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(Gina)

Reif Larsen: Die Karte meiner Träume

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Der zwölfjährige T. S. Spivet aus Montana, USA, ist ein Nerd. Ein Eigenbrötler, der sich ganz der Kartographie verschrieben hat. T. S. kartographiert und dokumentiert einfach alles: Den Salzgehalt von Flüssigkeiten, die Schallwellen von Schüssen und nervöse Handbewegungen. Er macht das so meisterhaft, dass er von der Smithsonian Museumsstiftung einen Preis verliehen bekommt. Allerdings sind sich die Juroren nicht bewusst, dass T. S. kein Erwachsener, sondern ein Kind ist.

T. S. klärt das Missverständnis auch nicht auf, sondern beschließt, den Preis anzunehmen. Heimlich verlässt er die elterliche Farm und macht sich auf eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten, von Montana nach Washington D. C.

 

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Das ist, kurz zusammengefasst, der Plot des Romans. Die innere Entwicklungsgeschichte, die der Ich-Erzähler durchläuft, ist um vieles komplexer. Recht früh erfährt der Leser, dass T. S. (T. S. steht für

Tecumseh Sparrow, aber auch das ist wieder eine Geschichte für sich) bei einem Unfall seinen jüngeren Bruder getötet hat. Der Tod des Jüngsten hat die ohnehin schon komplizierte Familienstruktur der Spivets endgültig gesprengt. Die Mutter, die T. S. immer nur Dr. Clair nennt, vergräbt sich in ihre Käferforschungen, der Vater stürzt sich in seine Farmarbeit, er beachtet T. S. so gut wie gar nicht.

 

Und T. S. verliert sich in seinen Karten und Illustrationen. Auch auf der Reise in den Osten dokumentiert er alle seine Eindrücke in Skizzen, die im Buch auf dem breiten Rand neben dem Text abgedruckt sind. Auf manchen Seiten sind die Randbemerkungen zu den originellen Zeichnungen länger als der eigentliche Text. Als Leser wird man also kreuz und quer geleitet, überall stößt man auf neue Geschichten und Geschichtchen; über T. S.s Leben auf der Farm, seine Erkenntnisse oder seine Urururgroßmutter Emma Osterville.

 

T. S. Spivets Geschichte ist wirr, und sie wird geradezu absurd, als er endlich in Washington ankommt. Aber bevor das Ganze völlig ins Phantastische abdriftet, kommt es zu einer Auflösung, die so wunderbar und tröstlich und genial ist wie der ganze Roman.

 

 

"Die Karte meiner Träume" ist ein Kunstwerk, sowohl in literarischer als auch in gestalterischer Hinsicht. Meine Bewunderung gilt nicht nur dem Autor, der sich das Ganze ausgedacht hat, sondern auch dem amerikanischen Verlag Penguin Press, der den Mut hatte, dieses komplizierte Meisterstück umzusetzen und zu drucken. "Die Karte meiner Träume" ist ein Buch, in dem man sich verliert, das einen zum Lachen, zum Weinen, zum Träumen und zum Nachdenken bringt. Und was kann man als Leser mehr verlangen?

 

Reif Larsen, „Die Karte meiner Träume“

S. Fischer Verlag, 2009

ISBN: 978-3100448118

Gebunden, 435 Seiten, 22,95 EUR

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Vielen Dank für den Tipp...!! Klingt äußerst reizvoll.

LG Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ich hole diesen Thread wieder nach oben, möchte meinen Leseeindruck schildern. Das Lesen hat außergewöhnlich lange gedauert, erstens, weil das Buch zu schwer ist, um es auf Reisen oder auch nur in die S-Bahn mitzunehmen, zweitens wegen der vielen Eindrücke.  

 

Als Leser wird man also kreuz und quer geleitet, überall stößt man auf neue Geschichten und Geschichtchen; über T. S.s Leben auf der Farm, seine Erkenntnisse oder seine Urururgroßmutter Emma Osterville.

Das macht tatsächlich einen großen Reiz des Buches aus. Manche Geschichten hätte ich mir ausführlicher gewünscht, manche Randbemerkungen sind poetisch, andere rührend, komisch, wissenswert. Trotzdem habe ich das Buch immer wieder beiseite gelegt, fand diese Art Querverweise, die mich zwangen, andauernd von dem was mir als "eigentliche Story" suggeriert wird, abzuschweifen zum Blattrand, irgendwann ziemlich ermüdend. Hätten diese kleinen Geschichtchen im Text ihren Platz gehabt, wie z.b. die Geschichte von Emma Osterville, wäre ich weniger verärgert gewesen: ach, jetzt muss ich schon wieder dorthin schauen, will ich das denn wissen? Auch nervte es mich, dass zu ALLEM eine Zeichnung angefertigt wurde (ja, ich weiß, das ist eben die Eigenheit der Figur.) Es kam mir vor, als ob sich ständig jemand meldet: "Herr Lehrer, ich weiß auch dazu etwas!" immer dann, wenn ich wissen wollte, wie die Geschichte weitergeht. Dazu muss ich sagen, dass ich kein Fan von Spannungsliteratur bin, nichts gegen (sprachlich überzeugende) Geschichten habe, in denen wenig passiert und darüber hinaus Landkartenfetischistin bin.

Trotzdem oder genau deswegen werde ich das Buch nicht so schnell vergessen, es hat mich in seiner Vielfalt, wegen seiner Originalität und Fantasie, nicht zuletzt auch der unterschwelligen Kritik beeindruckt.

Herzliche Grüße und nochmals danke für die Rezension

Claudia  

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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