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(Gina)

Marcus Zusak: Die Bücherdiebin

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Marcus Zusaks "Bücherdiebin" war so erfolgreich, dass der Roman wahrscheinlich auch hier im Forum schon besprochen wurde. Ich habe den Link aber nicht gefunden und stelle deshalb einfach mal meine eigene Rezension ein. Eigentlich hat mir das Buch gut gefallen, aber einige Mängel fand ich doch dabei. Mich würde sehr interessieren, wie es euch bei der Lektüre ging.

 

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„Die Bücherdiebin“ ist das erste Buch von Marcus Zusak, das ich bisher gelesen habe. Es wird sicherlich nicht das letzte bleiben, sein Erzählstil und seine Sprache haben mir so gut gefallen, dass ich mir jetzt auch seine früheren Romane vornehmen werde.

 

Die Struktur des Buches ist sehr ungewöhnlich: Die Geschichte wird vom Tod erzählt, der die Protagonistin Liesel Memminger ihr ganzes Leben lang beobachtet. Liesel lässt bei der Beerdigung ihres kleinen Bruders ihr erstes Buch mitgehen, im Laufe der nächsten Jahre wird sie in Krisensituationen immer wieder Bücher stehlen, die ihrem Leben Halt - und dem Roman seinen Titel geben.

Von ihren richtigen Eltern, die Kommunisten sind, wird Liesel zu Pflegeeltern gegeben. Ihren neuen „Papa“ Hans schließt Liesel von Anfang an ins Herz. Im Verlauf des Buches versteckt die Pflegefamilie einen Juden – Max – mit dem Liesel sich anfreundet.

 

Zusaks Sprache ist unkonventionell, einerseits leicht und andererseits ungeheuer berührend. Seine Charaktere sind durchgehend glaubwürdig: Ob es um die Hauptpersonen geht wie  Liesels Pflegemutter Rosa, die am Anfang fürchterlich ruppig erscheint, bis sie sich am Ende als liebevoller und mutiger Mensch erweist. Oder um Nebenfiguren wie die depressive Frau des Bürgermeisters oder den traumatisierten Soldaten aus Stalingrad.

 

Mich persönlich hat es irgendwann gestört, dass Zusaks Erzähler – der Tod – das Ende eines Kapitels oft schon am Anfang erzählt und dadurch dem Leser die Spannung nimmt. „I don´t have much interest in building mystery. Mystery bores me. It chores me. I know what happens and so do you“, sagt der Tod. Zusak geht es weniger um das Ende als um den Verlauf der Geschichte, um die Mechanismen, die die Handlung vorantreiben. Das ist legitim, macht das Lesen besonders zum Ende hin aber ein bisschen mühsam, weil einfach die Neugierde fehlt, die einen weitertreibt.

 

Die Recherche des Autors bestätigt leider einige meiner Vorurteile. Der historische Rahmen stimmt einigermaßen, aber das Bild selbst hängt irgendwie schief. Da verlegt Zusak die Bücherverbrennung einfach ins Jahr 1939, weil es ihm besser in die Handlung passt. Juden aus einem Konzentrationslager werden in einer Art Umzug ständig mitten durch die Stadt geführt, als Liesels Pflegevater ihnen ein Stück Brot zusteckt, wird er an Ort und Stelle öffentlich ausgepeitscht, aber ansonsten erleidet er keinerlei Konsequenzen. Zusaks (großzügige) Verwendung der deutschen Sprache in der englischen Originalausgabe nervt: Bayrischer Dialekt vermischt sich mit Hochdeutsch, der Ausdruck „Saumensch“ wird geradezu inflationär gebraucht und viele Redewendungen sind grammatikalisch falsch.

Das alles sind Nebensächlichkeiten, aber sie ärgern mich, eben weil sie so unnötig sind. Ich weiß nicht, wie Zusak recherchiert hat, er gibt am Ende des Buches keinerlei Quellen an, man erfährt auch nicht, ob er überhaupt schon einmal in Deutschland war. Aber mehr historische Substanz hätte den guten Roman noch besser gemacht.

 

 

Marcus Zusak, „Die Bücherdiebin“

Blanvalet Taschenbuch Verlag, 2009

ISBN: 978-3442373956

Taschenbuch, 608 Seiten, 9,95 EUR

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Stephanie Schuster

Liebe Gina,

 

danke für Deine Rezension. Ich habe das Buch seinerseits hier schon besprochen: (Link ungültig)

 

Deine Kritik ist berechtigt, ich bin etwas milde gestimmt, weil ich den Autor bei einer Lesung "persönlich" gehört habe, auch über die Recherche hat er erzählt. Es ist eine ganz und gar fiktive Geschichte, deshalb verzeihe ich die Datenverschiebungen zugunsten der Geschichte, das bayerische Dorf gibt es nicht. Aber die Grundlage sind Erzählungen seiner Eltern, und beider Schicksal hat er zu einem vereint. Es ist für mich mehr wie ein Märchen und dadurch genauso wahr wie Märchen oft sind. Zusak lebt ja selbst in Australien und "Saumensch" ist in der Tat ein altmodisches Schimpfwort, aber durchaus ein damals gebräuchliches in Bayern gewesen.

 

Ich bin Dir dankbar, dass Du das Buch so wieder hervorholst, es ist eines der Lesenswertesten überhaupt, finde ich.

 

Liebe Grüße

Rebecca

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Liebe Rebecca,

danke für den Hinweis. Ich hab mir gleich die ganze Diskussion von damals durchgelesen und finde, dass eigentlich alles gesagt wurde, was es zu sagen gab. Ich persönlich finde mich fast hundertprozentig in Elisabeths Posts wieder. Ist doch immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich wir alle Bücher sehen, oder?

Liebe Grüße

Gina

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Stephanie Schuster

Liebe Gina,

 

ja, ich finde es auch immer wieder erstaunlich und faszinierend wie unterschiedlich jeder ein Buch sieht und beurteilt. Geht es einem nicht auch selbst so, dass Bücher, für die man vor ein paar Jahren noch die Hand ins Feuer gelegt hätte, jetzt gegen einen Schluck Wasser zu tauschen wären?

Ich glaube, die eindringliche Lesung und die sympathische Art des Autors, haben bei mir voll ins Schwarze getroffen, da sieht man wieder mal, wie wichtig Autorenlesungen sind  ;D

 

Liebe Grüße

Rebecca

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