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jueb

Roman kürzen

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Guten Morgen!

 

Ich mache mit meinem ersten Roman gerade eine merkwürdige Entdeckung. Mein Agent ist von dem fertigen Manuskript sehr angetan, schlug aber Kürzungen vor, gerade auch im zweiten Teil.

 

Überrascht war ich, als er meinte, wenn ich das Manuskript ein bisschen ruhen lasse, würde ich mit dem Abstand selbst erkennen, wo zu kürzen sei. Ehrlich gesagt glaubte ich zu diesem Zeitpunkt weder, dass mein Manuskript einer Kürzung bedarf, noch hätte ich sagen können, wo ich diese Kürzungen ansetzen sollte.

 

Nun ist genug Zeit verstrichen, der Abstand da, und beim Wiederlesen stelle ich nicht nur die Notwendigkeit des Kürzens fest, nein, mir fällt es erstaunlicherweise sehr leicht zu entscheiden, was (und auch warum) gekürzt werden muss.

 

Kennt ihr diese Erfahrung, die ich als Neuling da gerade mache?

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Guten Morgen, Jueb,

 

diese Erfahrung habe ich schon sehr oft gemacht. Ich glaube, dass ich als Schreiberin, wie viele andere auch, sehr assoziativ bin und viele Abweichungen und Schlenker reinbringe, die zunächst für mich unabdingbar sind, bei späterem Lesen jedoch den "roten Faden" der Geschichte verlassen und auf Umwege führen. Es gibt anscheinend Leser, die gerade das mögen, aber inzwischen habe ich mir auch während des Schreibens angewöhnt, mich immer zu fragen, was ich eigentlich erzählen wollte. Bei historischen Romanen ist man besonders versucht, interessante Recherchen unterbringen zu wollen. Wenn ich das bei anderen Autoren merke, lese ich immer mehr oder weniger darüber hinweg.

Umgekehrt wurde ich in den vergangenen Jahren öfter aufgefordert, die Romane nicht zu kürzen, sondern zu verlängern, zu verdicken. Und da habe ich jetzt für mich die Antwort gefunden: Getretener Quark wird breit, nicht stark (so wie falsch gekürzter Roman wahrscheinlich eher ein Gerippe seiner selbst sein wird ;)).

Um zu meiner eigenen idealen Länge oder Dicke zu kommen, ist im Vorfeld das Exposé schon mal sehr wichtig, dann das Streichen und Kürzen (oder zusätzlicher Einbau von Szenen) nach dem Ruhen, so, wie du es beschreibst.

 

Herzlichst

Christa

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Ja, jueb, die kenne ich.

 

Abstand zum Manuskript ist für mich eine wichtige Voraussetzung für das Überarbeiten. Betriebsblindheit ihr Gegenstück. Dabei ist sekundär, ob es um Kürzungen, Ergänzungen oder sonstige Veränderungen geht.

 

Viel Erfolg beim Überarbeiten wünscht

 

Eva

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Morgen Jueb!

Ja, das kenne ich ebenfalls. Bei jedem Buch ist es das Gleiche. Jedes Wort erscheint mir zuerst wichtig, gerade, wenn es sich auch noch um geschichtliche Fakten handelt, die ich genau wiedergeben möchte. Doch manchmal werden die Sätze dadurch unklar, verworren und kompliziert. Wenn dann meine Testleserin sagt, dass ich kürzen sollte, wehre ich mich und bin meist uneinsichtlich - schließlich ist es mein Manuskript. Zumal ich auch nicht weiß wie und was ich rausschmeißen soll. Doch mit etwas Abstand betrachtet, stelle ich jedes Mal fest, dass ihre Meinung richtig war. Auch weiß ich dann was raus muss. Durch das Kürzen wurden die Sätze/Abschnitte/Kapitel stets runder, besser verständlich.

Da bewahrheitet sich wieder die Weisheit: Manchmal ist weniger mehr!

Viel Spaß bei der Arbeit!  :s15

Herzlichst

Deana

"Deana Zinßmeister ist in der obersten Riege deutscher Historienroman-Autorinnen angekommen (Alex Dengler, führender Buchkritiker)&&Homepage: www.deanazinssmeister.de

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Hallo jueb,

 

mir geht es genau so wie dir. Ich habe mein Projekt mehrere Monate ruhen lassen und jetzt mit der Überarbeitung begonnen. Momentan fliegt ziemlich viel raus, egal ob ganze Abschnitte, einzelne Sätze oder (Füll)Wörter.

 

Vor ein paar Monaten hätte ich das Zuviel weder gesehen noch für nötig gehalten, da hat sich das Zuviel sogar gut angefühlt.

 

Viele Grüße,

Kristin

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Das Kürzen eines MS ist für mich besonders nach der ersten Fassung wichtig. Ich stelle immer wieder fest, dass mich an einem neuen Stoff erst warm schreiben muss und dann sehr in die Breite komme. Darüber hinaus füge ich in der ersten Fassung am Anfang Fakten ein, die eher weiter hinten stehen sollten.

 

Bei meinem letzten Projekt habe ich selbst bei der 3. Überarbeitung noch einmal 10 % gekürzt. Diesen Wert hatte ich einmal irgendwo in einem schlauen Schreibratgeber gelesen. Ich finde ihn ganz realistisch, benutze ihn aber auch nicht als Dogma.

 

Hans-Jürgen

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Hallo jueb,

 

ja, diese Erfahrung habe ich auch gemacht und mache sie immer wieder. Erst mit zeitlichem Abstand erkenne ich, wo ich raffen, straffen, streichen kann. Obwohl ich ja eine Planerin bin, schweife ich doch gerne ab und erkenne häufig erst im Nachhinein – wenn ich eben den ganzen Text vor mir habe – wo narratives Schreiben sich besser eignet als das szenische. Dann wird umgeschrieben und damit deutlich gekürzt. Auch Andreas Eschbachs Tipp, den ersten Absatz einer Szene einfach mal zu streichen, hat sich bei mir bewährt.

 

Ich kürze gerne, seit ich bei meinem Erstling die wunderbare Erfahrung gemacht habe, wie aus 550 Seiten, die ich nur mit Gähnattacken lesen konnte 440 wurden, die dann den richtigen Sog hatten.

 

LG

Inge

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Hallo, jueb

 

Bei meinem letzten Projekt habe ich selbst bei der 3. Überarbeitung noch einmal 10 % gekürzt. Diesen Wert hatte ich einmal irgendwo in einem schlauen Schreibratgeber gelesen. Ich finde ihn ganz realistisch' date=' benutze ihn aber auch nicht als Dogma.[/quote']

 

Wenn mich nicht alles täuscht, hat Stephen King irgendwo mal davon gesprochen, dass seiner Meinung nach von einer ersten Fassung 30 % gekürzt werden sollten. (Bin mir jetzt aber mit King nicht sicher; bei den 30 % schon ... nur wer hat das gesagt?  :-?)

 

Liebe Grüße,

Heiko

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Falcon Peak - Wächter der Lüfte. Ein spannendes Fantasy-Abenteuer für Jungen und Mädchen ab 10 Jahren und jung gebliebene Erwachsene. ArsEdition, 01.03.2021

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Hi, Jueb!

 

Nachdem mein erster Thriller fertig war hatte er 401 Seiten.

Dann habe ich ihn etwas liegen lassen und mich später an die Überarbeitung gesetzt. Hinterher waren es noch 330 Seiten...

 

Ich wollte so viele Details einstreuen, kleine Geschichten am Rand erzählen, die Figuren so plastisch wie möglich machen. Und im Ergebnis war es einfach nur Gesülz. Wer ist von welcher Autobahnabfahrt runter gefahren? Wer saß wo an der Tafel? Und was macht wer bevor er ins Bett geht oder den Fernseher einschaltet? Vollkommen Wurst!

 

Zum Glück habe ich das MS erst nach dieser umfangreichen Kürzung eingereicht und es wurde mir sofort abgekauft. Und ich wurde immer wieder dafür gelobt, dass es so zügig und spannend geschrieben sei.

 

In der Stand-Up-Comedy sagt man dazu "Kill your Darlings", wenn man sich von Gags trennen muss, die man selber gut findet, die aber beim Publikum einfach nicht ankommen wollen. Wie man das beim Schreiben nennt weiß ich nicht, aber es ist in jedem Fall total wichtig.

 

Liebe Grüße!

"Bis in den Tod hinein" erscheint im Juli 2013 bei Blanvalet.

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Wenn mich nicht alles täuscht, hat Stephen King irgendwo mal davon gesprochen, dass seiner Meinung nach von einer ersten Fassung 30 % gekürzt werden sollten. (Bin mir jetzt aber mit King nicht sicher; bei den 30 % schon ... nur wer hat das gesagt?  :-?)

Oh, das findest du als Faustregel oft und in vielen BÜchern über das Schreiben. Wobei heute meist weniger gekürzt wird, weil die Bücher dicker sein sollen. Den Text verbessert das leider nicht immer ;-).

 

@Jueb:

Nun ist genug Zeit verstrichen, der Abstand da, und beim Wiederlesen stelle ich nicht nur die Notwendigkeit des Kürzens fest, nein, mir fällt es erstaunlicherweise sehr leicht zu entscheiden, was (und auch warum) gekürzt werden muss.

Ja, abhängen ist wichtig. Ich denke, wenn du einen eigenen Text oft durchgelesen hast, dann kennst du ihn zu gut und dann fallen dir problematische Stellen nicht mehr auf. Nach drei Monaten hast du ihn nicht mehr so genau im Gedächtnis, dann liest du ihn mehr wie einen neuen Text.

 

Oft muss ich meinen Text aber auch aufbohren, mehr erklären (okay, ein Sachbuch ist natürlich auch was anderes), ich neige manchmal auch zu arg kondensierten Texten.

 

Hans Peter

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Ja Jueb,

 

das ist das Problem eines jeden Autors.

 

Obwohl ich als Journalist gelernt habe, mich kurz und prägnant auszudrücken und auch zu erzählen (manchmal kommt mir das alles zu kurz und abgehackt vor) schafft es mein Lektor regelmäßig noch mal die berühmten 10% zu kürzen.

 

Ich habe mir einen anderen Trick ausgedacht, den ich aus dem Drehbuchbereich geklaut habe:

spät in eine Szene/Kapitel rein....früh raus. Also keine großen Überleitungen mehr.

Das Detail muss fürs Ganze stehen.

Nach ein wenig Übung klappt das prima und liest sich auch wesentlich rasanter.

 

euer hef

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Naja, ich hatte es auch schon anders - mit genügend Abstand den Eindruck gewonnen, dass ich durchaus etwas mehr hätte in die Breite gehen können. Oder eine gestrichene Szene dann schmerzlich vermisst hab.

 

Spät rein, früh raus ist ein gutes Mittel. Wenn man dann seine Infos dazwischen verteilt, fallen sie nicht so auf, wie wenn man sie am Anfang en bloc platziert.

 

Sabine

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Hallo Jueb,

 

ich kenne das. Eschenbachs Rat konnte ich früher nicht nachvollziehen. Die erste Szene streichen? Die mir doch so wichtig vorkommt? Vielleicht muss es nicht immer die erste Szene sein, obwohl es genau die ist, an der man wahrscheinlich am meisten hängt, schließlich ist sie die älteste.

Als mein Lektor mir Streichungsvorschläge machte, waren es genau die Szenen, die mir mein inneres Auge immer schon wegstreichen wollte - aber ich konnte es nicht.

Mein Tipp - Sentimentalität ausschalten und kürzen - und dann staunen, wieviel besser der Text geworden ist. Sicherheitshalber aber vorher woanders abspeichern, für den Fall, dass man sich irrt - kann ja auch passieren.

 

mlG

Christine

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Hallo!

 

Naja' date=' ich hatte es auch schon anders - mit genügend Abstand den Eindruck gewonnen, dass ich durchaus etwas mehr hätte in die Breite gehen können. [/quote']

 

So geht es mir mit meiner Alchemistin. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, ich hätte an einigen Ecken noch mehr erzählen können, ohne dass es dem Roman geschadet hätte. Deshalb habe ich mein neues Projekt, an dem ich gerade arbeite, gleich in der Vorarbeit breiter angelegt.

Streichen musste ich bislang noch nicht, ausbauen hingegen schon sehr häufig :)

 

Gruß Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Es scheint mir so zu sein, dass man mit etwas Abstand insgesamt klarer sieht... sowohl was Kürzungen, als auch was andere Änderungen angeht...

 

Während ich schreibe, auf dem Weg bin, blicke ich auf das Ziel und ansonsten auf den Weg vor meinen Füßen. Wenn ich dann angekommen bin und den Weg überschaue, sieht die Sache ganz anders aus... ::)

 

Liebe Grüße,

 

Inken

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"Kill your darling" - den Rat kenne ich auch von creative-writing-Büchern. Es schadet nie, sondern eröffnet im Gegenteil oft ganz neue Möglichkeiten, notwendige Informationen anderweitig unterzubringen etc.

Ich finde diverse Überarbeitungsphasen in unterschiedlich langen, zeitlichen Abständen immer sehr hilfreich. Oft schreibe ich in den ersten Phasen mehr dazu, schmücke aus, und schaffe es nach einigen Wochen Pause, den Text an anderen Stellen erheblich zu straffen. Insgesamt hilft es mir, flüssiger zu schreiben, weil ich mir zunächst das bloße Runterschreiben/ Von-der-Seele-Schreiben gönnen kann und dann - in vielen, vielen verschiedenen Phasen - in aller Ruhe am Text feile.

Frohes Kürzen und Verlängern  :s18

Heidi

"Das Haus der schönen Dinge" - Knaur TB Mai 2017 - Die Geschichte einer (fiktiven) jüdischen Kaufhausdynastie in München zwischen Prinzregentenzeit und 1938

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Kaum schreibe ich eine Weile, fällt mir noch was zu Hefs Hinweis auf das späte "Hineinspringen" in eine Szene ein: Da gibt es auch so eine schöne, griffige Formulierung aus dem creative writing: "come late, leave early". Das funktioniert nicht immer - gerade im HR sind Überleitungen manchmal doch unumgänglich -, aber ab und an ist es eine gute Hilfe, um überflüssige Sätze zu streichen.

"Das Haus der schönen Dinge" - Knaur TB Mai 2017 - Die Geschichte einer (fiktiven) jüdischen Kaufhausdynastie in München zwischen Prinzregentenzeit und 1938

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Hallo ihr Lieben,

 

vielen Dank für die vielen Antworten. Mein Gott, hier scheint es sich um eine Standardsituation von Romanschreibern zu handeln. Bei meinen Sachbüchern übrigens, habe ich nie gekürzt, aber da ging es vielleicht eher auch um die Vermittlung von Informationen - wie unterhaltsam auch immer.

 

"Kill your Darlings!", genau diese Erfahrung mache ich auch. Eine Lieblingsszene, die aber (wie ich beim neuerlichen Lesen feststelle) zu weit vom Thema wegführt, habe ich ersatzlos gestrichen.

 

Später in die Szene rein, ist auch ein guter Tipp, finde ich.

 

Eine Reihe von Kürzungen, die ich gerade durchführe, hängen auch damit zusammen, dass dem Leser etwas mitgeteilt wird, das er sich vielleicht selbst denken kann oder auch nicht. Aber man muss es ihm nicht explizit vorkauen. Ich empfinde das Kürzen als Verdichtungsprozess, bei dem Leerstellen entstehen, die der Geschichte jenseits das "Hingeschriebenen" nochmals Tiefe geben - im besten Fall.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Das mit dem Kill your darling versteh ich ja nicht so wirklich. Klingt so, als könnte man überflüssige Szenen daran identifizieren, dass man sie besonders gern hat. Hat man nicht die am liebsten, die am spannendsten sind und wo es emotional die höchsten Wellen schlägt?

 

Sabine

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Hi Sabine,

 

kill your darling geschieht ja seltenst freiwillig. Nur kommt man irgendwann (hoffentlich früh genug) an einen Punkt, an dem man sich wirklich fragt: passt diese schöne Szene überhaupt in den plot, oder schweift sie ab?

Bring sie den Roman wirklich weiter, oder kann sie im Gesamtkonzept nicht doch eher hinderlich werden, da ich da zu viel erklären muss, um sie nicht als Fremdkörper irgendwo bei Seite...herumhängen zu lassen.

 

Habe auch gerade einen darling von 20 Seiten gekilled.

Das die Szene nicht passte, merkte ich bei Perspektivwechsel.

 

Also nicht lange rumpfuschen um das Ding doch irgendwie passend zu schreiben...raus damit. Und schon lief es wieder.

Den Mut und die Selbsterkenntnis muss man aufbringen. Sonst machts der Lektor.

 

euer hef

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Das mit dem Kill your darling versteh ich ja nicht so wirklich.

 

Also wenn Du mich fragst (und ich hab keine Angst davor, mit Steinen beschmissen zu werden), ist "kill your darlings" eine dieser dogmatisierten Herbet-Formeln aus amerikanischen Schreibratgebern der Marke Romanebasteln-fuer-die-fleissige-Hausfrau.

Das einzige, das man sich vielleicht dazu an die Innenwand des Hinterkopfes schreiben KOENNTE (wenn man's nicht ohnehin da stehen hat, so bloed sind wir doch alle nicht), ist: keine - auch keine geliebte - Szene von der gruendlichen Pruefungsfrage Kann-das-weg? ausnehmen?

Der Kill-your-darlings-rubbish ist vermutlich (denk ich mir so) aus der Annahme heraus entstanden, dass der doofe, sentimentale Autor seine eigenen Lieblingsszenen nicht nochmal durchliest, sondern auf einen goldenen Sockel klebt und sie mit verklaerten Aeuglein anblinzelt. Die Wirklichkeit sieht - denke ich - eher so aus, dass der verklaertaeugige Autor die Lieblingsszene noch haeufiger liest als den Rest - bis er sie womoeglich (nicht: notwendigerweise) nicht mehr sehen kann und selbst erkennt, dass sie so groovy und vor allem so unentbehrlich nicht war.

 

jueb, mir geht es auch so wie dir (und ich gebe verschaemt ein bisschen Neid auf Kollegen zu, denen es geht wie Susann - man will ja, fuercht' ich, immer das, was man nicht hat). Je mehr Abstand zwischen den Korrekturgaengen verstreicht, desto mehr Bauchfett verlieren meine Romane. Und duerfte ich die, die gedruckt sind, noch mal beackern, waeren sie wohl alle um knapp hundert Seiten schlanker.

 

Alles Liebe von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ich traue mich ja kaum, das zu sagen, aber: Meine Lektorin hat sich von mir das Gegenteil gewünscht, nämlich noch ordentlich was reinzuschreiben ;D Okay, das hatte natürlich auch einen Grund.

 

Kürzen ist für mich ansonsten recht schmerzfrei - was wie bei Hef so auch bei mir daran liegen mag, dass man als Zeitungs-Redakteur sowieso jeden Tag ganz emotionslos durch die eigenen Texte furcht, weils eben sein muss und auch meistens richtig ist. Aus meinem aktuellen Roman habe ich am Ende nochmal 40 Seiten rausgeworfen und 100 reingeschrieben, also rund 30 Prozent verändert. Mit allen Kürzungswünschen hatte meine Lektorin dabei vollkommen recht - Kürzungen kommen oft der Straffheit im Erzählfluss zugute. Es ging darum: Nimm da etwas weg, wo es nicht passt, und setzt da etwas hin, wo es noch fehlt und man mehr wissen will - also: eine Frage der Balance.

 

In der Tat: Ich finde, es gibt so Szenen und jeweils eine Tagesform, da guckt man aus dem fahrenden Zug und schreibt, was links und rechts liegt, weil es einem so gefällt. Anderes schreibt man dann straighter mit Blick nach vorn und Scheuklappen - und mit etwas Abstand erkennt man: Du hättest es jeweils genau andersherum machen müssen.

 

Kill your Darlings - ich finde auch, man muss das nicht zwingend, aber man sollte auch keine Scheu haben, das zu tun. Mir geschieht das häufig mit Figuren, die ich superklasse finde, die dann aber rausfliegen müssen, weil sie einfach nicht ins Gesamtbild passen und zu schräg, schrullig oder einfach funktionslos sind, wie ich mir dann eingestehen muss, wenn ich von der Leinwand einige Meter zurücktrete. Und wenn man sie dennoch drin lässt, merkt es spätestens der Lektor und sagt: Pack die mal in deine Tarrantino-Schublade und mach irgendwann mit allen zusammen mal was draus, die da rum liegen ;-)

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Eine nützliche Übung, an die ich gleich wieder gehen werde, ist das Kürzen für die Hörbuchfassung.

Wenn man da ein Zeichenzahl vorgegeben bekommt, dann merkt man sehr schnell, was das eigentliche Gerippe der Geschichte ausmacht.

 

Wenn man also einen Roman um 50% zu kürzen hat, dann stellt man fest, was wirklich handlungsrelevant ist. "Geblümte Sofakissen" sind zwar stimmungsfördernd, aber nicht immer notwendig. Vor allem aber merkt man, wie unsinnig für die Informationsübermittlung an den Leser die gelegentlich sehr streng geforderte szenische Darstellung ist.

 

Oft kürzt man höchst effizient, indem man Szenen auktorial zusammenfasst.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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