur muss man auf den monatelang warten. Da werde ich wirklich sauer.

 

Oh, und auch bei einem Happy Ending finde ich sehr wichtig, dass es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen ist, sondern unter Opfern (welcher Art auch immer) erkämpft werden muss. Sonst wirkt es nicht überzeugend.

 

Viele Grüsse,

 

Mascha

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Hallo!

 

Oh, und auch bei einem Happy Ending finde ich sehr wichtig, dass es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen ist, sondern untern Opfern (welcher Art auch immer) erkämpft werden muss.

 

Nur, damit ich nicht missverstanden werde: Natürlich finde ich es auch wichtig, dass der Hauptkonflikt sich nicht in Wohlgefallen auflöst, sondern die Figur reift, was natürlich mit Kämpfen und Opfern einhergeht.

Mit Friede, Freude, Eierkuchen meinte ich das, was danach kommt. Ich steige ungern direkt nach Konfliktlösung aus, auch als Leser, und das, was danach kommt, das empfinde ich als den schwierigen Part. Den nicht zu harmonisch zu gestalten, das fällt mir schwer. Es ist ja letztlich alles ausgestanden und alle Kämpfe sind gefochten.

 

Viele Grüße

Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Hallo!

 

Oh, und auch bei einem Happy Ending finde ich sehr wichtig, dass es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen ist, sondern untern Opfern (welcher Art auch immer) erkämpft werden muss.

 

Nur, damit ich nicht missverstanden werde: Natürlich finde ich es auch wichtig, dass der Hauptkonflikt sich nicht in Wohlgefallen auflöst, sondern die Figur reift, was natürlich mit Kämpfen und Opfern einhergeht.

Mit Friede, Freude, Eierkuchen meinte ich das, was danach kommt. Ich steige ungern direkt nach Konfliktlösung aus, auch als Leser, und das, was danach kommt, das empfinde ich als den schwierigen Part. Den nicht zu harmonisch zu gestalten, das fällt mir schwer. Es ist ja letztlich alles ausgestanden und alle Kämpfe sind gefochten.

 

Viele Grüße

Susann

Da ist was dran, Susann. Ich finde einen guten Gedanken, dass nach dem Hapy Ending nicht alles für alle Zeiten happy bleibt, und man das auch noch anschneidet, bevor man ENDE unter den Text setzt.

 

Viele Grüße,

 

Mascha

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So richtig "gut" ausgehen kann die Geschichte für einen Helden ja eigentlich nie, sonst hätte es sich nicht gelohnt, sie zu erzählen.

Wenn die Story packen soll, dann kann der Protagonist nicht ohne Verluste daraus hervor gehen und das bedeutet zwangsläufig, dass er den ganzen Rest seines Lebens daran zu tragen hat, was ihm bis zum Wörtchen "Ende" passiert ist.

Ich denke, genau das im Schluss auch noch zu vermitteln, ist die ganz große Aufgabe und der Auftrag, wenn ein Nachhall bleiben soll und nicht ein achselzuckendes "okay, Nächster bitte" mit Griff ins Bücherregal folgen soll.

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Hallo Mascha und Matthias,

 

hm, da habt ihr recht, das ist ein guter Gedanke. Stimmt, letztlich kann der Protagonist im Laufe der Erzählung zwar zu einem besseren Selbst finden oder Hürden überwinden oder eine Aufgabe lösen, aber selbst wenn das Ende dann 'gut' ist bleibt immer etwas, was verloren wurde oder geopfert werden musste oder eine Wunde, die nun zwar heilen kann, bei der aber immer eine Narbe zurückbleiben wird. Das stimmt. Da nochmal drauf einzugehen ganz am Schluss finde ich einen genialen Tipp. Werde mir mal Gedanken darüber machen.

 

Viele Grüße

Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Hallo Mascha und Matthias,

 

.... aber selbst wenn das Ende dann 'gut' ist bleibt immer etwas, was verloren wurde oder geopfert werden musste oder eine Wunde, die nun zwar heilen kann, bei der aber immer eine Narbe zurückbleiben wird. Das stimmt. Da nochmal drauf einzugehen ganz am Schluss finde ich einen genialen Tipp. Werde mir mal Gedanken darüber machen.

 

Viele Grüße

Susann

 

Das ist genau so ein Ende, das ich überhaupt nicht leiden kann. Bzw. das Ende schon, aber wenn der Autor meint, er müsse mir das noch separat in einem Absatz verklickern. Dann denke ich immer: Mensch, Autor, ich bin doch nicht blöd! Wenn ich das bis jetzt nicht geschnallt habe, dann ... ;)

 

Ne, solche Anhängsel finde ich ganz grässlich.

 

Grüsse

Margot

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Und genau deshalb ist es ja eine so hohe Kunst, ein "gutes" Ende im Sinne eines angemessenen zu finden, das einerseits nicht verkitscht und all das, was bis dahin geschehen ist, damit klein macht und entwertet und das auf der anderen Seite nicht belehrend und pädagogisch im Sinne von "bedenkt aber, liebe Leser, dass..." daher kommt.

 

"Alles ist wunderbar" ist genau so mies und unbefriedigend wie "alles ist schlecht".

Oder Held tot.

Es sei denn, es ist nicht Hilflosigkeit des Autors sondern schicksalshaft angelegt, nach dem Motto "Es konnte nicht gut ausgehen, das war uns allen eigentlich klar, aber wir haben genau so wie der Autor 800 Seiten lang gehofft, dass es doch noch einen Ausweg aus diesem zwangsläufigen Ende gibt".

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So richtig "gut" ausgehen kann die Geschichte für einen Helden ja eigentlich nie, sonst hätte es sich nicht gelohnt, sie zu erzählen.

Wenn die Story packen soll, dann kann der Protagonist nicht ohne Verluste daraus hervor gehen und das bedeutet zwangsläufig, dass er den ganzen Rest seines Lebens daran zu tragen hat, was ihm bis zum Wörtchen "Ende" passiert ist.

Ich denke, genau das im Schluss auch noch zu vermitteln, ist die ganz große Aufgabe und der Auftrag, wenn ein Nachhall bleiben soll und nicht ein achselzuckendes "okay, Nächster bitte" mit Griff ins Bücherregal folgen soll.

 

Das finde ich dermassen treffend formuliert - um auf den Punkt immer noch nicht zu kommen, haben wir im anderen Thread ("Kill your darlings") ungefaehr fuenfundneunzig Postings lang herumdiskutiert. Bitte setzt den Beitrag drueben doch auch noch mal rein.

 

Das beschreibt perfekt, warum ich mein Leben lang den Buechern zuerst auf den Schwanz schau - und wenn er aufrecht steht, brauch' ich mir den Kopf gar nicht erst anzusehen, er kratzt mich nicht.

 

Viele Gruesse von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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So, jetzt habe ich in ein paar Bücher schauen können und drei Muster gefunden:

 

1. eins, das dem Happy End ebenso aus dem Wege geht wie dem Alles-geht den-Bach-runter-Szenario: In "Mrs. Craddock" ist die Heldin unglücklich verheiratet. Zu spät hat sie bemerkt, dass ihre ehemalige Verliebtheit sich auf den Falschen richtete. Was jetzt? Wer stirbt? Er. Und sie ist darüber nicht traurig. Höchst gleichmütig plant sie ein neues Leben. Wie gesagt, die Leser haben es nicht sehr geschätzt, und bei mir blieb auch irgendwie eine Enttäuschung.  

 

2. eins, das mir inzwischen zum Hals heraushängt: Nach allerlei Irrungen schwimmt der Held/die Heldin sich frei, verletzt, aber aufrechten Hauptes trabt er/meist sie einem mehr oder weniger rosa gefärbten Sonnenaufgang entgegen. Ich kann nicht sagen, wie oft ich das schon gelesen und im Film gesehen habe. Das letzte Mal bei der neuesten Verfilmung von Effie Briest. Auch und ausgerechnet bei einer meiner Lieblingsautorinnen, Alison Luries "Die Wahrheit über Lorin Jones" (ein blitzgescheites, witziges Buch) entscheidet sich die Heldin eben auf diese Weise für das neue Leben an der Seite eines Loosers:

 

Bevor sie doch noch den Mut verlieren oder es sich wieder anders überlegen konnte, lief sie in die Küche. Eine Sekunde lang starrte sie das so harmlos aussehende Wandtelefon an, holte ein letztes Mal tief Luft und nahm den Hörer ab.

 

3. schließlich eins, das dem Leser sagt: So - dies war die Geschichte. Dass sie überhaupt aufhören kann, liegt daran, dass es eine ausgedachte Geschichte ist. Sieh dich vor! Wahrscheinlich gehts im Leben (oder in einer anderen Geschichte) anders aus. Zwei Beispiele dazu:

 

A. Die "Currywurst": Der Ich-Erzähler nimmt Gegenstände in Empfang, die die Authentizität seiner Geschichte dokumentieren (sollen). Unter anderem ein alter Zeitungsausriss mit einem halb ausgefüllten Kreuzworträtsel (das in der Geschichte eine große Rolle spielt):

 

Einige Buchstaben ergeben keinen Wortsinn, andere kann man ergänzen, wie beispielsweise das fehlende sit zum Til. Fünf Wörter aber sind noch ganz zu lesen: Kapriole, Ingwer, Rose, Kalypso, Eichkatz und, etwas eingerissen - auch wenn es mir niemand glauben wird - Novelle.

 

B. In Updikes "Gertrude und Claudius" wird die Geschichte erzählt, die passiert ist, bevor Hamlet seinen Auftritt beim Kollegen Shakespeare hat. Sie endet sehr positiv für Claudius:

 

Und seine Königin stand mit ihm [Claudius]. Er fasste mit der einen Hand ihre nachgiebige Linke und umspannte mit der anderen sein hartes Zepter. Er war davongekommen. Alles würde gut werden.

 

Ein Happy End, über dessen trügerischen Glanz der Leser mehr weiß als der Protagonist.

 

Beide Male ist - fast unsichtbar - eine Reflexion über das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit enthalten.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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So richtig "gut" ausgehen kann die Geschichte für einen Helden ja eigentlich nie, sonst hätte es sich nicht gelohnt, sie zu erzählen.

Wenn die Story packen soll, dann kann der Protagonist nicht ohne Verluste daraus hervor gehen und das bedeutet zwangsläufig, dass er den ganzen Rest seines Lebens daran zu tragen hat, was ihm bis zum Wörtchen "Ende" passiert ist.

Ich denke, genau das im Schluss auch noch zu vermitteln, ist die ganz große Aufgabe und der Auftrag, wenn ein Nachhall bleiben soll und nicht ein achselzuckendes "okay, Nächster bitte" mit Griff ins Bücherregal folgen soll.

 

Das ist schön auf den Punkt gebracht. Danke.

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Hallo, ihr alle,

sehr spannend, was ihr hier und im Nachbarthread sagt!!  :)

Danke für alle Meinungen, Untersuchungen und Einschätzungen.

Bei mir haben die eigentlich alle Federn gelassen und stehen jetzt etwas zerrupft, aber glücklich da. (Ich auch).

 

Liebe Angelika, danke für deine End-Analyse, damit will ich mich noch näher beschäftigen. Charlie hat hier oder im Nachbarthread etwas über das Ende von Früchte des Zorns geschrieben-das ist auch für mich ein wirklich großes Ende. Ich glaube, Hoffnung gehört für mich ganz stark zum Ende.

Liebe Grüße

Claudia

PS Was der Kästner sagt, das sagt ein Literaturkritiker von der Zeit auch. Nur braucht er dazu viel mehr Worte, reimen tut sich auch nix.

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ja, zum Kästner noch, damit das niemand in den falschen Hals kriegt: Sicher bezieht er sich nicht auf Kollegen oder ihre Werke, also den leibhaftigen "Held im eignen Blut", sondern - ironisch - auf Literaturkritiker. Sehr lustig, wenn ihn nun einer von dieser Gilde von der anderen Seite auf ihn zulaufend einholt.

 

Aber wer hat nun bei dir Federn lassen müssen? Dein(e) End(en)? Doch gar nicht du selbst? Ach Gott, deine schönen Federn!

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Nö, Angelika, meine Hauptfiguren. Die andern gleich mit. Und ich auch. Meinte ich. Aber ich heute nix mehr deutsch. Liebe Grüße und OT: welcome back home...

Claudia

(mit glasigen Augen noch ein bisschen ihren Text verschlimmbessernd)

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Sicher bezieht er sich nicht auf Kollegen oder ihre Werke, also den leibhaftigen "Held im eignen Blut", sondern - ironisch - auf Literaturkritiker.

Danke, Angelika. Den Zusammenhang kannte ich nicht.

Ich lese nicht so viele Literaturkritiken (verlasse mich eher auf die Empfehlungen von Kollegen etc. ), hatte aber tatsächlich das Gefühl, dass "Happy Ends" in literarischen Romanen von den Kritikern oft verpönt werden. Täusche ich mich?

Denn in meiner Vorstellung ist es wirklich so, dass das Ende - egal ob Happy oder Bad - zum Roman passen muss und nur davon abhänig ist. Und besonders gute literarische Romane schätze ich für ihre Stimmigkeit - da kommen mir die "Forderungen" nach einem Bad End oder die "Herablassung" von Happy End doch irgendwie seltsam. Aber womöglich habe ich tatsächlich nur schlecht gemachte Literaturkritiken erwischt und in der Szene ist das keineswegs der Allgemeinfall.

 

Liebe Grüße,

Olga

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Na ja, das sehe ich schon auch so wie du, Olga. Der Stoff verlangt das Ende. Man sieht es aber wohl einigen Werken auch an, dass sie nach einem Strickmuster verfertigt wurden, in dem das Happy End schon in der Lochkarte der Strickmaschine drin war. Kein Grund, sich darüber aufzuregen. Dass Kritiker, die etwas "Neues" erwarten, so ein Buch gleich gar nicht lesen, ist dann aber auch irgendwie verständlich.

 

Ich selber lese eigentlich kaum Literaturkritiken. Zu Hause habe ich nur die SZ, wenn ich dazu komme und Willi Winkler oder Thomas Steinfeld sich zu irgendeinem Phänomen in der Kulturszene geäußert haben, lese ich die. Die anderen kenne ich eher vom Hören Sagen, weil sie in Klagenfurt was gesagt haben oder dergleichen.

 

Ich lese jetzt erst deinen Artikel - schreibe dir gleich,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Ich finde die Forderung nach einem komplizierten/ wunderbar lakonischen /ungeheuer offenen oder alles relativierenden Ende in der Literaturkritik auch etwas seltsam. Vielleicht bin ich deshalb so oft enttäuscht von Enden und kann sie mir nicht merken. Sollte der Stoff ein Happy-End verlangen - und das sieht für mich so aus, dass die Beteiligten Federn gelassen haben und etwas zerzaust, aber für den Moment glücklich in den Kulissen des Schlussbildes stehen - also, sollte er ein solches Ende fordern, dann ist dies eine Herausforderung. Für Autor/in, Leser und Kritiker (auch alle mit /in). Für Happy Endings braucht es Mut, genau wie für Pathos...

(Und hier noch ein nicht gerade pathetisches Statement eines gewissen Herrn Theobald Tiger...)

Es wird nach einem happy end

Im Film jewöhnlich abjeblendt.

Man sieht bloß noch in ihre Lippen

Den Helden seinen Schnurrbart stippen --

Da hat sie nu den Schentelmen.

Na, un denn --?

 

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Es sei denn, es ist nicht Hilflosigkeit des Autors sondern schicksalshaft angelegt, nach dem Motto "Es konnte nicht gut ausgehen, das war uns allen eigentlich klar, aber wir haben genau so wie der Autor 800 Seiten lang gehofft, dass es doch noch einen Ausweg aus diesem zwangsläufigen Ende gibt".

 

 

Und genau solche Geschichten liebe ich - auch - wenn sie philosophisch mit dem umgehen, was uns das Leben so vor die Füße schmeißt. Allein schon die unterschiedliche Art, wie Menschen mit Dingen und Traumata oder sonstwas umgehen, fasziniert mich.

 

Könnten wir mal einen Thread mit Lesetipps aufmachen, bitte? :-?

 

LG

Anni

Autorin | Ein  Buch schreiben

Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher

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