Zum Inhalt springen
Andrea S.

gebrochene Helden

Empfohlene Beiträge

 

Auf jeden Fall sollten die vorhandenen Verletzungen auch die Geschichte bestimmen. SOnst kann man sie nämlich nicht nur streichen, sondern sollte es auch.

 

Hans Peter

 

Wirklich? Darf ein Krimi nicht mehrere Schichten haben? (Ich bleib einfach mal kurz einfachheitshalber beim Genre Krimi).

Aber sicher darf ein Krimi. Nur sollten die dann auch irgendwie zusammenhängen.

 

Um dran zu bleiben, braucht's doch einen Charakter, der ein Charakter ist und nicht nur milchig hinter der Handlung verschwimmt, weil er wahrscheinlich eine Vergangenheit hat, die jedoch der Fantasie der Leser überlassen bleibt.

Aber ein Charakter prägt die Handlung. Und wenn die Verletzung die Handlung nicht prägt, dann wirkt es schnell aufgesetzt. Marlowe agiert anders als Kommisar Maigret.

 

Und ansonsten? Wenn wir vom Krimi wegschauen? Tatsächlich habe ich es noch nicht erlebt, das ein Held eines Fantasyromans ein verzwickstes tiefenpsychologisches Problem hat. Ist es zu kurios, den Helden zwischen der Jagd nach einem magischen Kristall und dem Erlernen von Zauberformeln auf die Couch zu schicken?

Da kann ich dir aber einige nennen. Aber auch da prägt das die Handlung, die Geschichte, oder es nervt. Harry Potter ohne die Narbe auf der Stirn ginge nicht.

 

Das Maß ist wichtig, die Dramaturgie. Manchmal kann doch eine Rückbesinnung nach Innen die äußere, formale Handlung sehr spannend ergänzen. Oder nicht?

Aber genau darum geht es. Ergänzung ist gut, aufgesetzt ist es nicht :s22

 

Hans Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Harry Potter ist ein gutes Beispiel, Hans Peter, aber auch eines dafür, wie man es übertreiben kann. In einem der Bücher (weiß jetzt leider nicht mehr, welches), geraten Harry und seine Freunde voll in die Pubertät und dann geht es rund mit den Gefühlen. Da hat sich die Joanne Rowling ziemlich verloren in dem Gefühlswirrwarr und das war mit viel zu viel.

 

Wie du richtig sagst: es kommt auf das Maß an und darauf, dass es einen Bezug zur Geschichte hat, zu den Motivationen der Charaktere Dinge zu tun oder zu lassen, die die Handlung beeinflussen.

 

Ein Kommissar, der Alkoholiker ist, dessen Treiben sich aber gar nicht oder nicht nachvollziehbar auf das Geschehen auswirkt, der wirkt eben aufgesetzt.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Und deshalb vermute ich eine Modeerscheinung dahinter.

 

Weil viele Autoren krampfhaft nach einem Leid in der Seele ihres Protagonisten suchen, dabei aber vergessen, dieses Leid organisch in die Handlung mit einzubinden.

 

Was dabei herauskommt ist eben manchmal nur nervende Larmoyanz.

 

Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn Hauptfiguren eine vielschichtige Vergangenheit haben, ich plädiere ständig dafür.

Aber sie darf nicht die Führungsrolle übernehmen.

 

Manchmal mag es eben doch besser sein, einen psychisch halbwegs gesunden Helden zu haben, als ihm mit Gewalt einen Jammerlappen anzudichten.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich habe auch Probleme, wenn mein Kühlschrank ausfällt und muss dann in Aktion treten. Ohne dass dabei meine schlimme Kindheit nötig wäre

Stimmt, aber würdest Du ein Buch kaufen, dass von einer fidelen Andrea handelt, die (vielleicht ein wenig murrend) in der Küche kniet, versucht, den Kühlschrank zu reparieren und dann irgendwann den Handwerker ruft? Ich denke schon, dass Marc da einen Nagel auf den Kopf getroffen hat. Nicht umsonst singen Therapy?: "Happy people have no stories."

 

Alltag hab ich selbst fast jeden Tag. Die Frage für mich ist eher, ob die Figuren originell und liebevoll gestaltet wirken oder schabonenhaft - und das können gesunde Helden auch. Mich haben Jugendbücher damals extrem gestört, wenn der Protagonist unheimlich stark und schlau und dann auch nett war. Den starken Wanja zum Beispiel fand ich fad.

www.klippenschreiber.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Und deshalb vermute ich eine Modeerscheinung dahinter.

 

Vielleicht ist das so, aber Sherlock war ja auch kein Saubermann. Und Schimanski hatte auch nur solchen Erfolg, weil er eben nicht der adrette Derrick war. Das war damals etwas ganz Neues.

 

Ich vermute, dass "gebrochene" Helden grössere Empathie erzeugen. Vielleicht aus dem Grund, weil man sie bewundert. Hey, dem Mann geht's total beschi..., aber er meistert trotzdem sein Leben und löst nebenher noch x-Mordfälle! Was für ein Kerl!

 

Aber du hast Recht, noch mehr Jammerlappen braucht kein Mensch. Die gibt's im realen Leben schon genug.  ;)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Manchmal mag es eben doch besser sein, einen psychisch halbwegs gesunden Helden zu haben, als ihm mit Gewalt einen Jammerlappen anzudichten.

Jammerlappen heißt ja auch so, weil der nichts tut. Also nicht nur Traumata hat, sondern die nicht in Handlung folgen.

 

Nach heutigen Erkenntnissen war Odysseus extrem traumatisiert. Aber er sitzt nicht am Strand und bejammert seine unglückliche Zeit vor Troja und dass Poseidon ihn nicht liebt ;-).

 

Der Held ist schwer traumatisiert, weil seine Mama ihm immer Himbeermarmelade aufs Brot geschmiert hat. Dabei hätte er doch so gern Erdbeer gehabt. Aber nein, Kinder haben nichts zu wollen und du isst, was ich dir aufs Brot schmiere.

 

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Der Autor kann das immer wieder bejammern und zeigen, dass der Held seitdem dem Erdbeerschnaps verfallen ist. Keine Rettung nirgends!

 

Oder der Held bestellt im Cafe immer, sobald Mama erscheint, einen dicken Erdbeerkuchen oder ein Brot dick mit Erdbeermarmelade bestrichen. Und zum Geburtstag bringt er ihr einen Korb mit Erdbeeren :s22

 

Vielleicht tauchen aber die Jammerlappen so oft auf, weil man auf gute Besprechungen im Feuilleton hofft? Der Autor versteht es meisterhaft, die frühkindlichen Himbeeren mit dem Erwachsenen-Alkoholproblem zu verknüpfen ohne je Gefahr zu laufen, in billige heile Welt-Klischees abzudriften ...

 

Helden, die nicht jammern, sind im Feuilleton nicht immer gerne gesehen. Da kommt schnell der Vorwurf des Supermann-Klischees.

 

Hans Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich habe auch Probleme, wenn mein Kühlschrank ausfällt und muss dann in Aktion treten. Ohne dass dabei meine schlimme Kindheit nötig wäre

Stimmt, aber würdest Du ein Buch kaufen, dass von einer fidelen Andrea handelt, die (vielleicht ein wenig murrend) in der Küche kniet, versucht, den Kühlschrank zu reparieren und dann irgendwann den Handwerker ruft? Ich denke schon, dass Marc da einen Nagel auf den Kopf getroffen hat. Nicht umsonst singen Therapy?: "Happy people have no stories."

 

Muss man mal Janet Evanovich lesen ...

 

Nein, nein, nein, die Handlung wird nicht immer vom inneren Konflikt des Helden angestoßen.

Und eine spannende, temporeiche Handlung voller Abwechslung und unerwarteten äußeren Wendungen kann nur ein Held meistern, der eben nicht ständig mit sich im Hader liegt.

 

Und aus der oben geschilderten Situation könnte man einen wunderbaren Krimi gestalten, bei dem anschließend der Handwerker mit durchschnittener Kehle am Garderobenhaken aufgehängt endet und die fidele Andrea DANN ihr Kühlschrank-Trauma entwickelt.

 

Andrea, deren Bücher komischerweise gekauft werden

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ja, aber das wäre ja der Unterschied zwischen gebrochenen und ewig hadernden Helden ...

 

Nein, nein, nein, die Handlung wird nicht immer vom inneren Konflikt des Helden angestoßen.

Nö, wieso denn immer? Gibt es wirklich gar keine sympathischen Protagonisten mehr? Scheint mir im Jugendbuchbereich weniger das Problem zu sein (Glück gehabt  8-) Vielleicht lese ich zu wenig "Erwachsenenliteratur", um das Ausmaß des von Dir geschilderten Problems abschätzen zu können.

 

Gruß

 

A

www.klippenschreiber.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Könnt sein, dass wir jetzt aneinander vorbeireden oder ich Dich nicht richtig verstehe.

 

Ich habe auf meinen Eindruck verwiesen, dass es meiner Meinung nach einen Trend gibt, gebrochene Helden zu gestalten. Wobei ich hätte präziser sein müssen und sagen sollen, dass das Gebrochene, Ambivalente dieser Helden immer aufdringlicher wird.

 

Sicher gibt es noch eine ganze Reihe Protagonisten mit einem durch eine bemerkenswerte Vergangenheit geprägten Charakter, die sich nicht ständig im Jammer suhlen. So dass die gebrochenen Helden mehr und mehr zu hadernden Helden oder gar Jammerlappen werden, statt sich um ihre äußere Handlung zu kümmern.

 

Und nein, nochmal, nicht der innere Konflikt muss die Geschichte in Bewegung setzen. Es kann auch ein äußerer sein.

Sonst gäb es besispielsweise keine Thriller, sag ich mal.

 

Andrea, gleich hadernd :s07

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

In vielen modernen Romanen wird aber nicht gejammert, sondern die Handlung triggert sozusagen das Problem des Helden, das er so lange verdrängt hat. Nun muss er sich damit auseinander setzen, ob er will oder nicht. Steht ihm das Problem nun im Wege, oder kann er darüber hinauswachsen und trotzdem die Handlung durchstehen?

 

Das ist glaube ich das Spannende daran und ist nicht neu - im Gegenteil. Gerade in der Romance ist das stets das Grundthema. Schon immer gewesen.

 

Und das mag ganz menschlich sein. Wer bekommt zum Beispiel das meiste Publikumsinteresse bei Casting-Shows? Die schon mit 16 Jahren Gebrochenen. Für die interessiert man sich. Weil sie eine Geschichte zu erzählen haben. Jammern müssen sie dafür gar nicht mal, sondern wenn sie sich dennoch stark geben, haben sie die Liebe des Publikums auf ihrer Seite.

 

LG

Martina

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich frage mich gerade, wie ich damit umgehe, da ich mir über dieses Thema keine tiefen Gedanken gemacht habe. Ich wollte nie einen Helden mit Traumavergangenheit schaffen, jedenfalls keinen Jammerlappen.

 

Im ersten Buch hat der Held einige Problemchen aus der Vergangenheit, aber die hat er eigentlich versucht zu vergessen. Die Vergangenheit drängt sich dann sozusagen von selbst auf, packt ihn an der Nase, sich verspätet damit auseinanderzusetzen. Das nimmt aber keinen enormen Raum Im Roman ein. Es sind eher die Probleme der Gegenwart, die ihn in Atem halten.

 

Im zweiten Buch hat die Vergangenheit kaum Einfluss auf die Protas. Es sind junge Menschen, die sind in ihrer Unerfahrenheit vollauf damit beschäftigt, die Gegenwart zu meistern, die ihnen einige Beinchen stellt.

 

In meinem dritten Projekt habe ich vor, von einem netten jungen Kerl zu erzählen, der dann aber im Laufe der Geschichte bös durch die Mangel gedreht wird. Es geht darum, ob und wie er das überlebt, seelisch wie körperlich. Schaden wird er dabei zweifellos nehmen. Von seiner fröhlichen Unschuld wird nichts übrig bleiben.

 

Ich versuche also, kein festes Schema einreißen zu lassen und Themen wenn möglich, anders anzugehen, als ich schon gemacht habe.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Nicht umsonst singen Therapy?: "Happy people have no stories."

 

Ach, ich liebe sie, diese Kurz-Weisheiten.  :s22 Sie sind meistens so wunderbar wahr wie sie grotten falsch sind. Was bin ich happy, dass die Anliegen von Geschichten und Romanen und deren Protas sich nicht auf die Länge von Songtextzeilen reduzieren lassen. Denn:

- happy people erzählen vielleicht aktuell nicht gern Geschichten, weil sie gerade ihr happiness vollauf genießen (aber Hallo, klar haben sie Geschichten)

- happy people sind in der Regel nicht 30 Jahre lang am Stück happy

- happy people erzählen vielleicht später:

a) weil es schön ist, aus der Erinnerung die happy Zeit zu erzählen

b) weil sie später erkennen, so happy war das gar nicht

c) weil es happy war aber nun nicht mehr ist

Also, auch Begeisterung, Glück, Wohlsein, Zufriedenheit, Verliebtheit, Liebe, Lebenslust, Idealismus, erfolgreiches Engagement usw. dürfen und können Entwicklungen in Romanen bzw. im Leben von Romanhelden bestimmen. In der Regel ist diese Art von happiness die eine Seite der Medaille.

 

Es mag ja auch happy people geben, die vom Kindergarten bis zum Altersheim durchgehend nur voll happy drauf sind in dieser Welt. Und von diesem Happy-Sein überzeugt sind. Was dann mit happy auch immer gemeint sein will.

Vielleicht gibt es solche ungebrochen happy people. Und vielleicht sind wir auf deren Geschichten auch zurecht nicht unbedingt scharf?  :s22

 

leicht boshaft LG, Imre

Gib, gib auch nach, aber gib nicht auf.&&www.imre-toeroek.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo zusammen,

 

wenn der gut aussehende Sportstar einer Schule mit einer Cheerleaderin zum Schulball geht, entsteht daraus keine Geschichte- wenn aber eine Außeinseiter/ eine Außenseiterin eine der oben genannten Figuren zum Schulball ausführen will, muss er eine "Heldenreise" machen- die im Rahmen einer Geschichte erzählt wird. Das bedeutet aber nicht, dass der Außenseiter eine gebrochene Figur sein muss. Seltenheit, weil sie letztlich die erzählte Geschichte auf einer weiteren Ebene hinterfragen. In den meisten Geschichten muss eine Figur "nur" ihre eigenen Begrenzungen und Probleme auswachsen, um sich weiterzuentwickeln.

 

Eine gebrochene Figur bedeutet, dass diese Figur trotz all ihrer Bemühungen und Erfolge das eigene Trauma nicht überwinden kann. Deshalb sind gebrochene Figuren eigentlich eine Ausnahmeerscheinung, die sich auf bestimmte Texte und Textarten beschränkt.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo zusammen,

 

wenn der gut aussehende Sportstar einer Schule mit einer Cheerleaderin zum Schulball geht, entsteht daraus keine Geschichte-

 

Doch, wenn nämlich Terroristen beim ersten Tanz die Halle abfackeln.

Oder sie sich an einer Seuche anstecken.

Oder die Erde bebt.

Oder sie irren Sex auf der Tanzfläche haben.

 

Ich rauf mir langsam die Haare.

 

Trotzdem happy

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Andrea, Du hast es nochmal auf den Punkt gebracht, was Dich so stört: Wenn die Neurosen und Brüche des Helden mehr Raum einnehmen als die äußere Handlung. Und wahrscheinlich haben wir deshalb aneinander vorbeigeredet, weil mir Bücher mit derart "gebrochenen Helden" noch nicht untergekommen sind.

 

Dies liegt vielleicht daran, dass ich mich überwiegend im Kinder-/Jugendbuchbereich umsehe. Dort müssen die Hauptfiguren m. E. wesentlich sympathischer sein, damit die jungen Leser auch Lust haben, sich mit ihnen zu identifizieren. Nur mein individueller Eindruck.

 

Gruß ins Wochenende

 

Andreas

www.klippenschreiber.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Nicht umsonst singen Therapy?: "Happy people have no stories."

 

Ach, ich liebe sie, diese Kurz-Weisheiten.  :s22 Sie sind meistens so wunderbar wahr wie sie grotten falsch sind.

 

Imre, klar sind auf eine Zeile eingedampfte "Weisheiten", äh, ich sag's mal vorsichtig, lückenhaft und decken nicht jede denkbare Variante ab. Oftmals steckt hinter ihnen aber ein wahrer Kern, die sich eben auf eine Vielzahl von beobachteten Ereignissen anwenden lassen. Sonst hätten sich ja auch Volksweisheiten und Sprichwörter nicht so lange gehalten. Die sind teilweise urururalt. Kennt heute noch jemand das umständliche Gefasel des Kanzlers zum Jahreswechsel? Da ist das berühmteste doch die Kohlrede, die vom VORJAHR abgespielt wurde.

 

Sorry, war ein wenig nebendem eigentlichen Thema.

www.klippenschreiber.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich stimme mit Andrea überein, dass die "tragische" Vergangenheit einer Figur eigentlich nicht so wichtig ist. Viel mehr Gewicht hat meiner Ansicht nach die Motivation der Figur, die sie zum Handeln treibt. Natürlich kann man einwenden, dass diese Motivation ja genau in der tragischen Vergangenheit gründen kann, aber ich finde, es gibt einen Unterschied: Wenn ich mich auf die Motivation konzentriere, blicke ich in die Zukunft meiner Figur, die Vergangenheit ist nur der Anschieber für ihre Entwicklung, statt ewig darauf herumzureiten, wie schlecht es ihr geht.

 

Auch meine Kommissarin mit drei Kindern, Hockeytraining und Elternbeirat wird jede Menge Probleme in ihrem Alltagsleben haben, die sie hindern oder voranbringen und in Konflikte stürzen (was, wenn sie gerade den Mörder verfolgt, aber ihre Kinder von der Schule abholen müsste?  ;)).

 

Ich benutze statt Problemen auch lieber das Stichwort "Beziehungen", denn letztendlich geht doch immer darum: Wie beeinflussen die Beziehungen der Figuren untereinander ihr Handeln, welche Konflikte entstehen daraus? Und die müssen plausibel sein. Wenn die Kommissarin Streit mit ihrem Mann bekommt, weil sie nie die Kinder von der Schule abholen kann, sie  versehentlich einen Unschuldigen festgenommen und Druck von ihrem Chef bekommt, kann sie das schon in eine Krise stürzen, ob der Preis, den sie zahlt, nicht zu hoch ist.

 

Das finde ich viel interessanter als eine Kommissarin, die einst einem perversen Killer ausgeliefert war, knapp entkommen ist und sich nun mit Alkohol und wahllosem Sex zu betäuben versucht. Kommt natürlich immer darauf an wie es geschrieben ist, klar, aber hier müssen wir pauschalisieren, um auf den Punkt zu kommen.

 

Ich glaube, verstanden zu haben, was Andrea so nervt: dass in aktuellen Romanen, speziell Krimis, zu oft versucht wird, der Hauptfigur durch eine tragische Vergangenheit Tiefe zu verleihen und am besten auch noch die Handlung darin zu begründen, obwohl ein Anstoß von Außen genügen würde, eine Handlung in Gang zu setzen. So als wäre jemand, der geistig gesund ist, zu oberflächlich, um als Protagonist zu taugen.

 

Tiefen und Abgründe hat aber jeder Mensch, auch ohne extreme Erlebnisse/Traumata, und die schreibend auszuloten, ist mein Beweggrund, zu schreiben.

 

Jemand anderem mag es da ganz anders gehen, ich kann nur für mich sprechen.

 

Gruss,

 

Mascha

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Andrea,

 

der Unterschied zwischen deiner und meiner Variante ist, dass meine Geschichte keine äußere Aktionhandlung benötigt (, wenn diese auch oft ergänzt wird,) während in deiner Handlung wie bei "Sakrileg" die Figuren als Archetypen funktionieren können, (aber nicht müssen), weil die Handlungsspannung alleine die Geschichte bestimmmt. Deshalb reicht eben gut aussehender Sportstar und Cheerleaderin nicht für eine Geschichte alleine aus, während Außenseiter und Cheerleaderin schon eine Grundgeschichte enthält (, wenn auch nicht unbedingt eine Kreative).

 

Das hat mit den gebrochenen Figuren aber nicht viel zu tun, weil bei beiden Varianten gebrochene Figuren verwendet werden.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Tiefen und Abgründe hat aber jeder Mensch, auch ohne extreme Erlebnisse/Traumata, und die schreibend auszuloten, ist mein Beweggrund, zu schreiben.

 

So ist. Es müssen auch nicht einmal "Abgründe" sein. Auch ohne solche kann man Figuren lebensecht und plastisch darstellen. Es geht ja darum, dass Figuren Profil und menschliche Authentizität haben, können dabei durchaus kantig sein. Der Leser kann sie sich bildhaft vorstellen, die Persönlichkeit als Unikat erspüren, sich indentifizieren. Man muss dazu nicht in die Tragödien- oder Psychtraumakiste greifen. Lieber sich auf das konzentrieren, was eine Figur einzigartig macht, manchmal nur eine Kleinigkeit.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Tiefen und Abgründe hat aber jeder Mensch' date=' auch ohne extreme Erlebnisse/Traumata, und die schreibend auszuloten, ist mein Beweggrund, zu schreiben.[/quote']

So ist. Es müssen auch nicht einmal "Abgründe" sein. Auch ohne solche kann man Figuren lebensecht und plastisch darstellen. Es geht ja darum, dass Figuren Profil und menschliche Authentizität haben, können dabei durchaus kantig sein. Der Leser kann sie sich bildhaft vorstellen, die Persönlichkeit als Unikat erspüren, sich indentifizieren. Man muss dazu nicht in die Tragödien- oder Psychtraumakiste greifen. Lieber sich auf das konzentrieren, was eine Figur einzigartig macht, manchmal nur eine Kleinigkeit.

Darf ich das ausnahmsweise mal einfach so unterschreiben? Schöner hätt ich's auch nicht sagen können.

 

LG

Uschi

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Andrea,

 

der Unterschied zwischen deiner und meiner Variante ist, dass meine Geschichte keine äußere Aktionhandlung benötigt (, wenn diese auch oft ergänzt wird,) während in deiner Handlung wie bei "Sakrileg" die Figuren als Archetypen funktionieren können, (aber nicht müssen) ...

Nein, es können, wie Ulf sagt, einfach Figuren mit menschlicher Tiefe sein, gebrochen, also traumatisiert, müssen sie noch lange nicht sein, außer man will ein Beziehungsdrama oder eine Beziehungskomödie daraus machen.

 

Ich denke, Thomas, Du siehst das etwas einseitig. Wenn ich ein anderes Thema zum Anlass meiner Geschichte nehme, brauche ich keine Figuren, die einen an der Waffel haben, um die Handlung in Bewegung zu setzen, sondern ganz normale Menschen mit ganz normalen Macken, die sich mit den Unwägbarkeiten des Lebens auseinandersetzen.

Dazu brauchts auch keine Archetypen, auch wenn die nützlich als Fundament für den Figurenbau sind.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Anders ist das natürlich beim Psychothriller. Hier sind es insbesondere Traumata, die die Handlung in Gang bringen. Man muss dazu nur Hitchcock bemühen: "Vertigo" - ohne James Stewarts Probleme nicht möglich. "Psycho" - ohne traumatische Erfahrung von Norman Bates undenkbar. "Das Schweigen der Lämmer" - ohne Clarice Starlings Trauma hätte Hannibal Lecter niemals mit ihr zusammengearbeitet. Oder nehmen wir auch mal Wulfs "Trigger" - ohne  Vorbelastung der Protagonistin keine handlungsauslösenden "Trigger".

 

Allerdings: Hier bejammert niemand sich selbst und leidet vor sich hin, sondern muss sich am Ende seiner Krise stellen und sie überwinden - oder daran scheitern. Frei nach Rilke: Vielleicht sind alle Drachen in der Vita Prinzessinnen, die nur darauf warten, den gebrochenen Helden strahlend, schön und mutig zu sehen... ;-)

 

PS: Er ist ja vor allem deswegen am Anfang oft gebrochen, damit wir ihm die gestellte Aufgabe nicht zutrauen - oder gerade weil er daran wachsen und wieder *gerade* werden soll

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich denke, Andrea hat recht - ein Held, der hauptberuflich als Held in einem Roman arbeitet, muss stark genug sein, mit den äußeren Wendungen der Geschichte klar zu kommen.

Aber er wird - je nach seiner eigenen Vergangenheit - mit diesen äußeren Wendungen unterschiedlich umgehen. Und je nachdem, wohin der Autor mit der Geschichte will, muss er dem Helden den Erfahrungsschatz oder die Eigenarten mitgeben, die er braucht, um in diesem Plot seine Rolle zu finden und die Probleme zu lösen.

Wenn er nebenher noch irgendein weiteres Problem hat, das aber im Grunde nichts mit dem Plot zu tun hat, dann sehe ich es auch so wie Hans Peter - das wirkt aufgesetzt.

 

Andererseits denke ich, dass jeder, wirklich jeder (!) interessante Held eine interessante bzw. ihn prägende Vergangenheit hat. Oder aber wir erleben in einer Geschichte gerade, wie seine aktuelle Gegenwart zu der ihn einst prägenden Vergangenheit werden wird, sprichs, wo seine Ecken und Kanten geschlagen werden oder aber seine Traumata entstehen (wobei Trauma so ein hartes Wort ist).

 

Gruß, Melanie

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Alle reden über Traumata und Verletzungen, aber vielleicht meinen wir nicht alle das Gleiche?

 

Pantoufle, der Kater zur See wurde als junges Kätzchen von einer Raubmöwe gekapert und beinahe wäre das sein Ende gewesen. Für mich eine Verletzung und sie hat Folgen in der Geschichte des gleichnamigen Romans.

 

Andrea, du hast damals gepostet, dass für dich der Kater ein ganz normaler "Mensch" ist, also keine gebrochene Figur. "Gebrochen" würde ich ihn auch nicht bezeichnen, verletzt aber schon. Weil das ein einschneidendes Ereignis ist, dass den Helden bestimmt und in der Geschichte wieder auftaucht - und am Schluss überwindet der "Schissekater" seine Angst vor Raubmöwen, wird zum Helden der Geschichte.

 

Nicht jede Verletzung führt dazu, dass die Figur "gebrochen" ist, wohl aber verletzt. Und Verletzungen prägen eine FIgur, jedenfalls dann, wenn sie nicht einfach aufgesetzt wurde.

 

"Nehme ich jetzt als Verletzung Alkoholismus oder Sexuellen MIßbrauch? Mal sehen, was sich im Moment besser verkauft" :s07.

 

Wenn im Krimi der Kommissar den Mord nicht selbst begangen hat, kann seine Verletzung die Geschichte nicht in Gang setzen. Höchstens die Verletzung des Antagonisten.

 

Aber die Art der Ermittlung kann (und sollte) durch die Vergangenheit des Kommisars bestimmt werden, wie Ulf ja erläutert hatte. Sonst wäre er nämlich austauschbar.

 

Und was die aller-happiesten People angeht: Welcher Mensch hat nicht mindestens ein einschneidendes Erlebnis im Leben gehabt, dass ihn ganz entscheidend prägte?

 

Nehmen wir mal die Geschichte von 68: Wer der Protagonist und wer der Antagonist war, darüber lässt sich streiten. Sicher ist, dass die ältere Generation den Krieg erlebt hat und dass das sie alle geprägt hat. Nicht nur in Deutchsland, überall. Der Nachbar meiner Schwester in Boston ist weit über neunzig, aber die Kriegsbilder kriegt er nicht aus seinem Kopf. Obwohl er das will. Klaro, diese Menschen wollten nur eins: Heile Welt und keine Bomben. Meine Mutter kann Filme, in denen Bomben oder SA Leute gezeigt werden, nur schwer ertragen.

 

Die Babyboomer, die nach dem Krieg geboren wurden, hatten alle diese Erlebnisse nicht. "Heile Welt" war das Letzte was sie wollten, sie wollten was erlben.

 

Der Konflikt war vorprogrammiert durch die Vergangenheit der beiden Kontrahenten (und hatte meiner Meinung nach nur am Rande mit Verschweigen der NS Zeit zu tun). Und es gab ihn in Ost und in West.

 

Hans Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...