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Beate K.

Tierquälerei u.ä. in historischen Romanen

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Genauso wie der Tierliebhaber von heute ein Klischee ist, so its Thomas Tierverächter von damals ebenso ein Klischee. Die Wahrheit liegt wie immer in der Differenzierung. Wenn ein Pferd so viel wert wie zehn Zugochsen war, und ein Schlachtross noch mehr, dann werd man es wohl kaum gequält und zuschanden geritten haben, nur so aus Spaß.

 

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Wenn ein Pferd so viel wert wie zehn Zugochsen war, und ein Schlachtross noch mehr, dann werd man es wohl kaum gequält und zuschanden geritten haben, nur so aus Spaß.

 

Ulf

 

Genau das fiel mir gestern abend auch noch ein. So ein Schlachtross war teuer und ein Ritter ohne Schlachtross war aufgeschmissen. Wenn er es also schlachtete, dann sicher nur in absoluten Extremsituationen, z.B. um sich und seine Gefährten vor dem Hungertod zu retten. So ein Verhalten ist für moderne Menschen durchaus auch nachvollziehbar, denke ich. Es muss dem Ritter nicht unbedingt leicht gefallen sein.

 

Mir fallen hierzu Cowboys aus Filmen ein, die ihre Pferde erschießen müssen, wenn die sich ein Bein gebrochen haben. Natürlich tun sie das ohne Zögern, aber sie haben dabei manchmal Tränen in den Augen. Unglaubwürdig oder sentimental scheint mir das nicht.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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Genauso wie der Tierliebhaber von heute ein Klischee ist' date=' so its Thomas Tierverächter von damals ebenso ein Klischee. Die Wahrheit liegt wie immer in der Differenzierung. [/quote']

 

Bravo!

 

Es erstaunt mich immer wieder, mit welcher Selbstverstaendlichkeit wir uns anmassen, den gewaltigen Zeitraum "Mittelalter" fuer den Kulturraum "Welt" in Bausch und Bogen ueber einen einzigen winzigen Kamm zu scheren.

 

Was fuer ein Argument ist denn das Essen von Pferden in Notzeiten? Das fand auch in beiden Nachkriegszeiten des Zwanzigsten Jahrhunderts - wie in Notzeiten der gesamten Weltgeschichte - statt. Und zwar auf offener Strasse. (Ich erlaube mir, zudem auf den beruehmten Fall des in den Anden abgestuerzten Flugzeugs hinzuweisen, bei dem die Ueberlebenden sich durch das Verspeisen von Toten durchbrachten. Ich sehe foermlich vor mir, wie in sechshundert Jahren stolz behauptet wird: In Jahrhundert Zwanzig waren alle Leute Kannibalen.)

 

In den Schiffsgraebern von Sutton Hoo wurde ein Mann mit seinem Pferd zusammen bestattet. In anderen anglo-saechsischen Graebern in Suffolk fand man sowohl Kinder als auch Frauen, die ihre Schosshunde in den Armen hielten. (Fruehmittelalter)

 

Wer sich mit der Geschichte der Tower Menagerie befasst, wird natuerlich feststellen, dass Tiere dort nicht artgerecht gehalten wurden (das werden sie in den meisten Zoos von heute auch nicht, ohne dass es uns besonders kratzt) - aber sehr wohl geliebt, bestaunt, mit Hingabe gepflegt und betrauert (!). (Spaetmittelalter)

 

Es gibt Briefe von englischen Hochadligen, die den Tod ihrer Hunde beklagen, andere Adlige (auch Monarchen), die fuer ihre exotischen Haustiere eigens Nahrung importieren lassen, und zahlreiche Berichte von Touristen und Diplomaten, die sich ueber die Grausamkeit der englischen Tiersportarten (e.g. Baerenhatz, Hahnenkampf, Hetzjagden in eingezaeunten Gehegen) entruestet und angeekelt aeusserten (Hochmittelalter, Spaetmittelalter und Renaissance).

 

Tiere - Hunde, Pferde, Voegel, Affen etc. - erhielten haeufig Namen und waren unter diesen Namen bekannt (die Namen tauchen zuweilen sogar in erhalten gebliebenen Rechnungen auf). Sie wurden als Haustiere (z.B. Pfauenpaare waren beliebte Hochzeitsgeschenke, die als "Zierde" galten, nicht als Nahrungsmittel oder Nutztier. Etwas anderes sind unsere Meerschweinchen und Wellensittiche auch nicht) verschenkt und geschaetzt. (Spaetmittelalter und Renaissance)

 

Es gibt das andere alles - Baerenhatz, gefressene Pferde, Verfolgung von Tieren als Verbrecher, grausame Jagdverfahren etc. - aber es gibt dieses eben auch. Auch wenn das Individuum sozusagen (!) noch nicht "erfunden" war, hat diese gigantische graue Einheitsmasse "Mittelaltermensch", von der in derlei Pauschalurteilen gesprochen wird, nie existiert.

 

Und wie propagandistisch ist denn die Formulierung "hat Saeuglinge eingesperrt und ihnen jegliche menschliche Waerme vorenthalten"? (Mann, waren die gemein, diese Mittelalternichtmenschen.) Beates "wissenschaftlicher Unfall" fasst das betreffende Ereignis wesentlich treffender zusammen, und wenn man Friedrichs Absichten und sein Vorgehen auf dieser Basis einem Leser erzaehlt - wieso soll das nicht funktionieren, wieso soll sich ein Leser diesem wissbegierigen Friedrich nicht empathisch naehern koennen?

 

Und dann immer wieder die boesen Mittelalternichtmenschen, die alle zum Gaffen zu Hinrichtungen gerannt sind! Zwar gibt es auch zu diesem Thema etliche sich empoerende zeitgeschichtliche Dokumente und Diskussionen ueber die Auwirkungen auf die Bevoelkerung, aber das wird ebenso gern voellig ignoriert wie der Volksauflauf, der sich heute gaffend um Verkehrsunfaelle schart. (Wir koennen ja mal eine Umfrage starten, wie viele zur Hinrichtung eines Kindermoerders heute zusammenlaufen und "gaffen" wuerden.)

 

Nein, die Menschen sind nicht im Jahr 1500 als verworfene Alpha-Version von der Erde gekarrt und durch die viel genialere Beta-Version "Mensch Ultra - der tierliebende, nicht folternde, nicht gaffende, garantiert stubenreine Neuzeitmensch" ersetzt worden.

Die, die da immer so hingestellt werden, als seien sie eigentlich keine Menschen, sondern Aliens, sind die, von denen wir abstammen. (Nicht nur biologisch. Sondern vor allem geistesgeschichtlich!)

 

Natuerlich tut ein Autor gut daran, eingangs die Zuege seiner einer Epoche des Mittelalters entstammenden Figur zu betonen, zu denen sein heutiger Leser leichter Zugang findet, sodass der Leser eine Verbindung zu der Figur herstellen kann und mitgeht, wenn ihm die anderen, fremderen, gewoehnungsbeduerftigen Zuege vorgestellt werden. Das ist fuer mich etwas, das der historische Roman kann, wenn er koennen will: Zeigen, was anders ist. Zeigen, was gleich ist. Beides sehr nahe an den lesenden Menschen fuehren.

 

Natuerlich tut Beate gut daran, wenn sie sich als Hauptperson ihres Romans eine Figur waehlt, die keine Baerenhatzen beklatscht, sondern vielleicht einen unbestimmten Widerwillen gegen dieses Quaelen eines wehrlosen Gegners verspuert hat. Thematisieren kann sie diesen Bereich der Epoche (so sie eine waehlt, in der diese Volksbelustigung ausgeuebt wurde) auch auf solche Weise, und Geschichtsklitterung betreibt sie damit noch lange nicht.

 

Ich kann jedem, der sich entscheidet, einen Roman in einer Epoche des Mittelalters spielen zu lassen, nur zu seiner Entscheidung gratulieren und wuensche ihm eine so bereichernde, erhellende Zeit, wie ich sie hatte. Wichtig ist, denke ich, dass man sich diese Zeit auch laesst, nicht heute anfaengt, sich "Fakten" bei Google rauszusuchen, und morgen anfaengt, zu schreiben, sondern sich seinem Thema sehr langsam, sehr behutsam und sehr offen und hellhoerig naehert, es sich goennt, eine breite Palette von Primaerquellen zu lesen, sich mit Funden und Erkenntnissen der Archaeologie zu beschaeftigen und so allmaehlich Gehoer und Gefuehl fuer die Menschen zu entwickeln, von denen man erzaehlen will.

Die anders waren als wir. Und gleich. Und untereinander anders. Und manchmal gleich.

 

Ich wuensch' Dir viel Freude dabei, Beate. Und wenig Angst und Vorurteile.

 

Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Also können wir folgendes Fazit ziehen:

Die Menschen im Mittelalter lebten in einer anderen Gesellschaftsordnung und Kulturform als wir, aber sie zeigten genau die gleiche Spannbreite aller Gefühle - sowohl gegen ihre Mitmenschen als auch gegen ihre Tiere. Und nichts, was es im Mittelalter gegeben hat, ist heute gänzlich aus unserer Gesellschaft verschwunden.

Ich bin 100% davon überzeugt, dass es so ist, wie Charlie schreibt: Wenn ein Kindermörder und -schänder (oder jemand, den man dafür hält) öffentlich hingerichtet werden würde, würde es auch heute etliche Menschen geben, die sich das Beifall klatschend anschauen würden.

 

Mir ist noch ein anderer Aspekt in den Sinn gekommen - Thomas schreibt, dass Tierquälerei im Mittelalter nicht in dem Maße wie heute als Hinweis auf ernsthafte psychische Erkrankungen gewertet werden kann.

Tierquälerei ist heute kein Hinweis auf ernsthafte psychische Erkrankungen, sondern ein Hinweis auf eine Störung des Sozialverhaltens, die auf Psychopathie hinweisen kann, bzw. die Vorstufe zu Grausamkeiten an Menschen sein kann.

Ich denke, dass man die Form der Tierquälerei im Mittelalter differenzieren muss. Die "öffentlich" gelebte Form aus Sportzwecken (so wie heute der Stierkampf) ist natürlich kein Hinweis auf derartige Störungen, sondern kulturell bedingt. Aber wenn jemand für sich aus nichtigen Anlässen ein Tier quält, dann ist das m.E. damals wie heute ein Zeichen dafür, dass jenem Menschen eine gewisse Ehrfurcht vor der Schöpfung fehlt. Und da passt Andreas Beispiel mit Franz von Assisi wieder.

Ein mittelalterlicher Held würde also nicht aus seiner Rolle fallen, wenn er Spaß an Jagdmethoden/ Tierhetzen hätte, die wir heute ablehnen, weil wir sie als grausam erkannt haben, aber er wäre moralisch beschädigt, wenn er z.B. ein Kaninchen bei lebendigem Leib häutet, weil er das Zucken des gequälten Tieres so spannend findet. Ich glaube, wenn jemand sich früher so verhalten hätte, wäre er gewiss auch mit schiefen Blicken angesehen worden.

 

Gruß, Melanie

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Ein mittelalterlicher Held würde also nicht aus seiner Rolle fallen, wenn er Spaß an Jagdmethoden/ Tierhetzen hätte, die wir heute ablehnen, weil wir sie als grausam erkannt haben, aber er wäre moralisch beschädigt, wenn er z.B. ein Kaninchen bei lebendigem Leib häutet, weil er das Zucken des gequälten Tieres so spannend findet. Ich glaube, wenn jemand sich früher so verhalten hätte, wäre er gewiss auch mit schiefen Blicken angesehen worden.

 

Ein ausgezeichnetes plastisches Beispiel, finde ich.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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Sehr gut gesagt, Melanie.

 

Natürlich ist klar, das Menschen, die Umgang mit Nutztieren haben, einen etwas undramatischeren Umgang mit ihnen pflegen als solche, die ein Schoßhündchen verhätscheln. Für Bauern, egal zu welcher Zeit, sind Zeugung, Geburt, Versorgung, Kastration oder Schlachten der Tiere ganz normale Vorgänge auf einem Hof. Das heißt aber nicht, dass die keine Beziehung zu den Tieren haben oder sie gar quälen.

 

Ich war als Kind auf dem Hof meiner Großtante. Sie hatte neben ihrem Vieh auch Gänse auf der Wiese. Die wurden immer mit frischem Wasser und Futter versorgt. Sie liebte ihre Gänse und sprach auch mit ihnen. Wenn eine geschlachtet wurde, nahm sie sie auf den Schoß, fühlte mit dem Daumen sanft oben auf den Kopf, wo die Schädelplatten zusammenkommen, und stach schnell mit der schmalen Klinge eines Taschenmessers hinein. Die Gans starb sofort und ohne Leiden. Und am Sonntag war sie auf dem Tisch.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Wenn also jemand einen mittelalterlichen Helden Tierliebe attestieren möchte' date=' kann er sich jederzeit auf die Franziskaner berufen.[/quote']Natürlich dürfte es auch im Mittelalter schon die volle Spannbreite menschlichen Verhaltens gegeben haben, vom Tierschützer bis zum Tierquäler. Was es allerdings nicht gab, dürfte eine Einzelperson sein, die die volle Spannbreite aufgeklärten und modernen Denkens in sich vereingte. Sprich: Jedes Charakteristikum für sich kann man einem Helden glaubwürdig verleihen - aber in der Summe und der konkreten Ausprägung gibt es dann doch eine Schwelle, ab der eine Figur nicht mehr zeitgemäß ist.

 Genauso gibt es deutliche Abstufungen in der Wahrnehmung des Wert eines Tieres. Und in der Abstufung des Wertes der Menschen. Man kann davon ausgehen, dass für manch einen Adligen sein kostbares Schlachtross und dessen Wohlergehen mehr zählte als ein Menschenleben, genau wie es die affektive Hinwendung zu einzelnen "Schoßtieren" gab. Aber das war dann eben auch stets in den kulturellen Hintergrund eingebettet, referenzierte darauf und ergab sich daraus. Und der war nun mal ein anderer als heute (in unserer Kultur), und nicht beliebig. Wobei es natürlich blödsinnig ist, vom "Mittelalter" zu reden - das gilt fürs 19. Jahrhundert ebenso wie für jede andere konkrete Zeit und Kultur.

 Und genau dieser Bezug zur umgebenden Kultur fehlt mir eben oft in problematischen Fragen in historischen Romanen. Da finde ich es mitunter tatsächlich meist besser, wenn so heikle Punkte geschickt vermieden werden, als wenn man eine politisch korrekte moderne Gutmenschen-Lösung für seinen Protagonisten findet, bei der man merkt, dass sie vom Autor kommt - aber nicht von der Welt, die über die in der Geschichte geredet wird.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Hallo Charlie,

 

ich habe kein gesamtes Zeitalter oder die Mittelaltermenschenüber einen Kamm geschoren, sondern darauf hingewiesen, dass "Haltungen, Meinungen und Werte im Mittelalter anders waren". Das impliziert übrigens nicht, dass sie über das Mittelalter gleich waren, auch wenn du das mir in den Text legst. Das die Menschen unterschiedlich waren, und es zeitgenössische Strömungen gab, dürfte auch keine große Überraschung sein.

Deshalb trifft mein Pauschalurteil übrigens auch nicht den Mittelaltermenschen, sondern die Form mittelalterliche Romane, die sich einer Zeit annähern, indem sie moderne Menschen in eine angenäherte Mittelalterkulisse versetzten, und das als "leserorientiert" bezeichnen, statt dem Leser mal etwas mehr zuzumuten und Dinge einzuordnen. Weshalb ich das Friedrich II Beispiel so beschrieben habe und dann auf Einordnung verwiesen habe.

Zu den anderen Details: Das unsere Zeit über ähnliche und andere Grausamkeiten verfügt, sagt übrigens weniger etwas über unsere Zeit oder das Mittelalter aus. Es sagt übrigens auch nicht viel über die Menschen aus, weil Grausamkeit eben in allen Zeiten aus Desinteresse öfter verübt wurde, als aus Willen. Es sagt viel mehr etwas Wissen, Haltungen und Meinungen einer Zeit aus, und über das Reflektionsniveau.

Und zu dem Alienbeispiel: Das ist aber auch arg dünn und eng am Pauschalurteil. Denn das Mittelalter ist eben vieles. Es gab die Hinrichtungen vor Hunderten von Menschen als Volksfest, und den Frühhumanismus, es gibt die "Pornokratie" im Papststuhl und alle paar Jahrzehnte kirchliche Erneuerungsbestrebungen, es gibt Albertus Magnus und Erasmus von Rotterdamm und analphabetische Bischöfe, es gibt die Massenhinrichtungen von Christen und Arabern in Akkon durch Richard Löwenherz und Franz von Assisi, es gibt Karl den Großen als grausamer Unterwerfer der Sachsen und Förderer der altdeutschen Sprache,...

Deshalb greift es etwas kurz an Einzelbeispielen über Schlachtrösser zu diskutieren, aber wir können das gerne.

Schlachtrösser mussten über Jahre ausgebildet werden, um Ritter in voller Montur in die Schlacht zu bringen, und waren dementsprechend teuer. Deshalb wurden sie anders behandelt als ein Wurf "überzähliger" Katzenkinder. Eine besondere Sentimentalität ist daraus aber nicht generell abzuleiten, kann aber sicher im Einzelfall oder bei bestimmten Menschentypen vorliegen. Diese relativiert sich aber wieder in beide Richtungen, wenn man daran denkt, wie hoch die Lebenserwartung eines Schlachtrosses im Mittelalter war, ziemlich kurz, die vornehmen Ritter hatte bei Kriegshandlungen oft mehrere dabei, und das Pferde seit der Heeresreform Karl des Großen Kennzeichen des Ritterstandes waren, und damit Kennzeichen

des gesellschaftlichen Standes, die Reiter eine wichtige Funktionen im Heerbann hatten, und die Versorgung der Pferde eben nicht von den Rittern (bis auf Einzelfälle) erfolgten. Eine hohe persönliche Bindung ist meiner Meinung nach eben nicht der Einzelfall, aber selten.

Haustiere im heutigen Sinne als "Ersatzkinder" sind im Mittelalter die Ausnahme, Haustiere hatten meist eine konkrete Funktion und wurden deshalb geschätzt, teilweise sehr geschätzt- wegen ihrer Talente in der Funktion, aber nicht als "Ersatzkind". Aber ich will nicht zu sehr ins Detail gehen...

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Thomas, von Sentimentalitaet oder einer Einstellung zum Tier als "Ersatzkind" hat in diesem Thread niemand gesprochen, schon gar nicht Beate in ihrer Frage. Darueber dass die unterschiedlichen in den Epochen des Mittelalters vertretenen Einstellungen zum Tier mit denen im einundzwanzigsten Jahrhundert vertretenen vornehmlich nicht deckungsgleich sind, waren sich hier alle einig. Auch auf Vielfalt wurde mehrfach hingewiesen (wobei Erasmus von Rotterdam nicht nur an der Zeitenwende steht, sondern diese mit seinem Gedankengut erheblich mittraegt, als Repraesentant fuer mittelalterliches Gedankengut also eher ungeeignet ist). Was Du mit Deiner Erklaerung zum Schlachtross - die niemandem, der zur Epoche recherchiert hat, neu sein duerfte - sagen willst, ist mir nicht klar.

Dass Du Dich an bestimmten Romanen, deren Figuren wie Zeitreisende erscheinen, stoerst, kann ich lebhaft nachvollziehen, mir persoenlich geht es nicht anders (was am Existenzrecht dieser Romane selbstredend nicht ruettelt), aber Beate war ja gerade daran gelegen, solchen Roman nicht zu schreiben. Wie auch denen, die auf ihre Frage geantwortet haben.

 

[ Da finde ich es mitunter tatsächlich meist besser' date= wenn so heikle Punkte geschickt vermieden werden, als wenn man eine politisch korrekte moderne Gutmenschen-Lösung für seinen Protagonisten findet, bei der man merkt, dass sie vom Autor kommt - aber nicht von der Welt, die über die in der Geschichte geredet wird.[/quote]

 

Ich denke auch, dass das in vielen Faellen eine voellig aktzeptable Loesung ist. Wenn ich einen am Tudor-Hof (ob es Beate ueberhaupt speziell ums Mittelalter ging, weiss ich gar nicht, faellt mir jetzt auf) spielenden Roman schreibe, waere es Schoenfaerberei, eine Baerenhatz nicht zumindest zu erwaehnen. Und wenn nur Wallegewaender und Pavanenrunden beschrieben werden, alles weniger salonfaehige aber vor der Tuer bleibt, entsteht vermutlich kein tragfaehiges, lebendiges und glaubwuerdiges Setting.

Ich brauche ja aber nicht jede Figur in jede Situation zu bringen, sondern kann auswaehlen.

Wobei man - denke ich - aber auch gut daran tut, die Gegebenheiten der gewaehlten Epoche so breit wie moeglich zu nutzen, weil man auf diese Weise dichtere Romane webt, die nicht austauschbar, sondern in ihrer Epoche verankert sind - bei denen also kein Verleger auf die Idee kommen kann, zu fordern: Koennse uns das mal nach 1753 verlegen - 1825 laeuft bei uns nicht.

Wenn ich mich den Forderungen, die eine Epoche womoeglich an eine Figur stellt, selbst auch stelle, eroeffnet mir das viel Potential, den Figuren Mehrdimensionalitaet zu verleihen. So ist es zum Beispiel oft moeglich, einen "Boesen" auf dem historischen Boden, auf dem er steht, zu erklaeren, ihm starke, eigene Motive zu verleihen und ihn damit ambivalenter und interessanter zu machen. Wie viele Leser das nachher annehmen oder darueber hinweglesen, ist eine andere Frage. Dass jeder Leser in jeden Aspekt eines Romans einsteigt, kann man ohnehin nicht erwarten.

 

Ich hab uebrigens mit Lesern viel bessere Erfahrungen, als man oft aus Befuerchtungen herauslesen koennte. Unter anderem habe ich eine "gute Figur" (meine Lieblingsfigur des Romans) als aktiven Befehlsgeber in eine Folterszene gestellt (in der er historisch verbuergt eben stand). Leser waren empoert, schockiert, traurig, auch wuetend, aber sie haben die Figur nicht losgelassen, nicht ihrer Geschichte den Ruecken zugewandt. Und vor allem nicht ihre Glaubwuerdigkeit angezweifelt.

Oft denke ich, dass wir vorauseilend Lesern zu wenig zutrauen.

(Nebenbei: zu viel zugetraut habe ich Lesern eindeutig beim Thema Ehe/Treuebruch, was ich hoechst interessant finde. Meine Leser zumindest sind deutlich viktorianischer eingestellt, als ich erwartet haette, und regen sich ueber sogenannte Treuebrueche, die mir als heikel/fraglich vorab nicht einmal aufgefallen waeren, weit mehr auf als ueber Folterszenen und Baerenhatzen. Da kommen dann Kommentare wie: "Aber liebt der denn nicht die X? Wieso kann der denn dann mit der Y?" Mit den Leservorstellungen von romantischer Liebe, die in der Darstellung vorromantischer Ehen ja eher weniger untergebracht werden koennen, um es vorsichtig auszudruecken, habe ich insgesamt viel mehr Schwierigkeiten als mit Aspekten, von deren Existenz der viellesende Fan der Epoche bereits weiss. So sehr kratzt mich das aber nicht, weil ich denke: Man verprellt damit eine Lesergruppe, die man ohnehin schlechter bedient als andere Kollegen. Die eigentliche Zielgruppe wuerde man aber verprellen, wenn man sich an dieser Stelle anpasste.)

 

Viele Gruesse von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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Sehr guter Beitrag, Charlie, denke ich.

 

Verallgemeinerungen sind immer zu vermeiden. Sowohl in der Epoche wie auch in der einzelnen Figur, die wir zum Leben erwecken. Auch im Mittelalter ware nicht alle Tierquäler. Melanie hat den feinen Unterschied weiter oben sehr gut dargestellt. Sie waren weder so ungewaschen, wie gern geglaubt wird, noch so keusch, fromm und körperfeindlich, wie manche behaupten (auch Historiker). Ich habe sogar von gewissen Soziologen gelesen, die behaupteten, der Mensch habe keine tiefe Liebe zu Kindern entwickelt, da so viele so früh verstorben sind. Kinder seien wie kleine, unfähige Erwachsene behandelt worden. Die Reichen hätten sie einfach den Ammen übertragen, und die Armen mit den Schweinen aufgezogen. Wie kommen Leute, selbst gebildete, nur auf solche Ideen? Da werden Einzelfälle genommen und verallgemeinert. Dabei gibt es genügend Belege in Dokumenten und Literatur der Zeit, dass der Verlust eines Kindes genauso schwer wog wie heute.

 

Dass manche Dinge uns heute fremd sind, ist klar. Manche Einstellungen und Riten in Papua Neu-Guinea sind uns auch fremd. Aber wenn ich weiß, warum diese Menschen dort so denken, dann kann man auch ihre Handlungsweise nachvollziehen, ohne sie zu verdammen. Das ist, was in einem guten HR vermittelt werden muss. Natürlich ist das eine Gratwanderung und nicht ganz leicht. Aber nicht unmöglich.

 

Und was Liebe und eheliche Treue angeht, ich lese ab und zu mal wieder eine Geschichte im Decameron bei Boccaccio, nur als Beispiel. Da gibt es eine recht frische und lockere Einstellung zu diesen Dingen. Man musste sich vielleicht verstecken, aber Spaß hatten sie allemal. Das romantische Bürgertum hat daraus den tierischen Ernst gemacht.  :)

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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es gibt die Massenhinrichtungen von Christen und Arabern in Akkon durch Richard Löwenherz und Franz von Assisi

Über den Satz bin ich im ersten Moment arg gestolpert ...

Franz von Assisi hat zusammen mit Richard Löwenherz Massenhinrichtungen an Christen und Arabern in Akkon vorgenommen?

 

Gruß, Melanie

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So habe ich es auch zuerst gelesen. Ich vermute aber, dass das zwei Gegenpole sein sollen, zumal Franz zur Zeit von Akkon noch ein Kind war :-)

 

LG,

eva v.

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Ich denke auch, dass das in vielen Faellen eine voellig aktzeptable Loesung ist. Wenn ich einen am Tudor-Hof spielenden Roman schreibe, waere es Schoenfaerberei, eine Baerenhatz nicht zumindest zu erwaehnen. Und wenn nur Wallegewaender und Pavanenrunden beschrieben werden, alles weniger salonfaehige aber vor der Tuer bleibt, entsteht vermutlich kein tragfaehiges, lebendiges und glaubwuerdiges Setting.

Ich brauche ja aber nicht jede Figur in jede Situation zu bringen, sondern kann auswaehlen.

Genau das. Selbst wenn ich darauf verzichte, den Helden in realistische, aber moralisch möglicherweise kompromittierende Situationen zu bringen, heißt das ja nicht, dass ich im kompletten Roman darauf verzichten muss, solche Situationen zu beschreiben. Es kann auch im Umfeld anderer Figuren passieren, oder so "am Rand" einer Darstellung, dass der Held nicht so sehr gefordert ist. Ein lebendiges Setting lässt sich meist trotzdem bringen - ab wann der Held blasser dasteht, wenn man gewisse Konfrontationen für ihn vermeidet, muss der Autor letztlich selbst entscheiden. Wenn alles vermieden wird, woran irgendein Leser Anstoß nehmen könnte, macht es sicher irgendwann das Buch kaputt.

 Aber wenn man sich als Autor nicht trauen möchte, kritische Einzelfälle authentisch durchzuziehen, dann finde ich das Vermeiden meist die elegantere Lösung. ;)

Mit den Leservorstellungen von romantischer Liebe' date=' die in der Darstellung vorromantischer Ehen ja eher weniger untergebracht werden koennen, um es vorsichtig auszudruecken, habe ich insgesamt viel mehr Schwierigkeiten als mit Aspekten, von deren Existenz der viellesende Fan der Epoche bereits weiss.[/quote']Das ist sicher der Standardfall, bei dem Anpassungen an moderne Vorstellungen vorkommen. Aber auch hier gibt es natürlich Möglichkeiten, die romantische Liebe besser oder schlechter in den zeitgenössischen Kontext einzubauen. Und ich fürchte, das ist einer der Punkte, bei dem man viel eher elegante Lösungen braucht und den man viel schlechter einfach elegant umschiffen kann - steht ein Liebesthema doch sehr oft zentral in historischen Romanen.

 Ob jetzt unbedingt in dem Buch auch noch ein Tier gequält werden muss, dürfte demgegenüber doch ein eher nebensächlicher Punkt sein.

Wie kommen Leute' date=' selbst gebildete, nur auf solche Ideen? Da werden Einzelfälle genommen und verallgemeinert. Dabei gibt es genügend Belege in Dokumenten und Literatur der Zeit, dass der Verlust eines Kindes genauso schwer wog wie heute.[/quote']Das lag womögilch daran, dass bestimmte sichtbare "Praktiken" zu anderen Zeiten anders besetzt waren als heute: Dass beispielsweise ein schnelleres Loslassen nach dem Verlust des Kindes heute als Zeichen für geringere Trauer interpretiert wird, während früher die Bedeutung des Verlusts zumeist eben anders ausgedrückt wurde. Da wiegt es für moderne, gebildete Leute eben oft schwerer, wenn sie anhand der Überlieferung feststellen können, dass das Leben für die Familie nach dem Verlust eines Kindes eher schneller zum Alltag zurückkehrte als heute, während andere Möglichkeiten, dem Verlust Bedeutung zu verleihen (beispielsweise durch den Aufwand für die offizielle Trauer und Totenmessen), sich dem heutigen Betrachter nicht mehr so schnell erschließen.

 Es ist einfach so wie bei jeder Begegnung zwischen fremden Kulturen: Man interpretiert Verhaltensweisen leicht vorschnell nach der Bedeutung, die sie in der eigenen Kultur haben.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Hallo UlfSch,

 

das "Kinder  (...) wie kleine, unfähige Erwachsene behandelt worden" seien, ist für das Mittelalter weitgehend richtig. Denn das soziale Konstrukt "Kindheit", also eine besondere, schützenswerte Zeit des Aufwachsens, in der Kinder lernen und spielen und darüber die Welt entdecken, ist eine Erfindung einer späteren Zeit.

Im Mittelalter war ein sechsjähriger Junge voll gerichtsmündig und haftbar und ging im üblichen einer Tätigkeit nach seinen körperlichen Möglichkeiten nach. Die Kinder der Adligen auch von Ammen gestillt und recht früh als Pagen und später als Knappen in fremde Dienste gegeben. (Was sich in den englischen Internatsschulen auf gewisse Weise bis heute fortsetzt). Die Kinder armer Leute arbeiteten normal bei ihren Eltern mit, Kinder von Handwerkern wurden als Lehrjungen (gegen Bezahlung) außer Haus gegeben. Dementsprechend gab es im Mittelalter keine Kindheit wie heute.

 

Die hohe Kindersterblichkeit, im Lexikon des Mittelalters taucht die Zahl von über 50% der Kinder auf, die das 14. Lebensjahr nicht erreichten, hat natürlich Auswirkung auf die emotionale Bindung an die Kinder, genau wie die vielen Fehlgeburten. Sicher können da Psychologen mehr zu sagen.

Für den Hausgebrauch kann man es einfach mal exemplifizieren (alle Zahlen erfunden): Ein heutiges Kind hat 0,7 Geschwister und wächst vermutlich mit 1,5 Eltern auf und 2,5 Großeltern (die üblicherweise nicht mit im Haushalt leben). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine dieser Personen im Haushalt des Kindes vor seinem 14 Lebensjahr stirbt, ist nicht sehr hoch- sie liegt vielleicht 1/5 aller Kinder, bei zwei Bezugspersonen sind es 1/25, bei drei oder mehr sind es vermutlich unter 1 Prozent.

Im Mittelalter (grob erfunden) hatte ein Kind 6-9 Geschwister, vermutlich 1,8 Eltern (hohe Wiederverheiratungsrate), oft weitere Personen im Haushalt und 1,4 Großeltern. Von den Geschwistern starben 50% bis zum 14. LJ., von den Eltern auch im Schnitt 0,6, dazu 1,1 Großeltern, sowie weitere Personen im Haushalt. Der Tod war also viel alltäglicher und die Sterbewahrscheinlichkeit bis zum 4 Lebensjahr sehr hoch. Bis zum 14. Lebensjahr sind also in der Regel mehr als 5 Personen im Haushalt gestorben.

Unter diesen Voraussetzungen ist klar, dass viele Eltern erst nach dem 4. Lebensjahr eine intensive Beziehung zu ihren Kind aufgebaut haben, gerade wenn sie vorher schon eine Fehlgeburt hatten oder ein Kind gestorben wurde. Weil dann die Kindersterblichkeit deutlich abnimmt. Oben schreibe ich von vielen Eltern, die Ausnahmen werden aber zahlreich sein. Und gerade bei älteren Kindern wird die Trauer deutlicher und klarer geäußert und die Bindung wird sich wenig von der heutigen Zeit unterscheiden.

 

Hallo Charlie,

 

Erasmus von Rotterdam ist ein Vertreter des Frühhumanismus. Aber auch wenn der Frühhumanismus und der Humanismus sich immer auf die Antike beruft, so wird bei näherem hinsehen, bei den Verbindungen zwischen Frühhumanisten und den Quellen für ihre Werke rasch klar, dass vieles Schöpfungen des Mittelalters ist.

Die universitas ist eine davon, die Form des Studiums an diesen (auch wenn die septem artes der Studienplan sind), und vieles mehr. Gerade die Kommentare zu antiken Quellen sind fast so bedeutend wie die antiken Quellen selber und mittelalterliche Schriften sind ebenso prägend. Das Leben der Frühhumanisten ist mittelalterlich geprägt und kann vielleicht erst durch das alles erst in eine neue Richtung weisen, indem es aufnimmt und weiterentwickelt.

Deshalb gehört Erasmus als Frühhumanist für mich ins Mittelalter und ist einer der Leuchttürme.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Unter diesen Voraussetzungen ist klar, dass viele Eltern erst nach dem 4. Lebensjahr eine intensive Beziehung zu ihren Kind aufgebaut haben.

 

Tut mir leid, das ist mir zu wissenschaftlich kühl analysiert. Die tatsächlichen Gegebenheiten werden wir natürlich nie erfahren, aber die Bindung zwischen Müttern und Kindern ist in der ersten Zeit besonders intensiv. In Bauernfamilien wurden Kinder durchgängig gestillt - war eine Kostenfrage, in Adelsfamilien wurden nicht alle Kinder im MA zu Ammen gegeben - im Gegenteil, schon damals wurde von Kirchenvätern gepredigt, die Muttermilch der eigenen Mutter sei das Beste für das Kind und es zeugte von großer Zuneigung zum Kind, wenn es auch in hochgestellten Kreisen gestillt wurde. Was damals in hohen Kreisen dagegen sprach, war der Wunsch, möglichst viele Kinder als potentielle Erben zu haben und die Stillzeit bot ja einen gewissen Schutz vor erneuter Empfängnis. Es gibt dazu ein sehr interessantes Buch: Kindheit im Mittelalter (Link ungültig)

 

Wenn man aus heutiger Sicht behauptet, Eltern hätten aufgrund der hohen Sterblichkeit erst nach dem 4. Geburtstag des Kindes eine enge Beziehung aufgebaut, finde ich das eine sehr gewagte Aussage. Wenn ein Kind stirbt, war es zu allen Zeiten eine schwere Belastung für die Eltern, nur hatten die Menschen im Mittelalter andere Kompensationsmöglichkeiten. Sie fanden viel eher Trost in der Kirche, konnten sich mit dem Gedanken trösten, dass das Kind sofort in den Himmel gekommen ist. Übrigens war es den Eltern auch sehr wichtig, dass Kinder, die unmittelbar nach der Geburt starben, noch getauft wurden - dafür hatten Hebammen sogar die Befugnis, eine Nottaufe vorzunehmen. Wenn den Eltern ihre Kinder so egal gewesen wären, dann hätte man nicht auch für verstorbene Säuglinge so viel getan.

 

Ich kann das oben zitierte Buch nur empfehlen, ich fand es sehr aufschlussreich.

 

Gruß, Melanie

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Liebe Leute,

 

ich fürchte, wir verzetteln uns hier ein wenig. Die Aussagen von Thomas wären in einem wissenschaftlichen Fachbuch vielleicht ganz korrekt. Und in einem anderen Fachbuch würde es dann wieder ein bisschen anders drinstehen, wie mir während meiner Recherchen zu diversen historischen Themen aufgefallen ist.

 

Aber hier geht ja darum, was ein historischer Roman darf. In einem Roman brauche ich lebendige, individuelle Figuren und nicht Abziehbilder aus historischen Fachbüchern à la: so war der Mensch des Mittelalters. Daher kann und muss ich sogar aus der ganzen Bandbreite möglicher menschlicher Verhaltensweisen schöpfen. Eine Mutter, die das Neugeborene so abgöttisch liebt, dass sie seinen Tod nie ganz überwindet, wäre für mich ebenso vorstellbar wie eine, die sich freut, von dem lästigen Balg erlöst zu sein. Ebenso kann eine Frau den Schoßhund als Kindersatz vergöttern, der Ritter darf sein Pferd lieben oder es auch heimlich quälen.

All das hat es meiner Meinung nach zu allen Epochen gegeben.

 

Nun zu der häufig geäußerten Kritik, die Figuren in historischen Romanen seien zu modern. Die Frage ist erst einmal, was der Autor eigentlich will. Soll der Roman ein Sittengemälde sein, das ein möglichst akkurates Bild einer vergangenen Epoche vermittelt? In diesem Fall ist bei sehr untypischen Eigenschaften und Ansichten der Protas natürlich Vorsicht geboten. Aber vielleicht will der Autor ja gerade eine einzige, außergewöhnliche Person beschreiben, die ihrer Zeit voraus ist und deshalb in Schwierigkeiten gerät. Anders als bei Kartoffeln und gefederten Kutschen kann man hier nicht konkret beweisen, dass es einen einzigen solchen Menschen damals nicht gegeben haben könnte. Ich habe da beim Lesen meist eine hohe Toleranzschwelle. Wenn der Text sonst keine großen Anachronismen aufweist, schlucke ich die modern denkende Figur, denn meistens ist sie einem ja sympathisch.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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Unter diesen Voraussetzungen ist klar' date=' dass viele Eltern erst nach dem 4. Lebensjahr eine intensive Beziehung zu ihren Kind aufgebaut haben, gerade wenn sie vorher schon eine Fehlgeburt hatten oder ein Kind gestorben wurde. Weil dann die Kindersterblichkeit deutlich abnimmt.[/quote']... und damit gehst du genau dem oben angeführtem Fehler auf den Leim, von heutigen Verhältnissen ausgehend auf damalige Befindlichkeiten zu extrapolieren ;) Aber Gefühle verhalten sich nicht logisch und folgen nicht so einfachen Rechnungen.

 Tatsächlich konnte bis vor relativ kurzer Zeit jede Familie angesichts der Kombination hoher Kindersterblichkeit mit hohen Kinderzahlen davon ausgehen, eher mehr als ein Kind zu verlieren. Eben darum war die Kindersterblichkeit stärker in den Alltag integriert, und was man selten finden dürfte, sind die Familien, deren Lebensplanungen am Tod eines Kindes zerbrechen und die mit dem Verlust, weil er so unerwartet kommt, gar nicht umgehen können. Der Verlust von Kindern war in den Alltag integriert, und gerade bei Säuglingen unter einem Jahr wurde zumindest (natürlich je nach Kultur, Region und genauer Zeit) versucht, keine so enge Bindung einzugehen, weil im ersten Jahr die Sterblichkeit besonders hoch war.

 Aber dabei ging es eher um Äußerlichkeiten, um die Organisation des Lebens um die Kindersterblichkeit herum. Und diese Äußerlichkeiten führen, wenn man sie mit heutigen Verhältnissen vergleicht, oft in die Irre, was die emotionale Bedeutung angeht. Trauerzeiten um verlorene Kinder waren kurz, verglichen mit heute, aber oft sehr intensiv, "ausgelebt" - und von einer Kultur des Sterbens aufgefangen, die einfach den größeren Bedürfnissen mit einer höheren Effizienz begegnete als unsere heutige Zeit, wo der Tod an sich zum Unglücksfall verkommen ist. Es gibt genug zeitgenössische Zeugnisse, die eine ganz erhebliche Bindung selbst an gestorbene Säuglinge belegen - die sich dann allerdings eher während der Trauerzeit äußerte, im Aufwand von Trauerfeierlichkeiten, im kirchlichen Rahmen ... und die danach meist schnell in der wiederhergestellten Funktionsfähigkeit der Familie mündete.

 Was der Verlust schon eines Kleinkinds für die Eltern bedeutete, zeigte sich zu gewissen Zeiten nun mal eher an ruinösen Bestattungen und Liturgien und dem Trostsuchen in der Religion als in jahrelangem Trauern und dem Verzicht auf weitere Kinder.

 

Kinder als "junge Erwachsene" ... ich habe das Gefühl, an dieser Auffassung wirkt in erster Linie immer noch die künstlerische Tradition nach, die Kinder ja oft im Putz von Erwachsenen gezeigt hat, oft auch mit erwachsenen Gesichtern ... und die oft damit eher einen symbolischen Anspruch verband. :)

 Was es natürlich nicht gab, war eine akademisch fundierte Vorstellung der Kindheit, und keine klar formalisierte, juristische Regelung der Kindheit als Lebensabschnitt. Was aber nicht heißt, dass die Leute zu früheren Zeiten nicht wussten, was Kinder sind, und dass sie anders sind als Erwachsene.

 Natürlich waren Kinder in das Leben der Erwachsenen eingebunden, soweit es ihren Fähigkeiten entsprach. Und die Stufen, die sie durchliefen, sollten sie auf die Teilhabe am erwachsenen Leben vorbereiten ... genau wie heute auch ;) Wenn man davon ausgeht, dass Kinder damals keine Kinder waren, weil sie viele erwachsene Tätigkeiten früher ausübten als heute, weil die Abschnitte fließender ineinander übergingen und je nach sozialer Schicht mal mehr, mal weniger Gelegenheit für die Dinge blieb, die man heute mit "typisch Kindheit" assoziert, dann ist das schlichtweg auch nur eine Rückprojektion des modernen Kindheitsbildes in frühere Epochen und Kulturen.

 Kinder waren damals auch Kinder, nur die typisch kindlichen Stationen auf dem Weg zum Erwachsenwerden verliefen damals anders. Und wenn es genug dokumentierte Fälle gab, wo sechs oder achtjährige Kinder vor Gericht standen, so gibt es trotz fehlender formaler "Jugendberichtsbarkeit" auch genug Zeugnisse dafür, dass den meisten Beteiligten sehr wohl bewusst war, dass die Taten eines Sechsjährigen anderes bewertet werden sollten als die eines Sechzehnjährigen.

Nur weil die Kindheit nicht als Zustand von eigenem Recht, fein säuberlich getrennt erkannt und aufgezeichnet war, heißt das nicht, dass es keine Kinder gab oder dass die Leute nicht wussten, was Kinder sind und wie man mit ihnen umgeht. Wer das glaubt, der folgt dem Kurzschluss, den ich im ersten Proseminar Geschichte als Kardinalsfehler der Geschichtswissenschaft des 19. Jhdts. vorgestellt bekommen habe: Der voreiligen Gleichsetzung von formaler Rechtsetzung mit der Rechtswirklichkeit, von den Akten mit der Welt.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Ich kann Melanie nur beipflichten. Und das Buch von Shahar kenne ich auch, schätze es.

Aber mehr noch hat mir das Buch "Montaillou - ein Dorf vor dem Inquisitor" gebracht. Es handelt sich um die Aufarbeitung der Inquisitionsprotokolle, die ein wirklich anschauliches Bild der Lebenswelt in Südfrankreich zu Beginn des 14. Jh. zeigt: Alltag, Familienleben, Kultur, Sexualverhalten, Moral, Verbrechen ...

 

Da gibt es u.a. ein Kapitel "Kindheit, Jugend, Alter", in dem der Fall einer Dame von Chateauverdun geschildert wird, die sich entschließt, zu den Häretikern zu gehen und ihr Kind zu verlassen. Das Kind lag noch in der Wiege: Sie küsst es, geht ... Plötzlich beginnt das Kind zu lachen. Sie kehrt um, herzt es, geht wieder. Und so ging das viele Male. Sie brachte es nicht übers Herz, ihr Kind zu verlassen. Zum Schluss bittet sie verzweifelt ihre Magd, das Kind hinauszubringen ...

Dass viele Frauen auch über den Tod ihrer Kinder sehr unglücklich waren, ist ebenfalls belegt - aber hier spielt noch etwas anderes hinein, und zwar die Sorge für das eigene Wohlergehen. Kinder waren immer auch ein Garant für die Versorgung ihrer Eltern im Alter.

 

Endgültige Wahrheiten in Sachen Mittelalter gibt es nicht, schon gar nicht wenn es um Menschen und Schicksale geht. Ich fühle mich beim Schreiben aber viel sicherer, wenn ich mich nicht nur mit der Historie, sondern auch mit dem Weltbild und dem Empfinden der Menschen in dieser Zeit einigermaßen auskenne. Deshalb halte ich mich an gute Sachbücher (die gibt es), alte Quellen, mittelalterliche Texte, Briefe etc.. Dass dieses interessante Studium obendrein Spaß macht, brauche ich nicht zu erzählen.

 

Liebe Grüße

 

Helene

Helene Luise Köppel:  Romanreihe "Töchter des Teufels" (6 Historische Romane über den Albigenserkreuzzug); sowie Romanreihe "Untiefen des Lebens"  (6 SÜDFRANKREICH-thriller), Neu in 2022: "Abkehr".

                                         

                                 

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[Das lag womögilch daran, dass bestimmte sichtbare "Praktiken" zu anderen Zeiten anders besetzt waren als heute: Dass beispielsweise ein schnelleres Loslassen nach dem Verlust des Kindes heute als Zeichen für geringere Trauer interpretiert wird, während früher die Bedeutung des Verlusts zumeist eben anders ausgedrückt wurde. Da wiegt es für moderne, gebildete Leute eben oft schwerer, wenn sie anhand der Überlieferung feststellen können, dass das Leben für die Familie nach dem Verlust eines Kindes eher schneller zum Alltag zurückkehrte als heute, während andere Möglichkeiten, dem Verlust Bedeutung zu verleihen (beispielsweise durch den Aufwand für die offizielle Trauer und Totenmessen), sich dem heutigen Betrachter nicht mehr so schnell erschließen.

 Es ist einfach so wie bei jeder Begegnung zwischen fremden Kulturen: Man interpretiert Verhaltensweisen leicht vorschnell nach der Bedeutung, die sie in der eigenen Kultur haben.

 

Das finde ich dermassen brillant auf den Punkt gebracht, dass ich's gern in Zukunft zitieren duerfte (das ueber einen Kamm gescherte Klischee "haben ihre Kinder nicht geliebt, weil die ja sowieso gestorben sind" hoere ich noch viel haeufiger als die Sache mit der Tierquaelerei oder den boesen Gaffern).

Wenn etwas anders aussieht, braucht es eben lange Blicke.

Den genannten Totenmessen moechte ich noch Grabplatten und Begraebnisausstattungen als Beispiele hinzufuegen, die sehr eindrucksvoll von einer Form von Trauer sprechen, die sich - finde ich - auch schnell erschliesst.

Briefe aus der Zeit der ersten grossen Pestepidemie finde ich ebenso aufschlussreich. (Der von Edward III zum Tod seiner Tochter ist ja nur die Spitze des Eisbergs.)

Und beruehrend.

 

Mit der Liebe tu ich mich schwerer - grundsaetzlich und theoretisch schliesse ich mich auch da Spinners Ausfuehrungen zu gangbaren Wegen ganz an. In der Praxis muss ich aber zugeben, dass da fuer mich zwischen von mir wahrnehmbaren Lesererwartungen und dem, was ich bei der Recherche vorfinde, was mich fesselt und was ich gern abbilden moechte bisher noch ein gewaltiger Graben klafft.

 

Eine Uebungssache, hoffe ich.

 

Herzliche Gruesse von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ach - Barbara Tuchmanns "Der ferne Spiegel" gehoert noch in die Reihe der hier schon gemachten Buchempfehlungen. Das ist auch eine ueberzeugende (und herrlich zu lesende) Darstellung von der fehlenden Homogenitaet einer mittelalterlichen Epoche (14. Jahrhundert. Darin steht auch irgendwo: "dass sie ihre Kinder nicht liebten, stimmt genauso, wie dass sie sie heiss liebten ..." o.ae. Wenn ich's nachher schaffe, such ich's raus.)

 

Herzliche Gruesse von Charlie

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In der Praxis muss ich aber zugeben, dass da fuer mich zwischen von mir wahrnehmbaren Lesererwartungen und dem, was ich bei der Recherche vorfinde, was mich fesselt und was ich gern abbilden moechte bisher noch ein gewaltiger Graben klafft.

 

Eine Uebungssache, hoffe ich.

Nun, bislang musste ich mich mit historischen Romanen ja nur als Leser, Lektor und Übersetzer auseinandersetzen und bin nie in die Verlegenheit gekommen, es selbst besser machen zu müssen - aber ich fürchte, es bleibt immer ein Spagat, egal wie viel man übt. Dafür spricht auch, dass ich je nach Autor mal Herangehensweisen gefunden habe, die mich mehr überzeugen, und mal weniger überzeugende, dass ich es aber selten erlebt habe, dass ein Autor da durch Übung eine immer bessere Darstellung zustande bringt, die endlich beiden Lebenswirklichkeiten gleichermaßen gerecht wird - der historischen und der seiner Leser. Häufiger ist es so, dass unterschiedliche Autoren einfach unterschiedliche Schwerpunkte setzen und dabei bleiben.

 Und leider konnte ich bisher auch nicht feststellen, dass die Darstellungen, die ich als die historisch authentischsten empfunden habe, auch diejenigen sind, die beim breitesten Publikum am besten ankommen. Umgekehrt ist es aber auch nicht so, dass die plumpe Anbiederung an den Zeitgeist Erfolg verspricht, und das tröstet mich dann doch ein wenig. ;) Mein persönliches Fazit in solchen Fragen wäre, dass eigentlich vieles für Fingerspitzengefühl und eine behutsame Vermittlung zwischen Leser und Historie spricht. Und das ist ja auch irgendwie richtig so und sollte auch bei Fragen der Tierquälerei u.ä. mehr das "wie" als das "ob" in den Vordergrund stellen. :)

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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[Mein persönliches Fazit in solchen Fragen wäre' date= dass eigentlich vieles für Fingerspitzengefühl und eine behutsame Vermittlung zwischen Leser und Histore spricht. Und das ist ja auch irgendwie richtig so und sollte auch bei Fragen der Tierquälerei u.ä. mehr das "wie" als das "ob" in den Vordergrund stellen. )[/quote]

 

Genau das ist der Spagat, der mir (noch in kuehnsten Traeumen) vorschwebt.

Und ich denke, dabei hilft Uebung: Mehr Erfahrung mit Leserreaktionen, mehr Experimentieren, mehr Praxis im Aufbereiten der Rechercheergebnisse. (Ich fand's jedenfalls beim vierten historischen Roman jetzt leichter als beim ersten ... aber vielleicht ist's auch Selbsttaeuschung.)

Vor allem jedoch auch: Bessere Einstellung auf die eigene Zielgruppe (die eben nicht fuer jeden beliebig vergroesserbar ist. Ich finde aber: Wenn einem erst mal klar ist, wen man so, wie man seine Schwerpunkte setzt, erreichen kann und wen eher nicht, wird die Neigung, sich "den Unerreichbaren" anzubiedern - und dadurch die, die man haben koennte, zu verprellen - kleiner und vor allem die Vorstellungen, ob und wie man der eigenen Zielgruppe etwas vorsetzen kann, plastischer und handhabbarer).

 

Herzliche Gruesse von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Mein persönliches Fazit in solchen Fragen wäre' date=' dass eigentlich vieles für Fingerspitzengefühl und eine behutsame Vermittlung zwischen Leser und Histore spricht. Und das ist ja auch irgendwie richtig so und sollte auch bei Fragen der Tierquälerei u.ä. mehr das "wie" als das "ob" in den Vordergrund stellen. :)[/quote']

So verstehe ich das auch. Wobei ich, vielleicht ist das gewagt, meinem eigenen Bauchgefühl traue, und nicht so viel an Zielgruppen denke. Ob ich da richtig gelegen habe, wird sich demnächst zeigen, wenn mein erster Roman dem Leser bald vorliegen wird. :-/

 

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich möchte mir noch eine kleine Nebenbemerkung erlauben, die aber zum Bemühen passt, den Helden nicht zu sehr durch eine durchaus gewünschte, realistische Darstellung vergangener Sitten zu beschädigen. Besonders auch in Fragen sexueller Sitten, mit denen Charlie zu kämpfen hatte.

 

Offensichtlich geht es manchmal auch anders. Ich habe gestern Abend wohl zum fünften Mal Stephen Frears "Gefährliche Liebschaften" gesehen, in dem die beiden Protas (und Kontrahenten) sich zu einem grausamen Spiel der Liebe und schamlosen Verführung animieren und die Sache auch gnadenlos durchziehen. Malkovich ist einfach superb in seiner Rolle als charmanter, skrupeloser Verführer. Ich meine, es stellt gut die Sitten des Rokoko-Hochadels dar, wo eine Marquise sich fragte, ob sie noch attraktiv genug sei, wenn sie nicht drei Liebhaber hat, Sitten, die dann mit der Revolution hinweggefegt wurden.

 

Als Zuschauer, obwohl beide Bösewichter sind und ihre Opfer zu Grunde richten (eine bis zum Tod), so verfolgt man doch amüsiert dem Plot und ist durchaus auf der Seite des Verführers. Es scheint ihn nicht zu beschädigen ... außer, natürlich, dass beide, im Fall, ihre Strafe verdienen. Da er sich wider Erwarten in sein Opfer verliebt, darf er den ehrenvollen Duelltod sterben. Glenn Close wird allerdings öffrntlich in der Oper für ihre Intrigen von der feinen Gesellschft ausgebuht.

 

Also Strafe muss ein, aber man liebt die Protas trotzdem.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Hallo Ulf,

 

das ist auch einer meiner Lieblingsfilme. Er beruht allerdings auf einem Roman aus der Zeit, d.h. die Darstellung ist schon deshalb recht zeitgemäß. Man darf trotz all der Intriganten aber nicht die herzensgute, moralisch aufrechte Madame Tourvel (Michelle Pfeiffer) vergessen. Sie ist zwar das Opfer, aber in gewisser Hinsicht triumphiert sie ja auch, da der zynische Verführer bei ihr erstmals schwach wird.

Frühere Zeiten waren eben auch sehr vielschichtig.

 

Das mit dem Bauchgefühl ist übrigens keine so schlechte Sache. Mir ist nach zwei (eigentlich ja schon drei) veröffentlichten Büchern auch noch nicht so ganz klar, was der Leser will. Zu moderne Charaktere werden durchaus bemängelt, wie man an diversen Rezensionen zu bekannten historischen Romanen sehen kann. Den Verkaufszahlen muss das aber nicht unbedingt schaden, wenn die Geschichte spannend und mitreißend genug ist.

 

Für mich bedeutet das Spagat, meine Figuren zwar in ihre Zeit einzubetten und eben nicht zu modern zu machen, aber sie auch so zu gestalten, dass sie mir persönlich noch sympathisch sind und ich ihr Handeln und Denken nicht nur intellektuell sondern auch menschlich völlig nachvollziehen kann. Dann kann ich nur hoffen, dass es den Lesern ebenso geht.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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