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AlfL

Kind 44 (Tom Rob Smith)

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Ich habe dieses Buch gerade gestern Nacht fertigverschlungen und kann nicht anders, als eine Kritik zu diesem von vorne bis hinten eindrucksvollen Roman zu schreiben. Ich muss dazu sagen, dass "Kind 44" weder meinem Lieblingsgenre (Thriller) noch meiner Lieblingszeit (50er) noch meinem Lieblingsland (Sowjetunion) entspricht und doch finde ich es meisterhaft geschrieben.

 

Klappentext

»Kind 44« ist mehr als ein atemberaubender Thriller, das Buch ist eine erschütternde Reise in die finsterste Epoche der russischen Geschichte.Moskau, 1953. Auf den Bahngleisen wird die Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Nackt. Fürchterlich zugerichtet. Doch in der Sowjetunion der Stalinzeit gibt es offiziell keine Verbrechen. Und so wird der Mord zum Unfall erklärt. Der Geheimdienstoffizier Leo Demidow jedoch kann die Augen vor dem Offenkundigen nicht verschließen. Als der nächste Mord passiert, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln und bringt damit sich und seine Familie in tödliche Gefahr... Der Autor:Tom Rob Smith wurde 1979 als Sohn einer schwedischen Mutter und eines englischen Vaters in London geboren, wo er auch heute noch lebt. 2001 graduierte er in Cambridge und ging für ein Jahr nach Italien, wo er Creative Writing studierte. In den letzten fünf Jahren arbeitete Tom Rob Smith als Drehbuchautor, unter anderem half er fünf Monate lang in Phnom Penh, Kambodschas erste Soap Opera zu entwickeln. »Kind 44«, Tom Rob Smiths erster Roman, wird derzeit in 17 Sprachen übersetzt und ist auf dem besten Weg, ein internationaler Bestseller zu werden.

 

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Kurzinhalt

Der lininetreue MGB (Vorläufer des KGB) Offizier Leo aus Moskau ist ein Kriegsheld und ein gut funktionierendes Rädchen im Getriebe des grauenhaften Macht- und Gewaltapparates unter Stalins Schreckensherrschaft. Alles läuft gut für ihn, seine Ehe mit Raisa ist vorbildlich (mehr aber auch nicht) bis er eines Tages mit dem Mord an einem kleinen Jungen konfrontiert wird. Brisant ist dabei, dass es sich dabei um den Sohn eines Arbeistkollegen handelt und dass es in der damaligen Sowjetunion keine Kriminalität geben DURFTE, denn das hätte die Kompetenz des ganzen Apparates in Frage gestellt. Folglich soll Leo helfen, dem Arbeistkollegen diesen Unsinn aus dem Kopf zu schlagen, bevor sich das herumspricht, denn der Kollege als auch seine ganze Familie beharren auf der Mordtheorie und es gibt sogar eine Augenzeugin. Nötigenfalls soll Leo sogar Gewalt und Folter anwenden, um den Kollegen zurück auf Linie zu bringen. Leo gehorcht.

 

Im weiteren Verlauf richtet sich der Apparat aber gegen ihn selbst, nachdem er die Mordtat seines ultrastanilistischen und tendenziell sadistischen Untergebenen Wasili an zwei unschuldigen Töchtern eines ebenfalls unschuldigen Verhafteten verhindert, in dem er Wasili niederschlägt. Bald schon sieht sich Leo dadurch selbst als Verfolgter und Bespitzelter und gerät durch die Intrigen und Verleumdungen Wasilis in Verdacht antisowjetischer Umtriebe. Als er dann auch noch die geforderte Denunzation seiner eigenen Ehefrau ablehnt, wird er degradiert und weit in den Norden strafversetzt.

 

Doch der Mörder tötet weiter. Immer wieder werden nackte, ausgewaidete Kinder gefunden, denen man Baumrinde in den Mund gestopft und eine Schlinge um die Füße gebunden hat. Die Krux: Durch die systembedingte und politisch motivierte Vertuschung erfahren die einzelnen Polizeistationen nicht von den anderen Morden ein paar Kilometer weiter und suchen sich, um schnelle Lösung bemüht, lieber lokale Systemgegner oder harmlose, psychisch Kranke, denen sie die Morde in die Schuhe schieben. Leo hat alles verloren und setzt sich nun zum Lebensziel, diesen Mörder zu fassen, der, vom stalinistischen System geschützt, welches Leo immer mehr infragestellt, entlang der Eisenbahnlinie zwischen Moskau und Sibirien nach seinen Erkentnissen 43 Kinder umgebracht hat.

 

Am Ende wartet auf ihn nicht nur die Liebe seiner Frau, sondern auch die böse Überraschung, dass er dem Mörder näher stand, als er es je vermutet hatte. Denn auch Leo ist nicht der, für den er sich ausgibt.

 

 

Kritik

Nicht nur, dass die Geschichte meisterlich geplottet ist, viel faszinierender ist es, dass es Tom Rob Smith gelingt, den Leser derart in diese Zeit hineinzuziehen, dass man die Angst, den Hunger, den Terror und die Unterdrückung des stalinistischen Systems am eigenen Leib zu spüren glaubt. Ein Thriller, der, trotz der blutrünsigen Morde, nie durch sinnlose Brutalität besticht, sondern einem die subtile Grausamkeit eines menschenverachtenden Systems aufzeigt, dass immer wieder seine eigenen Eltern und Kinder frisst. Dieses Buch schafft es eine Liebesbeziehung, einen (auf wahren Fakten basierenden!) Serienmörderfall und die Vermittlung von historischen Tatsachen derart unauffällig und damit authentisch zu vermitteln, dass man völlig in diesem Buch versinkt. Es ist emotional, spannend, persönlich, tiefgründig und unglaublich gut recherchiert, aber niemals reißerisch oder platt. Auch die Sprache des Autors ist unauffällig, oft schildernd und schnörkellos, aber genau deshalb oft treffender, als sie eine mit Metaphern geschmückte Wortakrobatik vermitteln könnte.

 

Einziger Kritikpunkt: Die Motivation des Mörders ist zwar absolut nachvollziehbar, aber hat mich nicht 100%ig überzeugt. Ausmaß der Taten und deren subjektiver Sinn standen für mich in keinem Verhältnis. Das tut diesem Werk aber keinen Abbruch.

 

Fazit: UNBEDINGT LESEN!  ;)

"Man muss noch Chaos in sich haben,

um einen tanzenden Stern zu gebären."

Friedrich Nietzsche

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Alf, ich gebe Dir recht! Unbedingt lesen! Es hat auch mich fasziniert und gefesselt, gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen. Obwohl es ebenfalls weder meine Zeit noch mein Land ist.

 

Allerdings habe auch ich zwei Kritikpunkte. Wenn ich mit der Motivation des Mörders noch klar kam, so hat mir das Ende nicht gefallen. Denn die Wandlung, die Leo im Laufe des Romans vollzieht, finde ich nicht realistisch. Ebenso bin ich der Meinung, dass auch er am Ende eine gerechte Strafe für sein Verhalten verdient hätte. Obwohl ich Happy Ends liebe (so man hier überhaupt davon sprechen kann...), hier hat es mich gestört.

Und den zweiten Punkt habe ich neulich schon einmal angesprochen. Mich haben die Perspektivwechsel innerhalb der einzelnen Kapitel fast wahnsinnig gemacht!

 

Wenn man einen spannenden Thriller aus einer schweren Zeit lesen möchte, ein Buch, das einen von der ersten Seite mitreißt und mit den Perspektivwechseln leben kann ;), dann ist es absolut lesenswert und nur zu empfehlen!

 

Katrin

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