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jueb

Roadnovel: Merkmale!?

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Guten Morgen,

 

das Thema "Roadnovel" beschäftigt mich weiter. Ich denke gerade darüber nach, welche Struktur und Merkmale diese literarische Form hat. Vielleicht habt ihr Lust mitzudenken. Meine ersten Überlegungen:

 

Roadnovels haben in der Regel eine episodische Struktur. Der Held erlebt unterschiedliche Begegnungen (andere Menschen, andere Orte, andere Verhältnisse), an denen er sich reibt und die ihn im Laufe des Romans immer mehr charakterisieren. Dabei gibt es immer wieder Episoden, welche die Situation des Helden komplett verändern, er gerät in große oder noch größere Schwierigkeiten oder auch Verwicklungen und muss sich da herauswinden; dadurch nimmt die Reise unter Umständen einen völlig anderen Verlauf, die Geschichte gewinnt an Spannung und Dynamik.

 

Die Protagonisten in Roadnovels haben sehr wohl ein Ziel, aber oft ist es sehr lose gesetzt und gerät im Laufe der Geschichte immer wieder aus dem Blick. Manchmal ist es eine Art Sehnsuchtsort oder die Beantwortung einer konkreten Frage: Wo ist mein verschwundener Vater? Es geht nicht selten um Selbstfindung: "coming out auf Age"-Geschichten, Abenteuerreisen als Bildungsreisen. Vielleicht deshalb die hier häufig verwendete "Ich"-Form.

 

Oft ist das Unterwegs sein an sich das Thema, man will gar nicht ankommen oder kann nicht, weil man auf der Flucht ist, dann ist der Tod das Ziel ("Thelma und Louise"). In der Regel jedoch gilt: "der Weg ist das Ziel".

 

Vielleicht ist das der Grund, warum Roadnovels nicht selten im Präsens geschrieben werden ("Paradiso", "Tschick"). Es geht ums Erleben im Moment, das wird auch dem Leser vermittelt. Häufiges Grundmuster: Zwei Menschen, die mehr oder weniger zusammen gehören oder gar eine Zufallsbekanntschaft bilden und irgendwie aufeinander angewiesen sind, erleben und erleiden gemeinsam Höhen und Tiefen (Thema: Freundschaft, Liebe, Solidarität).

 

So das war's erst mal. Euere Ideen?

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ohne mich jetzt mit diesem "neuen" Phänomen weiter befasst zu haben, beschleicht mich das Gefühl, dass mit "Road-Novel" einfach nur ein neues Schlagwort kreiert wurde, um eine Art von Literatur zu klassifizieren und zu vermarkten, die es spätestens seit Jack Kerouac schon immer gegeben hat.

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Lieber jueb,

 

wenn man sich zum Film für Kriterien wendet, dann scheinen die Amerikaner zu denken, sie hätten's erfunden...

 

Hier ein Beispiel: Ein Buch über Road Movies, inklusive gewisser Kriterien und Themenbündelung (Grenzen, Wege, Alternativrouten ...). Man kann auch ins Buch linsen unter dem Link. Jedenfalls gibt's für die Recherche schon viele Filmtitel, die Du Dir demnächst zu Gemüte führen kannst. :)

 

(Link ungültig)

 

The road is an enduring theme in American culture; from The Wizard of Oz to Thelma and Louise, and from Bonnie and Clyde to Natural Born Killers, cinematic portrayals of road journeys continually captivate the American imagination. But what is so American about the genre and why does it translate well to some countries but not others?

 

In The Road Movie Book, Steven Cohan and Ina Rae Hark collect essays that attempt to answer these, as well as other questions, about one of the key genres of modern cinema. Organized into three sections, the first, Mapping Boundaries, contains essays that sketch broad themes and ideological tropes of the genre. The following section, American Roads, further historicizes the issues raised in section one and traces the continual reinvention of the genre in Hollywood film from the early 1940s to the end of the 1980s. Alternate Routes, the final section of essays, concentrates on road films that depart from the American landscape or that travel on its cultural margins to explore why the road movie is so pertinent to those who are alienated or marginalized by society. The essays discuss a broad range of films, including Easy Rider, Thelma and Louise, The Grapes of Wrath, It Happened One Night, Faster Pussycay! Kill! Kill!, The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert, and My Own Private Idaho. With 44 stills from the movies discussed, this fascinating collection is the most comprehensive volume devoted solely to the genre of the road movie.

 

LG

Judith

"Felix", FVA 2015,  jetzt als Kindle eBook // Ab 12.7.2021: "Liebe braucht nur zwei Herzen", Penguin Verlag // Sommer 2022: "Wenn dein Herz woanders wohnt", Penguin Verlag

www.judithwilms.com

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Hallo jueb,

 

die Roadnovel (oder das Drehbuch zu einem Roadmovie) wäre - verkürzt formuliert - für mich die klassische Heldenreise, nur dass sie eben auf der Straße spielt. Der Autor von Tschick - Wolfgang Herrndorf - hat in einem Interview eine interessante Anspielung gebracht: am Ende des Romans hat er ein geheimnisvolles "Elixier" eingebaut, weil er der Meinung war, dass seine Heldenreise (nach Vogler) ansonsten nicht komplett sei.

 

Jochen.

"La carte est plus intéressante que le territoire" (Michel Houellebecq)

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Ohne mich jetzt mit diesem "neuen" Phänomen weiter befasst zu haben' date=' beschleicht mich das Gefühl, dass mit "Road-Novel" einfach nur ein neues Schlagwort kreiert wurde, um eine Art von Literatur zu klassifizieren und zu vermarkten, die es spätestens seit Jack Kerouac schon immer gegeben hat.[/quote']

 

Hallo,

 

das Gefühl habe ich auch. Was spricht dagegen, die "Odyssee" als erste Road-Novel zu betrachten?

 

Viele Grüße

 

Thomas

"Man schreibt nicht, was man schreiben möchte, sondern was man zu schreiben befähigt ist."&&- Jorge Luis Borges -

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Nicht dass ihr mich missversteht :-) Für mich ist dieses "Etikett" nur ein Hilfsmittel oder eine Krücke, um über dieses Thema nachzudenken. Ohne hierfür Experte zu sein, habe ich den Eindruck, der Begriff "Heldenreise" ist viel weiter gefasst.

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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@ThomasM, Matthias Herbert: Na und? Es spricht doch überhaupt nichts dagegen, einem bestimmten Typus von Geschichte - wenn man ihn sinnvoll definieren kann - einen Namen zu geben, um schneller auf den Punkt zu kommen.

 

Dass "Road-Novels" ein völlig neues Phänomen sind, hat glaube ich niemand behauptet. Und ja, vielleicht finden wir heraus, dass die Odyssee in der Tat nichts anderes als eine archetypische Road-Novel ist. Und warum auch nicht? Oder wir finden heraus, dass das, was wir gemeinhin als Road-Novel bezeichnen möchten, eben doch in einigen wesentlichen Aspekten unterschiedlich ist.

 

Eine sehr interessante Frage.

 

Andreas

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Ich finde es auch eine sehr interssante Fragestellung. Um so mehr, als in meinem aktuellen Projekt auch entsprechende Elemente enthalten sind, denen ich mich bislang mit den Zutaten "Heldenreise" und "Intuition" genähert habe. Für mich wären die spezifischen Roadnovel-Elemente Dinge, die typisch sind für das Leben "on-the-road", ohne (in der speziellen Ausprägung) zu stereotyp zu wirken, die Konflikte hervorrufen, oder Bühnen für Konflikte darstellen. Müsste ich ein Mindmapping anfertigen, kämen sicher Schlagworte wie: Autobahnraststätten, -brücken, Geldübergaben, LKW-Fahrer, Prostituierte, Tramper, Polizei, Absperrungen, Landstraßen, unerwartete Umleitungen, Navigationssysteme, Entführungen usw. usf zum Zuge. Bei Roadmovies denke ich immer an Amerika mit seinen endlosen Highways. Eine romantische Roadnovel könnte aber m.E. durchaus auch auf einer mecklenburg-vorpommer'schen Platanen-Allée funktionieren.

"La carte est plus intéressante que le territoire" (Michel Houellebecq)

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Die "Heldenreise" beschreibt meines Wissens nach etwas anderes.

Der Held einer Geschichte darf an Ende nicht mehr derselbe sein, wie am Anfang. Der Leser muss ihn auf einer Reise begleiten, die aber nicht zwingend mit einem Ortswechsel verbunden sein muss.

Es ist natürlich ungleich schwieriger, eine quasi statische Situation in eine Heldenreise zu kanalisieren.

Eine "Road-Novel" ist daher der leichteste Weg, durch äußere Einflüsse eine Bewegung im Inneren des Helden zu bewirken UND diese auch noch in unaufdringlichen Bildern darzustellen.

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Der Held einer Geschichte darf an Ende nicht mehr derselbe sein, wie am Anfang. Der Leser muss ihn auf einer Reise begleiten, die aber nicht zwingend mit einem Ortswechsel verbunden sein muss.

Es ist natürlich ungleich schwieriger, eine quasi statische Situation in eine Heldenreise zu kanalisieren.

 

Wenn du mit "statische Situation" die Gebundenheit an einen einzigen Ort meinst, muss ich widersprechen. Die Heldenreise ist in erster Linie eine innere Reise, und die kann auch in einer Einzimmerwohnung stattfinden.

 

In der "Roadnovel" bzw. dem "Roadmovie", so wie ich sie verstehe, spielen Landschaft und Raum eine wichtige Rolle. Das Genre kommt nicht umsonst aus Amerika, wo der Raum und das weite Land ein nationaler Mythos sind. Die Straße kommt erst durch das Auto hinzu. Vorgänger des Roadmovies (bzw. der Roadnovel) ist der Western. Ein Hauptthema ist daher die individuelle Freiheit. Deshalb hat es das Genre in Europa, insbesondere Deutschland schwer. Hier gibt es zwar viele Autobahnkilometer, aber wenig Weite. Es ist also nötig, das Genre anzupassen und neu zu deuten.

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Also widersprechen wir uns überhaupt nicht.

Denn mit "statischer" Situation meinte ich nur den Ort der Handlung, da sich die "Road-Novel" ja gerade über das ständige, räumliche "Unterwegs" definiert.

 

Ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen, dass die "Heldenreise" nichts mit in der Gegend herumlaufen, -reiten, -wandern, -schwimmen, -fliegen oder -fahren zu tun hat, wie irrigigerweise immer mal wieder gerne angenommen wird.

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Ich lerne einiges bei diesem Tread, danke für euer Nachdenken!

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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In der "Roadnovel" bzw. dem "Roadmovie", so wie ich sie verstehe, spielen Landschaft und Raum eine wichtige Rolle. Das Genre kommt nicht umsonst aus Amerika, wo der Raum und das weite Land ein nationaler Mythos sind. Die Straße kommt erst durch das Auto hinzu. Vorgänger des Roadmovies (bzw. der Roadnovel) ist der Western. Ein Hauptthema ist daher die individuelle Freiheit. Deshalb hat es das Genre in Europa, insbesondere Deutschland schwer. Hier gibt es zwar viele Autobahnkilometer, aber wenig Weite. Es ist also nötig, das Genre anzupassen und neu zu deuten.

 

Bumm! Jetzt ist mir gerade klar geworden, wie der Film "Wir können auch anders" funktioniert. Als Westernparodie. Die Rolle von John Wayne hat da der russische Deserteur, oder?

 

jueb, kennst du den Film?

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen' date=' dass die "Heldenreise" nichts mit in der Gegend herumlaufen, -reiten, -wandern, -schwimmen, -fliegen oder -fahren zu tun hat, wie irrigigerweise immer mal wieder gerne angenommen wird.[/quote']

 

Romane oder Filme, die allein von ihrer Action getragen werden, beinhalten meist Figuren, die wenig oder keine Entwicklung durchmachen. Ein James Bond braucht nichts dazuzulernen, denn man will ihn genau so frisch und klischeehaft in der nächsten Folge wiedertreffen.

 

In allen anderen Werken ist doch eine Entwicklung der Figuren mehr oder weniger von Bedeutung. Daraus abzuleiten, alle Romane, die eine Entwicklung des Prota erzählen, seien Heldenreisen ... nun, kann man so interpretieren ... finde ich aber, den Begriff übermäßig ausdehnen.

 

Dass das Verlassen eines Ortes, an dem man viele Jahre verbracht hat, also eine physische Reise tatsächlich viel Neues, Erfahrungen und Anstöße bringt, die den Prota verändern, ist eine Binsenweisheit. Ist aber gerade deshalb schon immer sehr beliebt gewesen, seit es Menschen gibt, die sich Geschichten erzählen. Odysseus ist ein gutes Beispiel, Jason, Theseus, auch die Siegfriedsage, Ritterromane, Parsival und die Suche nach dem Gral. Eigentlich wimmelt unsere ganze Kulturgeschichte von Heldenreisen oder Road Novels, wenn man sie so nennen möchte.

 

Ich selbst mag diesen Ansatz sehr. Mein "Bastard" ist in großen Teilen ein Road Novel und mein zweites Buch noch mehr, in beiden führt die Reise zu plötzlichen Wendungen und Überraschungen auf dem Weg, zu Einsichten und Entwicklungen des Protas. In meinem nächsten Roman wird es ganz ähnlich sein. Mal wird das Ziel erreicht, mal nicht. Mal wird der Prota erniedrigt und fast zerstört, immer aber wächst er innerlich durch das Erlebte.

 

All das kann man auch in einer "inneren" Reise darstellen. Trotzdem finde ich, bietet die physische Reise da viel mehr an Potenzial.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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@ angelika jo (auch wenn ich nicht jueb bin...)

 

"Wir können auch anders" funktioniert deshalb in erster Linie (bzw. nur deshalb), weil die Protagonisten Analphabeten sind und eben keine Ahnung haben, wo sie sich gerade in D befinden.

Buck hat damals gereizt, ein "Roadmovie" nicht in der Wildnis sondern in der Hochzivilisation zu drehen und zwar in einem Land, das man sogar mit einem alten Laster in zwei Tagen der Länge nach durchfahren kann, und in dem die Wahrscheinlichkeit, sich auf einer Straße zu verirren, eigentlich nicht gegeben ist.

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@ angelika jo (auch wenn ich nicht jueb bin...)

 

"Wir können auch anders" funktioniert deshalb in erster Linie (bzw. nur deshalb), weil die Protagonisten Analphabeten sind und eben keine Ahnung haben, wo sie sich gerade in D befinden.

Buck hat damals gereizt, ein "Roadmovie" nicht in der Wildnis sondern in der Hochzivilisation zu drehen und zwar in einem Land, das man sogar mit einem alten Laster in zwei Tagen der Länge nach durchfahren kann, und in dem die Wahrscheinlichkeit, sich auf einer Straße zu verirren, eigentlich nicht gegeben ist.

 

Ja, ja, das passt schon. Das ist das Parodistische.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Ich hatte dich anders verstanden und mich selbst vielleicht nicht klar genug ausgedrückt. Daher nur zur Klärung: Ich wollte vor allem darauf hinaus, dass es nicht "ungleich schwieriger" ist, "eine quasi statische Situation in eine Heldenreise zu kanalisieren." In allen Romanen, in denen der Protagonist nicht unterwegs ist, ist es ja so. In der Roadnovel ist es vielleicht ein bisschen leichter, eine möglicherweise fehlende innere Entwicklung zu kaschieren. Ja, darin sind wir einer Meinung.

 

Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Ich bin jueb :-) und muss mir den Film, den ich nur vom Hörensagen kenne, also doch mal anschauen. Spielt da nicht Heike Makkatsch mit und singt ein Liedchen? Oder verwechsle ich sie mit Jenny Elvers?

 

Was mir noch einfällt - von theoretischen Kenntnissen über die Heldenreisen völlig unbeleckt - spielt bei Roadmovie/Roadnovel nicht das Eingeschlossen- und Abgeschlossensein im Auto eine wichtige Rolle? Selten ist man und kommt man sich so nahe, als wenn man stundenlang zusammen in einem Auto sitzt? Und ist im (klassischen) Roadmovie nicht Gesellschaftskritik angelegt? Es sind ja oft Außenseiter oder Menschen, die gesellschaftlich nicht Fuß fassen oder sich dem großen Ganzen verweigern, die ins Auto steigen und nur einfach weg wollen.

 

In dem Buch "Paradieso" (=Roadnovel oder Roadmovie) macht der Held keine Entwicklung durch, wohl aber der Leser, der am Ende über dessen Charakter erschüttert ist.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ich bin jueb :-)

 

Wie schön für dich! (Und für uns natürlich).

 

und muss mir den Film, den ich nur vom Hörensagen kenne, also doch mal anschauen. Spielt da nicht Heike Makkatsch mit und singt ein Liedchen? Oder verwechsle ich sie mit Jenny Elvers?

 

Ich habe gerade nachgesehen, das waren großteils unbekanntere Schauspieler, nur Joachim Krol in der Hauptrolle hatte damals schon einen Namen, glaube ich. Gesungen wird ein Soldatenmarsch auf Russisch - herrlich heroisch!

 

Schau dir den Film auf jeden Fall an, er ist wundervoll. (Meinem hart gesottenen Gemahl sind seinerzeit die Tränen gekommen am Schluss ...)

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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In der Roadnovel ist es vielleicht ein bisschen leichter, eine möglicherweise fehlende innere Entwicklung zu kaschieren.

 

Grüße

Andreas

 

Lieber Andreas,

 

diesen Satz finde ich sehr bemerkens- und bedenkenswert. Ich glaube, da ist etwas dran. Ich denke zum Beispiel an die Roadmovies von Wim Wenders, in denen sich die "Helden" oftmals kaum oder gar nicht verändern.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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...und wieder laufen wir Gefahr, Kunstformen zu vermischen, nur weil beide sich zu den erzählenden rechnen.

 

Es ist bei etwas Talent und einem guten Kameramann sowie einem perfekten Score nicht besonders schwer, sich über inhaltliche, dramaturgische und konzeptionelle Mängel hinweg zu mogeln, wenn man einen Film macht.

 

Bei einem Buch ist das ungleich schwerer.

Einen Film kann man auch wegen einzelner Momente lieben, wegen bestimmter Situationen oder Einstellungen oder Blenden, die Stimmung auf zwei sensorischen Ebenen liefern.

Kein Mensch muss 2001 VERSTEHEN, solange es die Blende von Knochen auf Raumschiff gibt und die Raumstation sich zu "An der schönen blauen Donau" dreht.

Kubrick selbst hat einmal gesagt, dass er seine Filme von jeher um drei, vier starke, filmische Momente herum gebaut hat und der Rest, insbesondere Fabel und Dramaturgie eher zweitrangig war.

Genau so sehen sie auch aus, sind aber trotzdem Ereignisse.

 

Bücher übermitteln gar keinerlei Sinnlichkeit.

Bücher finden im Kopf statt und sind in sofern phantasiefrei nicht konsumerabel.

Wer würde schon ein Buch nur wegen einer zwei Seiten umfassenden, genialen Szene lesen, wenn der Rest öde oder unverständlich ist oder beides?

 

Conclusio?

 

Im Film kann ich eher einen Menschen auf eine weite Reise ins Unbekannte schicken, während der mit ihm nicht wirklich Wesentliches passiert, und er kann trotzdem interessant bleiben.

 

Bei einem Buch, denke ich, ist das ziemlich schwer.

 

Ich meine, man muss mehr als ein wenig aufpassen, wenn man anfängt, über erzählerische und stilistische Mittel der Literatur zu diskutieren, dass man sich dem Automatismus verweigert, praktisch sofort FILME als Beispiele heran zu ziehen.

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Ich würde dir in mehrerer Hinsicht widersprechen.

 

Man könnte zum Beispiel schon diskutieren, was denn dramaturgische und konzeptionelle Mängel sind, denn was der eine als solche einstuft, ist für einen anderen wiederum eine bewusst gewählte künstlerische Entscheidung. Es gibt Filme und es gibt Beispiele aus der erzählenden Literatur, bei denen Fabel und Dramaturgie zweitrangig, und die trotzdem Ereignisse sind - wie du schreibst - und es gibt Beispiele für das Gegenteil, dass der Verzicht auf diese "Standards" zu öden, uninteressanten Ergebnissen führt. Autoren wie Peter Handke oder Brigitte Kronauer verzichten tendenziell gerne auf Fabel und Dramaturgie und konzentrieren sich auf Reflexion, Schönheit der Sprache usw. Oder ein älteres Beispiel: Fontane "Stechlin" auf hunderten von Seiten passiert so gut wie nichts.

 

Ich sehe hier keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Film und Literatur. Ich würde sogar das Gegenteil behaupten. Aufgrund der immens hohen Produktionskosten müssen Filmemacher viel mehr auf Dramaturgie und "spannende" Handlung achten, weil diese Kunstform darauf angewiesen ist, ein Massenpublikum zu erreichen. All das, versteht sich, ist nicht wertend gemeint.

 

Herzlichst

jueb

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Ich hole den Thread mal wieder hoch, um euch zu fragen: Glaubt ihr, dass in Road Novels das Drei-Akt-Modell angewendet wird und wenn ja, in welchen?

Könnte es sein, dass die Wendepunkte weniger spürbar, subtiler sind? Weil eben die Atmosphäre, das Reisen, die Situation im Auto, die Landschaft etc. im Vordergrund stehen ...

Ich denke dabei auch an einen Film wie "little Miss Sunshine", bei dem die dramatische Entwicklung - für mich - so unterschwellig abläuft. Aber noch unterschwelliger habe ich das Gefühl, dass ich evtl. zu blöd bin, um die Wendepunkte zu erkennen. Falls jemand mich mit der Nase draufstoßen will, bitte ich darum!

 

Hat jemand von euch Erfahrung im/ wichtige Hinweise zum Plotten eines Roadnovels? Und wenn ja, welche? Oder Lesetipps?

fragt interessiert

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ich habe immer noch ganz wenig Zeit übrig, deshalb hier nur ganz hastig: "Wir können auch anders" von Buck. Kennst du den? Seit ein paar Jahren schaue ich Filme sowieso immer mit dem Spähauge auf die Wendepunkte an, den hier habe ich öfter gesehen, einmal mit einer Koreanerin zusammen, die in Moskau Film studiert hatte. Also kurz und gut - wir waren uns einig: 3 Akte.

 

1. Akt bis dahin, wo die drei Helden die Räuber in den See dirigieren, ab dann sind sie kriminell und haben zudem festgestellt, dass sie wirklich "ganz anders" könnten. Beginn 3. Akt, als sie bemerken, dass sie gesucht werden und durch die östlichen Landstriche flüchten. Klimax: Die rothaarige Schöne läuft scheinbar zur Polizei über. Und dann kommt ja auch schon die Auflösung. Von der zeitlichen Einteilung her scheint es auch zu passen.

 

Ich zeig den Film immer, wenn für die Studenten acht Monate Studium rum sind. Er läutet sozusagen den letzten Akt für sie ein und gefällt allen. Allen. Ich empfehle ihn schon wegen des Vergnügens.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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