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(Mascha)

Anfang: langsam oder schnell?

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Hallo,

 

ich würde gerne ein wenig über das Thema Romananfang plaudern.

 

Für mein aktuelles Projekt habe ich zwei unterschiedliche Anfänge geschrieben.

Einer ist eher gemächlich, führt nach und nach in die Welt der Geschichte ein (ein Fantasyroman mit historischem Setting), schildert erst einmal die Lebensumstände der Hauptfigur und schickt sie dann hinaus auf die Strasse, wo die Handlung beginnt.

 

Der alternative Anfang beginnt sofort "auf der Strasse", es geht mitten hinein in die Handlung, die Lebensumstände fliessen nach und nach nebenbei ein.

 

Ich finde für meine Geschichte den zweiten Anfang eigentlich besser.

Meine angepeilte Lesergruppe sind Jugendliche ab 14 Jahren, und ich denke, dass für sie ein schneller Anfang besser geeignet ist. Ausserdem passt es besser zu meiner eher quirligen Hauptfigur.

 

Wie haltet ihr es mit den Anfängen? Eher gemütlich oder mitten rein in die Geschichte?

Schreibt ihr alternative Anfänge oder rüttelt ihr nicht mehr daran, wenn er einmal geschrieben ist?

 

Grüsse,

 

Mascha

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(Hans-Juergen)

Ich gehe (bei meinen Krimis) immer direkt in die Handlung hinein. Der erste Tote muss nicht unbedingt gleich am Anfang kommen, aber in einer aktionsreichen Szene wird der Leser sofort mit dem Hauptkonflikt (das Haupträtsel) konfrontiert.

 

Hans-Jürgen

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Ich finde, das kommt sehr auf die Geschichte, die erzählt werden soll, an.

 

Wenn die Figur aus heiterem Himmel mit etwas Neuem konfrontiert wird, akzeptiere ich als Leser einen schnellen Anfang.

 

Wenn die Figur aber irgendeinen Verlust erleidet, dann will ich zunächst sehen und fühlen, wie es vor dem Verlust war, damit ich mit der Figur mitleiden kann. Z.B. bei meinem Antik-Projekt, der mit dem Untergang Pompejis beginnt, habe ich erst mal die Figuren eingeführt, das ganz normale Leben über ein paar Seiten gezeigt, anstatt gleich mit dem Vulkanausbruch zu beginnen, denn der Verlust, den die Prota zu erleiden hat, wäre m.E. nach nicht so spürbar gewesen, wenn ich nicht die Normalität gezeigt hätte, ein glückliches Leben, das plötzlich ausgelöscht ist.

 

Gruß, Melanie

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Hallo Mascha,

was mich zunächst interessieren würde, warum hast du auch den gemütlichen Anfang geschrieben? Was hat dich an ihm gereizt? Und war er zuerst da oder der rasante Einstieg?

Dir darauf Antworten zu geben, sollte dir schon etwas klarer machen, für welchen Einstieg du dich letztlich entscheiden willst.

 

Ich habe noch nie alternative Anfänge geschrieben, und da es bei meinen Romanen im Auftakt auch nicht um Verlust geht (Melanies Begründung, wieso sich dort ein langsamerer Anfang anbietet, finde ich sehr gut), neige ich dazu, recht flott einzusteigen.

Zwar bin ich kein Freund von übertrieben rasanten Teasern, aber der Anfang sollte den Leser schließlich packen. Langatmige Schilderungen sind (leider) heutzutage unbeliebt.

Insofern plädiere ich dafür, die Hintergrundinfos so einzubauen, dass sie nicht dominieren, sondern eher beiläufig einfließen. Sie als Block nachzuschieben, indem man nach dem rasanten Anfang eine Erklärungsphase einbaut, halte ich auch für riskant, weil man den Leser dort verlieren kann.

 

LG

Claudia

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Wie haltet ihr es mit den Anfängen? Eher gemütlich oder mitten rein in die Geschichte?

Schreibt ihr alternative Anfänge oder rüttelt ihr nicht mehr daran, wenn er einmal geschrieben ist?

 

Ich reite mal wieder auf meiner Lieblingsthese herum.

Man kann Leser mit zwei Dingen in die Geschichte holen - entweder mit der Hauptperson oder mit dem Thema.

Beides aber muss gleich am Anfang so interessant dargestellt sein, dass es zum Weiterlesen animiert.

Ob er dann schnell oder gemütlich ist, kommt - wie immer - drauf an.

 

Bei einem Fantasy-Setting, das eine völlig unbekannte Welt darstellt, bin ich immer irritiert, wenn es sofort mit Konflikten und Knallern losgeht, weil ich gar nicht weiß, wo ich mich überhaupt befinde, und warum das nun um Himmels Willen ein Konflikt ist.

Leser wollen geführt werden, von einer ihm bekannten Situation hinaus in die Fremde. Je fremder das Fremde ist, desto sorgsamer muss man sie da abholen, wo sie sich noch auskennen.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Ich bin ein Freund von Geschichten, die sich langsam aufbauen und nach und nach komplexer werden. Geschichten, die von Anfang an aus Verfolgungsjagden und Action bestehen, liegen mir nicht.

 

Dennoch ist es für mich - beim Lesen wie auch beim Schreiben - oberste Priorität, dass der Anfang des Romans so interessant ist, dass er mich zum Weiterlesen anregt. Ich habe bewusst "interessant" und nicht "actionreich" geschrieben.

Dieses Interesse kann auf unterschiedliche Weise erzeugt werden und ist in jedem Genre anders geartet. Wie Andrea schon ganz richtig sagt, nützt ein allzu dramatischer Einstieg wenig, wenn einem die Charaktere völlig fremd und egal sind oder das Setting unklar ist. Der Mord an einem Politiker auf den ersten drei Seiten lässt einen kalt, wenn die Umstände des Mordes oder die möglichen Folgen banal scheinen oder ungeklärt bleiben. Andererseits können einen seitenlange Ausführungen über das Setting langweilen, wenn einem nicht klar wird, weswegen einen das interessieren sollte. Das kann man sich leisten, wenn man als Autor bekannt genug ist, dass die Leser Vertrauen in das Folgende haben (siehe Andreas Eschbachs "Der Nobelpreis"). Aber ich habe auch schon Bücher des sonst von mir geschätzten Stephen King weggelegt ("Love"), wenn über 100 oder 150 Seiten einfach nicht klar wurde, warum zum Teufel mich das interessieren sollte.

 

Es gibt nicht umsonst den Spruch: "Der Anfang verkauft das Buch - das Ende verkauft das nächste Buch". Und denk an dich selbst: Wenn du 10 oder 20 Seiten gelesen hast, möchtest du wissen, ob das Buch dich interessiert. Ich habe neulich "Die Bibliothek der Schatten" begonnen und obwohl es mit dem durchaus mysteriösen Tod eines Bibliothekars beginnt, musste ich mich bis Seite 80 duchquälen, bis langsam klar wurde, um was es überhaupt geht, und ob mich das Thema der Geschichte interessieren könnte - wie sich dann herausstellte: Nein. Jetzt liegt es da rum.

 

Ich verlange von einem Buch keinesfalls, dass auf den ersten 20 Seiten bereits Dinge explodieren, und das ist auch überhaupt nicht nötig. Es gibt ja noch mehr, das Leser fesselt, außer schlichter Action. Es kann die Sprache sein, der Witz, die Intelliganz, das Rätsel, das Drama, die Figur, die Situation, vielerlei. Aber ich möchte wissen, um was es geht, was mich thematisch und stilistisch erwartet, und ob die Geschichte mich neugierig macht. Ich muss nicht wissen, ob was es hinausläuft, aber es muss mich packen. Es gibt zu viele Bücher, als dass ich mich immer erst 50 oder 100 Seiten reinlesen wollen würde, um

 

Ohne Jugendbuchautor zu sein, vermute ich, dass die Aufmerksamkeitsspanne bei Jugendlichen noch weitaus geringer ist und Jugendliche erheblich schneller entscheiden, ob sie weiterlesen, oder nicht.

 

Die Frage ist meines Erachtens nicht "langsam oder schnell", sondern "langweilig oder interessant". Die die kann man sich selbst beantworten.

 

Gruß,

 

Andreas

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Ich finde, ein guter Anfang muss Fragen aufwerfen, neugierig machen. Das ist häufig mit einem direkten Einstieg einfacher, kann aber natürlich auch mit einem interessanten Prolog passieren. "Der Name der Rose" fällt mir hierzu ein, wo Eco erstmal relativ umständlich von dem angeblichen Manuskript erzählt, das auf verschlungenen Wegen zu ihm geraten ist.

 

Und es kommt sehr stark darauf an, was für eine Art Geschichte erzählt wird. Eine 1000seitige Familiensage wie "Der Pate", "Vom Winde verweht" oder "Die Buddenbrocks", deren Handlung mehrere Generationen umspannt, wird sicher einen anderen Anfang brauchen als ein 200seitiger Krimi oder ein Heftroman. Nicht nur, weil man eben weniger Platz hat, sondern auch, weil das Zielpublikum ein anderes ist. Meine Mutter liebt dicke Schinken. Wenn sie ein Buch liest, dann will sie erst einmal ein Bild vor Augen haben von den Straßen Atlantas oder Charlstons zur Bürgerkriegszeit oder von irgendeinem Gutshof in Ostpreußen (mein Vater unterteilt die Bücher, die meine Mutter liest ketzerisch in "Trarara", nach der Plantage Tara aus "Vom Winde verweht" und "Poenichen" nach der Quints Trilogie von Christine Brückner).

 

Ich selbst bin eine viel ungeduldigere Leserin (und Schreiberin). Bei mir muss im Prinzip nach zwei oder drei Seiten klar sein, wie der Hase läuft: Protagonist, Konflikt und ab geht die Post. Das heißt nicht, dass ich keine stimmungsvollen Beschreibungen in Büchern mag. Nur eben nicht gerade am Anfang. Da will ich erstmal mitgerissen werden, die düsteren Kopfweiden neben dem Bach gucke ich mir dann später irgendwann an. ;)

 

Und ja, ich schreibe manchmal alternative Anfänge, gerade weil ich so gerne mit Anlauf und Kopfsprung in meine Geschichten tauche und meine Testleser mir dann nachträglich schonmal nahelegen, ich hätte vielleicht doch die Leiter nehmen sollen ... oder zumindest erstmal mit dem großen Zeh fühlen wie kalt das Wasser so ist. Kann ich verstehen, ich kenne mein Gewässer ja vorher wenigstens so ungefähr, meine Leser eben nicht.

 

Gruß,

Capella

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Wenn die Figur aber irgendeinen Verlust erleidet, dann will ich zunächst sehen und fühlen, wie es vor dem Verlust war, damit ich mit der Figur mitleiden kann.

Unbedingt! Wenn der Leser noch keine Beziehung zu den Figuren hat, ist ihm ziemlich egal, was mit ihnen passiert.

 

was mich zunächst interessieren würde, warum hast du auch den gemütlichen Anfang geschrieben? Was hat dich an ihm gereizt? Und war er zuerst da oder der rasante Einstieg?

Mein Roman spielt in einer vergangenen Zeit, und um den evtl. geschichtlich wenig vorgebildeten jugendlichen Lesern den Einstieg zu erleichtern, habe ich zunächst meine Hauptfigur in ihrem familiären Umfeld gezeigt, z. B. wie sie in die Küche kommt und die Mutter am Kohleherd steht etc. Ich fand dann aber spannender, meine Hauptfigur mitten auf die Straße zu stellen. Der Leser weiss also erst einmal gar nichts über sie und ihre Lebensumstände ergeben sich erst nach und nach. Ein Gedanke bei der Entscheidung für den "schnellen" Anfang war auch die schon erwähnte geringe Aufmerksamkeitsspanne von Jugendlichen. Wenn da nach dem ersten Absatz nichts passiert, klappen sie das Buch womöglich wieder zu. Jugendliche geben einem Buch sicher keine zwanzig Seiten, um Fahrt aufzunehmen. Das ging mir damals nicht anders.

 

Bei einem Fantasy-Setting, das eine völlig unbekannte Welt darstellt, bin ich immer irritiert, wenn es sofort mit Konflikten und Knallern losgeht, weil ich gar nicht weiß, wo ich mich überhaupt befinde, und warum das nun um Himmels Willen ein Konflikt ist.

Völig deiner Meinung, das wäre verwirrend. Mein Roman spielt aber in unserer Welt, darum muss ich nur die "magischen" Elemente etwas erklären, das geht aber gut nebenher und gibt der Geschichte einen schönen zusätzlichen Kick, weil man anfangs nicht genau weiss, was das alles zu bedeuten hat.

 

Man kann Leser mit zwei Dingen in die Geschichte holen - entweder mit der Hauptperson oder mit dem Thema.

Meinst du wirklich, es gibt nur diese beiden Möglichkeiten? Das wäre sicher ein eigener Thread. Ich glaube aber, dass man den Leser auch mit der Atmosphäre ins Buch locken kann.

Mich zumindest.

 

Die Frage ist meines Erachtens nicht "langsam oder schnell", sondern "langweilig oder interessant". Die die kann man sich selbst beantworten.

Nicht unbedingt, den was den einen langweilt, findet der andere spannend. Aber es gibt natürlich Dinge, die funktionieren, und andere die nicht funktionieren. Mein Jugendbuch mit einer seitenlangen Ausführung in die gesellschaftlichen und politischen Umstände der damaligen Zeit zu beginnen, würde ganz bestimmt nicht funktionieren. Mir haben beide Anfänge gut gefallen, aus obigen Gründen habe ich mich vorerst für den "schnellen" entschieden.

 

Kann ich verstehen, ich kenne mein Gewässer ja vorher wenigstens so ungefähr, meine Leser eben nicht.

Das finde ich einen guten Hinweis. Deshalb hatte ich zuerst etwas Bedenken beim schnellen Einstieg und konnte nicht gut abschätzen, ob ich dem Leser da zuviel zumute und er gar nicht mitkommt.

 

Danke für Eure Posts, ich fand es interessant zu lesen, wie es Euch mit den Anfängen geht.

 

Mascha

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Die Frage ist meines Erachtens nicht "langsam oder schnell", sondern "langweilig oder interessant". Die die kann man sich selbst beantworten.

Nicht unbedingt, den was den einen langweilt, findet der andere spannend.

Grundsätzlich schon. Aber wenn es bei den Lesern ein und des selben Buches so eklatante Unterschiede gibt, würde ich eher vermuten, dass einige davon sich das falsche Buch für ihren Geschmack ausgesucht haben.

Man kann es nie allen Lesern gleichermaßen gerecht machen, das ist sicher richtig, aber man sollte doch so schreiben, dass man nicht allen auf die ein oder andere Weise ein bisschen gefällt, sondern lieber einer bestimmten Zielgruppe ganz außerordentlich. Sonst sitzt man leicht zwischen mehreren Stühlen - was mir mit meinen "Projekt"-Büchern zum Teil so "gelungen" ist  :-X. Manchmal müssen sich Zielgruppen auch erst finden.

 

Für die eigene Zielgruppe kann man sich die Frage, was interessant ist und bestmöglich in die Geschichte hineinzieht, doch ganz gut beantworten. Ist das nicht der Fall, liegt es vielleicht daran, dass man nicht genau weiß, für welche Leser man schreibt, oder was für eine Geschichte man eigentlich erzählen möchte.

 

(Nun mag die Betrachtung einer "Zielgruppe" sehr "unliterarisch" oder allzu marktorientiert oder "unkünstlerisch" erscheinen, das mag jeder halten, wie er will, ich denke, das ist eine philosophische Betrachtung - man kann "Zielgruppe" ja auch einfach als die Menge derjenigen Leser betrachten, die genau solche Bücher in genau der Weise, wie man sich schreibt, schätzen, das macht die Betrachtung vielleicht etwas neutraler.)

 

Lieben Gruß,

 

Andreas

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Ist das nicht der Fall, liegt es vielleicht daran, dass man nicht genau weiß, für welche Leser man schreibt, oder was für eine Geschichte man eigentlich erzählen möchte.

 

Ich bin ganz deiner Meinung. Wenn der Anfang für die angepeilte Zielgruppe richtig ist und auch der Autor dabei ein gutes Gefühl hat, hat man es getroffen. Trotzdem gibt es immer unendlich viele Möglichkeiten (oder zumindest etliche), wie man eine Geschichte beginenn kann, und mir fällt die Entscheidung für das eine oder das andere eben nicht immer leicht.

 

Grüsse,

 

Mascha

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