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Andrea S.

gebrochene Helden

Empfohlene Beiträge

Ihr Lieben,

 

ist es nur mein Eindruck oder können andere ihn teilen:

 

Die m.E. sehr häufig auftretenden gequälten, gebrochenen Helden und ambivalenten Protagonisten, die alle irgendwo eine schlimme Kindheit, ein unheilbares Trauma mit sich herumschleppen, sind eine derzeitige Modeerscheinung. Keiner traut sich mehr einen psychisch gesunden, starken Helden oder Heldin zu schaffen.

 

Das fragt sich

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Da trifft es sich doch gut, dass meine Heldin aus heilem Elternhaus stammt und eine gute Portion Selbstbewusstsein mit sich trägt ;-)

 

Aber nein, im ernst: Ich glaub, das ist ein Laster, mit dem sich Schriftsteller aller Zeiten auseinandersetzen und nicht davon hinweg kommen. Für eine Modeerscheinung halte ich das nicht. Dorian Gray ist ein Soziopath und Narzisst. Werther leidet unter Melancholie und Liebeskummer. Carl Joseph von Trotta kämpft mit seinem Vaterkomplex. Was wäre das Leben ohne Probleme? Langweilig.

Immer? Ich lese nur zu gern Irving und Hornby, die es schaffen, Banalitäten so kurios und skurril erscheinen zu lassen, dass es keine Dramen im Hintergrund braucht. weil das Leben meist selbst so banal ist.

 

Meist liegt der Grund für die Leidensgeschichten der Protagonisten in der Literatur selbst. Einen Thriller zu schreiben, ohne düstere Geheimnisse zu offenbaren, ist ein Drahtseilakt. Ein Liebesroman lebt von den kleinen Neurosen und großen Ängsten der Protagonisten. Wäre es nicht sonst nur eine kurze Story, die sagt: Er sah sie, sprach sie an, sie verabredeten sich, verstanden sich und nun heiraten sie. Darüber muss ich nachdenken.

 

Ich denke, nur wenige Schriftsteller beherrschen das Schreiben und Entwerfen von psychisch normalen Protagonisten. Denn dann muss ja die Spannung woanders herkommen. Und woher? Vielleicht aus einem subtilen Zusammenspiel von Zufall und Fügung. Das zu schreiben, wage ich mich nicht. Ich selbst denke auch: Die Menschen sind alle irgendwie verrückt und nur selten therapierbar. Warum sollten es dann die Protagonisten nicht auch sein? Die Schwächen und Unzulänglichkeiten, ihre Abgründe etc. machen die Helden doch erst zu welchen (weil sie gewzungen sind über sich hinaus zu wachsen, sich ihren Ängsten zu stellen usw.)...

 

Es ist nur schade, dass es oft bei den stereotypen Vergangenheitstraumata bleibt: Tote Eltern, prügelnder Vater, alkoholkranke Mutter, der schreckliche Bruder, die Stiefmutter ohne Verständnis, und und und.

Vielleicht liegt es daran, weil damit auch Otto-Normal-Verbraucher etwas anfangen kann (dank Pro7 und RTL nun mehr denn je)... Vielleicht liegt es daran, weil wir Schriftsteller uns es doch an mancher Stelle es zu einfach machen. Vielleicht, vielleicht. Eine tatsächliche Antwort kann ich dir nicht geben, Andrea.

Aber ich werde mal drüber nachdenken.

 

Nachdenkliche Grüße,

Hannah

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Ich denke' date=' nur wenige Schriftsteller beherrschen das Schreiben und Entwerfen von psychisch normalen Protagonisten. Denn dann muss ja die Spannung woanders herkommen. Und woher? [/quote']

 

Möglicherweise aus der äußeren Handlung? :)

Die Protagonisten bespiegeln sich ja nicht nur ständig selbst, in einem Wirbelsturm müssen sie auch mal den Gefahren trotzen.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Ich glaube nicht, dass gebrochene und/oder ambivalente Protagonisten eine Modeerscheinung sind. Es gab sie immer, seit der Antike (und davor sicher auch schon). Man denke nur an "Ödipus" von Sophokles. Aber daneben gab es natürlich auch immer die von der Handlung lebenden Geschichten wie die "Odyssee". Heute ist es nicht anders. Mal gibt es ein bisschen mehr von deinem einen, mal vom anderen. Insofern würde mich interessieren, liebe Andrea, wie du zu diesem Eindruck kommst.

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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ist es nur mein Eindruck oder können andere ihn teilen:

 

Die m.E. sehr häufig auftretenden gequälten, gebrochenen Helden und ambivalenten Protagonisten, die alle irgendwo eine schlimme Kindheit, ein unheilbares Trauma mit sich herumschleppen, sind eine derzeitige Modeerscheinung. Keiner traut sich mehr einen psychisch gesunden, starken Helden oder Heldin zu schaffen.

 

Ich halte das auch für eine Modeerscheinung, die mich besonders im Krimi nervt. Wenn man sich die Ermittler ansieht (egal ob Kommissar, Privatermittler oder uniformierter Polizist), sind vielen von denen kaputte Typen.

 

Natürlich hat jeder seine Macken und Schwächen und diese geben unsere Figuren einen natürlichen Antlitz. Aber wenn es gleich Psychopaten sein müssen, dann muss ich schnell an eine billige Masche denken.

 

Hans-Jürgen

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Kann mal jemand Beispiele nennen?

 

Es gab eine Zeitlang viele saufende Kommissare, das stimmt, aber ich habe den Eindruck, das ist allmählich ausgestanden und die sind alle wieder trocken. ;)

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Ich persönlich stehe sehr auf kauzige Charaktere. Gerade bei Krimis, die ich nicht besonders mag, und deshalb einen anderen Anreiz brauche. Hätte Wallander nicht die Probleme, die er nun mal hat, mit seinem Vater, mit seiner Tochter etc... wäre er nicht das, was er ist.

Als ich dann seine Tochter zu ermitteln begann, fand ich das eher tröge, weil sie selbst so wenig hergab und ich mich nach ihrem Vater geradezu sehnte....

 

Aber ich gebe zu: Alkoholismus gehört wohl heutzutage eher zu den Thema, bei denen man mit den Augen rollt und sich fragt, warum das denn nun schon wieder sein muss.

 

Ich bin bei Drehbüchern sogar jedem Knacks eines Protagonisten dankbar. Was wäre Monk ohne seine Zwangsstörung, oder House ohne seine infantile Angst vor Nähe? Ich oute mich hier als Fan von psychologischen Problemen, die die Helden mit sich tragen. Nur dann sind mir die Helden nah. Ist das seltsam? Möglicherweise. Aber ich kann damit umgehen :s21

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Uch, diese düsteren Skandinavier ...

 

Es ist mehr so ein gefühlter Eindruck - die Frage nach dem sich entwickelnden Protagonisten hatte mein Augenmerk drauf gerichtet.

Und einige Plot-Diskussionen.

 

Natürlich muss ein Protagonist eine Vergangenheit haben, kein Mensch ist ohne. Aber muss man immer darunter leiden? Ich denke, es gehört auch schon mal dazu, dass ein Held seine Macken überwunden hat und sich seinen (literarischen) Aufgaben widmet, ohne ständig seine psychische Abhängigkeit von der saufenden Stiefmutter zu bejammern, seinen Minderwertigkeitskomplex auszuleben oder seiner einzigen, aber verlorenen Liebe nachzutrauern.

Dieses Rückwärtsgewandte stört mich vermutlich eher als das Gebrochene im Helden selbst.

 

Gut, hängt auch vom Genre ab. Ein Beziehungsdrama braucht das. Aber ein Themenroman nicht unbedingt.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Möglicherweise sind "gebrochene Helden" so beliebt, weil wir uns dann so herrlich gesund fühlen können, in einer Zeit, in der alles und jedes gedeutet wird und jeder meint, man könne alles mit der richtigen Psychotherapie heilen, auch wenn das Quatsch ist.

 

Andererseits finde ich es schon wichtig, dass ein Held eine Vergangenheit hat, aus der er sich selbst erschafft. Aber er sollte seine Traumata schon überwinden und nicht permanent darüber sinnieren, wenn er hauptberuflicher "Held" ist ;) .

 

Das macht ja auch Spaß, ihm zuzuschauen, wie er sich entwickelt, reift und wächst.

 

Gruß, Melanie

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:) Hatte soeben den Eintrag über Titus Müller und die Aussage 'Der Protagonist muss sich entwickeln' gelesen. Und hatte so etwa den selben Gedanken wie du, Andrea.

Ich überlege gerade, wo mir in gelesenen Büchern so eine Rückwärtsgewandtheit besonders aufgefallen wäre... Bei Zafón vielleicht. Bei 'Im Schatten des Windes' wird Protagonist Daniel immer wieder an den Tod der Mutter erinnert. Gestört hat's mich nicht. Harry Potter käme ohne die stete Rückwärtsgewandtheit sicher gar nicht aus. Und gerade Harry ist ja das Paradebeispiel eines Helden mit sehr tragischer Vergangenheit. But why not? Rowling gelingt es ja meist in einem sehr unterhaltsamen Duktus zu erzählen.

Ich denke, viel macht auch einfach die Schreibe... Wenn ein Autor dazu neigt, zu jammern und den Leiden des gefallenen Helden ein biblisches Ausmaß verleiht, ist das wohl unangenehm. Aber mir fallen hier keine Beispiele ein, die ich gelesen hätte? Wenn du so fragst, Andrea, hast du doch bestimmt ein Beispiel vor Augen.

Ich denk eher an Daily Soaps, die ich nicht sehe. Literarische Beispiele wollen mir nicht einfallen.

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Ich glaube, in vielen Büchern würde sich gar keine Geschichte abspielen, wenn der Held keine "Leichen im Keller" hätte. Denn der oder die psychisch gesunde, selbstbewusste, fitte Prota würde doch in viele auftretenden Schwierigkeiten gar nicht hineinlaufen, wenn er sich immer prima mit seinen Mitmenschen verstünde, schnell rennen oder prima schießen könnte und so weiter. Der würde weniger Fehler machen und der Käs wäre viel schneller gegessen.

 

Was mich bei den derzeitigen Krimis eher stört, ist diese totale Übertreibung. Da reicht es nicht, wenn der Kommissar gerne mal einen über den Durst trinkt und dann einen Kater hat, nein er muss gleich Alkoholiker sein, am besten noch ein heimlicher Fixer und kurz vor der Gosse. Es reicht nicht, dass ihn ein Fall arg mitgenommen hat, nein er muss selber fast zu Tode gefoltert und dann beinahe gestorben sein, weswegen er jetzt eine böse Folterallergie hat.

 

Da denke ich mir auch manchmal, man könnte aus weniger mehr machen. Stattdessen wird mit ganz großer Kelle angerichtet. Dass solche Leute, würde ihnen das alles in der Realität wiederfahren, gar nicht mehr funktionieren, sondern in einer Gummizelle mit Haferschleim gefüttert würden, das interessiert niemanden mehr. Hauptsache extrem.

 

Vielleicht halten Autoren und Verlage solche Übertreibungen in der Persönlichkeit auch für dem Leser leichter zu vermitteln, weil jeder sich sofort vorstellen kann, dass jemand einen Psychoknacks weghat, der mal von einem Serienkiller ordentlich hergenommen wurde. Dass aber jemand einfach ein komplizierter Typ ist, wie es eben die meisten Menschen mit ihren kleinen Macken sind, ist dem Publikum vielleicht einfach zu wenig.

 

Aber ich sollte mich hier lieber zurückhalten, der Prota meines Thrillers steht auch schon mit einem Bein im Knast und mit dem anderen im Entzug. Aber der hat wenigstens einen Beruf, bei dem man ihm das sofort abnimmt.

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Andrea, ich merke, dass die Plotgruppe dich angeregt hat!  :)

 

Ich habe überlegt, ob mir ein/e durchweg positive/r Held/in einfällt und kam auf die Protagonistin von "Petropolis": die hat eigentlich eine schreckliche Kindheit und auch sonst nichts  zu lachen, geht aber durch alles mit einer herzerfrischenden Sturheit durch, jammert nicht, sondern packt es an. Und das zu lesen war klasse. Und das Buch dennoch alles andere als oberflächlich.

 

Solche Figuren gefallen mir noch besser als "strahlende Helden", weil sie sich nicht unterkriegen lassen trotz der Sch…, die sie erleben.

 

Und ein ganz normaler Kommisssar ist mir auch eingefallen: Kommissar Kluftinger von Klüpfel und Kobr. Der ist sowas von normal, knurrig und ein Gewohnheitstier, dass es schon wieder originell ist.

Die Kommissare, die genauso kaputt sind wie ihre "Klienten" gehen mir auch langsam auf die Nerven. Wie wär’s mal mit einer Mutter von drei Kindern, die in ihrer knappen Freizeit eine Hockeymannschaft trainiert und sich im Elternbeirat engagiert? Könnte doch ein netter Kontrast sein – und wäre wahrscheinlich nähher an der Wirklichkeit.

 

Gruss,

 

Mascha

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Aber er sollte seine Traumata schon überwinden und nicht permanent darüber sinnieren, wenn er hauptberuflicher "Held" ist  ;) .

 

Das macht ja auch Spaß, ihm zuzuschauen, wie er sich entwickelt, reift und wächst.

 

 

Genau. Und deswegen muss der auch gebrochen sein, weil er uns sonst nicht zeigen kann, dass Klüfte überwindbar sind. Außerdem machen solche Traumata auch gelegentlich dramaturgisch Sinn und sind genau der Abgrund, der den Helden vom Ziel abhalten kann - oder aber andere Entwicklungen in Gang bringt. Vielleicht ist es aber auch ein Trend, dass alles derzeit etwas "noir" ist und gerne übermächtige Vergangenheiten für Helden gewählt werden.

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Keiner traut sich mehr einen psychisch gesunden' date=' starken Helden oder Heldin zu schaffen.[/quote']

 

Vielleicht einfach, weil die fad sind.  ;)

 

Mir kommt auf die Schnelle auch kein solcher in den Sinn. Die verkorksten sind doch viel interessanter. Selbst Superman hat doch einen an der Waffel, nicht?  :D

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Aber daneben gab es natürlich auch immer die von der Handlung lebenden Geschichten wie die "Odyssee".

Aber Odyseus hat eine dramatische Vergangenheit, ist verletzt (extrem traumatisiert, wrüde man heute diagnostizieren), zehn Jahre Krieg, zehn Jahre die Frau nicht gesehen, den Sohn kennt er gar nicht und obendrein ist noch der Gott der Meere hinter ihm her ;-).

 

Stellt euch mal Odysseus als Sunnyboy vor, der noch nie was schlimmes erlebt hat, in jedem Hafen fliegen ihm die Frauenherzen zu. wahrscheinlich hätte er seine Frau längst vergessen, hätte nicht zehn Jahr immer wieder versucht, nach Hause zu kommen. Und wenn, wäre er mit den Freiern auf ein Bier gegangen, statt sie zu erschießen ;-).

 

Ich denke, das Problem ist nicht die schlimme Vergangenheit - sondern dass in vielen Texten darüber nur gejammert wird. Und dass immer die ständig gleichen Vergangenheiten gewählt werden, weil der Autor gelesen hat: Der Held soll eine Verletzung haben. Richtig, aber auch aus richtigen Sätzen konne falsche Folgen entstehen. Wenn dann einfach "die üblichen Verdächtigen" angehängt werden, nach dem Motto: Passen sie nicht willig, brauch ich Gewalt und als Autor sitz ich sowieso am längeren Hebel.

 

Das war dann die Mode mit den saufenden Kommissaren, mit den beziehungslosen Kommisaren, etc.

 

Helden müssen Verletzungen haben. Siegfried ohne das Blatt, das seinen Rücken verletzlich machte, wäre irgendwann an Alterschwäche gestorben und niemand hätte über ihn eine Geschichte geschrieben.

 

Aber Siegfried hat nicht ständig über seine ungenügende Panzerung gejammert ;-).

 

Hans Peter

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Wie wär’s mal mit einer Mutter von drei Kindern, die in ihrer knappen Freizeit eine Hockeymannschaft trainiert und sich im Elternbeirat engagiert? Könnte doch ein netter Kontrast sein – und wäre wahrscheinlich nähher an der Wirklichkeit.

Sarah Palin muss nun auch nicht sein :s12

 

Nein, ich habe gar nichts gegen Helden mit Leichen im Keller.

Aber ich habe gerade - tatsächlich mag das der Auslöser gewesen sein - einen Krimi zugeklappt, bei dem es um entführte Kinder geht und die Heldin eine so larmoyante Kröte ist, dass darunter jede Spannung gelitten hat.

 

Ich denke einfach, dass ist ein bisschen trendy, viel Leid in den Helden zu pumpen. Strahlend muss die Heldin nicht sein, aber einigermaßen gesund, um die Probleme zu meistern die von außen auf sie zukommen.

 

Es ist nicht richtig, dass eine Handlung nur dann angestoßen wird, wenn der Held ein Problem mit sich hat. Das scheint mir eine seltsame Einstellung zu sein.

Ich habe auch Probleme, wenn mein Kühlschrank ausfällt und muss dann in Aktion treten. Ohne dass dabei meine schlimme Kindheit nötig wäre :)

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Sarah Palin muss nun auch nicht sein

http://smilies.montsegur.de/53.gif

Die Frau ist doch eine extrem gebrochene Figur: Tochter bekommt uneheliches Kind, selbst in Skandale verwickelt, beruflich gescheitert …

 

Gruss,

 

Mascha

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Hallo liebe Leute,

 

ich gehöre eigentlich auch zu denen, die problembehaftete Figuren interessanter finden. Und die düsteren Skandinavier mag ich sehr gern.

 

Meines Wissens ist es bei Krimis üblich, dass der Komissar (oder eben die Person, die da ermittelt) so einigen psychischen Ballast mit sich rumschleppt. Ich finde das, wenn es gut beschrieben ist, oft sogar interessanter als die ganze blutige Verbrechensgeschichte. Anders sieht es ja bei historischen Romanen aus, da darf die Heldin nicht allzu "beschädigt" sein. Mir wären ein paar weniger perfekte Heldinnen des Mittelalters auch ganz willkommen.

 

Zu viel Larmoyanz sollte nicht sein, sondern ein gesundes Mittelmaß: eine Person hat zwar etliche Probleme, versucht aber, klar zu kommen, und schafft es es auch so halbwegs. Das finde ich realistisch. Frau Strahlemann, die stressigen Job und Kindererziehung mit links meistert, niemals Beziehungsprobleme hat und permanent gute Laune versprüht, würde mich hingegen nerven. "Pictures of perfection make me sick and wicked", meinte schon einst die gute Jane Austen.

 

Alkoholprobleme gibt es in unserer Gesellschaft häufig genug, warum soll es also stereotyp sein, sie zu beschreiben? Ich hatte eine Weile das Gefühl, dass es in allen zeitgenössischen Unterhaltungsromanen ständig um Kindesmißbrauch geht, und fand dies übertrieben. Aber nach den Geschichten, die da in letzter Zeit so raus kamen, war es das vielleicht garnicht.

 

Am Ende ist es eine Frage des Geschmacks: was dem einen zu düster und larmoyant scheint, findet der nächste Leser wieder hochinteressant und realistisch.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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Also, gerade was die Heldinnen im Mittelalter angeht, habe ich so den Eindruck, dass die gerade während des Romans in vielen Fällen so sehr beschädigt werden, dass sie eigentlich gar kein normales Leben danach mehr führen könnten ...

 

Oder zählt das nicht, wenn die Helden erst im Roman gräßlich beschädigt werden? Müssen sie schon vor der eigentlichen Geschichte gebrochen sein?

 

Gruß, Melanie

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Also, gerade was die Heldinnen im Mittelalter angeht, habe ich so den Eindruck, dass die gerade während des Romans in vielen Fällen so sehr beschädigt werden, dass sie eigentlich gar kein normales Leben danach mehr führen könnten ...

 

Gruß, Melanie

 

Ich glaube, der springende Punkt ist, dass sie es aber trotzdem noch schaffen, ein normales Leben zu führen. Die Heldin darf einiges erleiden, sollte aber nicht bis an den Rest ihres Lebens unter den Folgen leiden.

Neurosen bleiben zeitgenössischen Ermittlern blutiger Verbrechen vorbehalten, deren Schicksal aber im Vergleich zu dem der mittelalterlichen Romanheldin doch recht harmlos war.

 

Ich will hier aber weder Krimis oder historische Romane kritisieren. Es ist nur so ein Eindruck.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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Hallo zusammen,

 

in einer Geschichte gibt es verschiedene Spannungen: Die von außen auf den Helden einwirkenden Ereignisse (Aktionspannung), die Spannungen zwischen den Figuren (ob nun Liebeshandlung (sexuelle oder erotische Spannung), Feindschaft, ,...), die "Geheimnisspannung" (wer ist der Täter/ wie wird das ausgehen/... aber auch was wird passieren/ wird das noch einmal wichtig,...), die Atmosphäre(nspannung) (was ist das für eine Welt), Gewaltpornographie (ob Andeutungen oder ausführlich), sprachliche Dynamik und einige weitere.

In diesem Rahmen gehört auch die innere Spannung innerhalb einer Figur, die sich in verschiedener Weise zeigen kann: im Wachsen des Helden an seinen Aufgaben, im Wachsen des Helden an seinen Konflikten (äußerlich wie innerlich), im Scheitern des Helden bzw. indem der Held seine Erfahrungen in seinem Charakter spiegelt und so ihre Bedeutung verstärkt.

 

Deshalb werden so gerne gebrochene Helden verwendet, weil sie eine weitere Ebene bieten, um die Grundsituation zu spiegeln.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Vielleicht sollte man die Frage mal anders herum stellen:

Gibt es überhaupt irgendeinen literarischen Helden, der nicht gebrochen ist? Ganz gleich, aus welcher Epoche oder welches Genre.

So auf Anhieb fällt mir keiner ein ...

 

Gruß, Melanie

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Mir ist noch was eingefallen. Ein Test. Im Zweifelsfall überlege man, was wäre, wenn man die Verletzung des Helden streicht?

 

Ändert sich dann die Geschichte?

 

Im Falle Siegfried oder Odysseus ganz sicherlich, Im Falle der beiden alkoholkranken Kommisarinnen, die mir spontan eingefallen sind: Nein.

 

Ich denke, Verletzungen, die gar nix mit der Geschichte zu tun haben und an ihr auch nix ändern, wirken schnell aufgesetzt.

 

Die zweite Frage wäre: Ändert sich die Verletzung der Heldin/des Helden in der Geschichte?

 

Ganz klar: Siegfried ist tot. Odysseus hat mehr Glück. Im Gegensatz zu Agamemnon kommt er heil nach Hause. Fortan kann er die Beine am Kamin ausstrecken und hoffen, dass ihm nichts mehr schlimmeres passiert, als dass seine Frau schimpft, weil er die Stiefel nicht ausgezogen hat. Schau dir den Dreck auf dem Neuen Teppich an!

 

Die beiden Kommisarinnen torkeln aber am Ende immer noch ;-).

 

Mir fällt "Zeugin der Anklage" ein. Die Anwälte dort mögen vielleicht ein Problem mit Frauen haben oder zu tief in die Flasche blicken. Doch da das die Geschichte nicht berührt, hat Agathe Christie darüber kein Wort verloren. Die Zeugin der Anklage, die so geschickt schauspielert, stammt aus dem zerbombten Deutschland. Ganz zweifelsohne Verletzungen, aber das scheint nur ganz kurz durch. Allerdings ist der Roman deshalb auch sehr kurz. Gut möglich, dass heute ein Verlag sagen würde: Gebense denen doch mehr Human touch. Und wir müssten seitenweise darüber lesen, dass der eine Anwalt eine furchtbare Kindheit hatte. Der andere ist verheiratet, liebt aber eine andere. Der Richter wollte eigentlich Dichter werden und deshalb trinkt er jetzt abends zu viel Sherry. Der Krimi hätte dann 350 Seiten, doppelt so dick und halb so spannend.

 

Ermittler, vermute ich mal, müssen tatsächlich keine Verletzung haben. Weil die Geschichte ja vom Mörder und vom Mord in Gang gesetzt wird (und der darf, sollte sogar Verletzungen haben). Aber das ist jetzt eine Vermutung.

 

Auf jeden Fall sollten die vorhandenen Verletzungen auch die Geschichte bestimmen. SOnst kann man sie nämlich nicht nur streichen, sondern sollte es auch.

 

Hans Peter

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Auf jeden Fall sollten die vorhandenen Verletzungen auch die Geschichte bestimmen. SOnst kann man sie nämlich nicht nur streichen, sondern sollte es auch.

 

Hans Peter

 

Wirklich? Darf ein Krimi nicht mehrere Schichten haben? (Ich bleib einfach mal kurz einfachheitshalber beim Genre Krimi). Gerade wenn es um eine Krimifolge geht, das heißt: Kommissar XY hat nicht nur Fall 1, sondern davor gab es noch Fall 0 und danach wird es noch Fälle 2,3,4 etc. geben. Um dran zu bleiben, braucht's doch einen Charakter, der ein Charakter ist und nicht nur milchig hinter der Handlung verschwimmt, weil er wahrscheinlich eine Vergangenheit hat, die jedoch der Fantasie der Leser überlassen bleibt. Nein, das ist dann doch zu wenig, zu einfach.

 

Und ansonsten? Wenn wir vom Krimi wegschauen? Tatsächlich habe ich es noch nicht erlebt, das ein Held eines Fantasyromans ein verzwickstes tiefenpsychologisches Problem hat. Ist es zu kurios, den Helden zwischen der Jagd nach einem magischen Kristall und dem Erlernen von Zauberformeln auf die Couch zu schicken? Ich fänd, das wäre ein interessantes Experiment, was sich lohnen würde, es auszuprobieren. Da eröffnen sich ganz neue Themenwelten in einer recht abgerasten Fantasywelt.

 

Ich bleibe dabei: Die Verletzung eines Helden kann durchaus interessant sein und einer Geschichte eine zweite Tiefe geben, ein zweites Universum aufbauen.

Hans Peter, es mag sein, dass eine zu intensive Bemühung um ein seelisches Trauma unecht wirkt oder schlimmer: dass es den Leser nervt, weil das Leiden zelebriert wird. Das Maß ist wichtig, die Dramaturgie. Manchmal kann doch eine Rückbesinnung nach Innen die äußere, formale Handlung sehr spannend ergänzen. Oder nicht?

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