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Angelika Jo

Auftritt: die sympathische Figur

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Der thread-Titel möge bitte niemanden irritieren. Ich habe nämlich durchaus noch viele Zweifel darüber, ob jede Figur schon zu Beginn so sympathisch erscheinen muss und nicht der Leser vielleicht bei mancher erst beim Weiterlesen verborgene Edelsteine entdeckt. (Das mit den Zweifeln ist ernst gemeint, ich bin sehr unsicher in der ganzen Frage).

 

O.K. dann das 1. Beispiel. Es handelt sich um die 1. Seite aus Foers "Alles ist erleuchtet". Der Ich-Erzähler stellt sich vor.

 

Mein gesetzlicher Name ist Alexander Perchow. Aber alle meine Freunde nennen mich Alex, weil das eine Version meines gesetzlichen Namens ist, die man lässiger sprechen kann. Mutter nennt mich "Alexi-nerv-mich-nicht", weil ich sie immer nerve. Wenn Sie wissen wollen, warum ich sie immer nerve: Das liegt daran, dass ich immer mit Freunden woanders bin und so viel Geld verbreite und so viele andere Dinge ausführe, die eine Mutter nerven. Vater hat mich immer Schapka genannt, wegen der Pelzmütze, die ich sogar im Sommermonat getragen habe. Er hat aufgehört, mich so zu nennen, weil ich ihm befohlen habe, mich nicht mehr so zu nennen. Es klang für mich wie ein kleiner Junge, und ich habe mich immer sehr stark und potent gefunden. Ich habe viele, viele Freundinnen, das können Sie mir glauben, und sie haben alle verschiedene Namen für mich. Eine nennt mich "Baby", nicht weil ich ein Baby bin, sondern weil sie mich bekümmert. Eine andere nennt mich "Ganze Nacht". Wollen Sie wissen, warum? Ich habe eine Freundin, die mich "Geld" nennt, weil ich um sie herum so viel Geld verbreite. Sie leckt meine Lippen dafür. Ich habe einen winzigen Bruder, der mich "Alli" nennt. Ich stehe nicht so sehr auf diesen Namen, aber auf ihn stehe ich sehr, also erlaube ich ihm, dass er mich Alli nennt, okay.

 

So. Der ist mir sympathisch. Ich zähle jetzt einfach mal auf, was zu diesem Gefühl beigetragen haben könnte:

 

Der Kerl ist sehr lebendig, so wie er gleich loslegt.

 

Er wünscht sich, dass sein Gegenüber ein prachtvolles Bild von ihm erhält, also ein Angeber - aber ein kleiner, weil er sich dabei im Register vergreift: Genau das, was er sein will- stark und potent - ist er noch nicht. Das erweckt in mir ein Gefühl von freundlichem, spöttischen Mitgefühl - nehme ich mal an.  :-?

 

Er scheint nicht ohne Mut zu sein, denn obwohl sein Deutsch (im Original natürlich Englisch, aber genial übersetzt) noch etwas wackelig ist, scheißt er sich nichts, sondern redet drauf los.

 

Er liebt etwas.

 

Er liebt etwas, das klein ist (seinen "winzigen Bruder")

 

Er sagt das ohne Pathos ("Ich stehe auf ihn").

 

Erst mal so viel.

 

Ich bin mir wirklich unsicher, ob meine Kriteriensammlung da stimmt, vollständig ist, eventuell nur meinen privaten Vorlieben entspringt.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Hallo Angelika,

 

Ich finde gar nicht so wichtig, ob die Figur mir sympathisch ist.

Sie muss interessant sein, damit ich sie näher kennenlernen will.

Ich weiss noch nicht, ob mir dieser Alex sympathisch ist, aber er scheint ein komischer Kauz zu sein – von dem will ich mehr wissen.

 

Wenn ich mein Interesse analysiere, glaube ich, dass es durch den Widerspruch entsteht, den du ansprichst: Er gibt den großen Macker, bringt es aber nicht so ganz überzeugend rüber. Die seltsame Sprache trägt dazu bei.

 

Super Anfang für ein Buch, von dem mir auch der Rest hervorragend gefallen hat.

 

Mascha

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Hi Mascha,

 

der neue thread hier ging aus dem Nachbarthread (Link ungültig) hervor und ist von mir so gedacht, dass er sich ausschließlich mit der Frage befasst, mit welchen Mitteln eine Figur - möglichst schon zu Beginn eines Romans - glaubhaft sympathisch rüberkommt.

 

Die Diskussion darüber, was wichtiger ist: Ecken und Kanten, die eine Figur interessant machen oder die sympathische Ausstrahlung ist eine andere.

 

Wenn du sagst, du weißt noch nicht, ob dir diese Figur sympathisch ist, ist das eine für mich Ernst zu nehmende Aussage dazu, dass meine gefühlsmäßige Reaktion auf sie vielleicht nur subjektiv und vereinzelt ist. Wie sehen die das die anderen?

 

Ich würde gerne natürlich auch andere Textbeispiele von euch lesen, in denen eine Figur von vorneweg eure Sympathie erwecken konnte.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Hallo, Angelika!

 

Schön, dass du mein Thema aufgenommen hast! Und was für eine tolle Idee, sympathische Figuren zu analysieren!

 

Ich finde deine Sammlung, warum der Protagonist in deinem Text sympathisch wirkt, schon mal toll, und ich glaube durchaus, dass da einige Eigenschaften dabei sind, die nicht nur auf dich, sondern überhaupt wirken.

Ganz sicher "Er liebt etwas" und "Er liebt etwas, das klein ist."

 

Ich bringe mal ein anderes Beispiel, nämlich den Anfang von "Candy" von Kevin Brooks, der für mich ein Meister der sympathischen Figuren ist.

 

"Es ist schwer, mir das Leben vor Candy zurück ins Gedächtnis zu rufen. Manchmal sitze ich stundenlang da, starre in die Vergangenheit und versuche mir vorzustellen, wie es war, aber irgendwie komme ich nie sehr weit damit. Ich schaffe es nicht, mich ohne sie zu sehen. Was ich gerade noch hinkriege, ist die letzte halbe Stunde, bevor wir uns trafen, die letzten paar Minuten meiner Vor-Candy-Existenz, als ich noch einfach ein Junge war ... einfach ein Junge in einem Zug, ein Junge mit einer Beule, ein Junge, der eine schwarze Mütze mit Sternen trug.

Ich war unschuldig damals.

Einfach ein Junge.

In einem Zug.

Mit einer Beule.

Und einer Mütze.

Das war die ganze Welt, die ich zu kennen brauchte."

 

Ja, also warum ist mir dieser Junge sympathisch?

 

- weil er so bekümmert ist

- weil er so ernsthaft ist

- weil er sich so bemüht

 

- weil ihm das Mädchen so viel bedeutet ("Ich schaffe es nicht, mich ohne sie zu sehen)

 

- weil er sich selbst so schlicht als "Junge in einem Zug mit Mütze und Beule" definiert und dadurch so bescheiden wirkt - und ebenfalls so ohne Pathos, obwohl da, was er sagt, eigentlich schon pathetisch ist ("Ich war unschuldig damals")

 

Das macht ihn mir sympathisch. Und jetzt mach ich mich mal auf die Suche nach anderen sympathischen Figuren.

 

Liebe Grüße,

Saskia

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Liebe Angelika,

 

mir ist die Figur sympathisch, weil sie noch dort, wo sie sich widerspricht oder sich etwas vormacht, aufrichtig 'rüber kommt, und zwar so, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie bewusst etwas Böses tun möchte.

 

Ich denke mal, die Ich-Perspektive trägt viel dazu bei, dass ich mich ganz unmittelbar angesprochen fühle, so dass ich eine Haltung zu "der Haltung dieser Figur" einnehmen muss und in diesem Fall, ist es eine der Sympathie. Die Sympathie rührt auch daher, dass mich dieser Erzählton anrührt - ein jugendlicher Jargon aus Altklugheit und herrlicher sprachlicher Ungelenkigkeit (die wiederum auch innere Unsicherheit widerspiegelt).

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Hallo Saskia,

 

diese Figur ist mir vom Prinzip her auch sympathisch. Allerdings kommt sie mir in diesem Abschnitt weniger komplex vor. Sie wird nur definiert in Bezug auf "das Mädchen seines Lebens". Handelt es sich hier um ein Jugendbuch?

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Erster Auftritt von Kommisar Adamsberg in "Fliehe weit und schnell" von Fred Vargas:

 

"Ich frage mich", sagte Kommisar Adamsberg, "ob ich durch mein ständiges Bulle-Sein nicht langsam zum Bullen werde."

"Das haben Sie schon mal gesagt" bemerkte Danglard, der das künftige Ordnungssystem seines Metallschranks plante.

Danglard hatte erklärtermaßen die Absicht, auf einer durchdachten Grundlage zu beginnen. Adamsberg, der keinerlei Absicht hatte, hatte seine Akten auf den Stühlen neben seinem Schreibtisch verteilt.

"Wie denken Sie darüber?"

"Dass das nach fünfundzwanzig Berufsjahren vielleicht eine gute Sache wäre."

 

Mir ist dieser Kommisar sympathisch, weil

 

- er befürchtet, langsam ein Bulle zu werden, was einerseits sagt, dass er keiner sein will und andererseits von einer gewissen Selbstkritik zeugt

- er das Leben reflektiert und dabei in Kauf nimmt, dass er sich wiederholt

- er sehr offen dem Leben gegenüber wirkt ("keinerlei Absicht")

- er höflich und wertschätzend mit seinem Kollegen umgeht, indem er ihn um seine Meinung fragt.

 

Was meint ihr dazu? Ist er euch auch sympathisch? Oder stehe nur ich auf diese eigentümlichen Typen, die ein bisschen anders sind?

 

Liebe Grüße,

Saskia

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Handelt es sich hier um ein Jugendbuch?

 

Ja, das ist ein Jugendbuch. Natürlich ist der Junge in den paar Zeilen nicht komplex charakterisiert.(Das wäre ja auch ein bisschen viel verlangt.)

Mir geht es im Moment nur darum: Was macht ihn schon in diesen paar Zeilen ganz am Anfang, als ich noch keine Ahnung von seiner Geschichte habe, sympathisch?

 

Saskia

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Liebe Saskia,

 

bei deinem Jungen aus dem Jugendbuch regt sich bei mir zunächst eher ein vorerst noch schwaches Mitgefühl - das scheint jedenfalls eine Rolle bei diesem Topos zu spielen - weil klar ist, dass er einen Verlust erlebt hat. Wie er damit fertig wird, das steht ja noch nicht da, das wäre sicher aber wichtig für die Frage nach der Sympathie.

 

Da wird mir bei deinem Kommissar - obwohl der Text hier auch noch sehr sparsam ist - mehr Positives geboten, und zwar über das Negative, das er sagt, bzw. das über ihn gesagt wird: Er will kein Bulle werden, er hat keinerlei Absicht, das ich als ambitionslos gedeutet hätte.

 

 

Lieber jueb,

 

danke für deine Antwort. Könntest du vielleicht noch sagen, an welchen Textstellen aus dem Zitat sich deine  Einschätzung

mir ist die Figur sympathisch, weil sie noch dort, wo sie sich widerspricht oder sich etwas vormacht, aufrichtig 'rüber kommt.

festmacht?

 

Herzlich,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Ich mag den Alex aus "Alles ist erleuchtet" auch von Anfang an. Sehr.

 

jueb spricht die Ich-Perspektive an - und mich interessiert das besonders, weil ich sehr haeufig Figuren, die sich als Ich-Erzaehler praesentieren, so fuerchterlich nervig finde.

Wenn ich mir ueberlege, was diese nervigen haben und was Alex nicht hat, faellt mir als erstes Selbstmitleid ein. Und eine gewisse sich entbloessende Wuerdelosigkeit.

Alex ist anders (ich hoffe, ich kann ganz objektiv beim Anfang bleiben, obwohl das eins der Buecher ist, die ich fuerchterlich gern mag).

So wie Roddy Doyle's Paula Spencer, sein Paddy Clarke und sein Held Henry Star anders sind.

Sie sind sie selbst, sie haben einen sehr eigenen und sehr stimmigen Erzaehlton, sie zeigen sich verwundbar (ich glaube, dass das gar nicht hoch genug eingeschaetzt werden kann, als Kriterium. Und all die Leute, die immer fordern, man solle doch auf jegliche Liebesgeschichte vergessen, erzaehlen einem nicht, wie man diese Art der Verwundbarkeit ersetzen soll, die Liebe - zum Bruder, zum Maedchen, zwischen George und Lennie, whatsoever - einer Figur verleiht), aber sie biedern sich nicht an. Sie wenden dem Leser nicht den Ruecken zu, aber auch nicht die Front - die bleibt der Geschichte zugewandt.

 

Eine andere Methode, die z.B. Graham Greene gern verwendet und die ich haeufig ueberzeugend finde, ist, die Figur anfangs nicht auftreten, sondern andere von ihr erzaehlen zu lassen. (Wenn ich mich recht erinnere, ist das nicht nur bei "England made me", sondern auch bei "Brighton Rock" und "The End of the Affair" der Fall.) Sind andere von der Figur gefesselt, reden ueber sie, ereifern sich, so ist das schon mal ein guter Koeder fuer den Leser.

 

Alles Liebe von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Auf mich wirken Figuren sympathisch,

- die innerlich und äußerlich nicht vollkommen sind. Ich kann mich mit ihnen identifizieren.

- die in einer Notlage, einem Dilemma stecken. Ich kann mit ihnen fiebern.

- die einen weichen, verletzlichen Punkt zeigen. Ich will sie beschützen.

 

Angelikas Beispiel ist trotz fehlender Notlage so eine Figur, die will ich kennenlernen. Unsympathisch sind mir alle Superheldinnen und -helden und jene, die so bildschön dargestellt werden, dass ich sie nicht ernst nehmen kann.

 

LG Gertraude

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sie zeigen sich verwundbar (ich glaube' date=' dass das gar nicht hoch genug eingeschaetzt werden kann, als Kriterium. Und all die Leute, die immer fordern, man solle doch auf jegliche Liebesgeschichte vergessen, erzaehlen einem nicht, wie man diese Art der Verwundbarkeit ersetzen soll, die Liebe - zum Bruder, zum Maedchen, zwischen George und Lennie, whatsoever - einer Figur verleiht)[/quote']

 

Ja, ja, ja, ja. Wer liebt, ist verwundbar. Das leuchtet mir ein.

 

und auch das:

Eine andere Methode, die z.B. Graham Greene gern verwendet und die ich haeufig ueberzeugend finde, ist, die Figur anfangs nicht auftreten, sondern andere von ihr erzaehlen zu lassen. (

 

Danke für den Gedanken!

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Lieber jueb,

 

danke für deine Antwort. Könntest du vielleicht noch sagen, an welchen Textstellen aus dem Zitat sich deine  Einschätzung

mir ist die Figur sympathisch, weil sie noch dort, wo sie sich widerspricht oder sich etwas vormacht, aufrichtig 'rüber kommt.

festmacht?

 

Herzlich,

Angelika

 

Liebe Angelika,

 

ich merke, das ist gar nicht so leicht zu erklären!

 

Die Ich-Figur wäre so gern schon ein ganz Großer und versucht das gegenüber einem Erwachsenen, den er auch noch siezt, deutlich zu machen. Auf charmante Weise wiederum. Doch jede dieser übertriebenen Beteuerungen erreicht natürlich das Gegenteil: sie stößt einen förmlich darauf, dass Alex eben noch ganz jung ist.

 

"Ich habe viele, viele Freundinnen, das können Sie mir glauben..." - na, jetzt eben gerade nicht mehr :-)

 

"Eine nennt mich "Baby", nicht weil ich ein Baby bin, sondern..." - warum muss er das beteuern?

 

"Er (der Vater) hat aufgehört, mich so zu nennen, weil ich ihm befohlen habe, mich nicht mehr so zu nennen." -- herrlich, dass er uns weis macht, er könnte seinem Vater etwas befehlen. Als sei der das Kind!

 

Noch einen Gedanken zu diesem Thread. Der allerdings alles noch komplizierter macht. Was ist eine sympathische Figur? Das ist, glaube ich, tatsächlich bei jedem etwas anders. Züge, die einer sympathisch findet, findet ein anderer unter Umständen eher unangenehm...

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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@Angelika: ups, da habe ich den Zweck des Themas falsch verstanden, entschuldige.

 

Ich versuche es einfach nochmal, hoffentlich besser:

 

Mir ist eine Figur sympathisch, mit der ich mitfühlen kann. In der ich meine eigene Unzulänglichkeit wiederfinde, die sich abrackert, die Verluste, Ablehnung und Rückschläge erleidet, aber dennoch weitermacht (was bleibt einem auch sonst übrig?).

 

Die Verwundbarkeit, die Charlie ansprach, nicht nur in der Liebe, sondern der Welt gegenüber.

 

Insofern ist mir der Alex schon sympathisch, weil er sich so abstrampelt, sein Wunschbild von sich der Wirklichkeit überzustülpen.

 

Und wenn einer Figur gleich zu Anfang ein Unrecht widerfährt, bin ich sofort auf ihrer Seite. Das wird ja oft genug in Film und Buch benutzt, und funktioniert immer. Bei mir zumindest.

 

Lieder habe ich kein Beispiel parat.

 

Herzliche Grüsse,

 

Mascha

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Liebe Angelika,

 

mir wird eine Figur sympathisch, wenn sie ein Fünkchen Humor hat. Das nimmt mich recht schnell für sie ein. Und wenn sie sich somit nicht selbst zu ernst nimmt. Da kann die Figur dann auch einen Hauch tragisch sein.

 

Eine Prise Humor ist ein wichtiges Detail, ob offen oder versteckt, um Sympathien zu wecken, finde ich für mich.

 

Aus "Die fliegenden Trautmann" von Miriam Toews, in deren Roman es von sympathischen Figuren wimmelt, die tragisch und humorvoll zugleich sind.

 

Wie war's in Paris?, fragte er.

Was sagst du?, fragte ich. Ach so, in Paris?

Genau, sagte er. Wie's da war.

Thebes drehte die Musik leiser und fragte mich, ob ich vielleicht zurückfahren könnte, sie habe sich auf dem Hinweg schon ihre Beerdigung ausgemalt.

Ich bin abserviert worden, sagte ich.

Das gibt's nicht, sagte Logan.

Leider doch, sagte ich.

In Paris wird man nicht abserviert, sagte Logan. Das ist doch die -

Von einem Jungen oder einem Mädchen?, fragte Thebes.

Einem Jungen, sagte ich.

Logan warf Thebes einen strengen Blick zu. Er hat gesagt, du bist lesbisch, sagte Thebes.

Stimmt ja nicht, sagte Logan.

Klar stimmt das, sagte Thebes.

Okay, Thebes, jetzt hör mal zu, sagte Logan. Ich habe nicht -

Hey, keine Panik. Das spielt überhaupt keine Rolle. Es war aber ein Junge.

Aber du bist doch nicht so furchtbar alt, oder?, sagte Thebes. Du kannst immer noch jemand finden, wenn du richtig suchst. Wie alt bist du?

Achtundzwanzig, sagte ich.

Achtundzwanzig, okay. Sie überlegte kurz. Du hast noch zwei Jahre. Aber vielleicht brauchst du schönere Klamotten.

 

 

@ Saskia, du bist nicht die Einzige, die Adamsberg sofort Sympathien entgegenbringt. Ich mag ihn ausgesprochen gerne. :s18

 

Liebe Grüße,

Kristin

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Hallo Kristin,

 

ich mochte bei den "Fliegenden Trautmanns" die kleine Thebes sooo gerne!

Was für ein liebenswertes verrücktes Ding.

 

Weil sie so taper ist, obwhl sie allen Grund hätte, verzweifelt zu sein, und weil sie darauf besteht, sie selbst zu sein, auch wenn alle anderen sie seltsam finden.

 

Mascha

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Hallo Mascha,

 

Weil sie so taper ist, obwhl sie allen Grund hätte, verzweifelt zu sein, und weil sie darauf besteht, sie selbst zu sein, auch wenn alle anderen sie seltsam finden.

 

Ja, das macht es aus, dass man Thebes sehr gerne mag. Sie bleibt sie selbst, obwohl sie immer wieder zur Außenseiterin wird.

 

Liebe Grüße,

Kristin

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Wenn ich das hier so lese, dann bin ich verwundert.

 

Niemand findet starke, in sich ruhende, ausgeglichene Personen sympathisch. Nur solche, die verletzt, verletzlich, voll der Leiden, Fehler und Macken sind.

 

Bin ich die einzige, die eine Lanze für solche Figuren bricht?

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Andrea,

 

das verstehe ich nicht. genau um solche Figuren geht es doch hier.

 

Den Alex, der so gerne ein cooler Typ wäre, es aber nicht hinkriegt.

 

Thebes, die zu früh lernen muss, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen kann.

 

Diese Figuren sind extrem verwundbar, nur tragen sie ihr Leiden nicht vor sich her, sondern kämpfen dagegen an. Das gerade macht sie anrührend.

 

Herzliche Grüsse,

 

Mascha

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Ich will aber keine verwundeten, verletzlichen Typen, die es nicht hinkriegen, ein cooler Typ zu sein, sondern in sich gefestigte, starke, ausgeglichene Persönlichkeiten. Keine verkappten Looser.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Aber auch die ruhigste, stärkste und ausgeglichenste Persönlichkeit hat eine Vergangenheit, die es bestimmt nicht immer nur gut mit ihr gemeint hat. Und das reicht hinein in das Verhalten der Person, jemand der stark ist, kann auch schwach sein, jemand der ausgeglichen auch mal zornig und außer sich und jemand der ruhig vielleicht auch mal gehässig oder laut. Ich finde Personen, die je nach Situation verschieden reagieren recht farbenfroh.

 

Kristin

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Starke, gefestigte Figuren, die keine Kaempfe ausfechten mussten, um stark und gefestigt zu sein, die am Wochenende mit ihren netten Jugendfreunden, die auch alle Anwaelte geworden sind, Golf spielen und im Sommer mit den frisch von der Kosmetikerin auf sommerlich getrimmten Gattinnen nach Bali fliegen, finde ich in der Tat total uninteressant.

 

Schreibt einer ueber die?

 

Das ist natuerlich zu extrem.

 

Aber ja, ich glaube, die, die Du "verkappte Loser" nennst, das sind die, die ich mag und ueber die ich lesen will. George und Lennie, Raskolnikow und Sonja, Paula Spencer und ihre Kinder, Alex und sein winziger Bruder, Dshamilja, Danijar und ihr kleiner Kitschine-bala.

Ich nenne die "verkappte Winner". Weil sie womoeglich ungeschickt, weltfremd, verstoert oder fehl am Platz genug sind, um alles zu verlieren (auch - vielleicht -ihr Leben). Aber auf eine sehr eigene Weise einen Teil ihrer Wuerde behalten, ihre Integritaet, ihr Menschsein, ein bisschen nur halb und schief gelaechelten Humor. Weil sie keine mitternachtsblauen Anzuege oder Golfschlaeger brauchen, um in meinem Kopf seit Jahren oder Jahrzehnten ganz aufrecht zu sein.

 

Ja, das sind die, von denen ich lesen will.

Ich fuerchte, Du hast recht. "Unverkappte Winner", habe ich gerade gemerkt, kratzen mich nicht, lassen mich ganz kalt.

 

Alles Liebe von

Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Kann es sein, dass es gar nicht darum geht, ob eine Figur verletzlich oder stark ist, sondern eher, ob sie menschlich ist?

 

Ich glaube, in den vorgenannten Beispielen könnte man die jeweilige Figur auch völlig anders darstellen und trotzdem Sympathiepunkte gewinnen. Der Polizist z.B. könnte doch auch sagen, "er habe doch immer nur ein guter Bulle sein wollen." Andere Bedeutung und doch auch menschlich nachvollziehbar.

 

Eine menschliche Figur weist Eigenschaften auf, die wir auch in uns selbst in der einen oder anderen Form wiedererkennen. Weniger menschlich sind schwarz-weiß Kameraden, klischeebehaftete Charakteren. Wenn der Mensch authentisch wirkt, wir etwas in ihm finden, dass unsere eigenen Empfindungen spiegelt, dann beginnen wir uns mit der Figur zu identifizieren. Mit eigenen Emfindungen meine ich aktuelle konkrete, aber auch vergangene, gelegentliche, potentielle ... oder die, die wir bei Freunden, Verwandten miterlebt haben. In einem Wort, etwas, dass wir "nachempfinden" können und dass deshalb unsere Seele mitschwingen lässt, wie eine Instrumentensaite.

 

Im Grunde genommen läuft es wieder auf Empathie hinaus, oder die Fähigkeit des Autors, diese zu erzeugen.

 

LG

Ulf

 

P.S. Ich wollte noch schnell auf Charlies Kommentar antworten:

Starke' date=' gefestigte Figuren, die keine Kaempfe ausfechten mussten, um stark und gefestigt zu sein, die am Wochenende mit ihren netten Jugendfreunden, die auch alle Anwaelte geworden sind, Golf spielen und im Sommer mit den frisch von der Kosmetikerin auf sommerlich getrimmten Gattinnen nach Bali fliegen, finde ich in der Tat total uninteressant.[/quote']

Auch über solche könnte man interessant schreiben, nämlich genau dann, wenn sie verschwommen ahnen, dass da etwas ziemlich hohl in ihrem Leben ist. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Da hast Du es mir aber wieder richtig gegeben, Charlie!

 

Ich habe keine Heldenphobie, ich mag gutaussehende, selbstbewusste und lebensfrohe Figuren, die die Krisen bewältigen, mit denen der Autor sie konfrontiert.

 

Sonst keiner?

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Ich will aber keine verwundeten, verletzlichen Typen, die es nicht hinkriegen, ein cooler Typ zu sein, sondern in sich gefestigte, starke, ausgeglichene Persönlichkeiten. Keine verkappten Looser.

 

Andrea

 

Hallo Andrea!

 

Ich glaube, dass man sich echte Stärke und tiefe Ausgeglichenheit erst erarbeiten muss. Wer seine Grenzen nicht kennt, weiß nicht, wo seine Mitte liegt.

 

Der Unterschied liegt vielleicht einfach darin, zu welchem Zeitpunkt ich eine Figur kennen lerne: während ihres Lernprozesses und ihres Kampfes oder hinterher.

Wobei Lernprozesse und Kämpfe hochgradig individuell sind.

 

Für mich wäre das von Charlie beschriebene Golfer-Setting zum Beispiel ein ganz schrecklicher Kampf ...  8-)

 

Viele Grüße,

Melle

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