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MelanieM

Schwebende Perspektiven in Genre-Literatur

Empfohlene Beiträge

Wenn es ein Zweipersonenstück ist, geht es.

 

Ob man das aber verallgemeindern darf, wage ich zu bezweifeln. In einem Genre-Roman geht es nur bedingt - ob gleitend oder gesprungen (m.E. hier gesprungen).

 

Danke, Charlie, für Deine Aufklärung.

 

Natürlich dürfen wir alle experimentieren. Der Markt wird dann zeigen, ob die Übung gelungen war. ;D

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Natürlich dürfen wir alle experimentieren. Der Markt wird dann zeigen, ob die Übung gelungen war.

 

Ich mein's nicht boese und moechte um Himmels willen niemanden verletzen, aber dass der Markt da ein geeignetes Entscheidungskriterium ist, bezweifle ich ernsthaft, gerade in der Genreliteratur. Mir zumindest sind in juengerer Zeit zunehmend erfolgreiche Romane untergekommen, in denen die Perspektive wild und frei nach Schnauze gewechselt wird, ohne dass der geringste Grund dafuer erkennbar wird (und auch ohne dass ein erfreulicher Effekt erzielt wird, um ehrlich zu sein).

Was mich schliessen laesst, dass Lektoren das durchaus weniger krass sehen als wir. Und viele Leser - fuerchte ich - auch.

 

Wer ein Mittel wie Shifting Viewing Point gekonnt und an passender Stelle anwendet, wird ganz fraglos Lektoren wie Leser beeindrucken, auch wenn die das Mittel nicht benennen koennen (muessen die ja auch nicht), weil naemlich die Wirkung stimmt. Damit wuerde ich mich vorab, beim Trainieren des Mittels, keineswegs verrueckt machen, sondern einfach mal sehen: Ist es das, was ich erzielen wollte, geht das in die richtige Richtung? Und wenn ja, natuerlich das Uebliche tun: Ueberarbeiten, bis es passt.

 

Herzliche Gruesse von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Irina erschien auf der Schwelle des großen Schultores, ganz in ein hellgraues "Orenburger Tuch" gehüllt, ein Spitzentuch aus feinster Ziegenwolle. Es war Anfang März, der Wind blies bösartig. Kjamal sah ihre Weiblichkeit und ihre Schutzlosigkeit. Sie hatte das Tuch fest um sich geschlungen - wie ein Mädchen und gleichzeitig wie eine alte Frau.

Plötzlich begriff er, sah es mit eigenen Augen, wie sehr er sie im Stich gelassen hatte. Er schluchzte.

"Was hast du denn?", fragte Irina und hob die ohnehin hohen Brauen.

Kjamal schluchzte weiter und brachte kein einziges Wort heraus.

Irina wusste, dass bei ihm die Tränen locker saßen. Er weinte oft nach der Liebe, als könne er das Gewicht des Glücks nicht ertragen. Er weinte am Telefon, wenn er sich nach ihr sehnte. Kjamal war sentimental, er liebte es, auf die Tränendrüse zu drücken. Und jetzt, nachdem er von einer zehntägigen Dienstreise zurückgekehrt war, stand er da und heulte, der Dummerjahn.

Irina lächelte nachsichtig. Ihn auf der Schwelle des Schultores vor den Augen der älteren Schüler umarmen konnte sie nicht. Deshalb fragte sie: "Kommst du heute abend?"

"Ja", sagte Kjamal.

"Ich muss mich eilen", sagte Irina. "Ich hab eine Vertretungsstunde zu übernehmen."

Also ehrlich gesagt, hier sehe ich eher, warum man die Perspektive *nicht* wechseln sollte. Der Satz "Irina wusste, dass bei ihm die Tränen locker saßen." ist eigentlich überflüssig, micht stört er. Ohne ihn gäbe es gar keinen Perspektivwechsel.

 

Und die Erklärung, dass er sie nicht auf der Schwelle des Schultores umarmen konnte ebenfalls.

 

Ein bißchen möchte ich auch zwischen den Zeilen lesen. Also eher ein Beispiel für mich, warum so viele Leute auf Perspektivwechsel schwören: Weil sie ihren Lesern nicht trauen und Infos loswerden wollen.

 

 

[wer sieht das? Der auktoriale Autor? Oder Kjamal? - Ich finde, es könnten beide sein; dafür, dass es sich um seine Wahrnehmung handelt, spricht, dass der ganze folgende Gedanke zwar stimmig ist, aber auch seiner Gewissensberuhigung dient]

Das sagt offensichtlich der auktoriale Erzähler. Und auktoriale Erzähler können nun mal in die Köpfe ihrer Opfe - äh Personen - schauen.

 

Sol Stein beschreibt das, wie Norman Mailer in "Die Nackten und die Toten" das macht.

 

Und ich finde - dies der dramatische Mehrwert dabei - dass gerade so auch Spannung erzeugt wurde: Ab dem Moment, wo ich erfahre, dass Kjamal zum Beichten geht, steht die Frage an: O Gott, wie wird das ausgehen? Dann sehen wir Kjamal, wie er sich unter der Situation windet. Würde Irina insistieren und weiter fragen: "Was ist denn los?", würde das eine andere Situation schaffen, dann müsste er gestehen oder lügen. Kjamal müsste sie aufgeben oder stünde zumindest einen Tick unsympathischer da. Würden wir ihre Gedanken aus seiner Perspektive sehen, dann bekäme Kjamal einen lauernden, berechnenden Zug. So, wie es ist, finde ich es sehr, sehr realistisch: Zwei Leute reden, da jeder von seinem Gefühlshintergrund ausgeht, aneinander vorbei und vertagen damit die Katastrophe - auf die man als Leser (also ich jedenfalls) dann mit umso mehr Spannung wartet.

Das stimmt zwar, aber für mich ist das das normale Vorgehen eines auktorialen Erzählers. Und um den geht es bei der schwebenden Perspektive ja nicht, wurde hier gesagt.

 

Übrigens halte ich den Begriff "schwebende Perspektive" für etwas unglücklich. "shifting viewpoint" wäre ja wörtlich übersetzt "wechselnde Perspektive" (oder "Perspektivwechsel") und hätte nicht das statische, das dem Begriff "schwebend" anhaftet. Ich würde lieber von "hartem" oder "weichem" Perspektivwechsel sprechen. Und wie gesagt, Perspektivwechsel sind beim auktorialen Erzählen fast schon die Regel.

 

Hans Peter

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Hallo allerseits,

 

Charlies letzten Post möchte ich dick und rot unterstreichen. Die letzte Serie, die ich noch für einen Verlag lektoriere, ist eine Vampir-Liebesroman-Reihe, in der die Perspektive in vielen Szenen munter nach Lust und Laune wechselt (und zwar, zumindest nach meiner bescheidenen Meinung, ohne dass sich die Autorin dabei um stilistische Mittel geschert hätte). Mich stört das. Die Leser, die jedem der Serientitel auf die Bestsellerliste verhelfen, offenbar nicht. Ich habe noch nie eine Rezension gelesen, in der dies auch nur erwähnt worden wäre - und die Serie hat allein bei Amazon hunderte von Besprechungen.

 

Das soll natürlich absolut nicht bedeuten, dass ein Autor oder eine Autorin sich keine Gedanken um ihr Handwerkszeug machen sollte - aber ich glaube, der Effekt ist oftmals wichtiger als die Theorie, insbesondere, wenn es um Lesermeinungen geht.

 

Liebe Grüße,

Natalja

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aber dass der Markt da ein geeignetes Entscheidungskriterium ist, bezweifle ich ernsthaft, gerade in der Genreliteratur. Mir zumindest sind in juengerer Zeit zunehmend erfolgreiche Romane untergekommen, in denen die Perspektive wild und frei nach Schnauze gewechselt wird, ohne dass der geringste Grund dafuer erkennbar wird (und auch ohne dass ein erfreulicher Effekt erzielt wird, um ehrlich zu sein).

Ich lese gerade "Das andere Kind" von Charlotte Link. Die macht das auch hin und wieder und es ist mir nicht aufgefallen.

 

Aufgefallen war mir allerdings, dass sie immer wieder "Dachte x", "erinnerte sich Y" zu lesen ist. Offenbar der (unnötige) Versuch, diese Wechsel deutlich zu machen. Sie liebt auch kurze auktoriale Rückblenden, in denen vorhergehende Ereignisse zusammengefasst werden.

 

Das Buch ist spannend. Aber nicht wegen dieser Dinge, sondern trotz. Charlotte Link ist so erfolgreich, dass sie alles gegen einen Lektor durchsetzen kann, wenn sie will. Der normale Feld-, Wald- und WIesenautor kann das nicht. Zum Glück. Natürlich experimentieren Autoren gerne und noch lieber behaupten sie, ihre Fehler seien gewollt und spannungsfördernd. Ich halte das in den meisten Fällen für Schutzbehauptungen, tut mir leid.

 

Was mich schliessen laesst, dass Lektoren das durchaus weniger krass sehen als wir. Und viele Leser - fuerchte ich - auch.

Da weiß ich von Lektoren, die das sehr viel krasser sehen als wir hier. Und es gab auch schon einige Berichte darüber hier im Forum.

 

Hans Peter

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Das soll natürlich absolut nicht bedeuten, dass ein Autor oder eine Autorin sich keine Gedanken um ihr Handwerkszeug machen sollte - aber ich glaube, der Effekt ist oftmals wichtiger als die Theorie, insbesondere, wenn es um Lesermeinungen geht.

Da hast du recht. Wenn du die Dramaturgie und die Spannung beherrschst, kannst du dir ziemlich viel erlauben. Dann ist Stil oft völlig unwichtig und manches andere auch. Trotzdem würde ich daraus nicht folgern, dass man sich um diese Dinge gar nicht kümmern sollte.

 

Hans Peter

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Dass es viele machen, das Herumhüpfen in den Perspektiven, ist unumstritten, dass man damit auch Erfolgsromane schreiben kann, ebenfalls.

 

Aber diese Romane haben nicht Erfolg wegen der unsauberen Perspektiven, sondern trotz. Sie treffen thematisch den Nerv des Konsumenten.

 

Was mich im Grunde hier nur stört, ist, dass mit dem Freigeben des Perspektivewechsels als lauteres Mittel suggriert werden könnte, es sei unwichtig, sich darüber Gedanken zu machen. Wer schreiben will, sollte zu Beginn einige Regeln beachten, beispielsweise die Rechtschreibung. Wenn man die Regeln kennt und beherrscht, darf man sie brechen, weil man dann weiß, was man tut und warum.

Wenn man von vorneherein gesagt bekommt, dass alles erlaubt ist, was irgendjemand mal gemacht hat und damit Erfolg hatte, hat man keinen Rahmen, an dem man sich messen kann.

 

Aber das mag nur meine unmaßgebliche Meinung sein, weil ich gerne innerhalb von Grenzen experimentiere - inhaltlich und formal - um dann zu sehen, wo ich sie überscheiten kann, muss oder will.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Auffallend ist aber durchaus, dass schon Bestsellerautoren vergangener Jahrhunderte sich nicht groß um perspektivische Eindeutigkeit geschert haben. Vielleicht waren die Leser damals auch noch nicht so darauf geeicht, weiß ich nicht - aber man lese mal Alexandre Dumas: Der spingt lustig von einem Kopf in den anderen, wie's ihm gerade einfällt. Und trotzdem sind seine Schmöker auch heute noch spannend zu lesen, schlagen locker 80% des zeitgenössischen Outputs, was Unterhaltungswert anbelangt.

 

Letzten Endes kommt es eben einzig darauf an: Ist es so geschrieben, dass man weiter lesen will? ;)

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Letzten Endes kommt es eben einzig darauf an: Ist es so geschrieben, dass man weiter lesen will?  ;)

 

Ja. Dass man trotzdem weiterlesen will. So geht es mir jedenfalls. Ich hab noch kein Buch erwischt, bei dem die Perspektive fröhlich wechselt und irgendwie erkennbar gewesen wäre, dass eine höhere Kunst dahinter steckt. Eher vermute ich immer: Der Autor (egal wie erfolgreich er nun ist) hat das gemacht, weil er sich mit dieser Frage noch nie beschäftigt hat. Täte er es, würde er die Perspektiven trennen.

 

Und mir hat man auch schon Wildwechsel in streng getrennte Perspektiven reinlektoriert.

 

Sabine

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Vielleicht waren die Leser damals auch noch nicht so darauf geeicht

 

Sind sie heute auch nicht, wie wir gesehen haben  :D

 

aber man lese mal Alexandre Dumas: Der spingt lustig von einem Kopf in den anderen, wie's ihm gerade einfällt. Und trotzdem sind seine Schmöker auch heute noch spannend zu lesen, schlagen locker 80% des zeitgenössischen Outputs, was Unterhaltungswert anbelangt.

 

Alexandre Dumas erzeugt bei mir immer locker-lustig-spannende Bilder, ja, ich habe beim Lesen den Eindruck, das ist seine "Marke" und seine Zeit. In heutigen Unterhaltungsromanen möchte ich das aber nicht lesen. Für mich ist, unabhängig davon, wie die Perspektivewechsel geschehen, nicht allein die Spannung, sondern der Lesefluss maßgeblich. Und da darf jeder Autor machen, was er will, wenn es mich nur nicht rausschmeißt.

Ich habe mal einen Bestseller-Liebesroman aus der Hand gelegt, ein Zwei-Personen-Stück, in dem die Perspektiven verschwammen. Das hat mich einfach draußen gelassen.

 

Ist es so geschrieben, dass man weiter lesen will?  ;)

 

Das haben bei mir nur wenige Bücher geschafft (z.B. Alexandre Dumas oder Tolstoi)

 

Christa

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Was mich im Grunde hier nur stört, ist, dass mit dem Freigeben des Perspektivewechsels als lauteres Mittel suggriert werden könnte, es sei unwichtig, sich darüber Gedanken zu machen.

 

Hallo Andrea,

ich habe die ersten Posts noch mal nachgelesen und finde niemanden, der sagt: Wisst ihr was, ist doch alles wurscht, macht euch doch nicht so viele Gedanken, macht es doch grade wie es euch in den Kopp kommt. Im Gegenteil: Ein "schwebender" oder "gleitender" Perspektivwechsel von einer personalen zu einer personalen Perspektive erfordert sehr viele Gedanken. Wie bekomme ich den Wechsel gleitend hin? Welche Marker helfen mir da? Welche stören das Gleiten? Usw.

 

Wir haben hier lediglich über dieses existente Stilmittel gesprochen - das auch keine unsaubere Perspektive ist. Melanie hat nach dem sanften Perspektivwechsel gefragt, einem Perspektivwechsel der bewusst gesetzt und vorbereitet wird. Das ist keiner, der einfach so passiert. Denn, dass etwas nahezu unmerklich stattfindet, der Leser in seinem Fluss nicht gestört wird, bedeutet ja ganz genaues Arbeiten und Feilen und Überarbeiten...

 

Was dir vielleicht diesen Eindruck vermittelt haben könnte, ist die Sache mit dem Experimentieren. Aber: Wie soll man ein Stilmittel kennenlernen, trainieren können, wenn man es nicht ausprobiert? Wenn man nicht experimentiert? Das bedeutet doch aber nicht automatisch, dass man dann gleich "frei nach Schnauze" schreibt! Gerade beim Experimentieren "muss" man doch die Gesetzmäßigkeiten und Wirkungen der einzelnen Stilmittel kennen, sonst kann man doch vorher gar nicht überlegen, welche man kombinieren "muss". Und hinterher nicht abschätzen, ob das Experiment aufgegangen ist.

 

Dass beim Finden der "richtigen" Kombination für einen Roman auch viele Umwege gemacht werden, dass man sich mit der Wahl eines Stilmittels auch mal selbst ins Knie schießt - das ist doch normal. Die meisten Maler übermalen ihr Bild mehrmals, bevor es an der Wand hängt.

 

Liebe Grüße

Lisa

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Was mich im Grunde hier nur stört' date=' ist, dass mit dem Freigeben des Perspektivewechsels als lauteres Mittel suggriert werden könnte, es sei unwichtig, sich darüber Gedanken zu machen. [/quote']

 

Das habe ich auf gar keinen Fall sagen wollen! Und ich glaube/hoffe, auch sonst niemand.

Im Gegenteil.

Mich stoeren Perspektivbrueche gewaltig. Und zwar so, dass ich NICHT weiterlese. Auch nicht trotzdem. Ich bilde mir aber ein, unterscheiden zu koennen zwischen einem Perspektivbruch, der stattfindet, weil ein Autor keine Lust hatte, sich mit dem doofen Zeugs zu befassen, und einem Perspektivwechsel, der als bewusstes Mittel eingesetzt ist. (Und wenn ich's nicht merke, hat's der Autor eben gut gemacht und mich macht's nicht heiss.) Wie gesagt, ich finde Stewart O'Nan und Kirsten Schuetzhofer sehr lehrreich, wenn man sich ansehen moechte, wie dieses Mittel gekonnt, sinn- und eindrucksvoll eingesetzt werden kann.

 

Was Du anschneidest, Andrea, das Experimentieren innerhalb von Grenzen und ebenso das Ueberschreiten einer BEKANNTEN Grenze, finde ich sehr wichtig. Haeufig deklarieren ja Autoren ihre handwerklichen Schwaechen als Grenzueberschreitungen - eine Grenze kann aber natuerlich nur ueberschreiten, wer sie kennt und sich an ihr erprobt hat, alles andere ist (Ausnahmen bestaetigen, blinde Huehner finden usw.) zum Scheitern verurteilt.

 

Das war aber in dieser Diskussion m.E. kein Problem, da ja alle sich halbwegs einig waren, was bei der Verwendung des Mittels wie ueberschritten werden muss - oder auch nicht ueberschritten werden darf.

Es handelt sich beim Shifting View Point ja nicht um eine Grenzueberschreitung - sondern um die Anwendung eines Mittels, das durchaus eigene strenge Grenzen hat.

 

Mir hat uebrigens eine aufmerksame Blanvalet-Lektorin (gluecklicherweise!) einen geschlampten Perspektivbruch locker angekreidet, einen bewusst gesetzten Umschwung/Shift hingegen noch betont. Mein Beweis dafuer, dass Lektoren (sicher nicht alle, aber die, die wir moegen) durchaus in der Lage sind, zu unterscheiden.

Ich wuerde mithin raten, das gelassen zu sehen und erstmal auszuprobieren. Streichen kann man immer.

 

Alles Liebe von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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P.S.: Mein Beitrag und der von Lisa haben sich ueberschnitten, fuer eventuelle Dopplungen bitte ich um Entschuldigung.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ich glaube nicht, dass ein dramaturgisches oder stilistisches Mittel durch seinen missbräuchlichen oder falschen Gebrauch zu diskreditieren ist, so wenig wie gute Sprache durch schlechte. Das Kriterium für mich als Leser ist nicht: Wie oft wechselt der Autor innerhalb der Szene die Perspektive? sondern: Funktioniert es? Was bringt es? Zusätzliche Spannung? Einen (gewollten!) Bruch? Entsteht eine Leerstelle, ein Geheimnis, somit Spannung, wenn die Perspektive an einer bestimmten Stelle wechselt? Manchmal möchte ich als Leser übrigens auch aus dem Lesefluss gerissen werden! Über die unmotivierten dramaturgischen Kniffe, schlecht gemachten Texte und sonstige Grausamkeiten müssen wir hier nicht diskutieren. Ich finde aber: Autoren (und Lektoren!) sollten die Leser nicht unterschätzen und sich ruhig etwas trauen. (Das sage ich ausdrücklich als Leser!) Aber eben: Sie müssen wissen, wann sie was aus welchem Grund tun!

 

Was Alexandre Dumas angeht: Ich habe bisher nichts von ihm gelesen, daher meine Frage: Schreibt er wirklich personal, so wie wir es heute verstehen? Im 19. Jahrhundert war die gängige Erzählweise ja eher die auktoriale, die das Springen von Kopf zu Kopf erlaubt. Unsere Perpektivprobleme haben wir uns doch erst mit der "Abschaffung" des auktorialen Erzählers eingehandelt, nachdem "Gott ist tot!" ausgerufen war.

 

Und dass Stil (oft) unwichtig sei, wenn Daramturgie und Spannung stimmen, will ich überhört haben. ;) Stil ist immer wichtig!

 

Liebe Grüße

Andreas

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Was Alexandre Dumas angeht: Ich habe bisher nichts von ihm gelesen' date=' daher meine Frage: Schreibt er wirklich personal, so wie wir es heute verstehen? Im 19. Jahrhundert war die gängige Erzählweise ja eher die auktoriale, die das Springen von Kopf zu Kopf erlaubt. Unsere Perpektivprobleme haben wir uns doch erst mit der "Abschaffung" des auktorialen Erzählers eingehandelt, nachdem "Gott ist tot!" ausgerufen war.[/quote']

 

Nein, er schreibt auktorial (habe gerade "Die Bartholomeusnacht" vor mir liegen.)

Er tritt sogar als Ich-Beobachter auf und schickt seine Blicke in Vergangenheit und Zukunft. Zu meinem Erstaunen (habe jetzt ein paar Seiten gelesen)macht er gar nicht so heftige Sprünge mit den Perspektiven, und wenn, dann passen sie zur auktorialen Perspektive.

 

Frage: Ist die auktoriale Perspektive wirklich abgeschafft worden? Und wenn, wer hat sie abgeschafft?

 

Grüße

Christa

 

 

Und dass Stil (oft) unwichtig sei, wenn Daramturgie und Spannung stimmen, will ich überhört haben.   ;)  Stil ist immer wichtig!

 

Liebe Grüße

Andreas

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Frage: Ist die auktoriale Perspektive wirklich abgeschafft worden? Und wenn, wer hat sie abgeschafft?

 

Die darf noch immer.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Was Alexandre Dumas angeht: Ich habe bisher nichts von ihm gelesen, daher meine Frage: Schreibt er wirklich personal, so wie wir es heute verstehen? Im 19. Jahrhundert war die gängige Erzählweise ja eher die auktoriale, die das Springen von Kopf zu Kopf erlaubt.

Unsere Perpektivprobleme haben wir uns doch erst mit der "Abschaffung" des auktorialen Erzählers eingehandelt, nachdem "Gott ist tot!" ausgerufen war.

Ja, die ganzen Autoren im 19. Jahrhundert haben fast alle auktorial geschrieben. Und da arbeitest du mit Perspektivwechseln, wenn du den Leser in die Personen mitnehmen willst. Allerdings sind die meisten damaligen Autoren - anders als Alexander Dumas - denn auch heute fast unlesbar ;-).

 

Und dass Stil (oft) unwichtig sei, wenn Daramturgie und Spannung stimmen, will ich überhört haben.   ;)  Stil ist immer wichtig!

Schön wär`s. Aber es gibt genügend Gegenbeispiele, von Autoren, die sich auf Dramatik und Spannung verlegen und alles andere interessiert sie nicht. Und trotzdem schreiben sie Bestseller. Für die meisten Leser sind eben Dramatik und Spannung ausschlaggebend, egal ob uns das gefällt oder nicht.

 

Hans Peter

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Aber uns hier ist der Stil wichtig, sonst würden wir nicht über Stilmittel diskutieren. Oder?

Ich gehöre zu denen, die Schnitzer in der Perspektive als sehr störend empfinden. Trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb, finde ich es sehr interessant, mir anzuschauen, wie es wirkt, wenn ein Autor in einem Genre-Roman ständig im Textfluss die Perspektive wechselt. Zum Beispiel kann man dadurch Spannungen und Ungewissheiten "weichspülen" und ein wohliges Gefühl der Sicherheit und Orientiertheit erzeugen. (Und bevor alle aufschreien: Woher weiß ich denn, dass ich nicht genau diesen Effekt einmal brauche?) Oder es kann dem Leser das Gefühl geben, dass er mitten dabei ist, Teil einer Gruppe, nicht nur an eine Person gefesselt.

 

Weitere Beispiele wären mir sehr willkommen.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Zum Beispiel kann man dadurch Spannungen und Ungewissheiten "weichspülen" und ein wohliges Gefühl der Sicherheit und Orientiertheit erzeugen. (Und bevor alle aufschreien: Woher weiß ich denn, dass ich nicht genau diesen Effekt einmal brauche?) Oder es kann dem Leser das Gefühl geben, dass er mitten dabei ist, Teil einer Gruppe, nicht nur an eine Person gefesselt.

 

Weitere Beispiele habe ich gerade nicht. Das kann so sein, kann es mir vorstellen. Bei mir hat es bisher eher zu Unsicherheit und Desorientierung geführt, dass ich nicht mehr wusste, wer jetzt eigentlich spricht, fühlt und denkt und mich mit einem Gefühl der Verwirrung zurückließ. Da gibt es sicher Meister, die das können

und uns das Gefühl geben, mitten dabei zu sein.

 

Herzlichst

Christa

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Hallo Andrea,

eine "schwebende Perspektive" bedeutet gerade, dass man nicht "springt". Sie ist ein gleitender Wechsel von zum Beispiel der einen personalen Perspektive in die andere(n) personale(n) Perspektiven in dieser Szene/diesem Kapitel. Gleitend bedeutet: In der Erzählhaltung wird der Wechsel vorbereitet, so dass er möglichst fließend stattfindet - wie eine vorsichtige Schärfenverlagerung, wenn man so will. Das heißt: Der Autor entfernt sich über bestimme Marker langsam von der einen personalen Perspektive und nähert sich der anderen an. Zum Beispiel: Hatte der Autor zu Figur A eine nahe Erzählhaltung eingenommen, so wechselt er jetzt gleitend in eine distanziertere, gleichzeitig nimmt er zu Figur B, zu der er bisher eine distanzierte Erzählhaltung hatte, eine nahe ein. Und umgekehrt.

 

Hallo Lisa,

 

ich finde das Thema spannend, weil ich bisher personal geschrieben habe, mich aber in letzter Zeit häufiger dabei ertappe zu überlegen: Warum muss ich die ganze Szene eigentlich ausschließlich aus dem Blickfeld von X beschrieben werden, ich kann doch auch mal überblenden zu Y, und dann etwas aus seiner Sicht hinzufügen. Ganz so, wie in den beiden Beispielen von Sven auf der ersten Seite dieses Threads.

 

Ein Beispiel aus meinem aktuellen Buch, eine Szene, in der der Jounalist Tom eine Frau, Juli, zu sich nach Hause eingeladen hat:

 

Tom wusste, dass seine Wohnung keinen sonderlichen Eindruck machte. Gemeinsam mit Anne waren die meisten Gegenstände verschwunden, die den Ort wohnlich gestaltet hatten. Die Staubfänger, wie er sie nannte: Bilder, Stehlampen, Vasen, Dekostücke und andere Artefakte. Er brauchte all das weder zum Arbeiten noch zum Fernsehen oder zum Schlafen. Jetzt, zum ersten Mal seit einem Jahr, vermisste er die ganzen Sachen. Nicht um ihretwillen, sondern weil er schätzte, dass das Aussehen seiner Wohnung Juli als ein Abbild seines Innenlebens vorkommen könnte. Jedenfalls würde er selbst so denken. Und aus Gründen, die ihm selbst nicht ganz klar waren, wollte er ihr gegenüber einen möglichst positiven Eindruck machen.

"Schön, dass du so schnell kommen konntest", sagte er und führte sie zügig ins Wohnzimmer, das von allen Räumen am meisten Mobiliar bot.

"Setz dich doch", sagte er und wies auf das an der Wand stehende Sofa, das er selbst kaum benutzte. Auf dem Couchtisch davor hatte er sein Macbook aufgebaut. "Möchtest du einen Kaffee?"

"Klar", gab sie zurück, setzte sich aber nicht hin, sondern trat an das Fenster, das in die Wipfel der an der Straße stehenden Bäume sah.

"So ein Kaffeepad?", rief er aus der Küche.

"Nur zu!", erwiderte sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Die Enthaltsamkeit, die aus allem sprach, sagte ihr, dass Tom vermutlich nur selten Besuch hatte oder einfach keinen Wert auf eine umfangreiche Ausstattung legte. Vielleicht beides. Der polierte Holzbohlenboden und die ordentlich restaurierten Stuckelemente an der Decke verrieten ihr, dass die Wohnung frisch saniert und keinesfalls billig war. Also hätte es sich der Journalist sicher auch leisten können, die Wohnung etwas herzurichten. Aber es wirkte alles etwas trostlos. Oder vielleicht war einsam das richtig Wort. Aber lieber das, als eine verspielte Junggesellenbude, in der zwischen den Stapeln dreckiger Wäsche noch der Pappkarton der Pizza vom letzten Abend, das Vorlesungsverzeichnung der Uni, ein Mopedhelm und eine Playstation lagen. Dieser hier war ganz offensichtlich wenigstens erwachsen.

 

Es beginnt mit der Perspektive von Tom, und als er zum Kaffeemachen in die Küche geht, bleibt die Perspektive bei ihr, die sich nun ihre eigenen Gedanken macht.

Ich habe solche Perspektivwechsel bisher weder für verwerflich, noch für hohe Kunst gehalten. Logisch war für mich nur, dass man die Überblendung kurz deutlich macht, zum Beispiel, indem man den Namen der anderen Person nennt, oder was auch immer nötig ist, um den Fokus zu verschieben, und dann ist man bei ihr und kann eine Beobachtung aus ihrer Sicht einfügen.

 

Leider war ich in deinem Workshop nicht drin, wie ich ja aus logistischen Gründen nie bei den Workshops dabei sein kann. Was du oben erwähnst, klingt mir wesentlich komplizierter, mit "Schärfenverlagerung" und "Markern", und etwas zu abstrakt, um zu verstehen, was du meinst.

 

Kannst du ein konkretes Beispiel für die Art von "Schwebender Perspektive" nennen, die du meinst? Oder sagen wir mal von "gleitendem Perspektivübergang" und inwiefern er sich von Sven oder meinem Beispiel unterscheidet?

 

Gruß,

 

Andreas

 

PS: Um auf Melanies Eingangsfrage zurückzukommen: "Mich würden da eure Meinungen interessieren - wie verhält sich der Einsatz eines derartigen stilistischen Mittels (immer vorausgesetzt, man kriegt es gut hin) in der Genre-Literatur? Oder ist es besser, beim altbewährten Strickmuster zu bleiben?"

Ich schreibe Genreliteratur, und ich mache mir keinen Kopf darüber, ob ich das darf oder nicht, ich tue es einfach, und bisher hat sich noch niemand beschwert. Ich wüsste auch nicht warum.

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Hallo Andreas,

ich versuch's :-)

 

"Endlich konnt  er (Leo) sehen, was Brodsky zum Halten gebracht hatte: Ein eisbedeckter Fluss, um die 20 Meter breit, lag zwischen ihm und dem Wald. Vom Hügel aus war der nicht zu sehen gewesen, weil er unter einer dünnen Schneeschicht verborgen lag, die sich auf der gefrorenen Oberfläche gebildet hatte. Leo rief ihm zu: "Es ist vorbei!"

Anatoli erwog diese Worte, dann wandte  er sich wieder dem Wald zu und trat auf das Eis hinaus. Seine Schritte waren unsicher,  er rutschte über die glatte Oberfläche."

 

Hier entsteht ein flüssiger Wechsel. Ich hab dir die "Marker" mal fett gemacht. Zuerst ist die Perspektivfigur Leo im nahen "er" (einen näheren Marker gibt es beim personalen Erzähler nicht, vom "ich" in den direkten Gedanken der Figuren mal abgesehen) und der "andere" wird mit einem sehr distanzierten "Marker" bezeichnet, seinem Nachnamen (Brodsky). So, dann wird der Wechsel vorbereitet, indem das "er" zu Leo wird, was auch wieder ein distanzierterer "Marker" als das er ist. Gleichzeitig wird aus dem sehr distanzierten Nachnamen Brodsky der Vorname Anatoli, wir "rücken" also näher an den "anderen" heran. Das ist der Moment, wo man beiden gleich nah ist, Leo und Anatoli, zwei Vornamen. Dann wird aus Anatoli der nahe "Marker" er.

 

Das ist natürlich nur eine von vielen Möglichkeiten in der Perspektive hin und her zu gleiten. So, wie die Nach und Vornamen hier eingesetzt werden, gehe ich davon aus, dass der Autor das bewusst gemacht hat. Wenn er einfach nur eine "er" Anhäufung oder ein Aufeinandertreffen der beiden "ers" hätte vermeiden wollen, hätten es zum Beispiel auch die Vornamen getan. Oder nur die Nachnamen.

 

Moment...

 

Liebe Grüße

Lisa

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Also müsste Andreas schreiben: "Nur ein Kaffeepad", rief Tom aus der Küche?

Das ist ja die Stelle, an der es wechselt, und wir bei IHR bleiben.

Liebe Grüße, Susanne

 

"Books! The best weapons in the world!" (The Doctor)

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Tom wusste, dass seine Wohnung keinen sonderlichen Eindruck machte. Gemeinsam mit Anne waren die meisten Gegenstände verschwunden, die den Ort wohnlich gestaltet hatten. Die Staubfänger, wie er sie nannte: Bilder, Stehlampen, Vasen, Dekostücke und andere Artefakte. Er brauchte all das weder zum Arbeiten noch zum Fernsehen oder zum Schlafen. Jetzt, zum ersten Mal seit einem Jahr, vermisste e die ganzen Sachen. Nicht um ihretwillen, sondern weil er schätzte, dass das Aussehen seiner Wohnung Juli als ein Abbild seines Innenlebens vorkommen könnte. Jedenfalls würde er selbst so denken. Und aus Gründen, die ihm selbst nicht ganz klar waren, wollte er ihr gegenüber einen möglichst positiven Eindruck machen.

"Schön, dass du so schnell kommen konntest", sagte er und führte sie zügig ins Wohnzimmer, das von allen Räumen am meisten Mobiliar bot.

"Setz dich doch", sagte er und wies auf das an der Wand stehende Sofa, das er selbst kaum benutzte. Auf dem Couchtisch davor hatte er sein Macbook aufgebaut. "Möchtest du einen Kaffee?"

 

Bis hier verwendest du für Tom den nahen "Marker" er. Bei Juli geht es gleich nah weiter:

 

"Klar", gab sie zurück, setzte sich aber nicht hin, sondern trat an das Fenster, das in die Wipfel der an der Straße stehen den Bäume sah.

 

Bei Tom bleibst du nah:

"So ein Kaffeepad?", rief er aus der Küche.

 

Bei Juli auch:

"Nur zu!", erwiderte sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen.

 

Ein fließenderer Wechsel - also einer, bei dem du dich "vorbereitend" von der einen Figur "weg und auf die andere zubewegst" wäre meiner Meinung nach so:

 

"Setz dich doch", sagte er und wies auf das an der Wand stehende Sofa, das er selbst kaum benutzte. Auf dem Couchtisch davor hatte er sein Macbook aufgebaut. "Möchtest du einen Kaffee?"

"Klar", gab Juli zurück, setzte sich aber nicht hin, sondern trat an das Fenster, das in die Wipfel der an der Straße stehen den Bäume sah.

"So ein Kaffeepad?", rief Tom aus der Küche.

"Nur zu!", erwiderte sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen.

 

Und dann bist du ja bei ihr. Wenn du den Moment der "Gleichschaltung", also die Stelle, an der du beide Vornamen nennst, nicht willst, dann geht auch:

Auf dem Couchtisch davor hatte er sein Macbook aufgebaut. "Möchtest du einen Kaffee?"

"Klar", gab sie zurück, setzte sich aber nicht hin, sondern trat an das Fenster, das in die Wipfel der an der Straße stehen den Bäume sah.

"So ein Kaffeepad?", rief Tom aus der Küche.

"Nur zu!", erwiderte sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen.

 

Es gehen sicher auch noch zig andere Varianten, auch andere Marker, die für Nähe oder Distanz sorgen, also eben alles, was sprachlich wie ein Zoom wirkt - aber dafür bin ich jetzt zu müde  :s14

 

PS: Um auf Melanies Eingangsfrage zurückzukommen: "Mich würden da eure Meinungen interessieren - wie verhält sich der Einsatz eines derartigen stilistischen Mittels (immer vorausgesetzt, man kriegt es gut hin) in der Genre-Literatur? Oder ist es besser, beim altbewährten Strickmuster zu bleiben?"

Ich schreibe Genreliteratur, und ich mache mir keinen Kopf darüber, ob ich das darf oder nicht, ich tue es einfach, und bisher hat sich noch niemand beschwert. Ich wüsste auch nicht warum.

 

Fred Vargas, die Krimis schreibt, wurde schon genannt, wobei sie eher auktorial ist. Dann eben Stewart O'Nan. Auch entdeckt habe ich das bei dem letzten Krimi, den ich gelesen habe, "Das Schiff" von Stefan Mani (Isländischer Krimipreis 2007). Der wechselt auch mehrfach die personale Perspektive innerhalb von einer Szene.

 

Mich stören nur die unsauberen Perspektivbrüche. Ansonsten folge ich jedem Autor, wenn ich merke, dass er sein Handwerk beherrscht, egal ob Genre- oder E-Literatur.

 

Liebe Grüße

Lisa

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Also kurz zusammengefasst, du sagst, dass das Personalpronomen etwas größere Nähe schafft, während die Verwendung des Name etwas größere Distanz schafft, und dass man also durch gezielten Verwenden von je einem der beiden den Übergang eines Perspektivwechsels weicher machen kann?

 

Andreas

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