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Lisa

Mond über den Reisfeldern von Andrew X. Pham

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Klappentext:

Andrew X. Pham stürzt sich in ein mutiges Reiseabenteuer: Auf der Suche nach seinen Wurzeln wird der junge Vietnamese aus den USA zum Wanderer zwischen zwei Welten und zwei Kulturen.

 

Über den Autor:

Andrew X. Pham geboren 1967 im vietnamesischen Phan Thiet, aufgewachsen in Kalifornien, kam 1977 mit seiner Familie als "Bootsflüchtling" in die USA. Zwei Jahrzehnte hat er es scheinbar geschafft: Der amerikanische Traum hat sich für den gelernten Ingenieur verwirklicht. 1997 gibt er dieses ruhige Leben für ein Reiseabenteuer auf, das ihn über Mexiko und Japan in das Land seiner Kindheit zurückführt. 1999 wurde er mit dem Kiriyama Pacific Rim Book Prize ausgezeichnet. Andrew X. Pham lebt heute als freier Journalist und Schriftsteller in Portland, Oregon.

 

Meine Meinung:

Prolog:

Von Großmutter weiß ich, dass in der Schicksalsrolle meiner Schwester Chi zu lesen stand: Selbstmord mit zweiunddreißig Jahren. So hatte es ein vietnamesischer buddhistischer Mönch am Tag ihrer Geburt, im Jahr des Tigers, niedergeschrieben. Wir saßen auf Großmutters Bett in demselben Zimmer, in dem sich Chi erhängt hatte. Das Seil war nicht mehr da, aber im Teppich hing noch Weihrauchasche, die an die duftenden Gebete erinnerte.

Großmutter legte ihre Hände über die meinen und fragte mich, ob ich meine eigenen Schicksalsrolle lesen wollte. Sie stammte aus der Feder desselben Mönchs und war vor siebenundzwanzig Jahren verfasst worden. Sie presste mir eine vergilbte und zerfledderte Schriftrolle an die Brust, deren Geheimnis ein roter Bindfaden wie eine Nabelschnur umwand. Ich schaute auf dieses Relikt aus einer weit entfernten Welt und fürchtete seine Macht. Ich sagte nein, gab meine Arbeit auf und fuhr mit dem Rad in die mexikanische Wüste.

 

Im Zuge der Recherche für mein zweites Romanprojekt bin ich auf dieses Buch gestoßen. Ich dachte, ich könnte es so schnell „weglesen“ wie die anderen davor, aber es hat mich von der ersten Seite an gepackt und sehr berührt.

 

Dieses Buch ist für mich eine Mischung aus Reisebericht und Autobiografie und besitzt an vielen Stellen romanhafte Züge. Da der Vater des Autors auf der Seite der US-unterstützten südvietnamesischen Armee gekämpft hatte, viel mehr noch, er war Leiter einer Kampagne gewesen, die sich gegen den Vietcong richtete, musste die Familie Saigon im April 1975 verlassen. Die dramatische Flucht übers Meer endete glücklich und der damals zehnjährige Autor wuchs ab 1977 in den USA auf. Nach dem Selbstmord seiner Schwester Chi bricht der Autor zu einer einmonatigen Radtour in die mexikanische Wüste auf – und dort kommt er auf die Idee, mit dem Fahrrad nach Vietnam zurückzukehren und sein Ursprungsland zu erkunden.

 

In diese Gegenwartshandlung – die Reise durch Vietnam - sind Erinnerungen aus seiner Kindheit in Vietnam und seiner Jugend in den USA eingebunden, aber auch Erlebnisse seiner Eltern werden erzählt. Von diesen Elternerlebnissen hat mich gleich das zweite Kapitel – Katzenfische in der Morgendämmerung – ziemlich mitgenommen.  Darin erzählt der Autor, wie es seinem Vater im Lager der Vietcong ergangen ist. Die Tage dort werden von der Todesangst bestimmt, denn der Tod lauert überall. Bei der „Arbeit“ – das Räumen von Minen mit der „Holzfällermethode“ (6 Gefangene müssen einen Baumstamm über die markierten Stellen ziehen und so unter Einsatz ihres Lebens die Minen sprengen) – und zweimal die Woche abends, wenn sich das Licht indigoblau verfärbt. Denn dann erwachen die Lautsprecher knisternd zum Leben und rufen Namen aus. Den Ausgerufenen wird ihr Vergehen vorgelesen, bevor sie im Wald exekutiert werden. Nur durch ein Wunder überlebt der Vater des Autors unerkannt das Lager.

 

In diesen Monaten erlebt Pham viele große und kleine Abenteuer und nachdem er das Land zweimal durchreist hat, schließt er damit ab. Schon während der Reise ist ihm das ursprüngliche Ziel seines Vorhabens verloren gegangen, zu verändert findet er seine alte Heimat vor. Und er selbst wird nicht als Vietnamese anerkannt, sondern als Viet-kieu, als amerikanisierter Vietnamese verachtet. Er ist also weder ein „richtiger“ Amerikaner, noch ein „richtiger“ Vietnamese, er steckt zwischen den beiden Welten, diesen beiden Kulturen fest. Diese Kluft zieht sich auch durch die ganze Familie: die Kinder, die in den USA aufgewachsen sind, entfernen sich von den Eltern, die noch stark in der vietnamesischen Kultur und Tradition verhaftet sind. Besonders tragisch wird das in Chis Leben deutlich, der Schwester des Autors, die durch ihre Transsexualität zum totgeschwiegenen Außenseiter der Familie wird.

 

Doch auf dieser Reise wird dem Autor auch klar, dass die USA längst seine Heimat geworden sind. Ein Buch, das mich traurig und nachdenklich gemacht, das mich zum Schmunzeln und Lachen und mit seinen sinnlichen und bildreichen Beschreibungen ins Schwelgen gebracht hat. Jetzt freue ich mich erst recht darauf, dieses Land im Dezember kennenzulernen!

 

Liebe Grüße

Lisa

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